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und wieder der Sinn des Lebens...

BeitragVerfasst: Fr 9. Jul 2004, 18:39
von Didimus
Die Premisse meiner Überlegungen ist, das es Gott und ein Leben nach dem Tod gibt. Für einen Atheisten machen diese Sätze vielleicht wenig Sinn. Ich hoffe aber dennoch, dass jeder diesen Gedanken eine unvoreingenommene Chance gibt. Ich bin Christ und somit argumentiere ich mit den Begriffen eines Christen, weil ich nun mal in diesem Kulturkreis aufgewachsen bin. Ich glaube aber, dass es unerheblich ist, welcher Religion wir angehören, da es ohnehin nur einen Gott gibt; die unterschiedlichen Religionen interpretieren und beschreiben ihre Vorstellungen von Gott und einem Leben nach dem Tod unterschiedlich. Was zum Streit der Religionen führt, sind die Beschreibungen und Interpretationen und die daraus resultierenden Gebote und Gesetze und der Anspruch, dass der eigene Weg der einzig Seligmachende ist.
Was ist der Sinn des Lebens?
Zunächst glaube ich, dass entscheidend ist, wer sich diese Frage stellt.
Das kann auf der einen Seite der Mensch sein, für den es unerheblich vielleicht sogar widersprüchlich ist, dass es ein Leben vor seiner Geburt und nach seinem Tod gibt. Auf der anderen Seite kann sich die gleiche Frage jemand stellen, für den ein Leben jenseits dieser Welt zum wesentlichen Selbstverständnis gehört. Zwischen diesen beiden Menschen gibt es selbstverständlich eine Vielzahl von Schattierungen.
Für mich ist das Leben nach dem Tod ebenso gewiss, wie ein Leben vor den Tod (also unser Leben hier auf dieser Welt). Es gibt genügend philosophische Ansätze, die selbst das Leben vor dem Tod schlüssig in Frage zu stellen vermögen und damit ganzen Bibliotheken füllen. Decartes hat in seiner „Meditationes de prima philosophia“sehr eindruckvoll nach einem Hinweis oder Beweis für unsere Existenz gesucht. Letztlich war für ihn die Fähigkeit zu denken besser noch zu zweifeln der wesentliche Hinweis, dass wir und alles „Seiende“ tatsächlich existieren.
Natürlich ist es möglich, Dank unsres Verstandes alles in Zweifel zu ziehen, sogar unseren Verstand selbst und letztlich uns Menschen und unsere Existenz. Darum ist es bei jeder Vermutung, jeder Theorie und jedem Konstrukt notwendig, Prämissen zu setzen, von denen man ausgehen kann, ausgehen muss, selbst wenn man Gefahr läuft, dass dies die wesentliche Schwachstelle unserer Vermutung ist. Meine Prämisse ist die Annahme, dass es einen uns liebenden Gott gibt und dass es ein Leben vor und nach diesem irdischen Leben gibt. Ich möchte erst gar nicht damit beginnen, scheinbare oder tatsächliche Beweise für ein Leben jenseits dieser Welt und einen allmächtigen Gott aufzufahren, letztlich geht ein für und wieder in einem Remis aus. Viele der so genannten „Gottesbeweise“ entpuppen sich oft als Wort oder Gedankenspiel, die leicht zu entkräften sind.
Kommen wir aber zurück zum Grund, warum wir hier auf dieser Welt sind. Es gibt unterschiedliche Wege an dieses Thema heranzugehen; meiner war die Theodizee-Frage. Es hat mich als Christ schon immer geärgert, darauf keine befriedigende Antwort zu haben. Ich glaube, dass ein wesentlicher Fehler bei der Beurteilung und Analyse des Theodizee-Problems derjenige ist, dass Böses und Gutes einer Handlung gemeinhin isoliert und ohne kausalen Bezug zum „Vorher“ und „Nachher“ einer Handlung oder eines Ereignisses gesehen werden. Das Vorher und Nachher einer Handlung oder eines Ereignisses macht diese selbst nicht besser oder schlechter, doch ist es notwendig, sich bei dem Ruf nach einem allmächtigen und barmherzigen Gott, der scheinbar „davor“ seine Augen verschließt oder vielleicht doch nicht so allmächtig zu sein scheint, die Handlung /das Ereignis und deren Folgen (gut wie böse) als Ganzes anzusehen.
Ein Argument (dieses Argument wird häufig genannt im Zusammenhang mit der Theodizee-Frage) , warum ein allmächtiger und liebender Gott Leid, Folter Mord etc. zulässt, ist Freiheit in aller Konsequenz. Wir sollen uns in jeder Handlung und Äußerung frei für das Gute oder das Böse entscheiden. Dies gerade dann schwer zu verstehen, wenn diese Freiheitsäußerung auf kosten anderer geht.
Ein Beispiel: Zwei Männer werden aus irgendeinem Grund (Hautfarbe, Religion etc.) von einer wütenden Meute durch die Strassen gejagt und beschimpft. Die verfolgten Männer durchleben Todesängste und rennen so schnell sie könne um ihr Leben. Einer der Beiden stürzt, so dass seine Peiniger ihn fassen und erschlagen. Der andere rennt weiter; voller Angst, ihm könne das gleiche passieren. Eine Frau, die dieses furchtbare Schauspiel von ihrer Haustür beobachten konnte, entschließt sich, dem zweiten Mann zu helfen und winkt ihn in einem günstigen Moment zu sich in die sichere Wohnung.
Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass gute wie bösen Handlungen oder Ereignisse nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Die mir bekannten Theodizee-Ansätze würden sofort danach Fragen, wie ein liebender Gott eine solche Verfolgung zulassen kann.
Sinnvoll ist es aber zu fragen, was selbst aus einer bösen Handlung erwächst.

