Seite 1 von 2

Essays: "Über Körper und Geist"

BeitragVerfasst: So 11. Jul 2004, 22:52
von Maurice
So wie hier und da angedeutet poste ich hier jetzt zwei meiner drei Essays, die für das Seminar "Zum Begriff des Subjekts" auf der Uni entstanden sind. Der ein odere andere kennen sie schon, und ich poste die beiden hier, weil ich bisher viel positives Feedback bekommen habe ich denke, dass es auch die anderen User interssant finden könnte. Da die Essays etwas länger sind werde ich wohl dazu gezwungen sein gleich mehrere Posts hintereinader zu machen, aber da dies alles andere als Spam ist wird es wohl keinen stören. ;)

Also ich wünsche viel Spaß und viele Anregungen beim lesen der beiden Essays. :s11:

PS: Der Thread hier ist in erster Linie dafür gedacht euch die Essays zu zeigen, nicht um eine Diskussion anzufangen, was euch aber natürlich nicht davon abhalten braucht auf die Texte zu antworten. :)

PPS: Ich habe mich noch nicht für passende Titel der Essays entscheiden können, die Namen sind also nur provisorisch. ^^*

Erstes Essay zum Seminar "Zum Begriff des Subjekts"

BeitragVerfasst: So 11. Jul 2004, 22:54
von Maurice
Die Frage nach der Natur des Menschen ist seit jeher eine der wichtigsten Fragen, mit der sich die Philosophie beschäftigt. Sie ist in ihrer Bedeutung zeitlos, denn zu jeder Zeit ist die Antwort auf diese Frage von hoher Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen. Eines der besten Beispiele dafür stellen die grundverschiedenen Menschenbilder von Hobbes und Rousseau dar, die zwei gegensätzliche Gesellschaftssysteme nach sich ziehen. Auf Grund der großen Erfolge der modernen Biologie ist die Anthropologie (die Wissenschaft vom Menschen) zu einem Thema geworden, das wohl so stark wie nie zuvor weite Teile der Bevölkerung beschäftigt.
Ich werde hier nicht alle Fragen und Aspekte beleuchten können, die die Anthropologie umfassen, sondern stattdessen nur auf Descartes erste und zweite Meditationen eingehen. Ich versuche seine Vorgehensweise und Schlüsse wiederzugeben, um danach Kritik an diesen zu üben und werde versuchen einen eigenen Ansatz darzustellen. Dies ist kein problemloses Unterfangen, da Descartes Ausführungen an erkenntnistheoretischen Überlegungen gebunden sind. Für die geneigten Leser, die mit den Begriffen der Philosophie nicht sehr bewandert sein mögen sei kurz erklärt, dass die Erkenntnistheorie nach der Möglichkeit unseres Erkennens der Welt fragt, also nach dem was wir wissen können.

Descartes geht in seinen Meditationen der Frage nach, was wir wissen können. Dafür will er alles offensichtlich Falsche und Zweifelhafte hinter sich lassen, damit am Ende nur noch das übrig bleibe, was absolut sicher sei. Die Sinne, stellt er fest, täuschen uns von Zeit zu Zeit, weshalb sie kein sicheres Wissen liefern könnten und somit auf der Suche nach sicherem Wissen keine Hilfe darstellen. Dies schlussfolgert er daraus, dass uns unserer Sinne zwar real vorkommen und uns somit die Welt, die wir wahrnehmen, als die Wirklichkeit erscheint, aber wir dies auch glauben, wenn wir träumen. Wenn wir also nicht im Traum zwischen Illusion und Wirklichkeit unterscheiden könnten, wie können wir uns dann sicher sein, dass wir nicht auch im Moment träumen? Wenn wir stets träumen könnten, so können wir keine sicheren Aussagen über die Wirklichkeit in irgendeiner Weise machen, wodurch alles was wir wahrzunehmen und zu wissen glauben, unsere körperliche Gestalt, alle Wissenschaften, scheinbar selbstverständliche Dinge wie Raum und Zeit und sogar Gott (an den er im Grunde glaubt) zweifelhaft seien. Um sein Beispiel zu verdeutlichen fasst er die Möglichkeit ins Auge, dass wir vielleicht zu jeder Zeit von einem bösartigen Dämon getäuscht werden könnten, der uns eine Welt vorgaukelt und wir, weil wir nichts von seiner Existenz wüssten, fälschlicherweise glauben wir erlebten die Wirklichkeit.
Was bleibe also übrig, wenn man alles Körperliche von sich subtrahiere? Descartes sagt, dass trotz allem Zweifel eines sicher sei, nämlich dass er selbst existiere. Cogito ergo sum - Ich denke also bin ich. Offensichtlich für ihn scheint, dass er denke und folglich müsse er existieren, denn wie soll er denken können, wenn er nicht existiere? Alles was er ohne Körper nun noch sei bezeichnet er als ein denkendes Ding. Selbst wenn ein möglicher Dämon ihm alle Erscheinungen vorgaukeln könnte, so kann er ihn doch nicht dahingehend belügen, dass er selbst existiert. Gäbe es diesen Dämon tatsächlich wäre sogar ein weiterer Beweis für seine Existenz erbracht, meint Descartes, denn wenn der Dämon ihn täusche, dann muss er ja existieren, sonst könne der Dämon ihn ja auch nicht täuschen.

In dem folgenden Abschnitt versuche ich nun Kritik an Descartes Argumentation vorzunehmen.
Descartes größte argumentative Schwäche ist meiner Auffassung nach, dass er ein Gedankenkonstrukt entwirft, das wohl niemals zu überprüfen ist, nämlich dass er sich selbst betrachtet unter der Subtraktion aller seiner körperlichen Elemente. Das Ergebnis auf das er durch diese Vorgehensweise kommt ist reine Spekulation, weil es unmöglich empirisch (= auf Erfahrung beruhend) nachzuvollziehen ist. Er nimmt einfach an, dass sein Geist etwas völlig unabhängiges vom Körper sei ohne einen Beleg dafür anzuführen.
Dass der Geist auf keinen Fall etwas völlig unabhängiges vom Körper sein kann, ist schon von daher offensichtlich, dass der Verstand, der nach Descartes dem Geist und nicht dem Körper zuzuordnen sei, durch Einnahme bestimmter schädlicher Stoffe wie z.B. Drogen in seiner Fähigkeit beeinträchtigt wird. Diese Stoffe wirken sich eindeutig auf den Körper aus und wenn der Geist etwas wäre, was unabhängig vom Körper wäre, so dürften nur die Sinne beeinträchtigt werden, aber nicht der Verstand, was aber ganz klar der Fall ist. Ist nun der Geist nicht unabhängig vom Körper und Descartes zweifelt alles Körperliche an, so muss er auch seinen Verstand und das was er hervorbringt in Frage stellen. Folglich müsste er auch seine Theorie, die laut ihm nur auf dem Verstande aufbaut, als zweifelhaft einstufen.

Descartes stellte sich in seinen Überlegungen die Frage, was wir sicher wissen könnten, um danach zu fragen, was wir an für sich seien. Als Antwort darauf kam er zu dem Schluss jeder von uns sei ein denkendes Ding. Nun nehme ich diese Sicht des Selbst als Ausgangspunkt für meine Überlegungen. Es scheint ja ganz offensichtlich, dass ich denke, dass ich es bin, der gerade überlegt, der fragt, was er denn sei, der abwägt, entscheidet und im Moment nicht so recht weiß, wie er der Frage bestmöglich nachgehen soll.
Die Musik die bis eben spielte ist zu ende und ich gehe meine kleine Musiksammlung durch, auf der Suche nach einem Titel der mir zusagt. Schließlich entscheide ich mich für ein ruhiges Stück, was mich bei meinen Überlegungen begleiten soll. Ich, dieses denkende Ding, das ich nach Descartes sein soll, habe mich für eine bestimmte Art von Musik entschieden, aber warum habe ich mich für das entschieden, für was ich mich entschieden habe? Naja spontan sage ich mir, dass ich das Stück gewählt habe, weil es mir gefällt und zu meiner momentanen Stimmung passt. Nun gut, aber warum gefällt es mir? Ich gerate in Erklärungsnot.
Jeden Morgen entscheide ich, welche meiner Kleidungstücke aus meinem Schrank ich anziehe, jeden Tag entscheide ich, was ich esse und was ich trinke und vieles mehr. Ich entscheide mich für das jeweilige, weil mir das eine besser gefällt als das andere. Natürlich spielen auch manches Mal rationale Überlegungen eine Rolle (z.B. entscheide ich mich, einen Schirm mitzunehmen, wenn der Himmel mit dunklen Wolken bedeckt ist), aber wenn ich mich unabhängig von äußeren Einflüssen entscheide, dann für gewöhnlich auf Grund meines Geschmacks und meiner Stimmung. Doch wie kann ich diese erklären? Ich habe keine Antwort. Sie entspringen wie mir bewusst ist für gewöhnlich keinen Überlegungen meinerseits, sondern, wie mir scheint, aus einer Quelle, die ich nicht kenne.
Stimmungen sind Gefühlslagen. Wie steht es nun eigentlich um meine Emotionen? Gewisse Umstände erzeugen bestimmte Emotionen. Aber gibt es auch Situationen, die einer vorangegangenen gleichen, ich aber etwas anderes empfinde. Wieder ein Phänomen, das ich mir nicht erklären kann. Meine Emotionen sind ohne Zweifel ein Teil von mir und wenn ich so ein denkendes Ding bin, wie es mir Descartes erzählt und mein Denken mir unterstellt ist, so müsste es auch auf meine Emotionen zutreffen, sind sie doch nach ihm auch ein Teil des Geistes (weil sie nicht körperlich sind). Wenn ich niedergeschlagen bin mag ich zwar versuchen, mich selbst aufzumuntern, oder wenn ich lustlos bin mich selbst zu motivieren, aber gelingt das mir nicht immer. An was liegt es, dass es mir das eine Mal gelingt und ein anderes Mal nicht? Ich habe nun offensichtlich nicht die Macht über meine Gefühle, kann ich doch all zu oft nicht bestimmen, was ich fühle. Mein Denken wird also von Umständen beeinflusst, deren Ursprung ich nicht kenne, und die zwar ein Teil meiner selbst zu sein scheinen, die aber dennoch nicht meinem Verstande unterliegen.
Da beschleicht mich die Frage, inwieweit ich eigentlich meinen Verstand selber verstehe. Stehe ich vor einer einfachen mathematischen Aufgabe wie 2+3, dann ist mir die Lösung, die hier lautet 5, sofort ersichtlich. Für meinen Verstand war die Antwort ein Leichtes. Aber wie oft passierte mir schon, dass mir ein Wort oder eine Zahl nicht einfiel. Was war da los? Ich überlegte und fragte immerzu nach der Sache, die mir nicht in den Sinn kam. War ich das, der da nachgedacht hat? Habe ich doch nicht jede Zelle meines Gehirns oder jede Ecke meines Geistes abgesucht, ich habe nur versucht mich zu erinnern und plötzlich kam mir das Gewünschte in den Sinn. Selbst meine Erinnerungen scheinen also nicht mein alleiniges Eigentum zu sein, wer ist also ihr Fremdverwalter?
Was bleibt jetzt noch von dem Wissen, das laut Descartes das Subjekt über sich selbst hat?
"Ich denke, also bin ich." Dieser Satz wird im Allgemeinen einfach als wahr angenommen. Doch woher wissen wir, dass wir wirklich denken? Natürlich muss erst der Begriff "Ich" geklärt werden, und dieser bedeutet für gewöhnlich ein autonomes, in sich abgeschlossenes Bewusstsein, das handeln und entscheiden kann. Wenn wir aber nun in Wirklichkeit nicht selber denken, sondern nur das Abbild der inneren, uns unsichtbaren Konflikte unseres Unterbewusstseins sind, dann kann man nicht mehr behaupten, dass wir im eigentlichen Sinne denken. Wir denken eigentlich nicht, sondern "werden gedacht". Was wir als "Ich" bezeichnen ist somit vielleicht ausschließlich das Produkt und die Reflexion uns verborgener Mechanismen. So betrachtet ist der Anfang des Spruchs "Ich denke" in Frage gestellt und somit auch dessen Schlussfolgerung "also bin ich". Dass das "Ich" im üblichen Sinne existiert sei damit in Frage gestellt. Das, was wir uns nur sicher sein können ist, dass es etwas gibt, das uns hervorbringt und somit unsere Existenz, wenn auch diese keine ist, die irgendwelche Möglichkeiten zur Selbstbestimmung hat.
Ob der Wille Freiheiten hat, ist Spekulation. Fest steht, dass der Wille nicht frei ist, denn sonst könnte das, was man allgemein "Ich" nennt, über sich selbst bestimmen. Es könnte sich formen und ändern, wie es ihm beliebt und das ist eindeutig nicht der Fall. Und selbst wenn es so scheinen möge, woher kommt die Formvorstellung und ihre Kriterien? Wäre der Wille frei könnte er auch diese frei wählen und jederzeit wieder ändern.

