Seite 1 von 1

Der Verstand und das emotionale Netz - Eine Betrachtung des Ichs

BeitragVerfasst: Mo 30. Aug 2004, 01:43
von MagicMagor
Nachfolgend ein Text von mir, der auf die Frage hin entstanden ist "Kann Willensfreiheit unter dem Physikalismus/Materialismus überhaupt existieren?"
Entstanden ist ein Text, der versucht die Funktionsweise des Gehirns zu erklären und am Schluss darauf basierend einige Aussagen über das Ich und die Freiheit des Ichs macht.

-----------------------------------------

Das menschliche Gehirn, läßt sich gewissermaßen in zwei Bereiche trennen. Diese Bereiche unterscheiden sich nur in der Funktionsweise, wie sie auf äußeren Input reagieren, sie müßen nicht zwangsläufig räumlich getrennt sein.
Diese beiden Bereiche sind das emotionale Netz (EN) und der Verstand.

Das EN ist verantwortlich für jede Art von Gefühlsregung, die wir haben. Jede Änderung des Hormonhaushaltes, der die Stimmungslage beeinflusst, ist auf ein Muster im EN zurückzuführen. Das EN hat allerdings keine direkte Kontrolle über die spezifischen Handlungen, die der Körper ausführt. Diese unterliegen alleine dem Verstand.
Der Verstand teilt sich selber noch einmal in zwei Bereiche, den bewußten und den unbewußten. Anders als im EN, wo ein kommender Input direkt ein Muster erzeugt und so eine Reaktion hervoruft, läuft die Verarbeitung eines Inputs im Verstand schrittweise. Die einkommende Information, wird in mehreren Schritten "durchdacht" und abgearbeitet bis ein Ergebnis, meist in Form einer Handlung, herauskommt. Der Verstand geht dabei aber nicht eingleisig vor, wie beispielsweise ein Computer. Stattdessen laufen mehrere Verarbeitungsschienen gleichzeitig nebeneinander ab, die sich auch gegenseitig beeinflussen.
Ein "Gedanke" ist nun ein, oder mehrere, Verarbeitungsschrittes des Verstandes, zusammengenommen. Wie läuft ein solcher Verarbeitungsschritt eigentlich ab?
Nun zuallererst haben wir die einkommende Information. Im Verarbeitungsschritt geschieht nichts anderes, als daß der Verstand, eine, für diese Information, relevante zweite Information aus dem Gedächtnis holt und und durch diese beiden Informationen zusammen eine dritte Information kreiert, die dann an den nächsten Schritt weitergeleitet wird. Schematisch dargestellt:

In1 -> Verstand(Gedächtniss liefert In2 -> In1+In2) -> In3

Der Zustand des EN beeinflusst den Verstand dahin gehend, welche Informationen, aus der Fülle gespeicherter Informationen, aus dem Gedächtnis entnommen werden. Ein solcher Gedanke wirkt nun wie ein äußerer Reiz als Input auf das EN und erzeugt damit ein Muster. Dann geht der Gedanke bzw. Das Ergebnis des Gedankens, also In3, wieder als neue Informationen in den nächsten Verarbeitungsschritt des Verstandes ein. Über den Umweg des EN beinflusst so ein Gedankengang die folgenden auf einer emotionalen Ebene. Über die Schaffung der neuen Information (In3) wirkt der Gedanke auf der rationalen Ebene auf die nachfolgenden Gedanken. Über diese zweigleisige Einwirkung und etwaiige zusätzliche Reize von aussen, die das EN beeinflussen, entsteht eine Entscheidung. Die Entscheidung, also das Auswählen der zu holenden Information, ist das, was der Mensch als “Ich” bezeichnet.
Eine wichtige Fähigkeit eines bewußten Wesens, wie des Menschen, ist die Fähigkeit der Selbstreflexion, das bedeutet die eigenen Gedankengänge, sowie die eigenen Gefühle zum Untersuchungsgegenstand des Verstandes zu machen. Grundlegend dafür besitzt der Verstand von sich aus die Fähigkeit ohne spezifischem Reiz von aussen, eine Information aus dem Gedächtnis heranzuholen und als Startpunkt eines Gedankengangs zu nutzen. Der bewußte Teil des Verstandes arbeitet, solange der Mensch bei Bewußtsein ist, ständig, da die Arbeit des Verstandes erst das kreiiert, was man Bewußtsein nennt. Nun wird ein Gedanke, der sich bewußt vollzieht, aber auch als Erinnerung im Gedächtnis verankert, ebenso wie der momentane Zustand des EN, als Gefühlszustand wahrgenommen, gespeichert wird. Dadurch ergibt sich für den Verstand die Möglichkeit die eigenen Vorgänge unter Berücksichtigung bestimmter Aspekte wieder zu untersuchen. (zB um den Vorgang in Frage zu stellen) Dabei kann der Verstand aber nur auf Momentaufnahmen und Teile der Vorgänge zurückgreifen, da nicht alles bewußt erlebt wird und somit bewußt abrufbar ist.
Der unbewußte Teil des Verstandes wird nicht vom Gedächtnis protokolliert und es ist somit auch nicht möglich ihn zu untersuchen. Es gibt aber zwischen den bewußten und den unbewußten Vorgängen keine klare Grenze, sondern mehr eine Grauzone. Gedankengänge, die in dieser Grauzone ablaufen, werden zwar nicht direkt bewußt erlebt, werden aber als Erinnerung gespeichert, wenn auch nicht so direkt wie bewußte Vorgänge. Zu diesen grauen Vorgängen gehören zB Reflexe oder eingeübte Handlungsabläufe, die einem quasi “im Blut liegen”. Auch diesen Handlungen läuft ein gedanklicher Prozess vorraus, der aber durch die viele Übung, vom bewußten in den grauen Bereich gewandert ist. Ein weiterer Vorgang im grauen Bereich ist der Traum. Im Schlaf ruht das Bewußtsein und arbeitet nicht aktiv. Das unterbewußte dagegen ist aktiv und greift, mangels äußeren Inputs, auf die künstlichen Inputs zurück. Der Einfluss, den diese Vorgänge auf das EN haben, wird von keinen bewußten Einflüssen überdeckt und kann somit wahrgenommen werden, wir träumen. Diese Wahrnehmung wiederrum kann, unter Umständen, ihren Weg in die Erinnerung finden, entweder nur flüchtig beim Aufwachen, oder sogar dauerhaft (zB bei Alpträumen desöfteren der Fall). Obwohl der gedankliche Vorgang des Träumens unbewußt abläuft, findet er über das EN eventuell Einzug in die Erinnerung und zählt somit auch zu den grauen Vorgängen.