Ereignisse wie der 11. September oder der Holocaust haben auch Gutes hervorgebracht (ohne Gutes gegen Böses aufwiegen zu wollen, so, als wolle man am Ende auf die „göttliche Waage“ sehen, was überwiegt), nämlich, dass Menschen sich anderen Menschen angenommen haben, ihnen Trost und Zuflucht gespendet haben. All die guten Taten wären ohne diese furchtbaren und schrecklichen Ereignisse nie eingetreten. Das heißt nicht, es muss Böses geben, damit es Gutes geben kann. Es meint nur, dass Böses und Gutes nicht isoliert betrachtet werden darf. Alles ist miteinander verwoben; wir Menschen und unsere Handlungen sind miteinander verwoben. Wir sind für den „Anderen“ verantwortlich und er für uns! Tun wir einem anderen Menschen etwas böses an, so tun wir auch uns etwas böses an.

Warum sind wir aber hier? Wozu all das?

Der Sinn, warum wir hier auf dieser Welt sind, muss etwas enthalten, was wir dort, woher wir kommen und wieder zurückkehren, nicht enthält, hier aber in der Materie sehr wohl vorhanden ist. Sonst hätte es keinen Sinn, hier zu sein. Es muss etwas geben, das nur hier möglich ist. Einst kam es zu einem Bruch zwischen uns und Gott und wir erhielten dafür die Erkenntnis, Gutes vom Bösen zu unterscheiden. Das machte uns erwachsen, lud aber auch die Verantwortung auf uns, selbst zu entscheiden ob wir zurück zu Gott wollen oder nicht; Wir haben die Fähigkeit zu erkennen und die Freiheit zu entscheiden. Die Unrast, die jeder Mensch in sich spürt, die Leere, die wir empfinden, obwohl wir vermeidlich alles besitzen, was uns zufrieden machen könnte, ist die Erinnerung an diesen Bruch und die Sehnsucht, wieder zu Gott zu kommen als freie Wesen. Der Ausdruck dieser Sehnsucht und die Suche zeigen sich in den Religionen dieser Welt (völlig gleich welche). Was ist es, das wir nur hier auf dieser Welt vermögen im Himmel aber nicht (ich nenne es mal Himmel, um es nicht ständig zu umschreiben, ihr könnt jeden anderen euch bekannten und bevorzugten Begriff dafür wählen…)? Ich glaube, dass es da tatsächlich etwas gibt, dass nur hier möglich ist. Weil es hier etwas gibt, was es bei Gott nicht gibt. Der Himmel ist die größtmögliche Nähe zu Gott. Gott ist das reinste, barmherzigste gütigste, das existiert. Die Hölle ist die größtmögliche Distanz zu Gott, also kein wirklicher Ort sonder ein Zustand. Gott ist die Essenz des Guten, in seiner Nähe kann es das Böse nicht geben. Hier auf Erden gibt es das Böse durchaus und das ist der wesenhafte Unterschied zwischen dieser Welt und der dortigen Welt bei Gott. Es gibt hier auch das Gute und wir haben die Gabe beides voneinander zu unterscheiden. Der Sinn des Lebens ist das Wandeln des Schlechten ins Gute. Das ist nur in dieser Welt (ich meine nicht speziell diese Erde sondern die materielle Welt) möglich. Die Werkzeuge, die wir zur Verfügung haben sind die Erkenntnis, die Liebe und die Freiheit. Jede Begegnung, jedes Gespräch, jede Handlung ist eine neue Chance, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden. Eine Bestrafung für „böse Taten“ wird es nicht geben nur eine freie Entscheidung für oder gegen Gott, für mich oder gegen mich. Wir hab die Freiheit uns zu entscheiden, Gott wird sich in diese Entscheidung nicht einmischen.