Schaue ich nun auf Descartes zurück, so entlockt es mir ein Lächeln. Hat er ja nur die leicht anzuzweifelnden Sinne ins Visier genommen, aber mit offensichtlicher Nachlässigkeit seinen ach so sicheren Geist in Frage gestellt, dessen Art und Weise ja angeblich so klar ersichtlich sei. Mir hingegen legt mein Geist Rätsel auf und gar widersprüchlich erscheint es mir, dass dieser unverständliche Geist der ich selbst sein soll mir in seinem Wesen so fremd ist. Meine Überlegungen führten zu einem extremen Bild unseres Selbst, das nur schwer vorstellbar ist, da wir uns für gewöhnlich nicht so empfinden, sondern sehr wohl meinen, selbst zu denken, zu entscheiden und zu handeln.
Mit Blick auf die momentane Naturwissenschaft könnte man meine extreme Idee der völligen eigenen Unfreiheit als bestätigt empfinden. Man darf aber nicht vergessen, dass die Forschung bei der Erklärung der Persönlichkeit noch in den Kinderschuhen steckt. Zu erwähnen sei hier, dass ich zu der oben beschriebene Idee aus eigenen Betrachtungen gekommen bin und nicht erst nach der Lektüre naturwissenschaftlicher Fachzeitschriften.
Ich behaupte nicht, dass diese unfreie Sicht des Geistes der Wirklichkeit entspricht, sondern stelle nur einen Versuch dar, das eigene Wesen zu erklären. Doch sträube ich mich selbst diese anzunehmen, da es mir wie wohl jedem anderen auch völlig gegen das eigene Empfinden ist zu glauben, keine Freiheiten zu besitzen. Ein Modell zu entwickeln, das beide Aspekte vereint, soll deshalb Ziel zukünftiger Überlegungen sein.

Zweites Essay zum Seminar "Zum Begriff des Subjekts"

BeitragVerfasst: So 11. Jul 2004, 23:04
von Maurice
Nun sitze ich hier erneut und frage mich, wie mein Selbst, wie mein Geist beschaffen sei. In den vorangegangenen Überlegungen stellte ich die Theorie auf, dass das, was wir für gewöhnlich als "Ich" verstehen, möglicherweise ausschließlich Produkt uns unbekannter innerer Mechanismen sein könnte, und dass dieses "Ich" somit keinerlei Freiheiten besitzen würde. Doch geht diese Sicht unserer Selbst gegen unser alltägliches Empfinden, und auch ich will mich nicht damit abfinden, dies zu glauben. Es ist sogar schon in gewisser Weise amüsant, sich bewusst zu machen, dass nach meiner zuvor geäußerten Theorie, ich streng genommen nicht sagen kann, dass ich im Moment denke und schreibe, sondern bloß das willenlose Instrument mir unbekannter innerer Vorgänge sei. Ja, im Grunde ist es nicht einmal meine Theorie, noch wurde ich mir selbst gerade Genanntem bewusst.

Ich ging bereits mehrmals mein System des völlig unfreien Ich durch. Doch erscheint es mir trotz Unbehagen stimmig. Wo liegt nur der Fehler?
Betrachte ich mich einfach ein weiteres Mal. Diesmal aber ohne dem Ausgangspunkt der letzten Überlegungen, der da war, Descartes' Idee des Ichs nur als denkendes Ding. Wenn ich mich betrachte, sehe ich meine äußere Erscheinung, meinen Körper. Ich kann zwar nicht ohne mich selbst zu verletzen sehen, was unter meiner Haut ist, aber wenn ich der Naturwissenschaft glaube, so sind in meinem Körper Knochen, Muskeln, Sehnen und Organe. Nach diesem ersten Schritt bin ich schon mal ein fleischlicher Körper, und da ich denke, fühle, atme und mein Herz schlägt gewiss auch ein lebendiges Wesen.
Zwar plädiert Descartes darauf, dass unsere Sinne bisweilen irren, und alles was wir wahrnehmen, also auch unserer äußere Gestalt, eine Täuschung sein kann, doch habe ich mit meiner damals geäußerten Kritik erläutert, warum Descartes' Überlegungen fehlerhaft sind, weshalb sie hier auch nicht weiter berücksichtigt werden sollen.
Ich bin nun zu allererst einmal ein lebender Körper. Wo aber kommt mein Denken her? Auch hier hält die Naturwissenschaft eine Antwort für mich parat, nämlich dass mein Gehirn der Ursprung meines Denkens sei. Religiösen Erklärungen dagegen zufolge sei es meine Seele, die mein Denken hervorbringt, und ich sei diese Seele, die von meinem Körper zu unterscheiden sei. Als völlig unreligiöser Mensch sehe ich weder einen rationalen, noch einen emotionalen Grund zum Anlass, einen solchen unkörperlichen Persönlichkeitsträger anzunehmen. Zwar kann ich nicht beweisen, dass es keine solche Seele gibt, doch kann man auch nicht beweisen, ob es eine solche gibt. Es ist daher durchaus möglich, aus welchen Beweggründen auch immer, diese anzunehmen. Doch sollte eine mögliche Annahme meiner Ansicht nach auf keinen Fall als Argumentationsgrundlage dienen, zum einen auf Grund ihrer empirischen Unbeweisbarkeit, zum anderen wegen fehlender allgemein nachvollziehbarer Argumente. Darum ist diese Vermutung eine untragbare und unnötige Spekulation, die hier nicht in den Erklärungsversuch mit einfließen soll. Diese Auslassung ist insofern wichtig, als dass ich deshalb allein auf der Ansicht aufbaue, dass mein Denken allein mein Gehirn als Ursprung hat.
Mein Gehirn schafft also mein Denken, und als mein Denken empfinde ich mich. Wenn ich mich erinnere, was ich im vorangegangenen Essay überlegt hatte, so bin ich, nach dem damals geäußerten Erklärungsversuch, ein reines Produkt mir unbekannter Mechanismen, und diese entspringen aus materieller Sicht meinem Gehirn. Bin ich nun fleischlicher Körper, wovon das Gehirn ein Teil ist, und dieser mein bewusstes Ich durch mir unbekannte Vorgänge hervorbringt, dann bringe ich mich demnach selbst hervor. Um es noch mal einfacher darzustellen: Mein bewusstes Ich ist Produkt mir unbekannter Mechanismen, diese haben mein Gehirn als Ursprung, und dieses ist Teil des Körpers, der ich bin. Somit bin ich allein mein eigener Ursprung. Selbst wenn mir nicht alle meine Vorgänge bewusst sind, so bin ich es doch stets, der handelt. Ja, durch diese Sicht unseres Wesens sind wir nicht nur für unser bewusstes, sondern auch für unser unbewusstes Handeln zuständig. Wir sind es nicht nur, die denken, entscheiden und handeln, sondern sind es auch, die all unsere Körperfunktionen bestimmen. Wir verwalten uns zwar nicht bewusst, aber dennoch tun wir es.

