Rolle der Kirche in der Religion / Glaubenswahrheit

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Traitor
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Sa 21. Aug 2004, 00:58 - Beitrag #1

Abgetrennt aus "Welcher Religion gehört ihr an?" - Traitor


@Monostratos: Weltlichen Druck und körperliche Drohungen übt die katholische Kirche wohl nicht mehr aus. Sehr wohl aber starken geistigen Druck - der Papst geht immer noch hart gegen Abweichler vor, wie man etwa in den Abtreibungsdiskussionen sieht, und zieht so einige Register seiner Macht.
Auch bei der evangelischen Kirche existiert dieser Druck in schwächerer Form - es gibt eben nur eine Glaubenswahrheit, vielleicht mit ein paar Schattierungen, aber keinen echten Alternativen.

Monostratos
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Sa 21. Aug 2004, 02:58 - Beitrag #2

Dass die Kirche keine körperliche, weltliche Unterdrückung heutzutage mehr praktiziert, sollte eigentlich jedermann klar sein, und war auch nicht gemeint.


Was wäre das für ein Christentum, das Alternativen zu der einen Glaubenswahrheit hätte...?

Traitor
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Sa 21. Aug 2004, 03:05 - Beitrag #3

Leider ist das eben eine Grundwesenheit von Religionen und ähnlichen Weltanschauungssystemen, dass sie keine Alternativen zulassen... Allerdings gehören die beiden großen christlichen Konfessionen (ja, auch die evangelische trotz einiger demokratischer Elemente) zu den Religionsgemeinschaften, bei denen die Eine Wahrheit sehr stark als bereits 100%ig gefunden angesehen wird und nicht als etwas, nach dem man gemeinsam sucht, was auch bei Annahme einer Einzigen Wahrheit nicht unmöglich wäre.

Monostratos
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Sa 21. Aug 2004, 03:17 - Beitrag #4

Leider ist das eben eine Grundwesenheit von Religionen und ähnlichen Weltanschauungssystemen, dass sie keine Alternativen zulassen...

Warum dieses "Leider"? Wenn man an Jesus / Allah / Jahwe glaubt, braucht man keine Alternativen mehr. Ich weiss nicht, ob Atheisten (Das bist Du doch, Traitor?) das nachvollziehen können...

Zu den anderen Weltanschauungssystemen halt ich mich mal geschlossen. Was Materialismus u.ä. angeht: Damit hab ich mich noch nicht ausreichend beschäftigt.

Traitor
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Sa 21. Aug 2004, 03:24 - Beitrag #5

(Das bist Du doch, Traitor?)
Mit jeder Faser meines Seins ;)

"Leider" kann diese Haltung durchaus auch aus der Sicht Gläubiger sein. Denn die meisten, die in der Vergangenheit als Ketzer verbrannt wurden oder heute auf subtilere Art von den Kirchen zurechtgewiesen / an den Rand gedrängt werden, sind ja durchaus der Ansicht, selbst an Gott zu glauben. Und zwar so, wie es ein guter Christ tut. Kirchliche Alleingültigkeitsansprüche nehmen ihnen dann aber die Möglichkeit, dies auszuleben. Eine Doktrin der "kollektiven Wahrheitsfindung" anstatt einer des "obrigkeitlichen Wahrheitsbesitz" wäre da deutlich toleranter. Allerdings würde sie wohl kaum praktisch-organisatorisch machbar sein - aber kann sich eine Gemeinschaft der Gläubigen eigentlich davon aufhalten lassen...? Eine der Sachen, die mir am Glauben sehr paradox erscheint.

Monostratos
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Sa 21. Aug 2004, 03:29 - Beitrag #6

"Leider" kann diese Haltung durchaus auch aus der Sicht Gläubiger sein. Denn die meisten, die in der Vergangenheit als Ketzer verbrannt wurden oder heute auf subtilere Art von den Kirchen zurechtgewiesen / an den Rand gedrängt werden, sind ja durchaus der Ansicht, selbst an Gott zu glauben.

Halt! Es geht hier um das Wesen der Religion (Beziehung Gott <->Mensch), nicht um die Kirche. Wär´ schön, wenn Du den Einfluss der Kirche, die ja doch recht weltlich ist, ´mal aussenvor lassen könntest ;) . Was wäre dann?