Ich hoffe, ich konnte meine Gedanke einigermaßen verständlich formulieren und sorry, wenn es stellenweise zu religiös erscheint

Gruss DIDIMUS

Ausnahmsweise mal friedlich

BeitragVerfasst: Fr 9. Jul 2004, 19:44
von Maurice
Nur damit niemand fragt, warum ich (außer diesen Post) zu diesem Thema schreibe, obwohl ich bei solchen Themen immer dabei bin: Das wirkt auf mich ganz nach einer Selbstbeweiräucherung der Religion aus, und atheistische Ansichten scheien hier kaum erwünscht zu sein, deshalb halte ich mal ausnahmsweise raus.
Wie Artanis so schön sagt:
/leaves Thread :D


PS. Ich lasse die Tür aber einen Spalt weit aus und beobachte den Thread, weil sich ja vielleicht dennoch eine interessante Diskussion für mich entwickeln könnte. ;)

BeitragVerfasst: Fr 9. Jul 2004, 20:25
von Rosalie
. Der Sinn des Lebens ist das Wandeln des Schlechten ins Gute.


Hallo Didimus,

da hast Du Dir ja viel Mühe gegeben und viele Gedanken niedergeschrieben, in welchen ich mit Dir konform gehe. Doch die Beantwortung Deiner Eingangsfrage mit obigem Zitat, greift nicht ganz. Sicher hat das Schlechte auch die Funktion ins Gute gewandelt zu werden.

Doch war ergäbe es für einen Sinn für Gott eine Welt zu erschaffen und Tiere und Menschen und dann zu sagen: so und die Menschen sind dazu da, das Schlechte wieder zu reparieren (jetzt mal überspitzt formuliert). Das Böse kommt - wie Du ja auch sagst - aus dem freien Nein des Menschen zu Gott. Der Mensch verweigert sich Gott und daraus entsteht dann allerlei Übel, für rel. Menschen auch "Sünde" genannt.

Diese Erstverweigerung tat Luzifer - der ja der höchste und mächtigste der Engel war. Gott erschuf seine Geschöpfe (Engel und Menschen) als freie Wesen . Gott zwingt niemanden dazu ihn zu lieben - aber daraus zu schließen, dass Gott das Böse eingeplant hat (und so muß es ja Deiner Ausführung letztendlich sein) ist nicht ganz korrekt. Er hat - da er außerhalb von Raum und Zeit steht - gewußt (bzw. er weiß - bei Gott gibts nur Gegenwart) wie sich ein Jeder entscheiden wird, aber er konnte eben den Menschen nur so erschaffen. Wieso? Gott ist doch allmächtig! Ja, aber Gott kann sich nicht selbst wiedersprechen! Hätte er den Menschen ohne freien Willen erschaffen, hätte er sich selbst wiedersprochen, was definitiv nicht geht - denn dann wäre er nicht Gott!