Es gibt also bewusste und unbewusste Vorgänge, für welche allein wir selbst verantwortlich sind, dessen Werdeprozess wir uns aber nicht immer bewusst sind. Im Grunde könnte unser bewusstes Handeln bloßer Wiederschein unserer unbewussten Vorgänge sein, was jetzt aber keine Rolle mehr spielt, weil allein immer wir handeln, egal ob bewusst oder unbewusst. Aber für das eigene Verständnis und das mit anderen Menschen, macht es einen Unterschied, denn wir können nur Prozesse benennen, die uns bewusst sind.
Es ist nun an der Zeit sich näher mit dem Willen zu beschäftigen, der für unser Selbstverständnis eine bedeutende Rolle spielt. Alles was wir wollen, entspringt aus uns selbst, und weil allein wir entscheiden, scheint unser Wille frei. Aber können wir ihn wirklich so bezeichnen? Was wir wirklich wollen, ist uns nicht immer bewusst und können somit nur das aussprechen, was wir bewusst wollen. Demnach können wir auch nur uns Bewusstes als unseren Willen bezeichnen. Aber gibt es auch einen unbewussten Willen? Eine durchaus paradox wirkende Konstellation. Natürlich könnte man unbewusste Verlange auch als Willen bezeichnen, liegt es doch in unserer Hand, wie wir Begriffe definieren. Doch stellt sich die Frage, ob dies für das Verständnis sinnvoll ist. Ich bin der Ansicht, dass weil wir nur uns bewusste Wünsche als Willen bezeichnen können, wir den Begriff des Willens auch nur dafür verwenden sollten. Dies Entspricht darüber hinaus auch unserer alltäglichen Sprache und verkompliziert dadurch die Sache nicht noch unnötig. Ich schlage vor, Wünsche, die uns nicht bewusst sind, eben auch als solche zu bezeichnen.

Nicht alles Wollen ist auch unser Willen, denn man kann durchaus in Willenskonflikte geraten, bei denen wir Gegensätzliches wollen. Wir können sogar etwas wollen, was wir eigentlich gar nicht wollen. Solchen Willenskonflikten können wir im Alltag ständig begegnen. Hier ein paar Beispiele: Früh morgens klingelt der Wecker, und da wir noch sehr müde sind, würden wir am liebsten einfach weiterschlafen, müssen aber aufstehen, um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen. Auf der einen Seite wollen wir zwar weiterschlafen, wollen aber auch nicht zu spät zur Arbeit kommen. Ein anderes Beispiel, was wohl vor allem Frauen bekannt sein sollte, ist die berühmte Diät und die Verführungen, denen man in solch einer Zeit ständig ausgesetzt ist. Beispielsweise der Anblick eines schmackhaften Stück Kuchens weckt in uns den Wunsch, dieses zu essen. Auf der anderen Seite wollen wir es aber nicht essen, weil wir ja unsere Diät konsequent durchziehen wollen. Unter dem Gedanken, dass man etwas will, was man nicht will, können sich vielleicht nicht alle etwas vorstellen, ich hoffe aber mit dem folgenden Beispiel zur Klärung beizutragen. Als ein Beispiel können Phobien zählen, die bei jemandem, z.B. beim Anblick eines bestimmten Tieres, große Angst erzeugen und den Wunsch, der Angstquelle aus dem Weg zu gehen oder gar vor ihr zu fliehen. Dieses Flüchten-wollen wird aber etwas sein, das der Betroffene durchaus nicht will. Er will in diesem Fall nicht nur eine entgegen gesetzte Handlung (sich der Angst zu stellen), sondern will auch den Wunsch der Flucht nicht mehr haben. Er will hier also etwas nicht mehr wollen. Das Wort Wunsch besitzt die gleiche Bedeutung wie Wollen, denn ein Wunsch ist ja das wollen einer bestimmten Sache.

Nun habe ich zwar Aussagen über den Willen gemacht, aber noch nicht die Frage beantworten können, ob unser Willen frei ist.
Da ich das Bewusstsein und Denken als Funktionen unseres Körpers definiert habe, und dieser aus Materie besteht, könnte man mir vorwerfen, nach dieser Sichtweise müsste der Wille unfrei sein, da ja unser Körper, wie alles Materielle, der Kausalität unterworfen sei. Unser "Geist" sei demnach determiniert und dies schließt Freiheit aus.
Zuerst möchte ich hier erstmal den Begriff "Geist" aus dem Feld der benutzten Wörter streichen, da dieser ein Synonym für "Gespenst" ist, und ihm demnach auch etwas "gespenstiges" anhaftet, und darüber hinaus von manchen Personen mit dem Begriff "Seele" assoziiert wird. Ich werde deshalb den Begriff "Psyche" verwenden. Es sei noch mal betont, dass die Psyche eine Funktion des Körpers ist und nichts von ihm zu unterscheidendes, was sie von ihm trennen würde. Jedes Organ hat seine Funktion und die des Gehirns ist die Psyche.
Fragen wir nun nach der Freiheit der Psyche, so muss man vorher beantworten, was Freiheit bedeutet. Freiheit kann man spontan erst einmal als "Möglichkeit zur Selbstbestimmung" bezeichnen. Es ist also Freiheit, selbst zu entscheiden, was man macht. Ein Gefangener ist unfrei, weil er an einem Ort festgehalten wird und nicht selbst entscheiden kann, wohin er gehen kann. Wird er aus dem Gefängnis entlassen, ist er nicht mehr an diesen Ort gebunden und kann entscheiden, wohin er geht. Aber kann er jetzt machen was er will? Wenn er auf die schnelle zu Geld kommen will, kann er versuchen, eine Bank auszurauben. Der Versuch steht ihm zwar frei, doch wenn der Versuch misslingt, wandert er wieder ins Gefängnis und verliert wieder an Freiheit. Will er nun aber das Risiko nicht eingehen und sich an die gesellschaftlichen Regeln halten, kann er die Bank nicht ausrauben. Eine Handlungsoption weniger und somit ein Stück Freiheit. Dass man in einer Gesellschaft nicht einfach machen kann, was man will, ist klar, aber stellen wir uns einen Menschen vor, der alleine auf einer Insel lebt. Besitzt dieser völlige Freiheit? Wir erinnern uns, Freiheit bedeutet, dass man selbst bestimmt, was man macht. Aber auch auf der Insel ist die Person nicht völlig frei, denn auch wenn sie sich nicht mehr an Regeln anderer Menschen halten muss, so ist sie immer noch den Regeln der Welt unterworfen. Ihr könnte z.B. der Wunsch kommen, zehn Meter hoch zu springen, schneller als ein Gepard zu laufen oder gar zu fliegen, aber sie wird dazu nicht in der Lage sein. Sie besitzt diese Freiheit nicht und wird (ohne technische Hilfsmittel) dies auch nicht erreichen können.
Nicht nur für den Menschen, sondern für alle Lebewesen gibt es keine völlige Freiheit. Wenn Freiheit nun nicht ganzheitlich ist, sollte man die Vorstellung der Freiheit verwerfen? Mitnichten. Wir dürfen nur nicht mehr Freiheit grenzenlos verstehen, sondern immer in bestimmten Grenzen betrachten. Man ist immer nur innerhalb seiner Grenzen frei. Selbst der Gefangene hat Freiheiten, auch wenn diese sehr begrenzt sind.
Betrachten wir nun endlich die Frage nach der Freiheit der Psyche. Wie schon im vorangegangenen Essay beschrieben, kann die Psyche nicht frei über ihr Wesen bestimmen. Z.B. können wir uns selbst nicht einfach mit einem Schlag unbeschwert glücklich zaubern, wenn wir im Augenblick tot traurig sind. Allein das Beispiel zeigt schon, dass die Psyche nicht völlig frei sein kann. Wie sieht es aber allgemein mit Freiheiten aus? Da die Psyche eine Funktion des Körpers ist, und dieser der Kausalität der materiellen Welt unterworfen ist, könnte man durchaus vermuten, dass die Psyche determiniert ist. Nun betrachten wir einfach den Menschen und untersuchen ihn auf seine mögliche Determiniertheit. Determiniert bedeutet, dass auf eine bestimmte Ursache immer dieselbe Wirkung erfolgt. Es ist also im voraus klar, wie die Wirkung aussehen wird. Beispiel: Wir schreiben ein Computerprogramm, bei dem eine Tastenkombination eine bestimmte Funktion auslöst, z.B. ein bestimmter Ton erklingt. Ich drücke die Taste X und der Ton Y erklingt. Dieses Programm ist eindeutig determiniert, da auf die Ursache des Tastendrucks X immer die Wirkung des Ton Y folgt. Nun spiele ich das Beispiel statt mit einem Computer mit einem Menschen durch: Ich sage ein Wort X und mein Gegenüber soll darauf immer das Wort Y antworten. Wie das Experiment ausgehen wird, wenn man es lange genug durchführt, sollte jedem klar sein. Mein Gegenüber wird nach einer Zeit nicht mehr das Wort Y antworten, wenn ich das Wort X sage. Wer will, kann es ja gerne selber ausprobieren. Warum befolgt mein Gegenüber also nicht die Regel, wenn wir uns doch auf diese geeinigt haben? Weil er nicht an die Regel deterministisch gebunden ist. Er kann entscheiden, ob er das Wort Y antwortet, wenn ich das Wort X sage, oder nicht.
Natürlich ist das Beispiel nicht überzeugend genug, es sollte auch nur den Grundgedanken des Determinismus erläutern. Anderes Beispiel: Wir stehen vor unserem Kleiderschrank und überlegen, was für ein Hemd wir anziehen. Wir können uns für das eine oder andere entscheiden, wir stehen nicht unter äußeren Zwängen. Wir werden uns für das Hemd entscheiden, für was wir im Moment am meisten Lust haben. Wer sich an mein letztes Essay erinnert, dem wird diese Situation bekannt vorkommen. Warum haben wir auf das eine Hemd mehr Lust als auf das andere? Wir wissen es vielleicht nicht, aber der Grund warum wir uns für das entscheiden, für was wir uns entscheiden, liegt in uns selbst und nicht in äußeren Umständen. Die Ursache für die Wirkung des Wählen des Hemdes sind wir. Um eine Verbindung zu dem vorangegangen Beispiel zu knüpfen, kann man sagen, dass wir es sind, die die Taste X drücken und niemand anderes. Selbst wenn wir unter äußerem Druck stehen, z.B. auf eine Feier mit Kleiderordnung eingeladen sind, sind wir es doch die entscheiden, ob wir uns an die Ordnung halten oder nicht und nicht jemand anderes. Wir sind also selbst Ursache für unser Verhalten.
Es darf aber nicht vergessen werden, dass der Mensch durch seine Umwelt geformt wird, und dies auf sein Verhalten Einfluss hat. Außerdem werden wir von bestimmten Grundeigenschaften bestimmt, nämlich den Trieben und Instinkten. Man kann diese zwar beeinflussen, doch nicht einfach ausknipsen, wenn man wollte. Ja, der Mensch wird durch innere und äußere Einflusse bestimmt, aber dies bedeutet keine Determinierung der Psyche, sondern nur eine Beeinflussung. Wir sind es, die denken, entscheiden und handeln und sonst keiner. Ich versuche mal den Sachverhalt bildlich darzustellen: Die Psyche ist eine Person in einem Raum, in dem die Grundeigenschaften der Psyche die Wände darstellen, und die Umwelt diese Wände verformen oder Gegenstände in den Raum werfen. Sowohl die Wände, als auch die Gegenstände haben Einfluss auf uns, aber wie wir uns in diesem Raum bewegen, bestimmen allein wir.