/EDIT: Atheismus ist auch eine Art Glaube. Nur vollkommenes Desinteresse/ Unwissenheit ist UNglaube.

Traitor
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Sa 21. Aug 2004, 03:34 - Beitrag #7

Halt! Es geht hier um das Wesen der Religion (Beziehung Gott <->Mensch), nicht um die Kirche. Wär´ schön, wenn Du den Einfluss der Kirche, die ja doch recht weltlich ist, ´mal aussenvor lassen könntest . Was wäre dann?
Hm, wir scheinen verschiedene Diskussionen zu führen... die, in der ich mich zu befinden glaube, beschäftigt sich eben mit den Kirchen als Glaubensgemeinschaften, sowohl vom Ausgangsthema des Threads her als von den letzten Postings her, die sich ja an der Frage nach der Einflussausübung der Kirche entzündet haben.
Nach meinem Religionsbegriff (Irgendwo schwirrt doch ein Definitionsthread dazu rum?) ist deren Wesen eben auch eine organisierte Glaubensgemeinschaft, nicht der individuelle Glauben.

/EDIT: Atheismus ist auch eine Art Glaube. Nur vollkommenes Desinteresse/ Unwissenheit ist UNglaube.
Viele inkonsequente Atheisten gleiten in einen neuen Glauben ab und sind damit in ihrem Anliegen gescheitert. Wahre Atheisten-Humanisten-Rationalisten-Kritischdenkende und welche Eigenschaften noch alles dazugehören, glauben nichts, sondern halten lediglich manche Thesen aufgrund der Beweis- und Argumentenlage für die derzeit plausibelsten, sind aber stets bereit, dies bei Änderung der Lage zu revidieren.

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Sa 21. Aug 2004, 03:51 - Beitrag #8

Also, etwas gesplittet hat sich das Thema IMO bei meiner Antwort auf den Deinigen Satz
es gibt eben nur eine Glaubenswahrheit, vielleicht mit ein paar Schattierungen, aber keinen echten Alternativen.

Was wäre das für ein Christentum, das Alternativen zu der einen Glaubenswahrheit hätte...?


in das Thema Kirche und das Thema Glaubenswahrheit, von dem ich es für wichtiger (ge)halte(n habe), diskutiert zu werden. Scheinbar sind wir hier auch der zwieigen Ansicht, welche Position die Kirche in der Religion einnimmt. Sicher, auch ich glaube, dass sie ein wesentlicher Bestandteil der Religion ist, aber zugleich doch nur weltlich. Hier beende ich die Diskussion aufgrund der doch schon recht fortgeschrittenen Uhrzeit (Zumindest in den Augen eines SCHÜLERS) und bin gewillt, sie auf heute, nur später, zu verschieben.


Wahre Atheisten-Humanisten-Rationalisten-Kritischdenkende und welche Eigenschaften noch alles dazugehören, glauben nichts, sondern halten lediglich manche Thesen aufgrund der Beweis- und Argumentenlage für die derzeit plausibelsten, sind aber stets bereit, dies bei Änderung der Lage zu revidieren.
Ich kenne deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. [Offb. 3, 15-16]

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Sa 21. Aug 2004, 14:59 - Beitrag #9

Ich denke, die Diskussion geht auch bereits über das hinaus, was sich im Rahmen eines Exkurses in diesem Thread vertreten lässt... ich würde sagen, nach meiner Rückkehr machen wir ein eigenes Thema daraus.

Ich kenne deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. [Offb. 3, 15-16]
Genau diese Haltung in all ihren Schattierungen hat jahrtausendelang viel Leid verursacht, denn dass es nicht nur schwarz und weiß gibt und die beste Lösung fast immer der eine oder andere Mittelweg ist, ist nunmal eine Grundtatsache des Seins, deren Leugnung durch alle Arten von Ideologien (egal ob Christentum oder Kommunismus) nur zu Ärger führen kann.

Monostratos
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Sa 21. Aug 2004, 17:57 - Beitrag #10

Mir der Tatsache bewusst, dass hier bereits Super-OT vorliegt, will ich trotzdem nachhaken: Unten zitierte Haltung ist die Gottes, wie ich sträflich vergessen habe, anzumerken.