Nun zur Eingangsfrage: der Lebenssinn - ganz grob formuliert - besteht in einer Entscheiung für oder gegen Gott. Das dies nicht so einfach mit ja und nein erledigt ist; ich denke das ist klar.
Dazu gehört natürlich viel mehr ... eben auch das Schlechte ins Gute zu verwandeln......und das durch all das Übel (Du hast ja Beispiele angeführt) auch Gutes entsteht und manche Menschen durch Leid zu Gott finden ..... ja, dass ist eine spannende Sache... wie sie der Glaube überhaupt ist ....

Ist diesem Sinne
Rosalie

BeitragVerfasst: Fr 9. Jul 2004, 22:13
von Didimus
@ Maurice: wenn meine Gedanken wie die Selbstbeweihräucherung der Religion klangen, kann ich nur dazu sagen, das sollte nicht so sein. Es sind einfach die Gedanken eines Menschen, der auf der Suche ist. Ich frage mich, ob es einen Sinn hat, das ich hier bin und wenn welchen. Ich glaube, dass jeder Mensch eines mit Sicherheit sucht in diesem Leben und das ist Glück. Ich weiß, das Geld, Ansehen, Erfolg noch nicht einmal das Wissen darum, was die Welt im innersten zusammenhält, mich diesem Glück näher bringen können. Das sind Fragen, die sich durchaus auch ein Atheist stellen könnte. Als religiöser Mensch will ich dabei Gott gar nicht ausblenden aber ich möchte mich auch nicht auf den Lehren der Kirche ausruhen und sagen, es sei alles richtig, was die Kirche über die letzten Dinge sagt. Ich versuche sogar die klassischen Begriffe von Sünde und Buße zu vermeiden, weil ich glaube, dass darin ein großes Angstpotenzial verborgen liegt, womit die christliche Kirche die vergangenen 2000 Jahre viel Schindluder getrieben hat. Der Gott, an den ich glaube, ist kein Gott, der seine Größe durch Angst untermauern muss. Ich respektier jede Form der Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Existenz und ich bin nicht darauf aus, Andere zu missionieren. Das hat meine Kirche schon zu genüge getan, manchmal mit sehr zweifelhaften Mittel. Ich mache mir lediglich ein paar Gedanken über mein „Hiersein“ und bin auch über eine Kurskorrektur oder Anregung von einem Atheisten sehr dankbar.

@rosalie:Es ist ziemlich schwer Aussagen über Gott zu treffen – selbst die Aussage „deus est“ erzeugt ein Bild, das nur ein Zerrbild eines tatsächlichen Gottes sein kann – daher sprechen wir auch von einem Gottes-Bild“ und nicht von Gott selbst. Viel schwieriger ist es, wenn wir diesem Gott Attribute wie Güte, Gerechtigkeit, Allmächtigkeit, Unendlichkeit etc. zuweisen, weil es immer „menschliche“ Begriffe bleiben. Dennoch benutzen wir diese Begriffe und begeben uns auf das Glatteis, Gott müsse so sein, wie wir ihn beschreiben. Ich versuche das Bild, das ich mir von Gott mache, mit dem Bild zu vergleichen, das ich mir von mir mache; und ich kann nicht recht glauben, dass ein Gott, der mir einen freien Willen zuspricht diesen gleichermaßen umgeht und gleichschaltet, indem er das Ende vorwegnimmt. Es kann sein, dass er das Ende meines Lebens und all meiner Entscheidungen für oder gegen ihn schon kennt, vollziehen muss ich diese Entscheidungen aber dennoch. Somit wäre es nicht so widersinnig, dass das Böse strukturell dem immanent Seienden anhaftet, weil es den Menschen seiner Freiheit, sich zu entscheiden, versichert.