Vergleiche ich mein hier dargestelltes Modell, mit der Sicht aus dem ersten Essay, so hat sich die Formel, wie ich es sehe, nicht geändert, nur ein Wert wurde anders gesetzt, was das Ergebnis grundlegend geändert hat. Das X in der Formel, das anzeigt was wir sind, sagte zu beginn, dass wir allein "Geist" seien, aber jetzt allein Körper. Ich habe sozusagen nur das Vorzeichen geändert, und plötzlich macht das Resultat für mich Sinn.
Ich habe versucht eine mir plausible Theorie darzustellen, ich behaupte nicht, dass sie der Wirklichkeit entspricht. Aber wie so vieles in der Philosophie ist auch die Frage nach dem Wesen des Subjekts eine, die momentan nicht oder vielleicht sogar nie eindeutig und endgültig beantwortet werden kann. Eine Antwort auf diese Frage sollte meiner Meinung nach deshalb plausibel sein, und ich denke, das ist mir recht gut gelungen. Das Thema ist damit bei weiten noch nicht abgeschlossen, aber ein Grundgerüst wäre damit erstellt. Es bedürfte natürlich noch einiger Überprüfung, zu testen, ob dieses stabil ist.

BeitragVerfasst: Mo 12. Jul 2004, 18:39
von Padreic
Zwei wirklich schöne Essays, Maurice. Dass du viel positives Feedback bekommen hast, kann ich mir gut vorstellen. Allein schon stilistisch sind die Essays hervorragend, sind doch philosophische Texte selten gleichzeitig so flüssig und interessant zu lesen. Obwohl du sicherlich verstehen wirst, dass ich dir nicht vollinhaltich zustimmen kann, ist der Argumentation auch nicht leicht zu widersprechen. Natürlich hat sie auch leichte Lücken, aber anderes lässt allein schon die Essay-Form natürlich nicht zu, in der man ja nicht jedes Details ausführlich abhandeln kann. Mal sehen, ob ich mich zu einer ausführlichen Antwort aufraffen kann. Ansonsten will ich inhaltlich erstmal nichst zu den Essays sagen; es würde nicht angemessen sein, einfach so etwas dahinzuwerfen, wo sicher in den Essays sehr viel Arbeit steckt (hoffe ich doch, sonst würde ich wirklich beschämt darstehen ;)).

Padreic

BeitragVerfasst: Mo 12. Jul 2004, 18:53
von Maurice
Ja es steckt viel Arbeit dahinter, allein schon das abtippen dauert immer seine Zeit. Die Grundgedanken die in den Essays geäußert werden habe ich schon eine Weile vorher gehabt, aber nur als kurze Notizen. Wenn aus jeder kleinen Notiz, die ich hab solche Essays entstehen würden... tja dann wwäre ein Buch schon vorprogrammiert. :D Aber es kostet eben viel Zeit und auch Nerven so lange Texte zu schreiben, wenn man es nicht gewohnt ist. Und so ein Essay ist ja nicht dasselbe wie ein langer Post im Forum, weil so ein Post meist relativ spontan entsteht, während man sich bei einem Essay sowohl inhaltlich, als auch von Aufbau wesentlich länger Gedanken macht. Beide Essays haben auch mehrere Korrekturen hinter sich, zum einen was den ein der anderen Satz angeht, wie wie nachträgliche Ergänzungen und Streichungen... antürlich auch Fehlerkorrekturen, was Rechtschreibung und Grammatik angeht. ^^*

Das du mir nicht kritiklos zustimmen wirst, versteht sich ja von selbst, aber das ist ja auch nicht schlimm. Du musst jetzt auch keinen Post verfassen, der mindestens so lang ist, wie einer der Essays, wenn dir spontan Kritik einfällt, äußere sie ruig, wir müssen ja nicht gleich darüber diskutieren, aber deine Meinung bezüglich eventueller Schwächen interessiert mich natürlich. :)

PS: Ein drittes Essay werde ich wahrscheinlich nächste Woche in die Sektion posten, weiß nur noch nicht, ob ich das hier posten soll, oder in den "Identität im Wandel der Persönlichkeit"-Thread, weil er sich thematisch um dieses Problem dreht. Das Essay muss nur noch den ein oder anderen Kontrollgang durchlaufen, dass dauert immer ein paar Tage, dann poste ichs hier. :)

BeitragVerfasst: Sa 17. Jul 2004, 18:43
von Rosalie
Hallo Maurice,

als totaler Laie wage ich mich jetzt mal an Deine Essays. Wie Pad schon schreibt, steckt soviel Arbeit dahinter und jetzt einfach etwas "rauszupicken" ist der Sache eigentlich nicht würdig. Aber da Du uns dazu aufgefordert hast.... na denn: :s4:

. Ist nun der Geist nicht unabhängig vom Körper und Descartes zweifelt alles Körperliche an, so muss er auch seinen Verstand und das was er hervorbringt in Frage stellen. Folglich müsste er auch seine Theorie, die laut ihm nur auf dem Verstande aufbaut, als zweifelhaft einstufen.
dass der Geist nicht unabhängig vom Körper ist liegt auf der Hand. Nicht nur Drogen, sondern Unfälle, Krankheiten usw. beeinflussen ihn.

.
Zwar kann ich nicht beweisen, dass es keine solche Seele gibt, doch kann man auch nicht beweisen, ob es eine solche gibt. Es ist daher durchaus möglich, aus welchen Beweggründen auch immer, diese anzunehmen. Doch sollte eine mögliche Annahme meiner Ansicht nach auf keinen Fall als Argumentationsgrundlage dienen, zum einen auf Grund ihrer empirischen Unbeweisbarkeit, zum anderen wegen fehlender allgemein nachvollziehbarer Argumente.
jetzt mal rein theoretisch: wenn es der Wirklichkeit entspräche, dass es eine Seele gibt - könntest Du dann überhaupt zu einem Ergebniss kommen, wenn Du sie außen vor läßt? Könnte es vielleicht nur eine Erklärung all der Fragen geben, mit einer Seele als Voraussetzung?
Nicht alles Wollen ist auch unser Willen, denn man kann durchaus in Willenskonflikte geraten, bei denen wir Gegensätzliches wollen.
Du hast ja sehr schöne Beispiele aufgeführt. Ist dieser Willenskonflikt nicht immer ein Streit zwischen Verstand einerseits und den Trieben (manchmal auch Emotionen) anderseits? Oder zwischen Körper und Geist?

Sehr gut gefällt mir Deine Erläuterung über die Freiheit des Willens. Nur Dein Ergebnis:
Das X in der Formel, das anzeigt was wir sind, sagte zu beginn, dass wir allein "Geist" seien, aber jetzt allein Körper. Ich habe sozusagen nur das Vorzeichen geändert, und plötzlich macht das Resultat für mich Sinn
stimmt natürlich nur, wenn Du das, was Du als Psyche bezeichnet, als reine Funktion des Körpers betrachtest, was Du ja tust .... aber da gibt es halt verschiedene Meinungen. :)

Rosalie

BeitragVerfasst: Sa 17. Jul 2004, 21:55
von Maurice
Du hast ja sehr schöne Beispiele aufgeführt. Ist dieser Willenskonflikt nicht immer ein Streit zwischen Verstand einerseits und den Trieben (manchmal auch Emotionen) anderseits? Oder zwischen Körper und Geist?

Den letzten Satz verstehe ich nicht, wo siehst du einen Konflikt zwischen Körper und Geist, wenn man in einen Willenskonflikt ist?

wenn es der Wirklichkeit entspräche, dass es eine Seele gibt - könntest Du dann überhaupt zu einem Ergebniss kommen, wenn Du sie außen vor läßt? Könnte es vielleicht nur eine Erklärung all der Fragen geben, mit einer Seele als Voraussetzung?

Bisher bin ich auf keine Frage gestoßen, die ich nciht aus atheisitscher, materieller Sicht hätte beantworten können, es war bisher also für mich nicht notwendig eine Seele zu postulieren. :)
Die bisher größte Schwierigkeit hatte ich bei der Frage nach dem "Selbst", was ich aber mit einigen Überlegngen imo auch ganz gut gelöst habe. Zumindst bin ich mit meiner Antwort zufrieden. ^^ Bevor du fragst was ich jetzt hier mit dem Problem über das Selbst meine, kann ich dich beruigen, denn auf das was ich gerade angesprochen habe, habe ich bei den beiden Essays hier keine Antwort gegeben. Ich behandle speziell die Frage nach dem Selbst in meinem dritten Essay, was ich wohl nächste Woche hier auch posten werde. Du musst also noch ein klein wenig Geduld haben. :)

@nur Körper oder Seele: Ich betone imo ja recht deutlich, dass diese Ausführungen meine Sicht der Dinge ist, und mein Versuch Antworten auf die Frage zu geben. Ich hege ja nicht (wie es leider die meisten Philosophen machen) einen Absolutheitsanspruch in dem Sinne, dass ich die eizige Wahrheit gefunden hätte, und dass sies absolut sicher sein.