Jenes Bibelzitat beschäftigt sich allerdings nicht mit Schwarz und Weiss, sondern den Leuten, die glauben (oder eben nicht glauben), wenn es ihnen am passendsten/plausibelsten erscheint (Deine unten genannten Leute). Sowas ist Wischi-Waschi, inkonsequent. Aber das ist nur ein Aspekt dieser Bibelstelle.
[...]denn dass es nicht nur schwarz und weiß gibt und die beste Lösung fast immer der eine oder andere Mittelweg ist, ist nunmal eine Grundtatsache des Seins[...]
Richtig, nur trifft es auf "lediglich" auf die Geschehnisse auf Erden zu. In (den christlichen) jenseitlichen Sphären gibt es jedoch nur Schwarz (Böse, Hölle, Satan) und Weiss (Gut, Himmel, Gott).

Traitor
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Do 26. Aug 2004, 01:21 - Beitrag #11

Hmm... auch jetzt, wo der Thread abgetrennt ist, haben wir immer noch drei Hauptdiskussionselemente *g* Wobei ich denke, dass sich "das Thema Kirche und das Thema Glaubenswahrheit" zu einer Frage verbinden, der, die ich in der Überschrift genannt habe: "Rolle der Kirche in der Religion". Fangen wir also auf dieser Basis an, einverstanden?

Die Einverständnis vorwegnehmend - wenn nicht, mecker nachträglich ;) - beginne ich mit ein paar Fragen an dich, um mir über deine Meinungen klarzuwerden (da du ja nach Eigenauskunft einer Freikirche angehörst, werden die wohl etwas von dem abweichen, was ich sonst so gewöhnt bin):
-So, wie ich deine bisherigen Kommentare verstehe, bist du der Meinung, dass es nur eine Glaubenswahrheit gibt und alles andere entweder nur leichte Schattierungen dieser einen Wahrheit oder aber falsch sind?
-Gehst du davon aus, dass ein Mensch in der Lage ist, die Wahrheit seines Glaubens zweifelsfrei zu erkennen und dabei eine Täuschung auszuschließen?
Das soll keinen Versuch darstellen, dich mit rhetorischen Fragen in die Falle zu treiben, sondern nur dazu dienen, einige gegenseitige Verständnisgrundlagen zu klären und die Diskussion dann systematisch zu beginnen.

Zur Bibelzitat-Skeptizismus-Frage (die eigentlich auch hier wieder OT ist, wenn weitere Kommentare dazu über eine kurze Fußnote hinausgehen, muss ich es auch in einen entsprechenden Thread verlagern): Dass das Bibelzitat aus der Perspektive Gottes geschrieben ist, war mir klar. Allerdings ist es ja so, dass nach christlicher Sicht die Christen die Perspektive Gottes übernehmen bzw aus meiner Sicht Gott die Perspektive der Christen in den Mund gelegt wird. Egal, wie man diese Beziehung sieht, ist ihre Folge, dass das Zitat auch und vor allem auf weltliche Dinge angewandt wird - auf Himmel oder Hölle hat der Mensch/Christ keinen Einfluss.
Was den anderen Aspekt angeht - Inkonsequenz bedeutet meiner und wohl auch deiner Definition nach, Prinzipien untreu zu werden. Allerdings liegt der Unterschied darin, dass ich Methoden als grundlegendere Prinzipien ansehe als Einzelthesen.

Padreic
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Do 26. Aug 2004, 11:34 - Beitrag #12

Auch wenn ich ungleich Monostratos bin (außer unter der These 1=2, die ich aber vehement ablehne), erlaube ich mir die Dreistigkeit zu antworten.

