Brauchen Kinder Mystik?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
janw
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Sa 2. Okt 2004, 21:33 - Beitrag #1

Brauchen Kinder Mystik?

Brauchen Kinder Gott, ist es gut, bei der Erziehung und bei der Erklärung der Welt religiöse Kategorien einfließen zu lassen, so irreal sie uns als Erwachsenen auch erscheinen mögen, oder sollte man sie gleich mit der Realität konfrontieren, so hart sie auch ist und für so real wir sie auch halten?
Diese Frage kam heute im "Was macht Ihr gerade-thread" auf, und auf eine Anregung von aleanjre hin habe ich "Religion" durch den allgemeineren Begriff der "Mystik" ersetzt, der nun auch Wesenheiten wie Wichtel, Elfen, die Sieben Zwerge, den Weihnachtsmann und den Osterhasen umfaßt.

Nun, kurz gesagt, meine Antwort lautet: "Ja!"

Zur Begründung bieten sich mir mehrere Wege an, deren einer ist, daß bestimmte Phänomene der Natur dadurch recht einfach erklärbar werden.
"Mama, wo kommt der Schnee her?" Wird der/die mittelmäßig Gebildete vielleicht die Geschichte von Kondensation, Kristallisation usw. vielleicht gerade noch präsent haben, so versuche er, dieses einem Fünfjährigen nahezubringen...
Der Rückgriff auf die bettenausschüttelnde Frau Holle ist hier durchaus hilfreich.
Auch die disziplinierende Wirkung des eng mit dem Weihnachtsmann verbandelten Knechtes Ruprecht ist nicht zu unterschätzen.

Abseits von derlei praktischen Erwägungen ist festzustellen, daß alle traditionellen Kulturen über religiöse Bezugssysteme verfügen, die Frage des Woher, Wohin, Wozu des Lebens ist eine universelle Fragestellung des Menschen und letztlich immer mit einer transzendentalen Antwort belegt worden. Eine menschengemäße Erziehung muß also auch immer tranzendentale Inhalte einschließen, könnte man daraus schließen.
Weiterhin sind religiöse Bezugssysteme gut geeignet, um die Werthaltigkeit der Dinge in der Welt zu begründen.
Was ist gut, was ist schlecht, diese Frage kommt zwangläufig irgendwann auf, und in manchen Bereichen erfolgt die Unterscheidung durch die Erfahrung von Belohnung oder Sanktionen.
Aber daß wir Menschen Verantwortung haben, nicht nur für uns selbst und vielleicht noch für Mutters Ming-Vase, um die sie soviel Angst hat, woraus ergibt sich das? Doch am ehesten daraus, daß auch das Meerschweinchen von irgendjemandem gemacht wurde, der es außerdem liebhat, auch wenn es gestorben ist.

Letztlich, Erziehung bedeutet, das Kind an die Dinge der Welt heranzuführen, und mystische Elemente sind ein Teil der Welt, der gesellschaftlichen Realität.
Ein Kind unter konsequenter Nicht-Erwähnung von Gott und ähnlichem aufzuziehen, heißt, es irgendwann mit mystischen Vorstellungen in der Welt zu konfrontieren, auf die es nicht vorbereitet ist. Ihm zu sagen, daß es Gott nicht gibt, erfordert, ihm erst einmal zu erklären, was andere mit Gott meinen, ist also ebensowenig zielführend.

Ich bin selbst mit einem ziemlichen Vollprogramm an Mystik groß geworden, von Grimms Märchen über Kinderbibel (habe ich bei Oma verschlungen!), Waldorf-Wichtelwelt und einigem mehr, und kann nicht sagen daß es mir geschadet hat. Womit aber die Unschädlichkeit nicht unbedingt als universelles Kriterium postuliert werden soll.
Aber neben den genannten Punkten hat es sicher zur Entwicklung von Phantasie und Vorstellungskraft beigetragen und zur Entwicklung eines Weltbildes, das nicht nur dem Menschen einen Wert-Platz und dem Rest einen nur materiellen Gegenwert einräumt.

Abgesehen davon, mal folgendes: Wenn wir mal ehrlich sind, schon beim Nachdenken über unsere Gefühle erreichen wir die Grenzen der sicheren festen materiellen Welt, Liebe - nur ein Wort, nur ein paar angeregte Synapsen, die mit dem merkwürdigen Etwas namens Bewußtsein verknüpft werden, oder doch Ausdruck einer größeren Verbundenheit?

Wenn man sich das Leben betrachtet - wir können heute erklären, wie es ungefähr funktioniert, welche Informationen zur Funktion eines Lebewesens nötig sind, naja so ungefähr zumindest, aber wir können kein Leben de novo erzeugen.
Leben entsteht immer nur aus Leben, und das seit Anbeginn.
Daß damals soetwas entstanden ist, ist schon ein Wunder, bei dem man transzendentale Kräfte im Hintergrund nicht unbedingt ausschließen muß.

Jetzt seid Ihr dran ;)

Anaeyon
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Sa 2. Okt 2004, 22:04 - Beitrag #2

Mystik ist denke ich schon ganz wichtig, macht Weihnachten z.B für die Kids sicher schöner. Geschichten wie Rotkäppchen lassen die Kinder sicher dran denken, nicht allein irgendwo tief im Wald rumzurennen etc, und sie sind spannend (*an Kindheit zurückdenk, die ja schon sooo lange her ist* ;) )

Über Gott, und Religionen im allgemeinen würde ich meine Kinder (falls ich ma irgendwann welche haben werd) sicher aufklären, und ich glaub nicht, das ne Kinderbibel schaden kann, aber z.B. Taufen würde ich sie nicht, ich würde sie das selbst wählen lassen, sobald sie alt genug sind. Bin ganz froh, dass mich meine Eltern genau so erzogen haben, wenn ich mir anschaue, wie viele Gleichaltrige mit Religion/Konfessionen umgehen

So, kurz und knapp...

aleanjre
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Sa 2. Okt 2004, 22:25 - Beitrag #3

Auch, wenn meine Meinung schon bekannt, werfe ich sie noch einmal in den Raum: Ja, Kinder brauchen Mystik! Es ist ein unentbehrlicher Teil der kindlichen Entwicklung. Mystik hilft dem Kind, die Welt zu begreifen, sie mit Farbe zu verzaubern, sich zu retten, wenn die Realität zu grausam scheint.

Das geht über den Frau - Holle - Effekt hinaus. Denn geübte Eltern wissen, wie man Bildungslücken kaschiert und komplizierte Gesetzmäßigkeiten auf eine kurze Formel bringt. Schnee kommt aus den Wolken, wenn es so kalt ist, das Regentropfen frieren. Dem Kind noch schnell zur ganzheitlichen Bildverstärkung ein Zitroneneis in die Hand gedrückt, Frage beantwortet.
Aber was für ein wundervolles Spiel ist es, sich vorzustellen, man sei selbst Frau Holle! Über dem Schutzgitter des Hochbettes zu hängen, Mutters bestes Daunenkissen in den Händen, und schütteln, bis man keine Kraft mehr hat!
Welche kleine Mensch will nicht mal das Schlaraffenland besuchen, mit Peter Pan durch die Wolken fliegen, einen Regenbogen bestaunen und davon träumen, dass man den Goldtopf am Ende findet! Wie viel schöner kann ein drösiger Sonntagsnachmittagsspaziergang sein, wenn man sich vorstellt, dass vielleicht in diesem Wald irgendwo ein Einhorn haust, dass nur zum Vorschein kommt, wenn man ganz leise ist?

All diese Märchen und Geschichten, die unabdingbares Volksgut sind - ein Loch in der Allgemeinbildung, wenn man diesen Schatz nicht besitzt! - formen die Phantasie der Kinder, genauso wie sie etwas über menschliche Werte erfahren. Über Mut zum Beispiel. Was wäre geschehen, wenn der Prinz vor der Dornenhecke kapituliert hätte, sein weißes Ross gewendet und sich eine andere holde Prinzessin gesucht? Eben. Wer wagt, gewinnt.
Über das schlechte in der Welt erfahren wir auch was. Armut und Hunger bringen die Eltern von Hänsel und Gretel dazu, die Kinder im Wald zu lassen. Neid veranlasst Schneewittchens Stiefmutter, das unschuldige Kind töten zu wollen. Manch einer findet die alten Märchen zu grausam, nicht zeitgemäß. Und zu viele Eltern, die keine Lust mehr haben, dem Kind etwas vorzulesen. Lieber Teletubbies einschalten. Aber keine winkende Lala kann diese Innigkeit ersetzen, die entsteht, wenn ein Kind auf dem Schoß eines Erwachsenen sitzen darf, die großen Bilder betrachten, die Geschichte wieder und wieder einfordern kann.
Märchen sind Tradition. Und Tradition hat viel mit Liebe zu tun, wenn sie sorgsam behandelt wird!

Es ist so wunderschön, aufgeregte Kinder in ein Nebenzimmer zu scheuchen, die glühende Vorfreude, die Aufregung! Findet der Weihnachtsmann/das Christkind/die Engelchen/ denn auch wirklich das geöffnete Fenster/den Weg durch den Kamin? Ob der Weihnachtsbaum genauso wunderschön leuchtet wie im letzten Jahr? Ob das heiß ersehnte Geschenk dabei ist?
Die gesamte Adventszeit kann im Zeichen von Traditionen gestaltet werden. Jedes Jahr die gleichen LIeder singen, bestimmte Geschichten, die allein für diese Zeit vorbehalten sind. Gebäck, dass nur in diesen Wochen auf den Tisch kommt. Ob man dem Konsumterror der Geschäfte erliegt, verantwortet man selbst. Jeder muss seinen eigenen Weg finden!
Diese mystische Zeit, diese Traditionen, prägen sich Kinder ein. NOch als Erwachsene genügt dann ein flüchtiger Duft, um all die Wärme, das Licht und das Glück wieder zu erwecken, das man als Kind gefühlt hat - wenn man denn Eltern hatte, die diese Traditionen hoch hielten...
Genauso die Osterzeit. Eier färben, zu kleinen Kunstwerken gestalten, blühende Zweige flechten, gemeinsam ein Osterlämmchen backen, im Garten nach Osterkörbchen suchen und sich gegenseitig necken, ob man da nicht Osterhasenohren gesehen hat... Welche Freude! Es geht nicht darum, einem Kind Schokolade zu schenken. Die kostet 1,99, macht dick und ist eher langweilig. Die mystische Freude ist es, die dazu gehört! Das wir im Laufe des Erwachsenwerdens die Fähigkeit verlieren, so losgelöst zu freuen, alle Logik zu vergessen, den wunderbaren Augenblick zu genießen - das darf nicht bedeuten, dass man dies dem Kind vorenthalten soll!

Und Gott. Man muss als Einsiedler in die Berge oder Wüste ziehen, um vor den menschlichen Religionen zu entfliehen. In jedem Land der Erde, in jeder Kultur gibt es Gottesglaube. Wie janw schon sagte, jeder Mensch macht sich Gedanken über das woher und wohin. NIchts sagt mehr über eine Kultur aus als ihr Umgang mit dem Tod.
Einem kleinen Kind, das zum ersten Mal begreift, dass Leben endet (erfahrungsgemäß irgendwann zwischen 3 - 5 Jahren) muss man behutsam begegnen. Sensible Kinder können regelrecht in Panik verfallen, Alpträume erleben darüber, dass Mama und Papa sterben, dass sie selbst sterben udn einfach nicht mehr da sind. Schon Erwachsene können die Unendlichkeit nicht begreifen. Ein Kind sieht nur ein großes schwarzes Loch. Einem Kind in dieser Panik zu sagen: "Nach allem, was wir so wissen, ist nach dem Tod wohl alles vorbei. Dein Körper wird in der Erde vergraben und zerfällt, dass es so etwas wie eine Seele gibt, konnte noch nicht bewiesen werden!" - Tja. Dieses Kind wird seine Panik wohl nie so ganz verarbeiten lernen, sondern ein Trauma mitnehmen, vielleicht sogar lebenslang unter Angst vor dem Tod leiden und sein Leben nicht genießen können.
Wie tröstend ist da die Vorstellung von einer Entität, die aus reiner Liebe besteht! Licht, Wärme und Liebe! Die darf ruhig wie ein alter Mann mit Bart aussehen. Oder wie ein goldgelockter Engel mit Flügelchen. Wichtig ist die Liebe und Geborgenheit! Das Gefühl, nicht in die Unendlichkeit zu stürzen, sondern gehalten zu werden!
Daneben ist es eben gesellschaftlich gefordert, den Kindern das Wissen über die Religionen mitzugeben. Es ist traurig zu hören, dass Schulkinder zwar alle Helden und Zustände der Yu-Gi-Oh - Welt kennen, aber nicht die Geburtsgeschichte von Jesus. Da versagt die Erziehung! Da gehen Werte zugrunde!

Ich glaube, das reicht für's erste.

Maurice
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Sa 2. Okt 2004, 23:16 - Beitrag #4

Es geht auch ohne

Original geschrieben von janw
Brauchen Kinder Gott, ist es gut, bei der Erziehung und bei der Erklärung der Welt religiöse Kategorien einfließen zu lassen, so irreal sie uns als Erwachsenen auch erscheinen mögen, oder sollte man sie gleich mit der Realität konfrontieren, so hart sie auch ist und für so real wir sie auch halten?