Gruss DIDIMUS

BeitragVerfasst: Fr 9. Jul 2004, 22:57
von Maurice
Das heißt ich darf hier auch als Atheist (Maglor würde mich wohl schon als Nihilist bezeichnen ;)) ein paar Worte verlieren? Ich werde aber um nicht schon wieder eine Diskssion über die Existenz Gottes zu entfachen versuchen mich so gut wies geht zurückzuhalten. Denn eine Diskussion über die Existenz eines Gottes soll der Thread hier ja nicht sein, oder? Das Thema "Sinn des Lebens ?"hatten wir auch schon mehrmal, aber du willst das Thema, wie es mir scheint, bewusst auf eine religöse Sicht verlagern, und weil ich in dem Belange schlecht etwas beitragen kann, halte ich mich wie gesagt zurück. Als einen klassischen "Sinn des Lebens?" sehe ich diesen Thread nicht, weil die Gewichtung auf die Religion imo so stark ist, dass man das Thema in dieser Dimension belassen sollte, damit sich dieser Thread auch von den vorangegangenen unterscheidet. Ansonsten könnte man den Post nämlich einfach an einen schon existierenden Thread anhängen, aber ich denke du willst schon einen eigenen haben, oder?

Ob sich ein Atheist auch über das Thema Gedanken machen kann? Diese Frage zeigt, dass du erst vor kurzen in diesem Forum bist, sonst würdest du mich das nicht fragen. ;)
Falls du Interesse am den letzten Thread zu diesem Thema hast, den findest du hier -> http://www.the-web-matrix.de/showth...&threadid=11369
Dort habe ich auch, wenn ich mich recht erinnere, recht ausführlich meinen (damaligen) Standpunkt vertreten.
Eine Überarbeitung meiner Überlegungen bezüglich dem "Sinn des Lebens" findest du hier -> http://www.the-web-matrix.de/showthread.php?s=&threadid=13567

Ich warte erstmal auf deine Antwort, wie du die Art der Diskussion hier im Thread vorstellt, bevor ich einen eventuellen Post schriebe, ich will ja nicht am ende völlig am Thema vorbeischreiben. ;)

BeitragVerfasst: Fr 9. Jul 2004, 23:19
von Rosalie
Es kann sein, dass er (Gott) das Ende meines Lebens und all meiner Entscheidungen für oder gegen ihn schon kennt, vollziehen muss ich diese Entscheidungen aber selbst


genauso ists...wenn Du es anders verstanden, dann wars wohl mein Fehler ... und das Böse haftet dem Seienden hier auf unsrem Planeten und in unsrer Dimension an...


Das die Kirchen viel Unheil angerichtet haben in all den Jahrhunderten und bis zum heutigen Tag, indem sie versuchen die Menschen durch Angst vor Gott und Drohungen vor Hölle und ähnlichem, zu "bekehren", sie aber letztendlich doch nur zu gehorsamen Untertanen erziehen wollen, mit welchen sie sich intelektuell nicht auseinandersetzen müßen, ist IMO ein großes Vergehen und durch dieses Fehlverhalten (sehr gelinde ausgedrückt!!) wurden/werden die Menschen abgehalten, den Weg, die Wahrheit, das Leben zu finden...

Rosalie

BeitragVerfasst: Mo 12. Jul 2004, 16:43
von Zerglord
Hi, erstmal. Ganz schön viel zum durch arbeiten. Aber ganz interessante Aussagen.

@Didimus: Korregiere mich bitte, wenn ich ich was falsch verstanden habe. Du verstehst Gott als aktiv handelndes Wesen.

Ich glaube zwar an einen göttlichen Erschaffer der alles in Gang gesetzt hat. Jedoch danach dem Leben freie Bahn ließ. Ich will damit sagen, ich kann mit Begriffen wie Gut und Böse nicht zuviel anfangen. Begriffe existieren seit es Menschen gibt.

Leben an sich gibt es schon seit millionen von Jahren den Mensch erst seit zehntausend. Daher kann es Gott nicht auch erst seit Beginn der Menschheit gegeben haben. Daraus schließe ich, dass Gott uns gewähren lässt, egal was wir machen. Darum muss ich zweifeln ob es etwas wie Gut und Böse gibt. Denn in vielen Dingen ist ist es eine zweifelhafte Sache der Definition, die nur zu oft missbraucht wurde.