Zur Toleranz der katholischen Kirche ist ein Text des Zweiten Vatikanums recht interessant, die Nostra Aetate (zu finden beispielsweise hier).
Dass, wer nicht an die katholischen Glaubenssätze glaubt, und somit auch kein Katholik mehr ist, aus der Kirche ausgeschlossen wird, ist kein Zeichen von Intoleranz, sondern vielmehr nur das äußere Zeichen der inneren Trennung, die der jeweilige bereits von der Kirche gezogen hat. Die Dogmen sind für die katholische Kirche vom Heiligen Geiste inspirierte Glaubenswahrheiten. Wenn man das leugnet, kann man sicherlich noch Christ sein, Katholik aber schwerlich. In der evangelischen Kirche ist es wohl etwas weiter, aber wenn man dort nicht glaubt, dass Jesus Christus Erlöser der Menschen und Sohn Gottes ist, kann man auch nicht mehr wirklich Mitglied der Kirche sein, ist man doch dann kein Christ mehr. "Kulturchristen" sind nur offiziell Mitglied der Kirche, in Wirklichkeit aber nicht, da sie keine Christen sind und eine Kirche weniger die Institution denn die Glaubensgemeinschaft bezeichnet.
Ich halte das von Monostratos angegebene Bibelzitat für sehr entscheidend. Das Christentum geht über bloß menschliche Wahrheiten mit Hilfe des Glaubens hinaus. Kierkegaard beschreibt sehr schön, wie das Christentum menschlich gesehen paradox ist, d.h. aller bloß menschlichen Lehre entgegensteht. Das stellt eigentlich schon Hume in seiner Enquiry concerning human understanding in dem Kapitel über Wunder dar, dass eben ein Wunder aller menschlicher Erfahrung und Gewohnheit widerspricht und deshalb, egal was irgendwelche Zeugen sagen, rational nicht als wirklich geschehen angenommen werden darf. Glaube ist so auch Sprung ins Ungewisse, wo wir nicht mehr wissen können, keine Plausibilitätserwägungen mehr anwenden können, sondern uns entscheiden müssen, heiß oder kalt, aber auf keinen Fall lau, das ist niemals Glauben. Dieser Sprung kann als Schwäche des Glaubens gesehen werden (Kierkegaard beschreibt Glauben auch als sich selbst auf eine Wahrheit hin wagen und ein Wagnis ist stets gefährlich), aber in gewisser Hinsicht stellt er auch eine unglaubliche Stärke dar. Das Christentum ist eine sehr radikale und extreme Sache und Radikalität verleiht auch Kraft; und die Möglichkeit zur echten und wahren Freude.
Ich glaube, die katholische Kirche sieht das mit dem Sprung und Paradox meist nicht ganz so extrem, gerade mit Leuten wie Thomas von Aquin hat sie ja eine Theologie aufgebaut, die auch von der Welt ausgeht und so zu Gott gelangen will (aber auch sie leugnet, dass man die Trinität aus der Welt erkennen kann; der Glaube an Gott an sich ist vermutlich selbst bei Kierkegaard nicht paradox, vielmehr das speziell christliche daran). Sie hat Systeme aufgebaut, was Protestanten meist eher vermeiden.

Padreic

P. S. Ich bin kein Christ.

Traitor
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Do 26. Aug 2004, 22:30 - Beitrag #13

Der verlinkte Text ist interessant, ja. Aber mit ihm macht die Kirche es sich sehr leicht: man nehme ein paar willkürlich ausgewählte Elemente anderer Religionen und zeige so eine Verbundenheit. Daraufhin sage man, man akzeptiere all dies, und alle Menschen wären doch Brüder, aber über irgendwelche praktischen Umgangsformen schweigt man sich aus...

Das Problem, dass ich mit den Strukturen der katholischen und in abgeschwächter Form der evangelischen habe, ist das der Autorität. Die Vorstellung, dass die richtige Weltanschauung oder noch schlimmer der richtige Glauben von oben diktiert werden bzw nur den Oberen offenbar sind, läuft meinen Vorstellungen von diesen Begriffen völlig zuwider. Wieso können höhere Ebenen der Kirche, die trotzdem nur Menschen sind, bestimmen, dass ein normaler Gläubiger falsch glaubt und dies nicht mehr in der Kirche ausüben darf, was für diesen bedeutet, dass er nicht mehr so glauben kann, wie er will? Eine Art von Glauben, die ich ansatzweise nachvollziehen könnte, müsste eine rein persönliche sein, bei der sich Glaubensgemeinschaften auf den Wortsinn beschränken.

Dass ein Gläubiger nur ganz oder gar nicht glauben kann, ist auch durchaus verständlich. Dies ist das Wesen des Glaubens. Der Punkt, an dem es kritisch wird, ist der, an dem Glauben zur einzigen akzeptablen Weltanschauung erklärt wird.

Erdwolf
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Fr 27. Aug 2004, 13:15 - Beitrag #14

[...], doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.[...]