Wenn meine (noch hypothetische, aber hoffentlich irgendwann reale) Frau nicht grundsätzlich anderer Meinung als ich in dieser Sache sein wird, dann werde ich meine Kinder ohne diesen ganzen Hokus-Pokus erziehen. Kein Osterhase, kein Weihnachtsmann und kein Gott. Mir wurde zwar vom Osterhasen und dem Weihnachtsmann erzählt, doch kann ich mich nicht erinnern, dass mir meine Eltern die Welt mit Hilfe von "Gott" erklärt haben. Dass der Osterhase und der Weihnachtsmann nicht existeiren, sondern dass meine Eltern der Ursprung der Geschenke sind, habe recht früh rausgefunden und ich nicht traurig darüber. Nein im Gegenteil, ich erzählte meiner 2 1/2 Jahre jüngeren Schwester mit Stolz meine Erkenntnisse. Wenn ich also nicht traurig über die Nicht-Existenz dieser Märchenfiguren war, warum sollte das nicht auch auf die anderen Kinder zutreffen. Warum überhaupt vom Weihnachtsmann erzählen? Die Kinder werden doch nicht weniger glücklich über die Geschenke sein, wenn sie wissen, dass sie von den Eltern kommen. Kinder wollen Antworten und keine Märchen, denn sie sind wissbegierig. Die Märchen erzählen die Erwachsenen nur, weil sie die Kinder unterchätzen oder weil es ihnen an Geduld oder Wissen mangelt ihnen die Welt zu erklären.

"Mama, wo kommt der Schnee her?" Wird der/die mittelmäßig Gebildete vielleicht die Geschichte von Kondensation, Kristallisation usw. vielleicht gerade noch präsent haben, so versuche er, dieses einem Fünfjährigen nahezubringen...
Der Rückgriff auf die bettenausschüttelnde Frau Holle ist hier durchaus hilfreich.

Wenn Regen vom Himmel fällt, dann sammelt sich das Wasser irgendwo, z.B. in einem See. Wenn die Sonne scheint, dann verdunstet ein Teil des Wasser und steigen in den Himmel, wo aus dem Dampf Wolken entstehen. Wenn die Wolken eine bestimmte Größe erreichen wird aus dem Dampf wieder Wasser und das fällt als Regen auf den Boden. Wenn es aber kalt ist, dann friet das Wasser und es schneit.
Das war jetzt vereinfacht und vielleicht nicht alles 100% richtig, aber eine Erklärung die auch ein kleines Kind verstehen sollte (man kann es ihm zusätzlich auch noch aufzeichnen) und ganz ohne Frau Holle auskommt.

Abseits von derlei praktischen Erwägungen ist festzustellen, daß alle traditionellen Kulturen über religiöse Bezugssysteme verfügen, die Frage des Woher, Wohin, Wozu des Lebens ist eine universelle Fragestellung des Menschen und letztlich immer mit einer transzendentalen Antwort belegt worden. Eine menschengemäße Erziehung muß also auch immer tranzendentale Inhalte einschließen, könnte man daraus schließen.

Sorry aber als ich das gelesen hatte, musste ich lachen. Erziehung MUSS tranz. Inhalte haben? Wo sollten denn diese bei mir sein? Mir fallen keine ein. Vielleicht definieren wir "tranzendent" auch nur verschieden...

Weiterhin sind religiöse Bezugssysteme gut geeignet, um die Werthaltigkeit der Dinge in der Welt zu begründen.

Als Atheist, der seine Kinder nicht religös erziehen will, werde ich wohl auf diese Bezugssysteme verzichten. Ich denke aber, dass ich trotzdem meinen Kindern ein positives Verhalten beibringen kann... bei mir hat es ja auch ohne Religion geklappt und ich bin ein weit netterer Mensch, als so mancher der sich Christ nennt. Die Regel "behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst" kommt ohne religösen Hintergrund aus, ist in den meisten Fällen nützlich und sollte auch für ein Kind verständlich sein. Auch wiederum ist Religion nicht nötig.

Doch am ehesten daraus, daß auch das Meerschweinchen von irgendjemandem gemacht wurde, der es außerdem liebhat, auch wenn es gestorben ist.

Ich denke auch hier werden Kinder unterschätzt. Wir können darüber keine sichere Aussage machen, weil wir dazu imo einen direkten Vergleich bräuchten, am besten eine ausführliche empirische Studie imo. Mir fällt leider kein Fall bekannt, wo ein Kind um jemanden getrauert hat, der gestorben ist und dem nichts vom Himmel und dem lieben Gott erzählt wurde. Ist jemanden von euch so ein Fall bekannt und wie hat sich das Kind auf Grund dieses Sachverhaltes verhalten? Es wird wohl kaum Selbstmord begangen haben.

Ein Kind unter konsequenter Nicht-Erwähnung von Gott und ähnlichem aufzuziehen, heißt, es irgendwann mit mystischen Vorstellungen in der Welt zu konfrontieren, auf die es nicht vorbereitet ist. Ihm zu sagen, daß es Gott nicht gibt, erfordert, ihm erst einmal zu erklären, was andere mit Gott meinen, ist also ebensowenig zielführend.

Ich glaube, dass ein Kind, das von religösen Inhalten ferngehalten wurde, denen seine Fragen ausreichend anders beantwortet wurden und in guter psychischen Verfassung ist, sehr kritisch gegenüber religöse oder mystische Aussagen sein wird, wenn es damit zum ersten Mal in Kontakt kommt. Es wird wohl als erstes denken "was erzählt die Person denn da für komische Geschichten?". Weder das Kind noch die Eltern sind in Erklärungsnot, sondern die Märchenonkel und -tanten, die dem Kind weißmachen müssen, dass an den kuriosen Geschichten auch was dran ist. Dies wird ihnen imo kaum gelingen, wenn oben genannte Voraussetzungen erfüllt sind. Kein Mensch braucht wirklich Religion oder Mystik, der Mensch kommt auch ohne aus. Dieses zeug ist nur unnötiger Balast, der das Denken behindert.

Abgesehen davon, mal folgendes: Wenn wir mal ehrlich sind, schon beim Nachdenken über unsere Gefühle erreichen wir die Grenzen der sicheren festen materiellen Welt, Liebe - nur ein Wort, nur ein paar angeregte Synapsen, die mit dem merkwürdigen Etwas namens Bewußtsein verknüpft werden, oder doch Ausdruck einer größeren Verbundenheit?

Ich kann persönlich nicht nachvollziehen, von was für einer "größeren Verbundenheit" du sprichst. Meine Gefühle, mein Bewusstsein, alles von mir, ist aus meiner Sicht materiell und ich habe keine Probleme damit.

Daß damals soetwas entstanden ist, ist schon ein Wunder, bei dem man transzendentale Kräfte im Hintergrund nicht unbedingt ausschließen muß.

Nein man muss sie nicht ausschließen, aber ich sehe keinen zwingenden Grund zur Annahme, deshalb gehe ich nicht von einer solchen Existenz aus.

aleanjre
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Sa 2. Okt 2004, 23:48 - Beitrag #5

Maurice, warum schließt du so kategorisch aus, dass Mystik die Welt eines Kindes bereichert? Es geht hier nicht darum, ein Kind zu verschaukeln, es zu verniedlichen. (Ja, das gibt es auch, es liegt an einem selbst, das verantwortungsbewußt zu handhaben).
Natürlich wollen Kinder WISSEN. Aber dazu gehört eben auch das gesellschaftliche Wissen. Zitate wie :"Der Wind, der Wind, das himmlische Kind!" bereichern die Sprache, Vergleiche wie "Schon wieder ein blauer Fleck, du bist ja wie die Prinzessin auf der Erbse!" - gehören zum Volksgut.

Meine große Tochter ist gerade in diesem SCHWAMM - Alter. Sie saugt alles auf, was an Wissen auf sie niedertropft, und ich schwöre: an manchen Tagen würde ich gerne auf eine einsame Insel, um mal endlich Ruhe vor den dauernden Fragen zu haben! ;)
Als sie wissen wollte, wo Mensch denn so herkommt - "Mama, wie konnte der erste Mensch geboren werden, wenn er doch keine Mama hatte!" - da hab ich ihr das Komplettpaket geschnürrt. Die "Meteorit - trifft - Erde - tötet Dinos" - Theorie kannte sie schon. Die hab ich dann weiterentwickelt, vom Affen erzählt, der sich veränderte, vom Baum hüpfte, aufrecht gehen lernte... Das ganze mit einem großen Bildband unterstützt. Fand sie suuuuperspannend!
Ich hab aber auch von Adam und Eva erzählt. Sie hat länger darüber nachgedacht und kam zu dem Schluss, dass Gott da aber Murks gebaut hat - wieso versteckte er zwei so wichtige Bäume nicht auf der Erde, dann hätten die beiden glücklich im Paradies bleiben können! ;) - Man sieht, Mythologie schärft auch das logische Denken.
Gleichzeitig lebt sie aber seelig in mehreren Dutzend wunderschöner Parallelwelten. Ich hab schon von ihrem alter Ego erzählt, die Fee, die in den Wolken wohnt und immer glücklich ist, und sich im Winter im Kleiderschrank vor dem Schnee verstecken muss. In ihren Rollenspielen ist sie eine wunderschöne Prinzessin, findet sagenhafte Schätze, verwandelt sich in eine Katze. Letzten Sommer konnten wir mit ihr nicht das Haus verlassen, ohne dass sie sofort von feuerspeienden Drachen gejagt wurde. Mann, haben die VIecher uns zugesetzt! Sie steigerte sich richtig in diese Angstwelt hinein, die nichts anderes war als eine Umsetzung des Stresses der Außenwelt (sie ist Asperger - Autistin).
Ja, ich hätte mir den Mund fusselig reden können, dass es in Dreiteufelsnamen noch mal keine Drachen gibt! Die Angst war nun mal da! Angst vor allem Unbekannten, vor der realen Welt.
Also, was hab ich getan? Die Welt mit ihr weiterentwickelt. Starke, weise Drachen erfunden, die die wilden Feuerspeier unter Kontrolle bringen sollen. Ihr erzählt, dass diese Drachen keine kleinen Mädchen, sondern Feuernüsse fressen, um ihre Glut zu schüren. Das die Drachen wütend waren, weil sie keine Nüsse mehr finden konnten. An diesem Punkt hat sie selbst wieder das Ruder übernommen und im Laufe von Wochen die Geschichte immer wieder durchlebt, wie sie Drachenangriffe überlebte, wie sie den wilden Horden den Weg zu den Feuernüssen wies. Sie hat sich aktiv ihren inneren Ängsten gestellt und sie in einer Traumwelt besiegt.
Sie wusste zu jedem Zeitpunkt, das es keine Drachen gibt, das Drachen kein Feuer speien und das nirgends Feuernüsse wachsen. Es gab keine "Erklärungsnot", und sie war kein in seiner Intelligenz unterschätztes Kind. Sondern sie hat ganz bewußt die Mystik genutzt, um sich weiter zu entwickeln.

Maurice, die wenigsten Menschen wachsen in hart glitzernder, stählener Rationalität auf, und von denen, die es müssen, fühlen sich die wenigsten wohl.
Was würdest du tun, wenn dein 2 1/2jähriger Sprößling sich weigert, abends ins Bett zu gehen und immer wieder die Worte:
"Dil happs!" heulend wiederholt? Wenn du wüsstest, dass diese Worte: "Das Krokodil kommt und will mich beißen!" bedeutet, wohlgemerkt! Wie oft würdest du den Satz skandieren wollen: "Da ist kein Krokodil, die leben ganz weit weg in Flüssen!"

Wie schon ausgeführt, hat Mystik viel mit Tradition, und Tradition viel mit Liebe zu tun. Natürlich ist es nicht wichtig, ob ein Kind nun an den Weihnachtsmann glaubt oder nicht, was zählt, ist die Liebe. Aber warum lehnst du so vehement alles ab, was in diese Richtung geht?

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So 3. Okt 2004, 01:44 - Beitrag #6

Dann will ich doch mal die Position des "religionsfreundlichen Atheisten" einbringen...

Meine Position deckt sich fast vollkommen mit der von Aleanjre. Sagen, Märchen, Mythen und Legenden sind eine dem kindlichen Denken so perfekt angepasste Darstellungsform, dass es eine Schande wäre, auf sie zu verzichten. Kinder haben eine unstillbare Neugier und Erklärungssucht, sind aber einerseits nicht in der Lage, alle "echten" Erklärungen zu verstehen, und haben zum anderen auch noch ein so kreatives Verhältnis zur Realität, dass sie manchmal lieber eine "schöne" Erklärung haben wollen als eine stimmige. Oder beide verinnerlichen und je nach Situation auf die jeweils angebrachte zurückgreifen, wie alea es schön beschreibt.

Vor allem trägt das "Lügen für Kinder"-Prinzip, wie es Terry Pratchett nennt (dessen "Gelehrte der Scheibenwelt" ich zu diesem Thema (und vielen anderen) einfach nicht oft genug anpreisen kann). Der Mensch, und besoders das Kind, lernt am besten, wenn er seinen Wissensstand immer weiter entwickeln kann, nicht, wenn er ein Endergebnis vorgesetzt bekommt. Ein Kind, dass eine Gottesvorstellung erfahren hat und später selbst auf deren Widersprüche gestoßen ist, wird einen viel durchdachteren und festeren Atheismus entwickeln können als eines, das sich nie mit Gott beschäftigt hat. Denn auch historisch hat sich der aufgeklärte Atheismus erst aus dem Theismus heraus entwickeln können (ich sollte mal zählen, wie oft ich diese These mittlerweile in der Matrix niedergeschrieben habe...).