Ich freue mich auf jeden Fall über jedes Feedback, also hier auch nochmal Dank an dich Rosalie. :s11:

BeitragVerfasst: Sa 17. Jul 2004, 22:09
von Rosalie
Den letzten Satz verstehe ich nicht, wo siehst du einen Konflikt zwischen Körper und Geist, wenn man in einen Willenskonflikt ist?
Dies erläutere ich Dir an den von Dir aufgeführten zwei Beispielen:

Früh morgens klingelt der Wecker, und da wir noch sehr müde sind, würden wir am liebsten einfach weiterschlafen, müssen aber aufstehen, um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen. Auf der einen Seite wollen wir zwar weiterschlafen, wollen aber auch nicht zu spät zur Arbeit kommen. Ein anderes Beispiel, was wohl vor allem Frauen bekannt sein sollte, ist die berühmte Diät und die Verführungen, denen man in solch einer Zeit ständig ausgesetzt ist. Beispielsweise der Anblick eines schmackhaften Stück Kuchens weckt in uns den Wunsch, dieses zu essen. Auf der anderen Seite wollen wir es aber nicht essen, weil wir ja unsere Diät...


1. Beispiel: Dein Körper ist noch müde, er möchte oder braucht noch Schlaf, doch Dein Geist (Verstand) sagt Dir: hey du mußt raus aus den Federn, da draußen wartet Deine Arbeit auf Dich, sonst bekommst Du Probleme.....

2. Beispiel: Dein Körper hat Verlangen (Trieb oder Gier) nach einem kalorienreichen STück Torte. Auch hier wieder sagt Dir Dein Verstand: Stop .... Du hast heute schon genug gefuttert .....

Das Du keinen Absolutheitsanspruch erhebst ist schon klar, ich wollte damit nur ausdrücken, dass dies in Deinen "Denksystem" logisch ist, aber wenn man von andren Begrifflichkeiten (z.b.was Psyche ist) ausgeht, kommt man zu einem andren Ergebniss(was Dir natürlich auch klar ist :)

Rosalie

BeitragVerfasst: Sa 17. Jul 2004, 22:25
von Maurice
Hmm ich finde deine Begriffsverwendungen merkwürdig. Du unterscheidest zwischen Trieb und Verstand, aber gehören nicht sowohl Trieb als auch Verstand dem Geist an? Du unterscheidest hier imo eben Trieb und Verstand aber nicht Körper und Geist.
Ich kann deine Begriffsverwendungen nicht ganz nachvollziehen, der Geist besteht ja nicht nur aus Verstand. :confused:
Was ich hier mit Verstand meine ist ja klar (also =Psyche), ich nenn es jetzt auch nur mal Geist, damit wir die selben Wörter verwenden, das ist hier wohl übersichtlicher, denke ich. :)

BeitragVerfasst: Sa 17. Jul 2004, 23:20
von Rosalie
Du unterscheidest hier imo eben Trieb und Verstand aber nicht Körper und Geist
ich ordne den Trieb dem Körper zu und den Verstand dem Geist oder Geist dem Verstand. Trieb hat imo nichts mit Geist zu tun, sondern ist eine Funktion des Körpers. :s11:

BeitragVerfasst: Sa 17. Jul 2004, 23:30
von Maurice
Hmm da haben wir wohl auch hier unvereinbare Ansichten, aber das macht ja nix. :)
Ich frag jetzt mal nicht weiter, weil sonst ruckzuck eine eigene Diskussion entsteht, die sich schnell verselbstständigen könnte. Wir (du warst wenn ich mich recht entsinne nicht dabei) hatten uns auch in einem Thread Gedanken über das Wesen der Psyche Gedanken gemacht, also in welche Aspekte man sie untergliern könnte. Leider ist der Thread seit einiger Zeit eingeschlafen, aber du könntest ja mal reinschauen und eventuell was posten, dann können wir uns da weiter unterhalten. :)
Oder wir verlagern es auf PMs. :s11:

BeitragVerfasst: Mo 26. Jul 2004, 14:29
von dmz
[ Maurice an Padreic : ... wenn dir spontan Kritik einfällt, äußere sie ruhig,
wir müssen ja nicht gleich darüber diskutieren, aber deine Meinung bezüglich
eventueller Schwächen interessiert mich natürlich]
-
Hallo und Guten Tag ! Die beiden Essays "Zum Begriff des Subjekts" haben mir gefallen,
was Thema und Ausarbeitung anbelangen, da ich den geistigen Aufwand einzuschaetzen weiss
und da ich mich gern mit der Hinterfragung des menschlichen Daseins beschaeftige,
obwohl ich beruflich eine technische Laufbahn, - mit naturwissenschaftlich orientierter Ausbildung -,
eingeschlagen und bis heute ausgefuehrt habe.
Deshalb habe ich diesen Themenbereich immer zweigleisig betrachten koennen,
metaphysisch und naturphilosophisch-naturwissensschaftlich.
"Versuchsobjekte" sind immer gewesen Ich selbst und die Menschen, mit denen ich zu tun gehabt habe.
-
Meine einleitende Anmerkung bezieht sich auf den zunaechst gewonnenen Eindruck, dass
die Bearbeitung der Thematik durchgaengig metaphysisch ausgefallen ist.
Ich meinte, nach dem Lesen der Essays die Anlehnung an die metaphysische Betrachtungsweise
der klassischen Philosophie bei den Schlussfolgerungen eines neuen Menschenbildes bemerkt zu haben.
Die evolutionsbezogene Betrachtungsweise des Menschen wird bisher unzureichend beruecksichtigt.
Nun fuer's erste ein paar Details:
:::
(1) [Descartes: ..."Ich denke, also bin ich"]
(2) [Maurice: ...Wir denken eigentlich nicht, sondern "werden gedacht"]
-
Auch ich teile die Meinung, dass Descartes diesbezueglich gewaltig irrte,
und andere Denker nach ihm sinngemaess ebenso.
Aus der zweiten(2) Aussage koennte die Umkehrung zur ersten,
Decartes'schen Aussage entwickelt werden.
Naturphilosophisch muss es dann richtig heissen: "Ich bin, also denke ich (bisweilen)".
Das entspricht auch der Evolution, der Entwicklung des Menschen.
Bevor der Mensch allmaehlich zu denken in der Lage gewesen ist, war er bereits existent.
Die Existenz-Frage erhebt sich also gar nicht.
Die menschliche Existenz ist Folge der Schoepfung (nicht religioes gemeint),
und die Schoepfung brauche ich nicht beweisen; denn sie muss stattgefunden haben.
Das ist Bestandteil unseres Wissens.
:::
[Maurice: ... Doch woher wissen wir, dass wir wirklich denken ?]
-
Einerseits muessen wir es nicht wissen; denn wir denken, - (a) weil wir existent sind,
und (b) weil die phaenomenale Entwicklung unseres Gehirnes das einfach ermoeglicht.
Die Faehigkeit dazu ist uns evolutionsbedingt gegeben; sie ist in uns und bedarf keiner Erklaerung.
Die Organe bzw das Gehirn sind der natuerliche Ursprung von Selbstorganisation schlechthin.
Getrennt davon interessiert uns, wie die "Natur" alles funktionell bewerkstelligt.
Andererseits erhebt sich die Frage, inwieweit wir die Prozesse unseres Gehirns
als Denkprozesse ueberhaupt bezeichnen koennen, wie wir das m.E. oberflaechlicherweise
zu tun pflegen.
-
Was ist also Denken ?
Kann man Ergebnisse des Bedenkens auf Grund von Wissen, Erfahrung und
Verarbeitung von Information als Denken bezeichnen,
wenn es sich meistens um Abwaegungsprozesse handelt,
die mein Entscheiden und Handeln/Nicht-Handeln bestimmen und die ausserdem
der Zufaelligkeit unterliegen koennen ?
Indem ich mich auf ein Beispiele im ersten Essay beziehe:
-
Es kann sich z.B. nicht um einen Denkprozess handeln, wenn ich entscheide,
eine Musik-Diskette auszuwaehlen, weil die im Player vorhandene abgelaufen ist.
Das Auswaehlen und Auswechseln der CD-Scheibe geschieht doch intuitiv.

-
Nein - ich verstehe unter Denken ausschliesslich das Entwickeln neuer Gedanken
im Sinne einer rationalen Ueberlegung: wenn ich z.B. eine neue Maschine
mit neuer Verfahrenstechnik entwickle .....
Es ist mir klar, dass ich mit dieser Auffassung der Qualifikation des Denkprozesses die meisten Menschen
unserer Gesellschaft erheblich degradiere, was ihre Gehirnleistung im Laufe ihres Lebens anbetrifft,
Denkprozesse zu vollziehen.
:::
[Maurice: ... Ob der Wille Freiheiten hat, ist Spekulation. Fest steht, dass der Wille nicht frei ist]
-
Ich meine, dass der Begriff "Wille" ein hypothetisches Konstrukt ist, -
wie der Begriff "Intelligenz" uebrigens auch.
Demnach haben wir objektiv gar keinen Willen, - einen freien dann erst recht nicht.
Ich meine festgestellt zu haben, dass sich der sogenannte Wille im Prinzip immer
aus den verschiedensten Beduerfnissen des Menschen ergibt; somit gibt es den "Willen" an sich nicht.
Wenn wir empfinden und meinen, wir haetten einen "Willen", ist das ein Trugschluss,
der uns nicht zu schaden scheint; andernfalls haetten wir unsere Auffassung korregiert.
:::
Ich mache erstmal Schluss; werde aber die Essays "Zum Begriff des Subjekts"
noch ein paar Mal lesen, um zu einer geschlossen Betrachtungsweise zu kommen .....
Ich wuensche recht viele Beitraege zu diesem Thema.