Um mich kurz zu outen: Ich bin Agnostiker, ich glaube zwar dass es einen Gott gibt, wir ihn jedoch nicht begreifen können. Selbst wenn ihn glauben zu begreifen, können wir ihn nur fragmentarisch oder verzerrt wiedergeben. Aber das ist wiederumdas linguistische Problem der Philosophie und nicht der Religion.

BeitragVerfasst: Mi 14. Jul 2004, 13:57
von Weroansqua
Ich hänge mich hier einfach mal an Zerglord dran.

Was mich an den Gottesbildern der einzelnen Religionen oft so stört, ist dass sie das schöpferische Element des Universums (phu, wie geschwollen - aber ein besserer Begriff fällt mir jetzt hier nicht ein) in menschliche Denk- und Handlungsweisen gepresst wird. Gott ist "gut" oder "zornig", "liebend" oder "eifernd", agiert und re-agiert (auf die Aktionen seiner Geschöpfe) ebenso, wie es ein Mensch tun würde, oder äußert Vorstellungen und Wünsche.

Manchmal kommt es mir so vor, als würde hier ein Über-Mensch beschrieben. Demnach wäre Gott eine idealisierte Weiterführung des Menschen, der Super-Mensch schlechthin, der - ebenso wie unsereins - teilweise in seinen Handlungen dem Bild widerspricht, das er (offensichtlich) von sich selbst hat, was dann mit dem Satz vom "unerforschlichen Ratschluss" wieder umgangen werden kann.

So beschreibst du Gott beispielsweise als "liebend". Wer sagt dir, dass Gott die Schöpfung liebt? Woraus leitest du das ab? Oder wiederholst du hier nur die ungeprüften Glaubenssätze anderer, die noch dazu mit den Erfahrungen der täglichen Realität nicht übereinstimmen?

Beispiel: Du schriebst, dass Gott das Resultat deiner Existenz bereits kenne. Dennoch würde er sehen wollen, dass du die Entscheidung selbständig triffst und wie du dazu gekommen bist. Wie ein Mathelehrer in der Schule, der beim Dreisatz auch immer den Rechenweg sehen will, der zum Ergebnis geführt hat. Mit dem Unterschied, dass der Lehrer vermutlich nicht für sich in Anspruch nimmt, als allmächtig, allgegenwärtig und allwissend zu gelten.

Angenommen, Gott wäre etwas, das außerhalb der Zeit existiert, denn Zeit ist ja auch von Ihm geschaffen. Während für uns die Zeit praktisch linear nach vorne verläuft, während wir gleichzeitig immer nur erkennen können, was hinter uns, aber nicht, was vor uns liegt, müsste sich Gott auf der Nabe eines Rades befinden, so dass er in einer Art ewigem Jetzt existiert. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft wären - wie die Speichen des Rades - alle gleich weit vom Mittelpunkt der Narbe, also von Gott entfernt. Das bedeutet, dass für Gott die Zukunft bereits innerhalb seines ewigen Jetzt-Seins existiert. Er könnte also das Resultat bereits jetzt vorwegnehmend erkennen und dir den (schmerzhafen, leidvollen, was weiß ich) Weg dahin ersparen, denn etwas bereits Feststehendes kann und braucht nicht mehr geändert zu werden.

Dass Gott - selber von allen Leiden und Qualen unbeleckt, sozusagen - diesen übergeordneten Standpunkt innehat, uns aber das Leid nicht erspart, ist keine Notwendigkeit, sondern muss andere Gründe haben. Vielleicht hat Er Langeweile?!

Sieht für mich nicht sehr liebevoll aus - Gott auf Seiner Wolke Sieben, und wir hier unten im Big-Brother-Container für gelangweilte Unsichtbare.

Wo also kommt die Mär vom "liebevollen" Gott her, und wer kann mir womit beweisen, dass Gott uns tatsächlich liebt?