Sicher hast du Recht, Maurice, dass ein Kind, das nie mit Gottesvorstellungen konfrontiert war, diesen gegenüber eine sehr unvoreingenommen-kritische Meinung haben würde. Aber zum einen würde ich diese eher als unverstehend-ignorant betrachten im Gegensatz zur auf Kenntnis gewachsenen Ablehnung, und zum anderen stimme ich mit den Theisten hier durchaus überein, dass sich wohl jedes Kind irgendwann transzendente Fragen stellt. Und um diese als unnötig zu erkennen oder logische Antworten zu finden (im Sinne der Wissenschaft Logik, nicht im Sinne von "logisch einwandfrei), braucht es ein Denk- und Wissensniveau, das Kinder noch nicht haben. Da ist der Verweis auf eine Gottesvorstellung durchaus eine gute Überbrückung.

Entscheidend dabei ist natürlich, dass diese Vorstellungen nie als absolute Wahrheit präsentiert werden. Das Kind muss immer unterbewusst ein bisschen fühlen, dass man ihm nicht die ganze Wahrheit sagt, so dass sein Forscherdrang erhalten bleibt, ohne dass es sich dessen so bewusst wird, dass es sich gelenkt und nicht ernstgenommen fühlt.

Maurice
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So 3. Okt 2004, 11:10 - Beitrag #7

Also erstmal eine Sache vorneweg, weil es so klingt, als würde man mir den Vorwurf machen: Wo habe ich gesagt, dass Kinder nichs über Märchen hören dürfen? Märchen sind Geschichten, wo von Anfang an klar ist, dass sie nur erfunden sind, sie versuchen auch nicht die Welt zu erklären, sondern dienen in erster Linie als Unterhaltung. Die moralische Komponente bei diesen Erzählungen halte ich für eine untergeordnete Rolle. Ich zumindest habe z.B. in einem "Der gestiefelte Kater" als Kind keine Anleitung gesehen, wie ich mich verhalten soll. Das Argument mit der Allgemeinbildung finde ich ehrlich gesagt lächerlich. Als ob man aufgeschmissen wäre, wenn man noch nie "Hänsel und Gretel" gehört hat. Volksgut? Welche Rolle spielt das denn heute noch?

Maurice, die wenigsten Menschen wachsen in hart glitzernder, stählener Rationalität auf, und von denen, die es müssen, fühlen sich die wenigsten wohl.

Nein rein rationalistisch war meine Kindheit garantiert nicht. Ich habe sehr viele Märchen und Erzählungen gehört. Kann sich jeamnd vielleicht noch an die "Erzähl mir was"-Hefte und Kasetten erinnern? Wir hatten fast alle davon und ich habe sie mir über Jahre angehört. Was ich früher am liesbten gesehen hatte, waren die Trickfilme auf Tele5 und diese haben imo meine Phantasie nur weiter beflügelt, als sie zu hemmen. Nett an den Trickfilme damals war auch, dass sie immer mit einer Messege ausgestattet war. Inwieweit ich mich darum gekümmert hatte weiß ich nicht mehr, aber zumindest kann man den Trickfilmen von damals einen gewissen Mehrwert und Vorteil gegenüber den heutigen zuschreiben. Ich denke so allgemeine Dinge wie "Finger weg von Drogen", "sei fleißig und zuverlässig" können keinem Kind schaden.
Auch habe ich gerne meine Phantasie spielen lassen und z.B. aus Decken und Sofakissen Höhlen gebaut. Aber es war immer bewusstes Spiel, es war immer Phantasie und nie Realität. Ok ich kann nur bedingt sichere Aussagen darüber machen, weil das alles schon viele Jahre zurückliegt, deshalb kann ich natürlich nur meine spärlichen Erinnerungen bewerten.

@Evolutionstheorie: Ich würde es genauso wie du machen... nur dass bei mir eben der Teil mit Adam und Eva wegfallen würde. Wenn man schon neben der wissenschaftlichen Sicht die religöse erklärt, dann sollte man doch, wenn man konsequent sein will und dem Kind die Wahl zwischen vielen Denkmodellen geben will, ihm auch die Ansätze der anderen Religionen erklären. Dazu sind wohl die allerwenigsten in der Lage, aber weil ich diese Methode ja e nicht vertrete, reicht es bei mir dem Kind die wissenschaftliche Erklärung zu geben. Das Kind will eine Antwort von mir? Dann gebe ich ihm auch eine Antwort von mir. Mit dem mystischen Quatsch wird es wohl leider noch früh genug in Berührung kommen, z.B. wenn der Freund oder die Freundin aus dem Kindergarten erzählt, dass ihr Opa jetzt im Himmel ist und sich Gott um ihn kümmert. Man kann das Kind gegen diese Ideen e nicht schützen, wenn man es nicht von der Außenwelt abschotten will. Nur will ich nicht der erste sein, der ihm davon erzählt, aber natürlich bei Rückfragen zu Verfügung stehen um diesen mystischen Quatsch wieder zu zerstreuen.

Alea ich kenne mich leider mit Autismus nicht gut aus, daher kann es gut möglich sein, dass meine Methode bei deiner Tochter völlig unangepasst wäre. Das heißt natürlich nicht, dass dies auf alle Kinder zutrifft. Deine Tochter brauche die Phantasiegestalten um den Alltag zu verabreiten, aber das werden bestimmt nicht alle anderen Kinder auch brauchen. Wenn ein Kind sowas unbedingt braucht, dann sollte man es ihm natürlich auch lassen, der Nutzen steht ja erklärt an der Spitze der Bestrebungen, da will ich auch keine falsche Prinzipientreue an den Tag legen.

"Dil happs!" heulend wiederholt? Wenn du wüsstest, dass diese Worte: "Das Krokodil kommt und will mich beißen!" bedeutet, wohlgemerkt! Wie oft würdest du den Satz skandieren wollen: "Da ist kein Krokodil, die leben ganz weit weg in Flüssen!"

Wo soll denn das Krokodil sein? Unterm Bett? Dann wird eben unters Bett geschaut und wenn da kein Krokodil ist, dann wird da wohl auch keins sein. Wenn das Kind nicht für Argumente zugänglich ist, kann ich auch nichts machen. Wenn es ins Bett geht und am nächsten Morgen noch lebt, dann werden da keine Krokodile gewesen sein, die es fressen wollten, denn sonst wäre es ja gefressen worden. Das sollte ein paar Tage so gehen und dann müsste es das eingesehen haben. Wenn nicht, dann wird die Angst wohl weniger von dem finktiven Krokodil ausgehen, sondern dieses dient nur als Metapher für andere Ängste und dann müssen diese aufgearbeitet werden, statt Hirngespinsten nachzujagen.

Was hat denn Tradition mit Liebe zu tun? Traditionen ist Muff von 100en Jahren, Sitten die man begeht der Sittlichkeit wegen, weil man das eben so macht. Sollte ein Kind denn weniger Liebe bekommen, wenn man auf Traditionen verzichten würde?

Es wurde gesagt, dass ein Kind mit einer wissenschaftlichen Erklärung zum Tod nicht klarkommen würde. Ich frage nochmal, kennt jemand einen Fall, wo dem Kind der Tod auf diese Weise erklärt wurde und hat es dadurch wirklich ein Trauma bekommen?
Ich weiß wirklich nicht, was an dem wissenschaftlichen Ansatz so schlimm sein soll. Wenn man Tod ist, ist Schluß. Punkt. Vor was sollte man Angst haben? Der Opa spielt zwar nicht Karten mit Gott im Himmel, aber er hat auch keine Schmerzen mehr, keine Probleme, Sorgen oder Ängste mehr. Da er ja einfach nicht mehr ist. Wovor sollte man Angst haben? Nein nicht mal ein schwarzes Loch gibt es, denn dies wäre ja wieder was, aber auch das fällt ja weg. Die Person existiert physisch einfach nicht mehr.


Ein Kind, dass eine Gottesvorstellung erfahren hat und später selbst auf deren Widersprüche gestoßen ist, wird einen viel durchdachteren und festeren Atheismus entwickeln können als eines, das sich nie mit Gott beschäftigt hat.

Kinder sind meistens sehr naiv und leichtgläubig. Wird man ihnen von Gott erzählen, werden sie es in den meisten Fällen glauben, wenn man es als Wahrheit anpreist. Ich finde ich hatte mit Religion nur wenig Kontakt. Ich bin zwar in der Schule über Jahre in Religion gegangen, aber da wurde zum Glück nicht gepredigt und der Unterricht war für mich immer eine "Märchenstunde" und da ich es mochte Geschichten erzählt zu bekommen, mochte ich das Fach auch. Inahltlich fand ich die Geschichten immer Quatsch, aber sie waren ja nur Geschichten, die sich Menschen ausgedacht haben und im Grunde nichts anderes, als die Märchen der Gebrüder Grimm, die ich kannte.
Ich bin weder getauft noch konfirmiert und aus religösen Motiven bin ich nie in die Kirche gegangen. Dafür dass ich so wenig mit Religion konfrontiert wurde, habe ich mich "aber" (@Traitor erstaunlicherweise) zu einem, wie ich mal behaupten will, durchaus kritschen Atheisten entwickelt. Ich vertrete wie unschwer zu erkennen, eine gegenteilige Ansicht zu Traitor, nämlich dass das Fernhalten von Religion die besten Atheisten hervorbringen würden. Es reicht, wenn jemand sich mit Religion auseinandersetzt, wenn er schon etwas weiter in seiner Entwicklung ist, dann wird er auch geistig zu kritischen Denken in der Lage sein um sich darüber Gedanken zu machen. Warum sollte man die Köpfe der Kinder schon vorher mit soetwas zumüllen? Wenn es nur darum geht, dass man die Phantasie der Kinder anregt, dann reichen auch Märchen und Geschichten aus.

dass sich wohl jedes Kind irgendwann transzendente Fragen stellt. Und um diese als unnötig zu erkennen oder logische Antworten zu finden (im Sinne der Wissenschaft Logik, nicht im Sinne von "logisch einwandfrei), braucht es ein Denk- und Wissensniveau, das Kinder noch nicht haben. Da ist der Verweis auf eine Gottesvorstellung durchaus eine gute Überbrückung.

Von letzten Satz war ich schon etwas geschockt, ihn von dir zu hören. Auf transzendentale Fragen, gibt es materielle Antworten, das sollte kein Problem sein. Ich finde auch du unterschätzt die Kinder. An Aleas Tochter sehen wir ja, dass ein Kind sehr wohl in der Lage ist, Dinge wie Urknall und Evolution nachzuvollziehen, wenn es ihm gut erklärt wird. Das Ausweichen auf eine Gottesvorstelltung ist, wenn der Erwachsene selbst nicht dran glaubt, nur mit Faulheit zu erklären.

aleanjre
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So 3. Okt 2004, 12:58 - Beitrag #8

Nein, dir macht niemand einen Vorwurf, Maurice. Wir stehen auf unterschiedlichen Standpunkten, und die werden hier diskutiert.

Du hast dich sehr negativ zu Märchen geäußert und von Unterschätzung der Intelligenz der Kinder gesprochen. Nun, das ist ja jetzt relativiert.

Die allermeisten Kinder wissen, dass sie nicht fliegen können, dass sie keine Prinzessin sind, dass ihre selbstgebaute Höhle kein Schutz vor den nicht vorhandenen Räubern ist. Diejenigen, die das nicht wissen, sind ein anderes Thema.

Natürlich kann man Architektur, Jura oder Medizin studieren, ohne jemals von Hänsel und Gretel gehört zu haben. Man kann eine Familie gründen und erfolgreich leben. Aber ist es nicht arg peinlich, wenn man in trauter Runde eine Anspielung auf Knusperhäuschen hört und einfach nicht weiß, was damit gemeint ist? Wie viel peinlicher noch, wenn alle anderen diese Lücke mitkriegen? Es wäre legitimer, die Hauptstadt von Portugal nicht present zu haben als dieses so selbstverständliche Wissen!

Wir leben in einer christlich orientierten Gesellschaft. Demzufolge ist es wichtig, die beiden Hauptmodelle vorzustellen. Das Ding mit der Schöpfungsgeschichte wird von unserer Gesellschaft ganz selbstverständlich verlangt.
Ich kenne mich ganz gut mit Mythologien aus, aber natürlich bin auch ich nicht in der Lage, sämtliche Schöpfungsideen von Aborigines bis Zulu vorzustellen. Ist auch gar nicht nötig. Denn es gibt, runtergebrochen auf das wesentliche, nur zwei Denkmodelle: das Leben ist aus sich selbst entstanden durch günstige Bedingungen. Und: das Leben wurde von einer übergeordneten Kraft geschaffen.
Beide Modelle sollten dem Kind angetragen werden. Nicht unbedingt bei jedem Kind schon in diesem zarten Alter. Aufnahmefähigkeit und Entwicklungsstand eines jeden Kindes ist sehr unterschiedlich. Meine Tochter verkraftet da etwas mehr als der Durchschnitt. Ich werde ihr noch weitere Mythologien vorstellen, wenn sie sich dafür interessiert. Im Moment hat sie genug erfahren und wird kommen, wenn sie bereit ist für mehr.