Ich finde, deratige Formulierungen lassen klar erkennen, von welchen Standpunkt und welchem Selbstbild die kath. Kirche ausgeht, wenn sie von Toleranz spricht. Wie tolerant kann man sein, wenn man alle anderen nur als solche sieht, die einen kleinen Bruchteil dessen zu erkennen vermögen, was man selbst als wahrhaftig zu erkennen glaubt?

Daß die kath. Kirche aufgehört hat, Menschen zu foltern und zu verbrennen und sich bemüht, zu einer Ebene des Respektes vor anderen Menschen zurückzukehren, die jedem vernunftbegabten Menschen als selbstverständlich erscheint, ist sicherlich löblich, aber bei weitem nicht genug.

Eine Art von Glauben, die ich ansatzweise nachvollziehen könnte, müsste eine rein persönliche sein, bei der sich Glaubensgemeinschaften auf den Wortsinn beschränken.

Gemeinschaften brauchen Gemeinsamkeiten. Mit der Zeit entsteht so ein Kodex und später eine Institution, allein schon, um der steigenden Zahl der Mitglieder verwaltungstechnisch gerecht werden zu können. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist dies genau das, was aus der Idee, gemeinsam zu glauben, entstanden ist. Ohne deutliche Forcierung eines Gegenprozesses wird sich diese Entwicklung wohl schnell in jedem neuen Ansatz wiederholen.
Vieleicht ist der technische und zivilisatorische Fortschritt eine Kraft, die vermag, den Menschen die Vernunft zu bringen. Vieleicht treibt er sie aber auch in die Arme derer, die die Orientierungslosigkeit der Menschen als Quelle ihrer Macht benutzen.

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Mi 1. Sep 2004, 15:23 - Beitrag #15

@Erdwolf
Ich finde, deratige Formulierungen lassen klar erkennen, von welchen Standpunkt und welchem Selbstbild die kath. Kirche ausgeht, wenn sie von Toleranz spricht. Wie tolerant kann man sein, wenn man alle anderen nur als solche sieht, die einen kleinen Bruchteil dessen zu erkennen vermögen, was man selbst als wahrhaftig zu erkennen glaubt?

Von der Ausgangsbasis, dass man selbst den wahren Glauben vertritt, ist es schon sehr tolerant. Wer nicht sagt, dass das Christentum Wahrheit ist, ist kein Christ. Es sind nicht alle Positionen gleich wahr. Wie tolerant bist du einem gegenüber dem, der leugnet, dass sich die Erde um die Sonne dreht? Wenn das Christentum Wahrheit ist, dann sind es die anderen Religionen in vollem Umfange eben nicht. Zu sagen, dass die anderen Religion nicht nur in dem Maße gut sind, als deren Lehre mit der des Christentums übereinstimmt, sondern zu sagen, dass man auch auf anderen Wegen als christlicher Lehre zu solcher Art von Wahrheit gelangen kann, wenn auch nicht im vollen Umfange, halte ich von der Grundthese, dass Christentum Wahrheit ist, ausgehend für durchaus tolerant.

@Traitor
Wieso können höhere Ebenen der Kirche, die trotzdem nur Menschen sind, bestimmen, dass ein normaler Gläubiger falsch glaubt und dies nicht mehr in der Kirche ausüben darf, was für diesen bedeutet, dass er nicht mehr so glauben kann, wie er will?

Das ist gerade der Punkt. Der katholischen Lehre nach kann kein Mensch dem anderen den Glauben vorschreiben. Es können aber Menschen vom heiligen Geist inspiriert sein und so Wahrheit niederschreiben oder predigen. Dies sind vor allem die kirchlichen Würdenträger, da nur bei ihnen die ununterbrochene Sukzession von Petrus und damit mittelbar von Jesus Christus gegeben ist. [Genauso vergibt auch nicht der Priester als Mensch dem Beichtenden die Sünden, sondern er tut das als Jesus Christus, sozusagen.]
Und wie schon gesagt, räumt auch die katholische Kirche jedem Glaubensfreiheit ein. Wer jedoch nicht den Glauben der Kirche hat, kann nicht Mitglied der Kirche sein, muss halt austreten oder wird notfalls exkommuniziert.
Auch wenn du die Form der katholischen Kirche nicht für nachvollziehbar hältst (was ich durchaus nachvollziehen kann), musst du trotzdem erstmal ihr Selbstverständnis ergründen, denn ohne das Verstehen, kann es kein berechtigtes Ablehnen geben.