Wie der Zerglord gehe ich auch davon aus, dass all die Gottesbilder (dazu zähle ich auch die dunklen oder negativen Götter) nichts weiter sind als die Projektionen unserer Wünsche, Träume, Hoffnungen, aber auch Ängste, Befürchtungen und Albträume. Die allem Existierenden zugrunde liegende schöpferische Macht mag eine Energie, eine Kraft, eine Bewusstheit, ein wie auch immer strukturiertes Feld sein - wer weiß das schon? Sicher jedoch geht sie über die teilweise sehr naiven Projektionen und Gottesbilder hinaus. Auch denke ich, dass diese Bewusstheit von unseren Denkmustern so weit entfernt ist wie unser Bewusstsein von den Denkmustern einer Ameise, wir also gar nicht im Stande wären, dieses Denken nachzuvollziehen oder zu begreifen. Schließlich existiert dieses Etwas außerhalb unserer vierdimensionalen Begrenzung, und da auch unsere raffiniertesten Apparate und Messgeräte nichts anderes sind als die Verlängerung dieses begrenzten Raums ins Mikro- oder Makrokosmische, kann alles, was außerhalb dieser Grenzen liegt, für uns gar nicht erfahrbar gemacht werden.

Ich denke nicht, dass je jemand Gott erkannt hat oder begreift, was Gott ist und was Gott will. Die Schreiber der frommen Bücher haben sich vermutlich ausschließlich mit Teilen ihrer selbst unterhalten und die dort gefundenen Antworten als die Gottes interpretiert. Und da der Erfahrungsgrund ein menschlicher war, erscheint der Gott der heiligen Bücher vielleicht deshalb so menschlich.

BeitragVerfasst: Mi 14. Jul 2004, 18:49
von Padreic
@Weroansqua
Du beschreibst mit deinen Äußerungen bzgl. Gottesbildern und Religionen m. E. eher einzelne reale Fehlformen, da zwar in der Tat viele Gläubige anthropomorphe Gottesbildern haben, aber man das nicht von jeder Religion im Generellen sagen kann. Ich werde mich in nachfolgenden Ausführungen hauptsächlich auf das Christentum beschränken, da es die Religion ist, mit der ich mich noch am ehesten auskenne.
In der christlichen Religion existiert das Konzept der 'Via Analogia'. Es besagt in etwa, dass Gott der Welt zwar in keinem Punkt wirklich gleicht, er aber auch nicht der ganz Andere ist. Wenn wir von Gott aussagen, dass er gut ist, so bedeutet das nicht das gleiche, wie wenn wir es von einem Menschen sagen, aber es bedeutet auch nicht etwas völlig anderes, es ist eben analog. Er ist nicht nur mehr gut als alle Menschen, sondern wirklich auf andere Weise.
Im Christentum ist es auch stehende Rede, dass Gott, wie er wirklich ist, dem Menschen unbegreifbar bleiben muss. Trotzdem kann man sich ihm mit Bildern nähern. Wenn man ein Verhältnis zu Gott haben will (alles andere wäre, denke ich, keine angemessene Reaktion auf den Glauben an seine Existenz), muss man sich irgendein Bild von ihm schaffen, dass zwar in dem Bewusstsein geschaffen wird, dass es Gott nie wirklich korrekt oder gar vollständig darstellen wird, aber in dem redlichen Bemühen gebildet wird, sich Gott mit seinen Bildern so weit anzunähern, wie es Menschen möglich ist. [IMHO bedeutet auch das entsprechende Gebot aus dem Dekalog nicht, dass man sich generell keine Bilder (oder gar Götzenstatuen) machen soll, sondern nur, dass man sie nicht als Gott selbst sehen darf.]

Deiner Argumentation, dass Gott nicht liebend sein kann, kann ich aus mehreren Gründen nicht zustimmen.
Was ist das Resultat der Schöpfung, wenn nicht die die Schöpfung selbst in ihrer gesamten Geschichtlichkeit? Gerade für Gott ist ja jeder für uns vergangene Augenblick noch immer Realität. Das Resultat, die Schöpfung in ihrer gesamten Geschichtlichkeit zu durchlaufen, kann man nicht vorwegnehmen.
Und was heißt 'schmerzvoller, leidvoller Weg'? Das Leben kann schrecklich sein, natürlich, aber es kann auch Freude bereiten und tut es bisweilen auch. Jeder, der meint, dass sich sein Weg hier auf Erden nicht lohnt, kann ihm jederzeit ein Ende setzen.
Und zumindest nach christlicher Anschauung ist auch Gott vom Leiden und von Qualen nicht unbefleckt, ist er doch als Mensch auf die Erde herabgestiegen. Und niemand kann mir erzählen, dass eine Kreuzigung ein reines Vergnügen ist.