Du kannst blind davon ausgehen, dass alle kleinen Kinder Mystik benutzen, um die Welt ertragen zu können. Der 2 1/2jährige mit dem Krokodil war schon ein bewußtes Beispiel. Egal, wie oft du unter das Bett guckst, in den Kleiderschrank, egal wie oft du beweist, dass dort nirgends ein Krokodil lebt: für das Kind ist da eins. Ein kluges Krokodil. Versteckt sich, sobald ein Erwachsener kommt, und lichtscheu ist es auch. Sobald das Kind allein im Dunkeln ist, da kommt das böse Reptil!
Ja, das sind Metaphern für Ängste. Das Bewußtsein, eine eigenständige Person zu sein, getrennt von der Welt nämlich! Babys und ganz kleine Kinder haben kein Ich - Bewußtsein. Erst zwischen dem 18. - 24. Monat erkennt ein Kind sich selbst im Spiegel wieder. Daraus entwickelt das Kind selbstständig die Erkenntnis, dass es ein Individuum ist. Eiine Idee, die Raum für unzählige Ängste bietet. Die Phantasie erzeugt Bilder, denn nichts ist schlimmer als die Ungewissheit. Eine Angst, der man Gestalt geben ist, ist eine Angst, die man bekämpfen kann!
Was würdest du tun, um deinem 2 1/2 jährigen Kind zu helfen, gegen eine Phantasiegestalt zu helfen? Denn nichts anderes ist ja das Krokodil. Ein mystisches Symbol seiner Angst. Es hilft nichts, dieses Krokodil wegzureden - du nimmst der Angst die Gestalt, machst sie damit wieder unfassbar, unvorstellbar, und verstärkst die Angst! Nein, der einzig richtige Weg ist, deinem Kind zu helfen, das Phantasiekrokoldil zu besiegen! Zum Beispiel, indem du ihm eine Murmel in die Hand gibst und erklärst, dass dies eine magische Murmel ist. Solange es diese Murmel festhält, kann das Krokodil nicht beißen. Es gäbe noch sehr viele andere Methoden, bleiben wir bei diesem Beispiel. Das Kind muss also nur diese Murmel als Waffe akzeptieren. Sie unter sein Kopfkissen legen. Und wann immer es nachts wach wird (Kleinkinder werden nachts ständig wach) und Angst hat, zur Murmel greifen. Es wird auch in diesem äußerst zarten Alter wissen, dass die Murmel nicht wirklich magisch ist. Schließlich hat das Kind schon wochenlang mit dieser Murmel gespielt und die hatte nie irgendwas magisches an sich. Das Ding leuchtet auch nicht, spricht, oder tut irgendetwas. Es ist ein mystisches Symbol, zur Bekämpfung einer Phantasiegestalt.
Ich kenne einen Vater, der keine Lust hatte, sich soviele Gedanken zu machen (gibt sicher noch mehr, aber ich kenne nur diesen einen). Sein Sohn, 3 Jahre, fing plötzlich an, jeden Abend Terz zu machen, sobald das Licht aus war. Er hatte Angst im Dunkeln. Dieser Vater hatte sich eine Woche lang den Mund fusselig geredet, dass da nirgends eine Bedrohung im Zimmer ist. In alle Schränke geguckt, das Bett ausgeräumt. Ein Nachtlicht installiert, um die Dunkelheit zu vertreiben. Das Kind schrie weiter, denn seine Angst hatte weiter Gestalt, es war nicht fähig, die Angst allein zu bekämpfen. Sein Vater bekam genug von dem Blödsinn und drohte seinem Sohn, dass er wirklich Ärger bekäme, wenn er nicht aufhöre, so ein Theater zu machen - da ist nichts gefährliches, also auch kein Grund zum schreien! Udn das Kind hörte auf zu schreien. Du kannst zu 100% davon ausgehen, dass dieses Kind seine Angst nicht überwunden hat. Es hat lediglich aufgehört, sie zu äußern, denn ihm wurde ja nicht geholfen. In diesem Alter noch nicht fähig, sich selbst mystische Hilfsmittel zu schaffen, um seine Ängste zu bekämpfen, war es dieser Angst hilflos ausgeliefert.

Ich habe nie gesagt, dass ein Kind nur dann Liebe bekommen kann, wenn es mit Traditionen umgeben wird. Sondern dass Traditionen die Möglichkeit bergen, ein Kind mit Liebe zu umgeben! Man kann ein Weihnachtsfest sehr armselig gestalten. Tagsüber läuft der Fernseher, aus dem unentwegt irgendwelche kitschigen Filme dudeln, danach läuft der CD - Player, um die passenden Lieder zu dudeln. Irgendein Riesenberg Essen wird verdrückt. Hügelweise Geschenke übergeben.
Das sind sinnleere Traditionen, denn darin steckt weder Liebe noch Seele. Gemeinsam singen, gemeinsam kochen, gemeinsam den Baum schmücken. Miteinander reden und lachen. Sich miteinander freuen. Das ist wunderschöne Sache.
Jede Familie kann sich auch ihre eigene Tradition schaffen. Selbst wenn es nur eine ganz kleine Sache ist, wie zum Beispiel jeden Sonntag gemeinsam frühstücken, ist das so wichtig! Nur durch Gemeinsamkeit kann Liebe ausgetauscht werden. Liebe heißt nicht, einen Haufen roter Rosen zu verschenken, die richtigen Worte in der richtigen Umgebung zu sprechen!Es ist nach wie vor nicht wichtig, welche Art Gemeinsamkeit man begeht. Es geht nicht um den Osterhasen. Der Osterhase bietet nur eine so vortreffliche Gelegenheit, etwas ganz besonderes zu tun, was man sonst nie hat. Ein Höhepunkt im Allerlei des Jahres, auf den man sich schon das ganze Jahr freuen kann.

Tod: Es bleibt dabei: Kinder können nicht mit der Unendlichkeit umgehen. Der Tod ist für sie ein unfassbares Konzept. Ich kenne eine 6jährige, dessen Vater gestorben ist. Und zwar schon vor 1 1/2 Jahren. Sie begreift immer noch nicht, was da geschehen ist. Erst vor einigen Wochen hat sie zu ihrer Mutter gesagt: "Papa war jetzt lange genug tot. Er soll wiederkommen und wieder bei uns wohnen!"
Sowohl sie als auch ihr Bruder leiden sehr unter dem Tod, haben Alpträume, dass sie in dunklen Löchern vergraben werden, dass auch die Mutter stirbt, obwohl sie ein religiöses Konzept haben, das es dem Vater gut geht, wo er jetzt ist. Kannst du dir auch nur im entferntesten vorstellen, was mit diesen beiden Kindern geschehen würde, würde man ihnen sagen, der Vater sei einfach nicht mehr da? Der Körper verfault, und sonst ist da nichts mehr?
Kinder können schon schon nicht mit dem Begriff Zeit umgehen. Erst mit 6 - 7 Jahren beginnen sie das Konzept von gestern, heute, morgen zu erobern. Vorher gibt es nur JETZT. Meine Lange versteht jetzt so langsam, was es bedeutet, dass sie zu der Zeit der Dinosaurier noch nicht existierte. Und das ich da auch noch nicht lebte. Das nicht einmal die Oma da lebte. Für meine Kleine ist das eine völlige Utopie. Sag mal meiner Kleinen, dass sie morgen nicht mehr da sein könnte.


Gott: Hör mal, jetzt bist du aber derjenige, der die Kinder unterschätzt! "Kinder sind sehr leichtgläubig" - also bitte!
Ich finde deine Art Atheismus keineswegs kritisch. Du trägst deine Gottungläubigkeit wie eine absolute Doktrin vor. Solltest du da tatsächlich Raum für Toleranz und Anpassungsfähigkeit haben, wird das nicht deutlich! Du behandelst hier jede Art von religiöser Darstellung wie eine Seuche, etwas, dass den Geist eines Kindes vergiftet, schadet! Das Vertrauen in etwas, dass man weder erkennen, noch sehen oder begreifen kann, ist aber nicht schädlich. Es gibt Menschen, die Religion als Waffe missbrauchen, um andere Menschen zu manipulieren. Im Namen der Gläubigkeit Kriege führen. DAS ist unbesehen schädlich. Daran sind aber die Menschen schuld, nicht die Vorstellung von Gott an sich.
Eine kritische Auseinandersetzung mit Gott kann wirklich nur erreicht werden, indem man die Gläubigkeit durchlebt. Das hat Traitor bewundernswert ausgeführt.
Bevor ich hier weiter aushole, erkläre bitte deine offenkundige Feindseligkeit gegenüber Religiösität. Es gibt schließlich eine Menge Menschen, die in ihrem Glauben absolut erfüllt und glücklich leben. Dem Dalai Lama kann man nicht vorwerfen, er wäre verblendet, eifernd, oder unglücklich. Unzählige Bauern, Fischer und Jäger in sogenannten Entwicklungsländern haben noch nie von DNA, Dinosauriern oder Evolution gehört, leben aber absolut zufrieden im Glauben an ihre hiesige Gottheit. Es ist also ein Lebenskonzept, das funktionieren kann. Ich kenne hier im Umkreis ein halbes Dutzend evangelische Pfarrer beiden Geschlechts. Zufriedene, hochintelligente Menschen, die bar jeden Zweifels in sich ruhen. Einen Mangel an Reflexionsfähigkeit kann man ihnen wahrlich nicht vorwerfen.
Warum also ist Religion für dich eine Gefahr, vor der Kinder beschützt werden müssen?

Padreic
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So 3. Okt 2004, 13:21 - Beitrag #9

Wenn dich ein Kind fragen würde, was ein Atom wäre, was würdest du ihm dann erzählen? Selbst wenn du Quantenphysiker wärst, würdest du deinem Kind wohl kaum eine quantenphysische Erklärung geben, sondern du würdest wohl bestenfalls das Bohr'sche Atommodell bemühen. Aber es ist falsch! Nicht nur ungenau, sondern wirklich falsch! Wenn du das machst, erzählst du deinem Kind Lügen, die wissenschaftlich widerlegter als jeder Gottesglaube sind.
Aber trotzdem, man erzählt den Kindern diese Lügen. Sie werden in der Schule unterrichtet, sie werden in Büchern gelehrt. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass wir einem Kind die Welt nicht begreifbar machen können, wie sie ist oder vielmehr nicht, wie wir sie begreifen. Wie sie ist, wissen wir auch noch lange nicht.

Der Mythos war in der Kindheit der Menschheit das Mittel, die Welt zu begreifen. Warum sollte er nicht für die Kindheit eines Mensch taugens? Vor allem, weil ein guter Mythos immer einiges an Wahrheit in sich trägt. Unter Mythen fallen hierbei auch die Geschichten der Bibel.
Ich will sicherlich niemanden verbieten, wissenschaftliche Erklärungen für Phänomene der Natur zu verwenden. Aber man sollte daran denken, dass auch die wissenschaftliche Konzepte, die ein Kind verstehen kann, oft stark mythische Züge tragen. Der eine Mythos ist eine Erklärung, die vor 3000 Jahren ausreichte, die andere eine, die vor 100 Jahren geglaubt wurde. Es gibt Unterschiede, gewiss, auch prinzipieller Natur, aber man sollte sich diese Mythenhaftigkeit bewusst machen. Und nicht nur sich, sondern auch dem Kind. Wie Traitor schon sagte, ist das Fortschreiten und das Bewusstmachen des Fortschreitens wichtig.

Mythos und Mystik gehören zum Menschen. Sie verstehen oder gar erfahren zu können, ist Reichtum, nicht Mangel. Wenn man nicht schon im Kindesalter mit ihnen in Berührung kommt, fällt es aber später unglaublich schwer, ein wirkliches Verstehen zu erlangen. Das spüre ich selbst, der eine nicht sehr "mystische" Erziehung genossen habe, selbst auch. Und ich denke, selbst wenn man den Wert von Mythos und Mystik leugnet, so muss man doch noch lange nicht den Wert leugnen, der darin liegt, Menschen, die darin ihre Freude finden, zu verstehen. Tradition liegt übrigens in einer ähnlichen Ecke. Hast du, Maurice, das Gefühl, sie wirklich verstehen zu können? Ich denke doch, nicht. Ich habe es von mir jedenfalls auch nur in sehr beschränkten Maße...

Und warum soll man seinem Kind auf jede Frage nur eine materielle Antwort geben? Ist das nicht auch Ausdruck von eigener Arroganz? Es gibt viele, sehr viele kluge Menschen, die sich nicht auf solche beschränkt haben, auch viele Naturwissenschaftler. Man ignoriert diese alle und präsentiert seine eigene Ansicht dem Kinde als die einzig logische. Man kann natürlich sagen, dass man mit anderen Ansichten noch genug in Berührung kommt, aber das ist meiner Ansicht nach nicht korrekt. Das Bewusstsein, mit dem konfrontiert wird, ist doch nicht selten recht materialistisch. Und eine dem Einfluss der eigenen Eltern gleichwertige andere Konfrontation wird wohl selten in frühem Alter, wo sie noch wirklich prägend ist, geschehen. Einem Kind nur die materielle Antwort zu präsentieren, heißt auch, es nur beschränkt zum eigenen Denken anzuregen.

Edit: Aleanjres Post und meiner haben sich zeitlich überschnitten. Sie führt vieles, was ich auch meine, sehr viel lebendiger und praxisnäher aus.

Padreic

Maurice
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So 3. Okt 2004, 13:41 - Beitrag #10

Von unten nach oben

Das Vertrauen in etwas, dass man weder erkennen, noch sehen oder begreifen kann, ist aber nicht schädlich

Imo doch. Ich stimme zu, dass es einen Nutzen haben kann, aber für mich überwiegen die Nachteile.

Eine kritische Auseinandersetzung mit Gott kann wirklich nur erreicht werden, indem man die Gläubigkeit durchlebt.

Gläubigkeit durchleben? Das musst du mir erstmal näher ausführen, bevor ich darüber mehr schreibe. Abgesehen davon, willst du mir doch wohl nicht unterstellen, ich hätte keine kritische Einstellung? Wenn doch, dann hast du leider einige Posts von mir verpasst.

Bevor ich hier weiter aushole, erkläre bitte deine offenkundige Feindseligkeit gegenüber Religiösität.

Ich denke, das würde dann doch etwas ot werden, dafür empfehle ich einen eigenen Thread.

Tod: Es bleibt dabei: Kinder können nicht mit der Unendlichkeit umgehen.