Ich habe vorhin behauptet, der Prozess eines Gedankengangs, das Auswählen und entscheiden wäre das, was man das “Ich” bezeichnet. Diese Behauptung beruht darauf, daß die bewußte Wahrnehmung sich auf zwei Dinge beschränkt. Zum einen auf die aktuelle, im Verstand vorliegende, Information und zum anderen auf den aktuellen Zustand des EN. Diese beiden Komponenten bilden daher, das Bewußtsein des Menschen, sein “Ich”. Zusammengenommen bilden sie aber auch die Entscheidung für den Verstand. Und da es keine bewußte Wahrnehmung ohne einen Gedankengang gibt, ist die logische Schlussfolgerung, daß die Entscheidung und das “Ich” identisch ist.
Was kann man nun aber aus dieser Erkenntnis ableiten? Weder Verstand noch das EN können für sich genommen ein “Ich” bilden. Da das Gedächtnis Teil des EN ist, hat der Verstand ohne das EN keinerlei Informationen auf die es zurückgreifen könnte. Ebenso wenig würde es Input von aussen erhalten, da es keine Wahrnehmung gäbe. Das EN selber wiederrum, trifft keine Entscheidung, es denkt nicht. Es bietet dem Verstand nur Material und beeinflusst ihn, aber es kann ihn nicht ersetzen. Das Bewußtsein eines Menschen entsteht also erst durch die Koppelung dieser beiden Komponenten. Da das EN Bestandteil des Bewußtsein ist, kann es kein Bewußtsein ohne einen physischen Körper geben, da das EN immer mit einem Körper bzw. dessen Nervensystem vernetzt ist. Die Körperlichkeit des Menschen ist daher Vorraussetzung für sein Bewußtsein.
Weiterhin kann man sagen, daß es einem Menschen nicht möglich ist, sich nicht zu entscheiden. Mensch sein bedeutet zu entscheiden, man ist die Entscheidung. Der Wille des Menschen äußert sich in seinen Entscheidungen und ist nur abhängig vom Verstand und dem EN, die beide Teile seines Ichs sind. Der Mensch kann also niemals fremdbestimmt sein.

BeitragVerfasst: Mo 30. Aug 2004, 12:00
von dmz
Danke fuer den interessanten Beitrag.
:::
Bezugnahme auf
Info1 > Verstand(Gedächtnis liefert Info2 > Info1+Info2) > Info3
- wenn aber das Gedaechtnis nichts findet :
Info1 > Verstand(Gedächtnis liefert "Nichts" > Info1+"Null") > Info1
- Info3 = Info1, neue Erkenntnis ?
- oder eine besondere Gelegenheit fuer das Emotionale Netz,
die Entscheidungsfindung per Zufall zu beeinflussen ?