Padreic

BeitragVerfasst: Do 15. Jul 2004, 09:33
von Weroansqua
Hallo Padraic,

Trotzdem kann man sich ihm mit Bildern nähern. Wenn man ein Verhältnis zu Gott haben will (alles andere wäre, denke ich, keine angemessene Reaktion auf den Glauben an seine Existenz), muss man sich irgendein Bild von ihm schaffen, dass zwar in dem Bewusstsein geschaffen wird, dass es Gott nie wirklich korrekt oder gar vollständig darstellen wird, aber in dem redlichen Bemühen gebildet wird, sich Gott mit seinen Bildern so weit anzunähern, wie es Menschen möglich ist.


Gerade das haben die Menschen der vorchristlichen und vorislamischen Kulturen getan. Sie haben versucht, das Sein Gottes in verschiedenen Aspekten - oder auch den Schöpfer im Geschöpf zu erkennen. Heraus kamen verschiedene "Götter", die alle als wahrnehmbare Teile eines nicht wahrnehmbaren Ganzen begriffen wurden. Gerade das Christentum hat jedoch diese Denkweise als "Vielgötterei" vehement bekämpft und propagiert, dass ihre Definition, ihr Gottesbild das einzig Wahre sei.

Was ist das Resultat der Schöpfung, wenn nicht die die Schöpfung selbst in ihrer gesamten Geschichtlichkeit?


Das weiß ich nicht - es muss aber nicht zwangsläufig ein Ausdruck der Liebe sein. Es kann auch (z.B.) purer Egoismus gewesen sein. Wäre Gott uns ähnlich (und das sollen wir ja sein, als Seine Ebenbilder), dann könnte man auch von Folgendem ausgehen: Gott allein IST. Und deshalb ist er allein. Als Bewusstsein braucht er das Nicht-Ich, mit dem er interagieren oder sich in Bezug setzen kann. Aus der Einheit die Vielheit - so begann Schöpfung. Demzufolge hätte Gott dies aus Liebe zu sich selbst getan - und nicht aus Liebe zu seinen Geschöpfen als solche.

Welche von diesen Vermutungen richtig ist, werden wir nie erfahren, weil, wie bereits gesagt, niemand Gottes Beweggründe nachvollziehen kann (was immer Er auch sein mag). Meine Theorie lässt sich ebenso wenig beweisen wie deine, sie ist aber ebenso mit jeweils 50% wahrscheinlich richtig oder wahrscheinlich unrichtig.

Und zumindest nach christlicher Anschauung ist auch Gott vom Leiden und von Qualen nicht unbefleckt, ist er doch als Mensch auf die Erde herabgestiegen.


Dieser Beweis, dass Gott mit den Menschen mitleidet oder mit-er-lebt ist nur schlüssig, wenn man glaubt, dass Jesus Gottes Kind gewesen ist. Das ist bei mir nicht der Fall.

Der Mythos um die Person Jesu Christi ist für mich ein Mythos unter vielen. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass einer davon wahrer als die anderen ist. Der Christusmythos enthält zudem für meinen Geschmack zu viele "Anleihen" des vorchristlichen Mithras-Mythos. Womit ich nicht sagen will, dass es Jesus nie gegeben hat - obwohl auch das noch nicht zweifelsfrei erwiesen ist - , sondern betrachte die historische Person von dem später auf sie übertragenen Mythos getrennt, da es zur Zeit Jesu von Messiassen und Heroen mit (angeblich) einem menschlichen und einem göttlichen Elternteil nur so wimmelte. Es wurde nie nachgewiesen, dass der Jesus-Mythos mehr Realität oder Wahrheit enthält als beispielsweise der Mythos um Herakles oder Odysseus.