Was hat Tod mit Unendlichkeit zu tun? Religionen verbinden Tod vielleicht mit Unendlichkeit, ich zumindest nicht. Tod bedeutet Schluß und das ist wohl das genaue Gegenteil von Unendlichkeit. Wenn ein Film zu ende ist, ist auch einfach Schluß. Er ist vorbei, es kommt nichts mehr, es ist aus, finito. Wo ist da bitte Unendlichkeit?
Und du hast mir immer noch kein Beispiel genannt, wo dem Kind ganz ohne Mystik der Tod erklärt wurde und dass sie davon ein Trauma bekommen haben. Warum sollte der Tod etwas viel schlimmeres sein, wenn die Mystik fehlt? Warum sollte man vor ihm Angst haben? Die Mystik scheint in deinem Beispiel den Kindern ja ncith mal die Angst nehmen können, da kann man auch gleich darauf verzichten. Der Mensch soll der Wirklichkeit ins Auge blicken.

Man kann ein Weihnachtsfest sehr armselig gestalten. Tagsüber läuft der Fernseher(...)Das sind sinnleere Traditionen, denn darin steckt weder Liebe noch Seele.

Deshalb kann man auch gleich ganz darauf verzichten. Um mit der Familie einen schönen Tag zu verbringen, braucht man kein Ostern und kein Weihnachten. All die Dinge die man zusammen machen kann, kommen auch ohne das mystische Drumherum aus.

@Krokodil: Wenn das Kind in Wirklichkeit nicht vor dem Krokodil, sondern vor etwas anderen Angst hat, dann würde ich versuchen diese Angst zu bekämpfen, als inexistente Krokodile in Schränken. Was das Kind wohl braucht sind keine Zaubermurmeln, sondern Halt und Geborgenheit. Geben wir ihm also dies. Und wenn das Kind unbedingt son Quatsch braucht, dann sagen wir ihm einfach, der Teddy würde es beschützen. Da hat es dann seinen eigenen 24-Stunden-Bodyguard.
Ich bin leider kein Spezialist für Kleinkinder, aber wenn jedes Kind eine solche Irrationalität hat, dann ist das für mich leider wieder nur ein weiteres Armutszeugnis für die Spezies Mensch. Man bedenke, dass viele Menschen diese schlechte Angewohnheit mit dem erwachsenwerden, ja nicht mal ablegen, sondern immer noch an Fabelwesen glauben.
Der vater von dem du erzählst, hätte sich nur um das Krokodil im Schrank kümmern sollen, sondern versuchen zu verstehen um was es dem Kind wirklich geht. Wenn dabei wirklich nichts rauskommt, dann hat das Kind eben Pech gehabt. Wenn es nach einer Woche Krokodil im Schrank, imemr noch lebt, sollte es endlich realisieren, dass da keins ist. Wenn nicht, dann braucht es eben länger. Das ist eine Phase das geht vorbei. Der Mensch muss eben mit seinen Ängsten klarkommen, diesen standzuhalten, wird ihn kaum umbringen.

Wir leben in einer christlich orientierten Gesellschaft. Demzufolge ist es wichtig, die beiden Hauptmodelle vorzustellen. Das Ding mit der Schöpfungsgeschichte wird von unserer Gesellschaft ganz selbstverständlich verlangt.

Die Story mit dem Apfelbaum, wird das Kind garantiert nicht verpassen, es geht ja zur Schule und da wird die Story garantiert irgendwann aufgegriffen. Weshalb sollte ich es also vorzeitig mit diesem Unsinn belasten?

Aber ist es nicht arg peinlich, wenn man in trauter Runde eine Anspielung auf Knusperhäuschen hört und einfach nicht weiß, was damit gemeint ist? Wie viel peinlicher noch, wenn alle anderen diese Lücke mitkriegen?

Da trifft das gleiche zu, wie auf den Apfelbaum. Man bekomtm die Story irgendwann schon von alleine zu hören, deshalb müssen es die Eltern nicht erzählen. Außerdem habe ich Märchen nicht als schädlich bezeichnet. Als gute Nacht Geschichte sind diese wohl noch besser geeignet, als ein Buch über Quantenphysik, deshalb haben sie eine Verwendungsmöglichkeit im praktischen Sinne.
Aber was ist denn peinlich, wenn man so eine Anspielung nicht kennt? Das ist doch albern. Wenn jemand auf so ein Wissen wertlegt, dann hat er zumindest für mich die falsche Schwerpunktsetzung.

Traitor
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So 3. Okt 2004, 13:56 - Beitrag #11

Ich versuche mal, so wenig Deckungsgleichheiten wie möglich mit Aleanjre und Padreic einzubauen, um den Beitrag nicht unnötig aufzublähen, also nicht wundern, dass ich sehr selektiv kommentiere.

@Maurice:
Das Argument mit
der Allgemeinbildung finde ich ehrlich gesagt lächerlich. Als ob man aufgeschmissen wäre, wenn man noch nie "Hänsel und Gretel" gehört hat. Volksgut? Welche Rolle spielt das denn heute noch?
Jede Geschichte, die man kennt, ist ein Wissensschatz. Man kann sich auf sie beziehen, neu gelesenes/gehörtes mit ihr vergleichen, in den Erinnerungen schwelgen. Und man kann die Freude haben, diesen Schatz mit anderen zu teilen - etwas, das bei der Betrachtung des Wertes von Literatur häufig übersehen wird. Und klassische Märchen sowie Bibelgeschichten gehören zu den stärksten Geschichten, die es gibt, und sind so weit verbreitet, dass die Freude des Teilens häufig erlebt werden kann.

Auch habe ich gerne meine Phantasie spielen lassen und z.B. aus Decken und Sofakissen Höhlen gebaut. Aber es war immer bewusstes Spiel, es war immer Phantasie und nie Realität. Ok ich kann nur bedingt sichere Aussagen darüber machen, weil das alles schon viele Jahre zurückliegt, deshalb kann ich natürlich nur meine spärlichen Erinnerungen bewerten.
Ich denke, da versagen deine Erinnerungen, genauso wie die jedes Anderen. Was man von seiner Kindheit erinnert, ist natürlich durch die Gegenwart gefiltert, und so neigt man dazu, die mit dem heutigen Bewusstsein nicht kongruenten Dinge in den Hintergrund zu drängen. Auch du wirst als Kind diese seltsame Mischung empfunden haben, gleichzeitig zu wissen, dass die Phantasiegebäude nicht real sind, und dennoch an sie zu glauben, wie Aleanjre sie wunderbar beschreibt. Das ist eine Sache, die man als erwachsener Mensch nur noch schwer verstehen kann, da sich für uns die beiden Sachen ausschließen. Was durchaus ein Fortschritt ist, ich bin ja schließlich auch Rationalist. Aber Fortschritt heißt nicht, dass das Vorangehende schlecht gewesen sein muss - für ein Kind, dessen Weltwahrnehmung erst beginnt, ist es ein sehr gut geeigneter Modus.

Was hat denn Tradition mit Liebe zu tun? Traditionen ist Muff von 100en Jahren, Sitten die man begeht der Sittlichkeit wegen, weil man das eben so macht. Sollte ein Kind denn weniger Liebe bekommen, wenn man auf Traditionen verzichten würde?
Traditionen blind zu folgen ist schlecht. Traditionen grundsätzlich zu verteufeln, aber genauso. Sie dagegen als Chance zu begreifen, die man in manchen Fällen zu einem angenehmen (Er)Leben nutzen kann, in manchen nicht, bereichert einen ungemein. (Gab es nicht mal einen Traditionen-Thread? Wenn nicht, wäre das Thema einen wert.)

Kinder sind meistens sehr naiv und leichtgläubig. Wird man ihnen von Gott erzählen, werden sie es in den meisten Fällen glauben, wenn man es als Wahrheit anpreist.
Zum einen sind, wie alea sagt, Kinder nicht so leichtgläubig, wie du sagst, sie haben die Fähigkeit, viele Dinge erstmal mehr oder weniger wertungsneutral abzuspeichern und später, wenn sie mehr wissen, zu hinterfragen. Außerdem habe ich gerade deshalb ja gesagt, dass man die Gottesvorstellung nicht als absolute Wahrheit präsentieren soll, sondern nicht nachdrücklicher als andere Dinge.

Dafür dass ich so wenig mit Religion konfrontiert wurde, habe ich mich "aber" (@Traitor erstaunlicherweise) zu einem, wie ich mal behaupten will, durchaus kritschen Atheisten entwickelt.
Ich fürchte, was ich jetzt sage, wird wohl zwangsläufig etwas arrogant klingen, aber bitte nicht aufregen - in anderen Bereichen magst du deine Position wiederum besser durchdacht haben / durchdenken können als ich. In bestimmten Bereichen wage ich durchaus zu behaupten, einen "besseren" Atheisten abzugeben als du - nämlich, wenn es darum geht, sich in theistische Denkweisen zu versetzen und zu versuchen, deren Schlussfolgerungen halbwegs unvoreingenommen mit den eigenen zu vergleichen. Da nützt ein geringes verbliebenes Potential, diese zu verstehen, durchaus.

Von letzten Satz war ich schon etwas geschockt, ihn von dir zu hören. Auf transzendentale Fragen, gibt es materielle Antworten, das sollte kein Problem sein. Ich finde auch du unterschätzt die Kinder. An Aleas Tochter sehen wir ja, dass ein Kind sehr wohl in der Lage ist, Dinge wie Urknall und Evolution nachzuvollziehen, wenn es ihm gut erklärt wird. Das Ausweichen auf eine Gottesvorstelltung ist, wenn der Erwachsene selbst nicht dran glaubt, nur mit Faulheit zu erklären.
Wo gibt es denn eine schlüssige und simple materialistische Erklärung etwa für das Phänomen des menschlichen Bewusstseins? Wenn du einem Kind sagst "das Gehirn hat sich im Laufe der Evolution immer mehr entwickelt", dann wird es wohl sagen "Aha, so ist das", aber eine Erklärung, mit der es wirklich befriedigt wäre, hat es damit nicht, denn es kann diese nicht verstehen. Um sich materialistisch soetwas wie Bewusstsein denken zu können, braucht es jahrelange Reflektion und Verstehenssuche, ich habe damit immer noch meine Probleme und tue mich schwer, es wirklich zu begreifen, wie jeder andere reflektierte Materialist auch.
Die Erklärung "wir haben Seelen" dagegen kann ein Kind viel eher akzeptieren - sie ist zwar, wie uns natürlich klar ist, keineswegs eine echte Erklärung, aber sie klingt einleuchtend, und die nächste Erklärungsebene wird sich erstmal nicht so schnell stellen. Dennoch ist irgendwann der Moment da, an dem das Kind damit nicht mehr zufrieden ist, und dann kann man auf dieser Unvollständigkeitserkenntnis und gestiegenem intellektuellem Vermögen aufbauend zu komplizierteren Denkweisen kommen.


@aleanjre: Danke, endlich habe ich auch die Gelegenheit, mal etwas gegen Religion zu sagen ;)
Das Beispiel der glücklichen Dritte-Welt-Bauern in deinem letzten Abschnitt sehe ich nicht gerade als positiv an. Es zeigt im Gegenteil, wie bei ungenügender Bildung Religion die Menschen fesseln kann, daran hindern, über ihre Situation hinauszudenken. Aktuelle schlechte Lebensumstände als gut und erfüllend darzustellen, ist einer der großen Schäden, die Religionen der Menschheit zufügen.


Edit: Überschneidung mit Maurices letztem Post... ich sollte dran denken, vor dem Abschicken zu gucken, ob es neue Beiträge gibt. Kommentar zum Neuen folgt also später.

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So 3. Okt 2004, 14:37 - Beitrag #12

Also, Nachtrag zum überschnittenen Post:

Gläubigkeit durchleben? Das musst du mir erstmal näher ausführen, bevor ich darüber mehr schreibe.
Ich antworte darauf einfach nochmal, da es ja auch mein Konzept ist. Man kann einen "natürlichen" oder "passiven Atheismus" haben, also anfänglich nichts von Gott wissen und somit nicht an ihn glauben, vielleicht später mal mit ihm als fremde Vorstellung konfrontiert werden, diese aber nicht wirklich verstehen und einfach mehr oder weniger ignorieren. Oder man kann mit einer präsenten Gottesvorstellung aufwachsen und in dieser dann Fehler und Unzulänglichkeiten entdecken, aus deren Erkenntnis man sich einen "aktiven Atheismus" aufbaut. So ist es historisch abgelaufen, die ersten modernen Atheisten der Aufklärung sind in einer theistischen Gesellschaft aufgewachsen, und so hat es, wie im letzten Post bereits erwähnt, einige Vorteile für die Denkstruktur.
Was hat Tod mit Unendlichkeit zu tun? Religionen verbinden Tod vielleicht mit Unendlichkeit, ich zumindest nicht. Tod bedeutet Schluß und das ist wohl das genaue Gegenteil von Unendlichkeit. Wenn ein Film zu ende ist, ist auch einfach Schluß. Er ist vorbei, es kommt nichts mehr, es ist aus, finito. Wo ist da bitte Unendlichkeit?
Unendlich ist die Trennung. Wenn man vom Himmel erzählt, dann impliziert das, dass das Kind in x Jahren den Opa dort wiedertreffen wird. Wenn der aber nur vor sich hinverwest, dann weiß es, dass es ihn nie wieder sehen wird - ob er und es in diesem nie noch denken und leiden kann, ist da sekundär, es geht um das "nie mehr" an sich.