Der verlinkte Text ist interessant, ja. Aber mit ihm macht die Kirche es sich sehr leicht: man nehme ein paar willkürlich ausgewählte Elemente anderer Religionen und zeige so eine Verbundenheit. Daraufhin sage man, man akzeptiere all dies, und alle Menschen wären doch Brüder, aber über irgendwelche praktischen Umgangsformen schweigt man sich aus...

Die praktischen Umgangsformen dürften von der konkreten Situation abhängen. Ich denke, es ist bei Konzilstexten üblich, nicht allzu konkret zu werden, damit nicht irgendwelche Einzelfälle auftreten, wo es dann nicht mehr gilt.

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Mi 1. Sep 2004, 20:40 - Beitrag #16

Dass die katholische Kirche durch diese angenommene Christussukzession und Gottesinspiriertheit beruft, ist mir bekannt. Was mir nur absolut unverständlich ist, ist, wie sich solche Annahmen mit den restlichen Grundgedanken des Christentums decken können. Diese "Gott im (machthabenden) Menschen"-Thesen erscheinen mir wie ein Relikt tiefsten Heidentums, dass sich irgendwie im Katholizismus gehalten hat.
Generell kann ich nachwievor nur mit dem auf Transzendenz und Abstraktheit ausgelegten evangelischen Christentum etwas anfangen.

Padreic
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Mi 1. Sep 2004, 21:31 - Beitrag #17

Ein abstrakter Gott ist kein Gott des Glaubens, sondern einer der Philosophie. Das Christusereignis widerspricht der Annahme eines bloß abstrakten oder auch rein transzendenten Gottes. Der im Christentum angebetete Gott ist ein lebendiger.
Dass so manches katholische Ritual an das Heidentum erinnert, stimmt sicherlich. Der Katholizismus macht es wohl im Vergleich zu den evangelischen Kirchen dem Menschen leichter. Ich persönlich sehe die ganze Inspirations- und Sukzessionslehre, wie auch so manches katholische Ritual auch recht kritisch. Aber man muss zugestehen, dass es alles in sich schlüssig ist. Und man muss auch sagen, dass es das Element des lebendiges Gottes und das Mysterium (gewissermaßen ist ja jede Eucharastiefeier ein Wunder, wenn der Wein ganz real das Blut Christi wird), die ja beide für das Christentum zentral sind, besonders betont. Dass ein eher naturwissenschaftlich ausgerichteter Mensch (im Grunde zähle ich mich auch dazu) tendentiell damit eher weniger anfangen kann, ist wohl nur natürlich.

Padreic

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Fr 3. Sep 2004, 03:26 - Beitrag #18

Touché. Da habe ich mich mal wieder sinnentstellend verkürzt ausgedrückt.

Ich wollte nicht sagen, dass die Gottesvorstellung zu 100% abstrakt und transzendent sein soll. Das widerspräche den Grundanliegen des Christentums, da hast du völlig recht.
Was ich eigentlich ausdrücken wollte, ist, dass es eine gesunde Balance aus den Aspekten geben sollte, bei der die Formen des "lebendigen Gottes" als sinnvolle Elemente des transzendenten Gottes angesehen werden. Sprich, eine Religion, die zwar Offenbarung, Wunder und Lebensfreude kennt, aber diese stets in einen Zusammenhang mit grundlegenden Wahrheiten stellt und keine Mythen und Rituale um ihrer selbst willen hegt und pflegt, die sich weder rational noch glaubenstechnisch (gibt es eigentlich ein schönes Fremdwort dafür?) von der Gottes- und Welterkenntnis ableiten oder mit ihr verbinden lassen.

Da sind wir nicht so sonderlich weit entfernt voneinander, denke ich.

Rosalie
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Fr 3. Sep 2004, 07:13 - Beitrag #19

@Traitor
. Diese "Gott im (machthabenden) Menschen"-Thesen erscheinen mir wie ein Relikt tiefsten Heidentums, dass sich irgendwie im Katholizismus gehalten hat

Kann man nicht auch anderum argumentieren, dass schon im tiefsten Heidentum ein gewisses Gespür für die (und mal von der Annahme ausgehend- von der es die kath. Kirche ja tut - sie habe die Fülle der Wahrheit) und wie in den andren Religionen auch, ein Teil der"Wahrheit" vorhanden war.