BeitragVerfasst: Mo 26. Jul 2004, 14:40
von Maurice
Du scheinst mir nur das erste Essay gelesen zu haben, zumidenst beziehst du dich nur auf dieses. Im zweiten Essay revidiere ich ja meine Aussagen aus dem ersten, die ich ja auch nicht vertreten wollte (siehe Schlussbemerkung).
Was ich im ersten Essay in Frage stelle ist nicht das DENKEN an sich, sondern dass WIR es sind die denken. Du scheinst da etwas missverstanden zu haben, zumindest klang das imo so in deinem Post. ;)

BeitragVerfasst: Di 27. Jul 2004, 14:05
von dmz
[Maurice: ... Du scheinst mir nur das erste Essay gelesen zu haben ...]
-
Ich habe beide Essays gelesen, und werde das auch wiederholen.
Dabei werde ich sicher tieferes Verstaendnis fuer die Inhalte gewinnen; wie sie gemeint sind.
Mein Posting war eher als Anmerkung im Sinne von Anregung zu verstehen, nicht als Kritik.
Mir sind halt beim Lesen der Essays gewisse Gedanken gekommen, die ich in meinem Posting
ausgesprochen habe, weil ich den Eindruck gehabt habe, es koennte (vielleicht) etwas fehlen .....
Aber vielleicht sprengte meine Absicht den vorgesehenen Rahmen der Essays.
:::
[Maurice: ... Was ich im ersten Essay in Frage stelle ist nicht das DENKEN an sich,
sondern dass <WIR es sind, die denken>]
-
Ob <WIR es sind, die denken> ..... ?
Ich hatte mich zunaechst einmal gefragt,
inwieweit ueberhaupt von Denkprozessen gesprochen werden kann;
denn beide Essays unterstellen einfach, dass wir denken koennten/ wuerden.
Wenn wir aber nicht denken wuerden, sondern unser Gehirn wie ein "Automat" nur abwaegen wuerde,
oder gelegentlich auch zufaellig entscheiden wuerde, auf Grund von Wissen, Erfahrung und
Verarbeitung von Information, dann stellte sich die Frage wegen getrennter Betrachtung
von Individualitaet und vermeintlichem Denken nicht unbedingt.
WIR sind als solche einfach existent; als Einheit von Koerper und Geist.
Ich meine, man kann den Menschen naturphilosophisch nicht auseinander dividieren,
wie einen Maschinenmenschen zerlegen.
Das kann nur das Bestreben der Naturwissenschaft sein.
-
Dennoch finde ich die beiden Essays aus philosophischer Sicht prima.

BeitragVerfasst: Di 27. Jul 2004, 14:33
von Maurice
Ich denke du gehst an das Thema noch elementarer ran, als ich es tat. Ich glaube ein paar Sätze werden deinen Gedanken hier nicht gerecht, und eine wirklich lange Ausführung entspräche imo so nicht dem Sinn DIESES Threads, wie wäre es also wenn du deine Überlegungen etwas ausführlicher in einem gesonderten`Thread darstellst?
Ich denke, das wäre bestimmt interessant. :)
Vor allem weil du als (wie es mir scheint) Naturphilosoph garantiert einige Schnittmengen bei den Vorstellungen haben wirst wie ich, und so Personen könnten imo ruig noch mehr hier in der Sektion sich zu Wort melden. ;)

Re: Zweites Essay zum Seminar "Zum Begriff des Subjekts"

BeitragVerfasst: Mi 28. Jul 2004, 11:31
von Ecthelion
Hallo Maurice

Ich kann dir nicht nur zu den Essays als solche gratulieren, ich stimme auch inhaltlich grösstenteils mit dir überein. Ich kann es nur so sagen: Du nimmst mir über weite Strecken die Worte aus dem Mund, auch wenn ich sie wohl nie so ausführlich dargestellt hätt.

Nur das Ende des zweiten Essays gefällt mir inhaltlich nicht so sehr. Du entwickelst darin, wie ich es verstanden habe, ungefähr folgende Gedanken:

1.Die Psyche ist ein Produkt des Körpers, der naturwissenschaftlich determiniert ist und insofern könnte man auch diese als determiniert bezeichnen.

2. Wir sind uns zwar der Ursachen unseres Handelns nicht bewusst, aber sie liegen alleine in uns selbst, wir sind also alleinige Ursache unseres Handelns.

3. "Der Mensch wird durch innere und äußere Einflusse bestimmt, aber dies bedeutet keine Determinierung der Psyche, sondern nur eine Beeinflussung. Wir sind es, die denken, entscheiden und handeln und sonst keiner. "
und
"Die Psyche ist eine Person in einem Raum, in dem die Grundeigenschaften der Psyche die Wände darstellen, und die Umwelt diese Wände verformen oder Gegenstände in den Raum werfen. Sowohl die Wände, als auch die Gegenstände haben Einfluss auf uns, aber wie wir uns in diesem Raum bewegen, bestimmen allein wir."

Punkt 1, einverstanden.
Punkt 2, ebenfalls, aber der verschiebt das Problem nur.
Unmmittelbare Ursache unserer Psyche und unseres Handelns sind wir natürlich selbst, sofern man den gesamten Körper darunter versteht. Aber eben dieser ist auch nur das Produkt seiner vergangenen Einflüsse, so dass letztlich Psyche und Handlung dennoch nur ein Produkt der gesammten Welt sind, und nicht allein meines Körpers.

Punkt 3. Wie gesagt, das ändert nichts daran, dass sowohl die Psyche als auch jede Handlung dennoch die logische, determinierte Folge des Körpers sind, dessen aktueller Zustand widerum ein Produk seiner vergangenen Einflüsse ist. Die inneren und äusseren Einflüsse beeinflussen nicht nur die Psyche, sondern sind mit dem restlichen Ich die Ursache dieser. Nur weil ein entscheidender Teil der Ursache unserer Psyche in unserem Körper liegen, bedeutet das nicht, dass sie nicht determiniert ist.
Mir ist nicht klar, wie du darauf kommst, dass sich die Psyche im "Raum" frei bewegen kann. "Determiniert bedeutet, dass auf eine bestimmte Ursache immer dieselbe Wirkung erfolgt. Es ist also im voraus klar, wie die Wirkung aussehen wird." Was ist hier nicht determiniert? Obwohl die letzte Ursache der Psyche und des Handelns der Körper alleine ist, so sind sie doch deterministisch bestimmt (und kommt mir jetzt nicht mit Heisenberg).

Determiniert - Eine Frage der Definition?

BeitragVerfasst: Mi 28. Jul 2004, 22:17
von Maurice
Wer ist Heisenberg? ^^*

Was das "determiniert" angeht, so hast du auf deine Weise schon recht, aber eben weil du "determiniert" etwas anders definierst als ich. Der Mensch ist für mich nicht im klassischen Sinne (zumindest was ich darunter verstehe) determiniert, sondern nur kausal. Den Unterschied habe ich versucht mit meinem Vergleich zwischen einem Computerprogramm und einem Menschen zu verdeutlichen. Auf Aktion A folgt bei einem Computerprogramm immer Reaktion B, deshalb ist es determiniert. Beim Menschen steht nicht fest welche Reaktion auf Aktion A folgt. Natürlich gibt es auch beim Menschen ein Spektrum an möglichen Reaktionen, aber eine bestimmte Reaktion ist nicht fest einprogrammiert. Darüber hinaus programmiert sich der Mensch auch selbst um, zwar auf Grundlage seines bisherigen Systems und den Einflüssen seiner Umwelt, aber die Aktionen aus der Umwelt determinieren den Menschen nicht, weil eine Aktion nicht bei allen Menschen die gleiche Reaktion hervorbringt. Der Mensch entscheidet wie er auf den ihm zukommenden Input reagiert, nicht der Input. Der Mensch kann sich auch ganz logisch gegensätzlich zu dem ihm zukommenden Input verhalten, das Computerprogramm kann das nicht.
Ich spreche hierbei natürlich von heutigen Computerprprogrammen und schließe nicht aus, dass es einmal Programme geben könnte, die in diesem Punkt dem Menschen ähneln oder gar gleichen.
Ich sehe also sehr wohl einen qualitativen Unterschied in der Bestimmtheit des Menschen zu eben beispielsweise einem Computerprogramms.

Ich habe mal überlegt wie ich meine Grundhaltung bei philosophischen Fragen generell umschreiben könnte und finde "phänomenologischer Materialismus" trifft die Sache vielleicht ganz gut. Auf der einen Seite versuche ich immer Antworten auf Grundlage des Materialismus zu geben, auf der anderen Seite sollten diese aber auch mit unsereren "alltäglichen Sicht" zusammen funktionieren können. Allein deshalb weil wir uns nicht als determiniert auffassen, sollten wir imo uns auch nicht einreden, wir wären es.
Determiniert würde ja bedeuten, dass ich hier schreibe und was ich schreibe stünde schon fest bevor ich es schreibe, und das wäre der Standpunkt den ich versucht habe im ersten Essay zu karikieren.

Drittes Essay posten - Ja oder Nein

BeitragVerfasst: Do 29. Jul 2004, 13:27
von Maurice
Damit sich niemand wundert wo mein versprochenes drittes Essay bleibt, teile ich leider mit, dass sich das Posten dieses noch ein paar Wochen dauern kann. Die Dozenten bei denen ich das Seminar hatte, sind im Moment nicht da. Die wollen auch mal Urlaub haben. ^^ Ich habe auf deren Kritik immer im nachhinein noch einige kleine Veränderungen am Essay gemacht, was sich fast ausschließlich auf Grammatik und Syntax bezog (manche Sätze von mir wirken ab und zu etwas komisch, was mir aber gar nicht so auffällt aber dann den Lesern ^^*). Ich würde hier nur ungern diese, wie ich es mal nennen will, "unbereinigte" Version hier posten, weshalb es sich wohl mit dem Posten eben noch eine Weil hinziehen würde. Wenn ihr aber auf mögliche besagte Fehler ohne jegliche Probleme hinwegsehen könnt, lasse ich natürlich nochmal mit mir reden und poste es eventuell doch schon vorher. Ich kann es ja notfalls auch nachträglich durch editieren bereinigen. ^^