Deshalb kann man auch gleich ganz darauf verzichten. Um mit der Familie einen schönen Tag zu verbringen, braucht man kein Ostern und kein Weihnachten. All die Dinge die man zusammen machen kann, kommen auch ohne das mystische Drumherum aus.
Alea sagte es doch bereits: es geht darum, feste Höhepunkte im Jahr zu haben, auf die man sich freuen kann. Was wäre denn "der 14. November, da gibt's immer eine große Feier, warum auch immer" für ein Anreiz?

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So 3. Okt 2004, 18:08 - Beitrag #13

Traitor hat schon vieles gesagt, aber mal schauen.

Kritische Einstellung:
Es ist ein Unterschied, ob man sich einer Sache kritisch oder feindselig nähert. Wer etwas misstrauisch und aufmerksam betrachtet, bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen, alle Facetten unvoreingenommen zu betrachten - kann ein einigermaßen objektives Urteil treffen.

Wer etwas von vorneherein für schädlichen Blödsinn hält und es feindselig ablehnt, das Konzept zu untersuchen, ob nicht vielleicht doch etwas Gutes, Richtiges darin steckt - ist eben nicht objektiv.

Ängste:

Wo, bitte, ist der Unterschied zwischen einer Zaubermurmel und einem Bodyguard - Teddy? ;) In beiden Fällen sagst du dem Kind, dass ein lebloser Gegenstand Zauberkräfte besitzt, die fähig sind, es zu beschützen.

Wenn du Kinder als irrationales Armutszeugnis der Spezies Mensch empfindest, solltest du dir selbst und der Menschheit den Gefallen tun, auf Fortpflanzung zu verzichten. Dann solltest du auch gleich auf die Absicht verzichten, heranwachsende Menschen unterrichten zu wollen und besser eine Stelle im Bundesamt für Statistik anstreben.
Kinder sind irrational. Sie besitzen keine Logik, wenn sie geboren werden, nur Emotionen und Wissbegier. Wer nicht bereit ist, sich darauf einzulassen, sowohl die Emotion als auch die Logik zu akzeptieren, wird einen kleinen Menschen zerstören. Selbst für mich, die ich Emotionen sehr schätze, ist es oft schwer, die Irrationalität des Kindes zu verkraften. Da hat man hundert Mal eine Regel gepredigt - und nichts ist angekommen. Da hat exakt erklärt, wie das Kind in einer bestimmten Situation zu reagieren hat - und es macht exakt das Gegenteil.
Meine Lange hatte vor einigen Monaten mal einen schlechten Tag. Sie ging noch in den Kindergarten, wir waren auf dem Weg nach Hause. Meine Kurze war müde, deshalb hatte ich sie auf dem Arm. Plötzlich, absolut ohne erkennbaren Grund, sprang die Lange einfach auf die Straße! Direkt vor ein fahrendes Auto. Außer einem Doppel - Beinah - Herzinfarkt des Fahrers und meiner Wenigkeit ist nichts passiert. Sie hatte keinen Grund, das zu tun, wir wollten die Straße nicht überqueren, sie hatte nichts spannendes gesehen, nichts. Gedankliche Fehlschaltung. Ich brüllte ihr zu, dass sie sofort zu mir kommen soll. Stattdessen sprang sie wieder auf die Straße. Vor's nächste Auto. Sie war immer noch 20 Meter von mir entfernt. Die Kurze absetzen und losrennen ging auch nicht, weil die mir sonst wohl auch noch auf die Straße gerannt wäre. Also hab ich gebrüllt, dass man es in 3 Kilometer Umkreis noch hören konnte. Die Lange sprang zurück auf den Bürgersteig, drehte sich zu mir um, stolperte und landete wieder auf der Fahrbahn. Vor's dritte Auto. Die fuhren inzwischen alle in Schritttempo. Völlig verwirrt kam das Kind zu mir und wußte selbst nicht, was da gerade passiert war. So sind Kinder. Völlig unberechenbar.

Wer Angst hat, hat Pech, muss halt damit klar kommen? So wirst du kein emotional stabiles Kind erziehen können.
Es wird nicht sterben, aber nicht lernen, seine Ängste zu verarbeiten, denn es hat kein passendes Verhaltensmuster erlernt. Außerdem wird es das Urvertrauen in dich verlieren, weil du ihm nicht geholfen hast. Es ist belegt, dass nur diejenigen, die als Kinder das Recht erhalten zu weinen, wenn sie traurig sind, laut zu lachen, wenn sie fröhlich sind, zu schreien, wenn sie wütend sind etc., auch als Erwachsene mit diesen Emotionen erfolgreich umgehen können.

Erwachsene glauben an Fabelwesen? Seid wann? Es gibt wohl eine Minderheit, die glühend davon überzeugt ist, hexen zu können, Druiden zu sein etc. Glaubenseifer kann sich auf die verschiedensten Varianten ausdrücken. Aber das sind Minderheiten. Die meisten Menschen pflegen einen gewissen Aberglauben wie Freitag den 13. etc., schämen sich aber auch dafür, weil sie wissen, dass das Quatsch ist.

Traitor:
Ich hatte nicht diejenigen Menschen im Sinn, wo die Mutter mit 12 Kindern auf dem dürren Feld verhungert, während der Vater in einer Uranmine kaputt geht, und der Papst "liebet und vermehret euch, denn Pille und Kondom sind Sünde" predigt.
Sondern jene Menschen, die erfolgreich und zufrieden leben, obwohl sie das geschriebene Wort nicht kennen. Im Einklang mit der Natur, einigermaßen genug zu essen vor der Hütte. Vielleicht mit einer niedrigeren Lebenserwartung, denn die medizinische Versorgung ist nicht so perfekt. Aber eben zufrieden und glücklich.
Ich finde es anmaßend, auf solche Menschen herabzusehen. Sie haben ein funktionierendes Lebenskonzept, wozu brauchen sie Logik, Mathematik und all das, was wir "Zivilisation" nennen? Wenn sie mit ihren Naturgottheiten ein erfülltes Leben haben, wozu brauchen sie Evolutionstheorie und Quantenphysik? Warum sollte die Religion sie hindern, über sich selbst hinauszuwachsen?
Ich könnte mich jetzt hineinsteigern, was unsere atheistische, voll zivilisierte Gesellschaft "geschafft" hat, aber das ist nun wirklich nicht das Thema...

Rosalie
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Mo 4. Okt 2004, 08:20 - Beitrag #14

nach Tagen der Abwesenheit, möchte ich mich auch nochmal kurz hier einschalten: aleanjre Du hast hier ja alles so schön gesagt und dargelegt, da gibt es eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Einem Kind alles rational erklären zu wollen, ist teils nicht möglich (da es viele Dinge noch nicht begreift) und geht an der Ideenwelt des Kindes vorbei. Märchen sagen mehr aus, weil sie auf einer andren Welle als der Verstand laufen, auf quasi angeborenen Antennen die direkt in unsrer (besonders natürlich der Kinder) Unterbewußtsein treffen. Sie födern die Kreativität und Phantasie des Kindes und bannen es nicht nur auf der nackten Oberfläche der Realität fest.

Ein Aspekt wurde hier (falls ich nichts überlesen habe) noch nicht angesprochen: Märchen gleichen Träumen des kollektiven Unterbewußtseins. Als Psychoanalytiker, angeregt durch die Beobachtungen Freuds, begannen, sich Träume erzählen zu lassen - zunächst mit dem Ziel auf diesem Weg Ursachen seelischer Verletzungen zu entdecken - stellten sie fest, daß die Traumwelten des Menschen den Märchen verblüffend ähnlich sieht. Auch moderne Menschen kämpfen oft Nacht für Nacht mit widen Tieren, Ungeheuern und Riesen, sie ängstigen sich in Prüfungen und Gefahren, gefressen, zerfleischt, verzaubert zu werden. Sie haben Nöte auszustehen wie die bedrängten Gestalten in den Märchen.

Diese Traumgebilde sind nicht einfach Schäume, sondern sind eine Art Bildsprache der seelischen Konflikte und Probleme des jeweiligen Menschen. Da in den Märchen diese Bilder enthalten sind, sind sie vertraute Symbole und finden unmittelbaren Eingang in die Gefühlsseite des Kindes. Es versteht etwas, ohne dass es groß erklärt werden muß. So gewinnt es einen tiefen Einblick in den Zusammenhang seines Einzellebens mit den großen Lebensgesetzen.

Wenn Kinder dann irgendwann die Frage stellen: "gibts oder gabs die wirklich, die Drachen und Riesen, die Wölfe die Kinder verschlingen.....?" so können wir getrost antworten ;"nein, solche Ungeheuer gibt es in der sichtbaren Wirklichkeit nicht. Aber innen gibts das alles - das weißt du ja: manchmal träumt man von Hexen, Teufeln, Riesen ... wie sie in den Märchen vorkommen".

So helfen die Märchen unsren Kindern ihre eigenen Ängsten und Probleme - die oft unbewußt sind, die aber jedes Kind hat - individuell zu überwinden.

Rosalie

Maurice
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Mo 4. Okt 2004, 13:58 - Beitrag #15

@Traitor:
Wo gibt es denn eine schlüssige und simple materialistische Erklärung etwa für das Phänomen des menschlichen Bewusstseins?

Wo gibt es dies in der Religion? Seele? Das Konzept wirft mehr unbeantwortbare Fragen auf, als es löst, es kann von daher also kaum besser sein, als der wissenschaftliche Ansatz. Ich gebe lieber zu, etwas nicht zu wissen, als mir etwas aus den Fingern zu saugen und dann auch noch stolz auf mein Phantasiegebilde zu sein, dass dann auch noch weitklaffende Lücken aufweist.

@Atheismus: Wenn du meinst, ein Atheismus muss religös aufgewachsen sein um ein wirklich guter zu sein, dann ist das wohl deine Ansicht. Meine ist es nicht, aber das ist eben Ansichtssache. Selbst wenn du rechthaben solltest, so nehme ich es in kauf, dass mein Kind ein "schlechterer" Atheist als möglich wird, weil mir das Risiko doch zu hoch ist, wenn ich es aktiv mit Religion zu früh konfrontiere. Ich brauche keine Welt aus Super-Atheisten, es reicht, wenn alle Atheisten wären.

Unendlich ist die Trennung. Wenn man vom Himmel erzählt, dann impliziert das, dass das Kind in x Jahren den Opa dort wiedertreffen wird. Wenn der aber nur vor sich hinverwest, dann weiß es, dass es ihn nie wieder sehen wird - ob er und es in diesem nie noch denken und leiden kann, ist da sekundär, es geht um das "nie mehr" an sich.

Die Erkenntnis, dass das Kind den Opa nie mehr wiedersehen wird, wird es auch nicht umbringen. Es wird vielelicht etwas länger brauchen um es zu verarbeiten, aber es sollte auch mit diesem Denkansatz klar kommen.

es geht darum, feste Höhepunkte im Jahr zu haben, auf die man sich freuen kann

Auch diese sind nicht notwenig. Ich verzichte gerne auf diese Anlässe, mich nerven sie in der Regel nur. Wer braucht schon feste tage im Jahr um dich darauf zu freuen? Man kann sich doch auch einfach so was nettes planen und sich darauf freuen, z.B. ins Theater zu gehen.


@Alea:
ein einigermaßen objektives Urteil treffen

Die Frage nach "objektiver" Bewertung ist ein Thema für sich. Trotzdem antworte ich ganz kurz darauf. Imo ist eine objektive Betrachtung bei dem Thema Religion nicht möglich. Objektive Maßstäbe sind (nach Blobbis und meiner vor Jahren gemeinsam aufgestellten Definiton) intersubjektive Einigungen, die als Bewertungskriterium unabhängig vom einzelnen Subjekt gemacht werden (z.B. Längeneinheiten). Wo soll es denn solche objektiven Maßstäbe geben, wenn man sich mit dem Thema Religion auseinandersetzt? Weil man schon eine Meinung zu Religionen hat, kann man nicht unvoreingenommen an das Thema gehen. Ich behaupte mir schon einige Gedanken über die Thematik gemacht zu haben und mir deshalb ein persönliches Urteil erlauben zu dürfen.

Wo, bitte, ist der Unterschied zwischen einer Zaubermurmel und einem Bodyguard - Teddy?

Keiner. Ich habe ja auch gesagt, dass wenn es scheinbar keinen anderen Weg gibt, das Problem zu lösen, werde ich mich auch diesem mystischen Unsinns bedienen. Wie schon merhmals betont halte ich nichts von falscher Prinzipientreue, wenn sie (die Prinzipien) dem eigentlichen und primären Ziel, dem Nutzen, schädlich sind. Bis dahin wird die Sache aber mit rationalen Mitteln angegangen.

Dann solltest du auch gleich auf die Absicht verzichten, heranwachsende Menschen unterrichten zu wollen

Ganz im Gegenteil. So habe ich die Möglichkeit auf das Denken ein paar weniger Menschen ein bisschen Einfluss zu nehmen.

Es ist belegt, dass nur diejenigen, die als Kinder das Recht erhalten zu weinen, wenn sie traurig sind, laut zu lachen, wenn sie fröhlich sind, zu schreien, wenn sie wütend sind etc., auch als Erwachsene mit diesen Emotionen erfolgreich umgehen können.

Wo habe ich denn hier davon gesprochen jegliche Emotionen zu unterdrücken?

Erwachsene glauben an Fabelwesen? Seid wann?

Gibt genug Menschen die an Geister, Engel und Dämonen glauben. Für mich sind das Fabelwesen.
Und an mystische Dinge im allgemeinen, glauben bedauerlilicherweise noch mehr Menschen. Seele, Schicksal, Wiedergeburt, Hellsehen usw.
Da leben wir angeblich in einer Welt, wo das wissenschaftliche Denken dominiert, aber hat dieses doch noch lange nicht in alle Köpfe Einzug gefunden.