Dazu muß man natürlich sagen, das alle Religionen hier auf unsrem Planeten von Menschen (bis auf Jesus Christus, nur den haben wir natürlich nicht life erlebt) gelehrt, dargestellt, interprädiert ... werden. Menschen sind nicht perfekt, Menschen haben Fehler (z.T. gravierende) und Schwächen. Auch die Vertreter der sog. höheren Hierarchien in der Kirche - und gerade diese, denn Macht ist ein sehr gefährlicher und verführerischer Gefährte! - sind davor nicht gefeit. Daher war der Klerikalismus in der vorkonziliaren Kirche auch sehr weit verbreitet - scheint es heute nur noch in Ausnahmefällen zu geben. Dafür wird heute weitehend weniger Wert auf das Transzendale und Mystische als in vergangen Zeiten gelegt.

Deinem Schlußsatz
Sprich, eine Religion, die zwar Offenbarung, Wunder und Lebensfreude kennt, aber diese stets in einen Zusammenhang mit grundlegenden Wahrheiten stellt und keine Mythen und Rituale um ihrer selbst willen hegt und pflegt, die sich weder rational noch glaubenstechnisch (gibt es eigentlich ein schönes Fremdwort dafür?) von der Gottes- und Welterkenntnis ableiten oder mit ihr verbinden lassen.
kann ich nur zustimmen, nur wer sagt Dir, dass sich dies nicht davon ableiten läßt? Nur weil Du und ich es uns nicht erklären können, heißt das noch nicht, das dem nicht so ist. Ich vermute auch die meisten normalen Pfarrer können dies nicht. Ich habe einen Bekannten - der hat auch viele Semester in Rom studiert ist hat doppelpromoviert - der könnte Dir alle diese Riten in den von Dir gewünschten Zusammenhang stellen - aber das ist halt hohe Theologie .... ;)

Gruß Rosalie

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Fr 3. Sep 2004, 22:56 - Beitrag #20

Kann man nicht auch anderum argumentieren, dass schon im tiefsten Heidentum ein gewisses Gespür für die (und mal von der Annahme ausgehend- von der es die kath. Kirche ja tut - sie habe die Fülle der Wahrheit) und wie in den andren Religionen auch, ein Teil der"Wahrheit" vorhanden war.
Natürlich, so kann man argumentieren - und genau das tut der von Padreic verlinkte Konziltext ja. Dennoch ist es die katholische Kirche selbst, die den Begriff Heidentum regelmäßig als Geißel für abweichlerische Tendenzen benutzt (hat), und was nun böses heidnisches Erbe und was rechtgläubiges heidnisches Erbe ist, das entscheidet sich vor allem danach, ob die Führung es befürwortet.
Daher war der Klerikalismus in der vorkonziliaren Kirche auch sehr weit verbreitet
Der Begriff "Klerikalismus" in diesem Zusammenhang sagt mir so leider nichts... wäre nett von dir, das etwas zu erklären.
nur wer sagt Dir, dass sich dies nicht davon ableiten läßt? Nur weil Du und ich es uns nicht erklären können, heißt das noch nicht, das dem nicht so ist. Ich vermute auch die meisten normalen Pfarrer können dies nicht. Ich habe einen Bekannten - der hat auch viele Semester in Rom studiert ist hat doppelpromoviert - der könnte Dir alle diese Riten in den von Dir gewünschten Zusammenhang stellen - aber das ist halt hohe Theologie ....
Kann das die wahre Sache sein, wenn die Erklärung von so etwas Grundlegendem wie Ritualen "hohe Theologie" erfordert? Die sollte meines Erachtens für die philosophische Selbstreflektion und die Verteidigung des Christentums da sein. Was der gemeine Gläubige im täglichen Glaubensleben braucht, sollte aber doch auch für diesen verständlich und aus den grundlegenden Glaubenssätzen ableitbar sein - schließlich rühmt sich das Christentum doch der Wahrheiten, die man im Herzen erkennt...

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