BeitragVerfasst: So 8. Aug 2004, 02:14
von dmz
[Maurice: ... Ich bin nun zu allererst einmal ein lebender Körper.
Wo aber kommt mein Denken her?
Auch hier hält die Naturwissenschaft eine Antwort für mich parat,
nämlich dass mein Gehirn der Ursprung meines Denkens sei]
[Maurice: ... Mein bewusstes Ich ist Produkt mir unbekannter Mechanismen,
diese haben mein Gehirn als Ursprung,
und dieses ist Teil des Körpers, der ich bin.
Somit bin ich allein mein eigener Ursprung]
---
Hallo und Guten Tag !
:::
Wenn ich die zentrale Frage nach der Bewusstseinsbildung stelle, komme ich
an der Tatsache nicht vorbei, dass Information entweder von innen aus meinem Koerper oder
Information von aussen aus meiner Umwelt die wesentlichen Komponenten darstellen,
die zur Bildung von Beduerfnissen als Grundlage meines Handelns fuehren (Ich waehle lieber
den Begriff "Beduerfnis" statt "Willen"). Dass sich Emotionen in diesen Prozess einmischen, -
wenn auch nicht immer wuenschenswert -, ist eine bekannte Tatsache.
Ich wuerde also die Frage "Wo aber kommt mein Denken her?" dahingehend erklaeren,
dass die Informationen schlechthin die Quelle des Prozesses der Bewusstseinsbildung sind,
und der Ort dafuer, - wie oben bereits gesagt -, das Gehirn ist.
Ohne Informationen also keine Bewusstseinsbildung, keine Denkprozesse.
Wie das Organ die biologische Umsetzung macht, ist eine andere Angelegenheit.
:::
Die Bewusstseinsbildung unterliegt also einem Dualitaetsprinzip (nicht Dualismus),
welches einmal besteht in der materiellen Komponente "Gehirn" und zum anderen
in dessen "Eigenschaft", den Denkprozess vollziehen zu koennen auf der Grundlage
von Informationen, Erfahrungen und/oder gelegentlich auch als Zufaellsentscheidungen.
In diesem Dualitaetsprinzip liegt uebergeordnet das Phaenomen des Persoenlichkeitsempfinndens.
(Der Inhalt dieses letzten Absatzes entstammt meiner eigenen Ueberlegung und
duerfte nicht unbedingt der lehramtlichen Meinung entsprechen)
Ich darf erklaerend jedoch anfuehren, dass unsere menschliche Natur(Wesen, Sprache, Denkweise),
der Kosmos insgesamt, einschliesslich der sogenannten Schoepfung(Proton-Neutron-Genese)
m.E. einem Dualitaetsprinzip unterliegt, welches man prinzipiell als universal deterministisch
bezeichnen koennte, von welchem der Zufall im Detail aber nicht ausgeschlossen ist.

3. Essay

BeitragVerfasst: Mi 15. Sep 2004, 11:44
von Maurice
Hier ist endlich mein drittes Essay, das für das Semiar "Zum Begriff des Subjekts" entstanden ist. Da die Dozenten mehrere Wochen nicht da waren, habe ich erst vor ein paar tagen die korrigierte Version erhalten. Inhaltlich habe ich nichts überarbeitet, sondern nur ein paar grammatische Schwächen ausgebügelt. Ich hoffe der Thread ist noch nicht komplett in Vergessenheit geraten und es werden wieder ein paar mein Essay lesen. Ich wünsche viel Spaß. :s11:

----------------------------------------

In den beiden vorangegangenen Essays habe ich mich der Frage nach dem Subjekt in Bezug auf das Denken, das Bewusstsein und den Willen gewidmet, jetzt will ich mein Augenmerk auf das richten, was wir als das "Selbst" bezeichnen. Als Selbst bezeichnen wir unsere eigentliche Persönlichkeit und verbinden mit dem Begriff auch die Vorstellung eines Kerns unseres Wesens. Im Laufe der Zeit ändern wir immer wieder unsere Persönlichkeit, doch selbst nach vielen Jahren empfinden wir uns immer noch als derselbe Mensch, der sich eben nur verändert hat.
Ich werde als erstes das Problem, das sich aus meinen atheistischen Überlegungen aus den vergangenen Essay für diese Frage ergibt, aufzeigen, um danach zu versuchen, eine Lösungsmöglichkeit dafür darzustellen.

Als erstes möchte ich meine Verwendung der Worte "selbe" und "gleiche" erläutern, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Dazu werde ich es an ein paar Beispielen erläutern:
Nehmen wir einen Gegenstand, z.B. ein Blatt Papier und sagen, das ist das Blatt X, und legen dies in eine Kiste. Es ist klar, dass dieses Blatt immer als dasselbe gesehen werden kann, weil wir es räumlich abgegrenzt haben, und kein Zweifel daran besteht, dass es sich nicht irgendwie verflüchtigen wird. Es mag vergilben oder sich wellen, aber das Blatt X ist immer dasselbe Blatt X. Es ist eindeutig, dass es sich immer noch um dasselbe handelt, weil es eben immer noch in der Kiste ist und nicht ausgetauscht wurde. Es mag nicht mehr das gleiche sein, aber immer noch dasselbe. Oder wir nehmen zwei Flaschen von einer Marke, so ist die eine Falsche nicht dieselbe wie die andere, weil sie aber in ihrem Äußeren für uns identisch sind, sind sie gleich. Auch eine der Flaschen ist zu sich selbst die gleiche. Wird dann eine stark beschädigt, ist sie zu sich selbst und zu der andern nicht mehr die gleiche.
"Selbe" meint also, dass wir stets von einem Gegenstand reden und nicht von einem anderen, und "gleiche" meint entweder denselben Gegenstand, der sich in seiner Art nicht verändert hat, oder mit einem anderen identisch erscheint. Hier wird aber schon deutlich, dass die Linien zwischen "selbe" und "gleiche" nicht eindeutig zu ziehen sind, denn es ist Ansichtssache, inwieweit ein Gegenstand mit einem gleichen identisch ist. Das Äußere mag zwar uns identisch erscheinen, aber schon in der Struktur der Atome gibt es Unterschiede, und von daher sind die Gegenstände an sich nicht identisch. Auf der anderen Seite ist die Frage wann ein Gegenstand durch Veränderungen sich noch so sehr ähnelt, dass man ihn als den gleichen bezeichnen kann. Ein Bäumchen z.B., das immer weiter wächst, ändert seine Gestalt. Betrachten wir das Bäumchen bei einer Größe X und sehen dem Baum weiter beim wachsen zu, ab wann müssen wir sagen, dass der Baum nicht mehr der gleiche ist?
In Bezug auf den Menschen kann man sagen, dass ein Mensch nach X Jahren immer noch derselbe, aber bestimmt nicht mehr der gleiche ist, wie früher. Es handelt sicher immer noch um den Menschen wie vor X Jahren, aber sein Wesen hat sich verändert. Dieses ist auch die typische Ansicht unserer Gesellschaft. Wenn z.B. ein Schwerverbrecher sich total ändert, könnte man meinen er sei ein anderer Mensch geworden. Ok, er ist anders, aber immer noch derselbe. Nur weil jemand sozialisiert wurde streichen wir ja auch nicht seine Straftaten aus seinem Führungszeugnis.

Dass sich aber aus meiner rein naturwissenschaftlichen Sicht der Dinge ein Problem ergibt, werde ich jetzt erläutern. Wir sagen also, dass ein Mensch, auch wenn sich seine Persönlichkeit ändert, immer derselbe bleibt. Da aus meinem vorangegangenen Essay hier auf dem Standpunkt aufgebaut wird, dass wir allein Körper sind und keinen "Geist" besitzen, wie ihn Descartes beschreibt, kann man sagen, dass der Mensch immer derselbe bleibt, weil es sich immer um dasselbe körperliche Objekt handelt, und die Psyche hierbei durchaus zu vernachlässigen sei, da sie nur eine Funktion dessen ist. Es ist aber eine wohlbekannte medizinische Tatsache, dass sich das Gewebe des menschlichen Körpers regelmäßig selbst erneuert und somit grundsätzlich alle sieben Jahre einen völlig neuen Körper schafft. Wenn also durch die Erneuerung des Körpers ein völlig neuer Körper geschaffen ist, dann kann man auch nicht mehr vom selben Menschen sprechen, weil er aus materieller Sicht nichts besitzt, was Bestand hat. Für all diejenigen, die meinem Gedankengang gerade nicht ganz folgen konnten, hier ein passendes Beispiel: Wir nehmen zwei gleiche Puzzles und bauen davon eins zusammen. Dieses zusammengebaute Puzzle symbolisiert den Menschen in seiner Körperlichkeit. Nun nehmen wir ein Puzzlestück weg und ersetzen dies durch das gleiche aus dem anderen Puzzle. Dies führen wir nach und nach mit allen Puzzleteilen durch, bis wir dann letzen Endes noch das gleiche Puzzle liegen sehen, es aber nicht mehr dass selbe ist, weil es aus anderen Teilen besteht. Dieser Austauschprozess ist also alle sieben Jahre bei einem Menschen abgeschlossen, wie kann man also spätestens nach sieben Jahren noch von demselben Menschen sprechen? Dieses Problem möchte ich im weiteren Verlauf des Textes kurz als "Puzzle-Problem" bezeichnen.

Mein erster Versuch dieses Problem zu lösen sieht wie folgt aus:
Um zu sagen, der Mensch bleibt derselbe, dürfen wir ihn nicht über seine Eigenschaften definieren, sondern müssen ihm einen fiktiven "Stempel" aufdrücken, ihm eine Nummer zuweisen oder ihn in einen fiktiven "Würfel" stecken. Der Mensch hat durch diese Klassifizierung etwas an sich, dass auf jeden Fall gleich bleibt, egal wie sehr er sich auch verändern mag. Wohin er geht, der Würfel wandert mit. Wie sehr sich der Mensch auch verändern mag, das was in dem Würfel ist, ist immer dasselbe.
Aber diese Idee ist nicht ohne Probleme. Was ist, wenn ein Mensch mehrere Körperteile verliert, muss dann der Würfel geteilt werden? Wenn der Würfel geteilt ist, dann ist die gewünschte Einheit und Klarheit, die man mit ihm erreichen wollte, zerstört. Verliert der Mensch eben mehrere Körperteile, wo ist dann der eigentliche Mensch? Man muss eine Priorität setzen, was den Menschen besonders ausmacht, also was das wichtigste an ihm ist, und wo die Identität haften bleiben würde, wenn er geteilt werden würde. Da rein materiell alle Körperteile gleichwertig sind, müssen wir einem bestimmten Teil einem besonderen Wert zuschreiben, der dann das Gehirn wäre, da dies die Persönlichkeit hervorbringt, die neben dem Äußeren das Hauptmerkmal eines Menschen ist. Aber auch das Gehirn ist teilbar, wo liegt also wieder hier der entscheidende Teil? Es gibt aber nicht ein einziges Teil, das die Persönlichkeit hervorbringt, sondern erst das Zusammenspiel mehrerer. Solange diese Bereiche also unangetastet bleiben gibt es kein Problem? Schön wäre es. Denn was dieses Modell gibt, ist eine mögliche Definition, wann ein anderer Mensch "derselbe" bleibt, erklärt aber nicht unser eigenes Empfinden. Wir sehen uns selbst nicht von einem fiktiven Würfel umgeben, in dem der Körper, der wir jeweils sind, beliebigen Veränderungen ausgesetzt werden kann, und wir dabei immer dieselben bleiben. Dieser Würfel braucht keinen Kern, sondern nur einen Inhalt, aber unser Bewusstsein sagt uns, dass wir etwas besitzen müssen, das identisch bleibt im Laufe der Zeit. Wir halten uns immer noch für dieselbe Person, wie vor X Jahren, und damit wir dieselbe sein können muss es etwas geben, was uns über all die Jahre erhalten bleibt. Das konstante Ich-Gefühl, muss also auf etwas Unveränderlichen beruhen. Somit ist dieser Lösungsansatz nicht ausreichend.