Traitor
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Mo 4. Okt 2004, 16:54 - Beitrag #16

Wo gibt es dies in der Religion? Seele? Das Konzept wirft mehr unbeantwortbare Fragen auf, als es löst, es kann von daher also kaum besser sein, als der wissenschaftliche Ansatz. Ich gebe lieber zu, etwas nicht zu wissen, als mir etwas aus den Fingern zu saugen und dann auch noch stolz auf mein Phantasiegebilde zu sein, dass dann auch noch weitklaffende Lücken aufweist.
Natürlich behaupte ich nicht, dass die Seelentheorie bei genauerer Betrachtung schlüssig und logisch ist, ganz im Gegenteil, wie du weißt. Aber auf der nicht sehr tiefgehenden Ebene, auf der Kinder eines bestimmten Alters derartige Ideen betrachten, erscheint sie vollkommen schlüssig, und das ist dann für den Moment eine gute Lösung - "Lügen für Kinder" eben, die ersteinmal ausreichen und beruhigen, bei späterer genauerer Betrachtungsfähigkeit dann wieder ersetzt werden können.

@Atheismus: Wenn du meinst, ein Atheismus muss religös aufgewachsen sein um ein wirklich guter zu sein, dann ist das wohl deine Ansicht. Meine ist es nicht, aber das ist eben Ansichtssache. Selbst wenn du rechthaben solltest, so nehme ich es in kauf, dass mein Kind ein "schlechterer" Atheist als möglich wird, weil mir das Risiko doch zu hoch ist, wenn ich es aktiv mit Religion zu früh konfrontiere. Ich brauche keine Welt aus Super-Atheisten, es reicht, wenn alle Atheisten wären.
Hast du nicht genug Vertrauen in deine eigenen Erziehungsfähigkeiten, dass du denkst, du könntest dein Kind wider deine Intention "ausversehen" zur Religiösität erziehen?

Die Erkenntnis, dass das Kind den Opa nie mehr wiedersehen wird, wird es auch nicht umbringen. Es wird vielelicht etwas länger brauchen um es zu verarbeiten, aber es sollte auch mit diesem Denkansatz klar kommen.
Ich habe das Gefühl, du kannst dich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass die Entwicklung eines Kindes ein langfristiger Prozess ist. Es gibt immer die Möglichkeit, ihm später neue Einsichten zu gewähren. Warum bitte musst du einem Kind momentan schweres Leid zufügen, nur um dir selbst sagen zu können "Toll, ich habe ihm keinen Mystizismus aufgehalst", wenn du diesen Mystizismus später wieder "beseitigen" kannst? Was du hier propagierst, erscheint mir weder menschenfreundlich noch utilitaristisch, sondern sehr fanatisch-prinzipientreu.

Auch diese sind nicht notwenig. Ich verzichte gerne auf diese Anlässe, mich nerven sie in der Regel nur. Wer braucht schon feste tage im Jahr um dich darauf zu freuen? Man kann sich doch auch einfach so was nettes planen und sich darauf freuen, z.B. ins Theater zu gehen.
Schade für dich, dass du mit solchen Anlässen nichts anfangen kannst. Aber die meisten Menschen können es, und warum musst du deinem Kind die Chance nehmen, dies eventuell auch zu tun?
Natürlich sind sie nicht notwendig. Keine Freude ist notwendig. Aber sie sind ein schöner Bonus, der dem Leben zusätzliche Freude hinzufügt und einfach eine andere Qualität hat als ein gewöhnlicher Ausflug.

Keiner. Ich habe ja auch gesagt, dass wenn es scheinbar keinen anderen Weg gibt, das Problem zu lösen, werde ich mich auch diesem mystischen Unsinns bedienen. Wie schon merhmals betont halte ich nichts von falscher Prinzipientreue, wenn sie (die Prinzipien) dem eigentlichen und primären Ziel, dem Nutzen, schädlich sind. Bis dahin wird die Sache aber mit rationalen Mitteln angegangen.
Ich denke, es wäre rationaler, im Vorfeld zu beurteilen zu versuchen, ob der rationalistische Weg Erfolg haben kann, und ihn bei negativem Beurteilungsergebnis zu unterlassen, anstatt diesen stur auf jeden Fall auf längere Zeit durchzuziehen, wenn sich abzeichnet, dass er nicht funktioniert. Der Vorrang des Zwecks über den Prinzipien sollte hier deutlich schneller einsetzen, als du es beschreibst.

Ganz im Gegenteil. So habe ich die Möglichkeit auf das Denken ein paar weniger Menschen ein bisschen Einfluss zu nehmen.
Dann versuch aber bitte, auf sie einzugehen und ihre Irrationalitäten nicht als Fehler, an dem sie halt selber schuld sind, zu betrachten.

aleanjre
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Mo 4. Okt 2004, 23:10 - Beitrag #17

Tod als Tatsache:
Kinder kommen mit fast allem klar. Auch mit jeder Form von Gewalt. Sie überleben es und passen sich an, die Wunden werden zu Narben verheilen. Aber wenn es möglich ist, die Verletzung zu minimieren - gänzlich heil geht niemand über den Tod eines geliebten Menschen hinweg - sollte man das bitte schön auch tun! Zum Wohle des Kindes. Ein Kind der Angst vor der Unendlichkeit schutzlos auszusetzen, es zu zwingen, mit dieser Angst zu leben, ohne ihm Hilfsmittel an die Hand zu geben, sie verarbeiten zu lernen...
Und dabei muss man noch individuell auf das Kind eingehen. Ich kenne Berichte von Erwachsenen, die ihre Eltern dafür hassen, weil sie gezwungen wurden, die tote Oma anzusehen. Andere berichten, dass sie ihren Eltern nie vergeben haben, weil ihnen der Anblick der toten Oma verweigert wurde...
Es mag sogar sein, dass ein Kind mit der Aussage: alles vorbei, Omi wird verbrannt, mehr ist da nicht - besser klar kommen kann. Es ist aber eben extrem unwahrscheinlich.

Feste Feiertage:
Sind für die Entwicklung von Kleinkindern unabdingbar. Eben weil sie kein Zeitgefühl haben, das Konzept von Gestern und Morgen nicht begreifen können. Sie fühlen sich dem Leben der Erwachsenen ziemlich hilflos ausgeliefert, dass hauptsächlich in die Zukunft gerichtet ist, und brauchen diese Fixpunkte zur Orientierung. Die Jahreszeiten liefern Fixpunkte, ebenso wie die Feste, an denen sie sich orientieren können. Meine kleine Tochter wartet zum Beispiel ungeduldig auf ihren Geburtstag, sie will unbedingt 4 werden und eine große Kindergartenparty erleben. Das dieser Geburtstag noch 6 Monate dauert, kann ich ihr zwar sagen. Aber das versteht sie nicht. Aber sie versteht gut, dass jetzt erst noch St. Martin kommt, und der Geburtstag von Tante Dagmar. Danach Nikolaus und Weihnachten, die Geburtstage von Oma und Opa und Karneval. Dass sie dann warten muss, bis wir ihr sagen, dass der Frühling beginnt. Diese Feiern sind Wegweiser durch die Zeit.
Ich weiß übrigens von Zeugen Jehovas, das die mit ihren Kindern große Probleme haben, weil alle christlichen Feste wegfallen. Ihnen fehlen Orientierungspunkte.

Wer als Erwachsener keine Lust auf solche Feiern hat, muss sie ja nicht begehen. Sie einem Kind vorzuenthalten ist extrem problematisch und wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass die Kinder zeitlebens sauer auf ihre ignoranten Eltern sind und das versäumte später für sich nachholen.

Einfluss nehmen auf Heranwachsende:

Du solltest die Möglichkeit in Betracht ziehen, das du nicht Gallileo bist - in Besitz einer Wahrheit, die niemand hören will. Sondern ein potentieller Missionar - im Besitz einer Wahrheit, die niemand braucht und höchstens etwas gleichwertiges zerstört.
Egal, welchen Stellenwert deine Sicht der Wahrheit hat, du stehst mit ihr nicht nur hier auf sehr verlorenem Posten. Ob das daran liegt, dass die Gesellschaft noch nicht reif ist für deine Sicht, oder dass deine Sicht einfach nicht besser (möglichlicherweise sogar schlechter) ist, macht da keinen Unterschied.
Wichtig ist: Ein Lehrer sollte immer wertneutral sein. Du hast kein Recht, den Schülern deine Sicht zu doktrinieren.
Ein Vater muss Verantwortung übernehmen. Jedes Kind hat ein Recht auf eine Erziehung, die es zu einem selbstständigen Mitglied der Gesellschaft heranwachsen läßt. Wenn du es fern der gesellschaftlichen Werte erziehst, schadest du ihnen. Niemand könnte dich hindern, genau das zu tun, aber du solltest dir bewußt sein, WAS du tust.
Eine Erziehung, die sowohl die gesellschaftlichen wie auch deine privaten Werte einschließt, werden das Kind fördern und zu einem kritisch denkenden Geist heranwachsen lassen (immer vorausgesetzt, das Kind bringt genug gesunden Verstand mit, um damit nicht überfordert zu sein!). Wichtig ist wie immer die Ausgewogenheit. Beide Konzepte müssen gleichwertig sein, damit das Kind wirklich unbelastet und frei heranwachsen kann.

Unterdrückung von Emotionen:
Du hast schon mehrfach Dinge geäußert wie: "Dann muss es halt damit klar kommen." Das ist Unterdrückung, denn du gibst dem Kind dann nicht den Halt, den es braucht.

Mystischer Erwachsenenglaube:
Der ist quasi ein Relikt des Kindheitsglaubens. Die allermeisten Menschen zitieren schon mal Engel, Dämonen etc., und wissen ganz genau, dass es diese mystischen Elemente nicht gibt. Es schadet nicht und nimmt ihnen nichts, sondern gibt ihnen höchstens ein phantasievolles Wohlgefühl. So what?
Natürlich gibt es dann noch die Eiferer, die so fest in das Konzept der Wiedergeburt etc. reingesteigert sind, dass es Zeichen von physischer Instabilität ist. Aber die sind deutlich in der Minderheit.

Traitor:

Keine Freude ist notwendig? Wir sprechen immer noch von Kindern, oder?

Traitor
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Di 5. Okt 2004, 00:11 - Beitrag #18

Keine Freude ist notwendig? Wir sprechen immer noch von Kindern, oder?
Achtung, "Keine Freude ist notwendig" ist nicht äquivalent zu "Freude ist nicht notwendig". Zum besseren Verständnis kannst du "Keine spezielle Freude ist in genau dieser Form notwendig" daraus machen. Freude an sich ist natürlich notwendig, für alle Menschen und für Kinder erst Recht. Wie genau diese Freude zustandekommt, ist aber nicht entscheidend. Mein Satz hat in etwa die gleiche Aussage wie dein "Es geht nicht um den Osterhasen."

Maurice
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Di 5. Okt 2004, 00:15 - Beitrag #19

@Alea:
gänzlich heil geht niemand über den Tod eines geliebten Menschen hinweg - sollte man das bitte schön auch tun!

Der Zweck heiligt die Mittel... dieses Prinzip muss man immer mit Vorsicht genießen. Es ist die Frage, was das Kind zu einem besseren Menschen macht. Das ist wohl oft sehr vom Individuum abhängig. Was aber hier der wirkliche Knackpunkt sein wird, ist dass unsere Menschenbilder bzw. Ideale sich zu sehr unterscheiden.

Ein Kind der Angst vor der Unendlichkeit schutzlos auszusetzen, es zu zwingen, mit dieser Angst zu leben, ohne ihm Hilfsmittel an die Hand zu geben, sie verarbeiten zu lernen...

Wenn sich der Mensch nicht der Mystik bedient, muss er wohl eben so mit dem Tod umgehen, nämlich nur mit Zuhilfenahme seines Verstandes. Umso früher er das lernt umso besser. Und man kann die Angst vor dem Tod auch auf rationaler Weise reduzieren und ohne die Verwendung von Mystik. Ich spreche aus Erfahrung.

Meine kleine Tochter wartet zum Beispiel ungeduldig auf ihren Geburtstag, sie will unbedingt 4 werden und eine große Kindergartenparty erleben.

Und warum macht sie nicht mal so eine Party? Warum sollte man bis zu ihrem Geburtstag warten? Warum sich an ein Datum fesseln, wenn die Party das entscheidende ist und nicht der Anlass?

Wer als Erwachsener keine Lust auf solche Feiern hat, muss sie ja nicht begehen. Sie einem Kind vorzuenthalten ist extrem problematisch und wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass die Kinder zeitlebens sauer auf ihre ignoranten Eltern sind und das versäumte später für sich nachholen.

Warum sollte jemand auf seine Eltern sauer sein, dass an bestimmten Tagen nicht gefeiert wurde? Wenn dem Erwachsenen dann danach ist, kann er dies natürlich tun. Warum sollte er aber sauer auf seine Eltern sein?

Egal, welchen Stellenwert deine Sicht der Wahrheit hat, du stehst mit ihr nicht nur hier auf sehr verlorenem Posten.

Ich soll also meine Ansichten über Bord werfen und zum Mitläufer werden, nur weil ich nicht den gewünschten Anklang finde? Wo wären wir heute, wenn niemand die Konsequenz gehabt hätte, einen Standpunkt zu vertreten, der sich von der Masse absetzt?

Ein Lehrer sollte immer wertneutral sein. Du hast kein Recht, den Schülern deine Sicht zu doktrinieren.

Ich werde niemanden meine Sicht aufzwingen und auch nicht eine Utopie predigen. Ich werde wenn dann nur wiederholt an den Verstand der Schüler appellieren, der doch leider imo zu wenig benutzt wird. Wenn meine Worte nur bei einem Gehör finden und er/sie dadurch sich mehr Gedanken über die Dinge zu machen, ist das schon ein Sieg für mich.
Nein ein Lehrer ist nicht wertneutral. Ein Lehrer muss das System predigen, in welchem er lebt. In unserem Fall dem demokratischen System der Bundesrepublik Deutschland mitsamt seiner Gesetze. Das ist bestimmt nicht wertneutral.

Wenn du es fern der gesellschaftlichen Werte erziehst, schadest du ihnen.

Wo habe ich behauptet, ich will dem Kind andere Werte vermitteln? Ok mag sein, dass es zu Unterschieden kommen kann, aber der Großteil wird konform sein. Es ist dem Kind von Nutzen über die Werte der Gesellschaft zu wissen und diese zu befolgen. Ich behaupte doch nicht, dass alles Quatsch ist, sondern nur, dass imo einiger Unsinn dabei ist.

Du hast schon mehrfach Dinge geäußert wie: "Dann muss es halt damit klar kommen." Das ist Unterdrückung, denn du gibst dem Kind dann nicht den Halt, den es braucht.

Du verwechselst hier einfach was. Wenn ich sage, dass es damit klarkommen soll, impliziert das nicht, dass es seine Emotionen unterdrückt. Wenn es damit klarkommt, indem es weint, wenn es traurig ist und lacht wenn es fröhlich ist, dann ist das gut. Ich habe niergends dafür plädiert einem Kind z.B. zu verbieten zu weinen.

@Mystischer Erwachsenenglaube: Es glauben mehr Menschen ernsthaft an so ein Zeug, als man anfangs glauben könnte. Man bedenke nur mal die Abstimmung hier zum Thema "Schicksal", wo ich Ergebnis als erschreckend bezeichnet habe. Ich glaube am Ende haben zwar nur etwa 40 Leute abgestimmt aber über die Hälfte haben angegeben, an Schicksal zu glauben. Man müsste mal eine umfassende Umfrage dazu starten.


@Traitor:
Natürlich behaupte ich nicht, dass die Seelentheorie bei genauerer Betrachtung schlüssig und logisch ist, ganz im Gegenteil, wie du weißt. Aber auf der nicht sehr tiefgehenden Ebene, auf der Kinder eines bestimmten Alters derartige Ideen betrachten, erscheint sie vollkommen schlüssig

Warum sollte es dem Kind weniger schlüssig sein, wenn wir ihm das Modell der "Denkmaschine" Gehirn darbieten? Wir müssen ihm ja nicht erklären, für was welche Hirnregion da ist, wie sie interagieren usw. Das weiß die Wissenschaft ja heute selbst noch nicht genau. Aber das Gehirn als eine "Denkmaschine" dazustellen, die Gedanken produziert, sollte doch auch für das Kind nicht zu schwer sein und warum sollte es ihm nicht als Erklärung ausreichen?

Hast du nicht genug Vertrauen in deine eigenen Erziehungsfähigkeiten, dass du denkst, du könntest dein Kind wider deine Intention "ausversehen" zur Religiösität erziehen?

Ich wohl nicht, aber andere. Umso weniger Gefahrenquellen umso besser.

Ich habe das Gefühl, du kannst dich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass die Entwicklung eines Kindes ein langfristiger Prozess ist. Es gibt immer die Möglichkeit, ihm später neue Einsichten zu gewähren.

Ich wiederhole mich hier einfach mal: Wenn sich der Mensch nicht der Mystik bedient, muss er wohl eben so mit dem Tod umgehen, nämlich nur mit Zuhilfenahme seines Verstandes. Umso früher er das lernt umso besser. Und man kann die Angst vor dem Tod auch auf rationaler Weise reduzieren und ohne die Verwendung von Mystik. Ich spreche aus Erfahrung.

Aber die meisten Menschen können es, und warum musst du deinem Kind die Chance nehmen, dies eventuell auch zu tun?Natürlich sind sie nicht notwendig. Keine Freude ist notwendig.

Du übertreibst und übersteigerst die Sache ins absurde. Mach nicht den gleichen Fehler, wie gewisse User bei der Diskussion zur Todesstrafe.

Dann versuch aber bitte, auf sie einzugehen und ihre Irrationalitäten nicht als Fehler, an dem sie halt selber schuld sind, zu betrachten.

Nein schuld ist wohl niemand für seine Irrationalität, denn diese liegt in der Natur des Menschens und niemand trägt die Schuld dafür, dass er ein Mensch ist.

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Di 5. Okt 2004, 01:04 - Beitrag #20

@Traitor: Dieser feine Unterschied hatte sich ehrlich nicht erschlossen. Tut es immer noch nicht. Aber die Erklärung hab ich verstanden. ;)

@Maurice:

Zweck heiligt die Mittel:
Sollte so niemals sein. Manchmal geschieht es. Wenn du aber ernsthaft glaubst, schwere Angstzustände machen ein Kind zu einem besseren Menschen (was ich mir einfach nicht vorstellen kann)... nein. Was ich gerade schreiben wollte, verkneife ich mir jetzt.

Ohne Mystik:
SOIFZ.
Um den Standpunkt jetzt mal ins Schlaglicht zu rücken:
KINDER BEDIENEN SICH AUTOMATISCH DER MYSTIK UM IHRE WELT ZU BEGREIFEN.
Wenn du ihre Angst rationell reduzierst und ihnen jede Mystik als Fluchtmöglichkeit nimmst, schadest du ihnen. Ich spreche auch aus Erfahrung!!!
Kleine Kinder haben keinen rational funktionierenden Verstand. Du argumentierst hier ständig aus der Sichtweise eines Erwachsenen, das ist das Hauptproblem! Ein Kind unter 6 Jahren zu zwingen, die Mystik fortzulassen und rein rational zu funktionieren, ist in etwa das gleiche als würdest du ihnen das rechte Bein amputieren und sie zum tanzen auffordern!
Ein kleines Kind kann nicht den Verstand heranziehen, um den Tod zu begreifen. Du kannst es ihm auch nicht beibringen. Es ist ein Entwicklungsprozess, der erst mit der Zeit kommt. Bei einem 10jährigen Kind wäre es immer noch schwierig und mit Opfern verbunden, aber möglich. Bei einem 12 - 15 jährigen Jugendlichen würdest du wahrscheinlich auf Interesse stoßen. Ein Kind von 0 - 6 braucht mystische Symbole, um die Welt zu begreifen. Ende der Durchsage.

Kindergartenparty:
Feiern gibt es häufiger im Kiga. Entscheidend ist, dass sie weiß: an ihrem Geburtstag wird sie im Mittelpunkt stehen. Alle werden ihr gratulieren, ihr zu Ehren Lieder singen, für sie werden Kerzen angezündet, sie darf sich Geschenke aussuchen und Stuhlkreisspiele. Sie darf außerdem Kinder einladen, bei ihr zuhause eine Party zu feiern. So ein Kindergeburtstag, v.a. in diesem Alter, ist mit nichts zu vergleichen. Ich könnte 7 Kinder zum Spielen einladen, jederzeit, sie mit Kuchen und Kakao bewirten und Animationsspielchen machen. Trotzdem hat das nichts mit der Stimmung eines Kindergeburtstages zu tun. Denn meine Tochter würde sich nur als Teil der Gemeinschaft fühlen, nicht als Mittelpunkt. Es gäbe auch nicht die selbstgebastelte Dekoration, die Luftballons...
Ein Geburtstag ist für ein Kind etwas absolut wunderbares! Etwas, das nichts mit den Geschenken zu tun hat, einfach ein Gesamtwerk. Ein Erwachsener kann dies erst wieder nachvollziehen, wenn er selbst kleine Kinder hat und diese unverfälschte Freude erlebt.
Aus diesem Grund ist der Anlass das alles entscheidende!

Sauer sein auf Eltern:
Meine Eltern haben mir nie eine Geburtstagsparty ausgestattet.
Ein einziges Mal, zu meinem 8. Geburtstag, durfte ich zwei Freundinnen einladen. Meine Mutter stellte einen Krug Kakao und Plätzchen hin, forderte uns auf, leise zu sein, nichts schmutzig oder kaputt zu machen, und ging wieder. Wir haben uns steif und verlegen unterhalten. Es regnete in Strömen, sonst hätten wir den Nachmittag draußen retten können. Nach 2 Stunden sind die Mädchen wieder gegangen. Abends sagte meine Mutter behutsam, ich sei doch schon so groß, ich bräuchte so etwas nicht. Ich habe verständig genickt. Jahre später erfuhr ich, dass mein Vater sich von der Anwesenheit der Mädchen belästigt gefühlt hatte.
Damit hätte ich insgesamt noch leben können, obwohl es traurig war, denn ich wurde auf Geburtstagspartys eingeladen, erlebte, wie viel Mühe sich andere Eltern gaben, und konnte das meinen Freundinnen niemals zurückgeben.
Als ich 12 wurde, waren meine Eltern in einer schlimmen Finanzkrise. Meine Schulsachen konnten nicht erneuert werden, und ich bekam an diesem Geburtstag keine Geschenke. Das war okay, ich hab's verstanden. Eine Klassenkameradin bekam das mit und organisierte eine großangelegte Sammlung für mich. Jeder gab Geld, alle Lehrer wurden eingeweiht. Schulsachen wurden für mich gekauft, Mäppchen, Füller, Stifte, dazu noch andere Geschenke. Den ganzen Tag lang wurde mir gratuliert, alle Lehrer rückten mich in den Mittelpunkt. Ich bin an dieser Peinlichkeit fast gestorben! Noch Jahre danach hasste ich Geburtstage. Bis mir bewußt wurde, dass ich eigentlich auf meine Eltern wütend war. Denn die hatten mir nie das Gefühl gegeben, das ich es wert bin, einmal im Jahr etwas besonderes zu sein. Im Mittelpunkt stehen zu dürfen. Wert zu sein, dass man sich die Mühe einer noch so kleinen Party macht.
Ich bin nun erwachsen, habe ihnen vergeben und feiere meine Geburtstage. Genieße sie in vollen Zügen. Aber wenn ich die Partys für meine Mädchen ausrichte und abends vollkommen erschöpft bin, werde ich schon wehmütig.

Ansichten:
Nein, die sollst du nicht über Bord werfen! Aber nicht an ungeeignetem Zielpublikum ausleben. Und Kinder sind vollkommen ungeeigent für deine Sicht der Dinge! Konvertiere soviele Erwachsene, wie du willst. Schreibe Bücher über die neue Art des Menschseins, so viele du nur willst!
Aber Kinder in unmystischer Ratio aufwachsen zu lassen, ist Gewalt. Nichts anderes.

Lehrer:
Der Satz lautete: Ein Lehrer SOLLTE wertneutral sein. Sie sind es leider nur ganz selten. Das kann aber keine Entschuldigung dafür sein, bewußt auf diesen Grundsatz zu verzichten.

Werte:
Es geht hier nicht nur um einige andere Werte. Sondern um eine ganze Menge. Ein kleines Kind wird damit überfordert sein, zwischen diesen beiden möglichen Systemen gleichwertig entscheiden zu können. Wenn du es lehrst: Es gibt keinen Gott, das ist Quatsch! - Und die Bäckersfrau in irgendeinem Zusammenhang sagt: "Na, dann schließ das mal in dein Nachtgebet an den lieben Gott ein!" - Wie soll es damit umgehen? Es verstehen? Es wird auf wesentlich mehr Menschen treffen, die an Gott glauben, als auf solche, die es nicht tun. Im schlimmsten Fall verliert es den Glauben an dich, das Vertrauen in das, was du sagst, als Wahrheit zu akzeptieren. Vielleicht WILL es sogar den Gottglauben für sich haben. Weil die Freunde zur Kommunion gehen. Weil es in der Schule lieber mit in die schöne Kirche geht statt in eine andere Klasse zu müssen. Weil es die Lieder schön findet, die Gemeinschaft. Die Worte der Psalme. Weil der Papa so vehement gegen die Kirche wettert, dass es ganz neugierig wird, wie das da eigentlich ist.

Alles hypothetisch. Ich bleibe dabei: ein Kind gegen die gesellschaftlichen Normen zu erziehen, ist schädlich. Mit einem wissbegierigen Kind, einem gefestigten Jugendlichen über Gott, die Welt und den Rest zu reden, wird seinen Verstand schärfen und die Entwicklung beflügeln.

Unterdrückung:
Nein, du hast nicht vorgeschlagen, einem Kind das weinen zu verbieten. Du willst ihm nur die Mystik als Hilfsmittel vorenthalten.

Mystischer Erwachsenenglaube:
Wo bitte liegt der Schaden, wenn ein Erwachsener an das Schicksal glaubt? An Engel, an Gott, an Lichtfeen, was weiß ich? Es ist nicht jeder Mensch mit einem beweglichen Geist gesegnet, der ihn befähigt, über solche Dinge nachzudenken!
Erinnerst du dich an den Dialog über "Ist das hier ein Traum" mit meiner Tochter? Diesen Wortlaut hab ich spaßeshalber an eine Email - Bekannte geschickt, die man gut und gerne unter: "Frau Otto Normal" einstufen kann. Man sah regelrecht das Augenrollen in ihrer Antwort, als sie bekannte, dass sie NIE auf die Idee käme, sich über so'n Kram Gedanken zu machen, wie ihn meine 6jährige umtreibt.
NA UND? Trotzdem ist diese Frau ein liebenswerter, für mich wertvoller Mensch!

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