Mein zweiter Versuch das Problem zu lösen, ist die Vorstellung einer Seele:
Mit einer solchen wäre das Problem zwar gelöst, dass wir uns immer als dieselbe Person wahrnehmen und umgehen damit das Puzzle-Problem, weil die Seele nicht vom Körper abhängig ist. Doch halte ich diesen Lösungsversuch schon allein aus logischen Gründen für unzumutbar, wirft er doch mehr Fragen auf, als er beantwortet. Woher kommt die Seele? Wo sitzt die Seele? Wie sieht eine Seele aus? Was passiert nach der Seele nach dem Tod? Hat nur der Mensch eine Seele oder auch andere Lebewesen? Wenn der Mensch eine einheitliche Seele hat, wie kann es dann zu Schizophrenie kommen? Alles Fragen auf die wir nur spekulative Antworten geben können, da sich die Seele durch ihre Nicht-Körperlichkeit unseren naturwissenschaftlichen Untersuchungen entzieht, und wir somit keine Informationen über sie erlangen können. Wir wollen aber eine Antwort auf das hier thematisierte Problem, die möglichst keine neuen Fragen aufwirft, und falls doch diese dann wiederum beantwortbar sein sollten. Somit scheidet auch dieser Lösungsansatz aus.

Wir brauchen also etwas, was uns mit unserem früheren Dasein verbindet, und das ist für uns unsere Erinnerungen. Wir sind immer noch dieselben wie früher, weil wir wissen, was wir damals gemacht haben. Die Person an die wir uns erinnern, kann nur man selbst sein, weil wir ja nicht Erinnerungen von anderen Menschen haben können. Aber was ist, wenn wir etwas vergessen, welche Verbindung haben wir dann noch zu diesem Teil unserer Vergangenheit? Wir würden, wenn wir etwas vergessen, somit einen Teil unseres Selbst verlieren. Und was wäre, wenn wir durch eine Amnesie alle unsere Erinnerungen verlieren würden, hätten wir dann immer noch etwas mit unserem früheren Dasein gemein? Auch wenn wir uns nicht erinnern könnten, so handelte es sich doch immer noch um denselben Menschen. Ein Mensch wird ja nicht durch einen völlig anderen ersetzt, nur weil er Dinge vergisst. Wir würden einem Schwerverbrecher ja auch nicht seine Straftaten aus seinem Führungszeugnis streichen, wenn er sein Gedächtnis verloren hätte. Darüber hinaus können Erinnerungen auch falsch sein, welche Sicherheit geben sie uns also über unser Selbst? Außerdem können Erinnerungen nur eine Antwort auf die Frage nach unserem Selbst sein, aber nicht nach dem anderer Personen, und das reicht nicht für eine ausreichende Antwort aus.

Ich habe nun verschieden Ansätze angeführt, aber keiner hat mich zufrieden gestellt. Ich setzte also erneut dort an, wo ich die Quelle unseres Selbst vermute, im Gehirn. Wie schon erwähnt, ist unsere Psyche eine Funktion des Gehirns, aber wie sehen die Prozesse im Gehirn aus? In unserem Gehirn interagieren ständig unendlich viele Zellen durch elektrische Impulse miteinander, erzeugen ein bestimmtes Muster und bringen somit unser Bewusstsein hervor. Diese elektrischen Impulse sind uns nicht bewusst, wie auch das hervorgebrachte Unterbewusstsein, aber dies dürfte hier keine Rolle spielen. Die Frage ist, wo das Konstante in diesem System ist, dass unser Selbst-Gefühl schafft. Ohne die Zellen gäbe es keine Impulse, und ohne die Impulse wäre das Gehirn tot. Die Zellen bringen die Impulse hervor, und die Impulse beeinflussen andere Zellen, wobei die Impulse nur das Medium der Zellen ist zu interagieren. Wird nun eine Zelle durch eine neue ersetzt, so nimmt diese den Platz der alten ein. Der Austausch einer Zelle fällt bei der Anzahl an Zellen in unserem Gehirn nicht ins Gewicht. Nur besondere Ereignisse (z.B. ein Unfall) können das System plötzlich radikal verändern. Dies wird aber unter gewöhnlichen Bedingungen kaum der Fall sein. Eine neue Zelle übernimmt also den Platz der alten und fügt sich in das System ein. Angenommen das Muster der Impulse bleibt gleich, so müsste trotz der neuen Zellen die Persönlichkeit identisch bleiben. Verändert sich das Muster hingegen, ändert sich auch die Persönlichkeit. Wie bei meinen anfänglichen Beispielen zu den Begriffen "selbe" und "gleiche" kann man auch bei einer Änderung der Persönlichkeit nicht eindeutig zwischen einer alten und einer neuen Persönlichkeit unterscheiden, in Bezug auf ihre Gleichheit. Die Persönlichkeit wird aber immer dieselbe sein, weil sie immer aus demselben System entsteht. Ausnahme bilden dabei gespaltene Persönlichkeiten, weil es sich hier allen Anschein nach um zwei Persönlichkeiten handelt. Das Konstante in der Persönlichkeit, das Selbst-Gefühl des Ichs, wird also ein konstanter Wert des Impulsmusters sein. Solange dieser entscheidende Wert konstant bleibt, erleben wir uns beständig, als uns selbst. Schizophrenie wäre somit eine Störung dieses Musters. Was aber tun mit dem Puzzle-Problem? Wenn der Prozess der Zellerneuerung nur schrittweise vonstatten geht, sich jede Zelle in das alte System integriert und dadurch die Grenze zwischen alten und neuen System nicht definierbar ist, weil ein "neues" System nie vollständig sein kann, weil es auch immer schon wieder alte Komponenten enthält, dann stellt sich das Problem hier nicht mehr.
Um meine Vorstellung vereinfacht bildlich darzustellen, vergleiche ich das Muster der Hirnaktivitäten mit dem eines Fingerabdrucks. Der Fingerabdruck verändert sich zwar mit der Zeit, weil Kinder kleinere Finger als Erwachsene haben, aber ist es dennoch derselbe Fingerabdruck, auch wenn es nicht der gleiche ist. Der Fingerabdruck wäre nur nicht mehr derselbe, wenn man sein Muster verändern würde.
Ich möchte aber noch einmal betonen, um nicht vielleicht missverstanden zu werden, dass unsere Persönlichkeit nicht allein das Impulsmuster ist, sondern vor allem das dem zugrunde liegende Muster der Gehirnzellen, da die Impulse nur das Medium sind. Wenn ich von Impulsmustern spreche, muss man sich diese immer auf Grundlage der Gehirnzellen vorstellen und nicht getrennt von diesen.
Abschließend möchte ich noch ein paar Sätze zu dem Verhältnis von Mensch und Persönlichkeit in Bezug auf "selbe" und "gleiche" sagen. Ein Mensch ist nicht nur seine Persönlichkeit, sondern alles was zu seinem Körper gehört. Ein Mensch kann dasselbe Äußere haben, wie zu einer vorhergegangenen Betrachtung, aber seine Persönlichkeit kann sich geändert haben. Dies ist natürlich auch in umgekehrter Richtung möglich. Diese Unterscheidung von Körper und Psyche ist, aber nicht wie der bei Descartes zu sehen, sondern dient nur dazu uns in unserem Alltag leichter zu verständigen. Die Psyche ist immer eine Funktion des Körpers. Sprechen wir von demselben Menschen, so bedienen wir uns in der Regel des fiktiven Würfels, wenn es um seine allgemeine Körperlichkeit geht. Fragen wir hingegen, ob seine Psyche dieselbe ist, dann fragen wir nach der Äquivalenz des Gehirnmusters. Falls sich die Psyche eines Menschen ändern sollte, so handelt es sich immer noch um denselben Menschen, eben nur mit einer anderen Psyche. Diese Unterscheidung ergibt sich natürlich nur, wenn man den Menschen über diesen fiktiven Würfel definiert und nicht primär über seine Persönlichkeit. Definiert man hingegen den Menschen über seine Psyche, so ist klar, dass es sich nicht mehr um denselben Mensch handelt, wenn dem betrachteten Körper eine andere Psyche zu Grunde liegt. Wie aber schon oben mit meinem Bespiel des Schwerverbrechers erläutert, definieren wir für gewöhnlich den Menschen eben mit dem besagten fiktiven Würfel.

Meine Erklärung ist nur Versuch aus materieller Sicht unter Berücksichtigung der Naturwissenschaften, das Problem des Selbst in den Griff zu bekommen. Ob die hier dargestellte Idee naturwissenschaftlich akzeptabel ist, kann ich leider nicht beurteilen, da mein Wissen über Neurobiologie leider nur sehr begrenzt ist. Ich gebe zu, dass die Erklärung etwas merkwürdig zumuten mag, doch sollte man sich den Vorschlag in Ruhe überlegen, weil es zumindest für mich nach einer stimmigen Vorstellung klingt, um das Bild des Selbst auch aus atheistischer Sicht aufrecht zu erhalten.

-----------------

Edit: Peinlich, peinlich, aber mir ist jetzt erst ein kleiner Fehler aufgefallen, den aber scheinbar niemand bemerkt hatte. THX hier an E-Noon, die scheinbar genauer liest, als ihre Vorgänger. :D