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Zivilisatorischer Fortschritt

BeitragVerfasst: So 3. Okt 2004, 20:47
von Traitor
Durch zwei Äußerungen/Unterdiskussionen im Thread Brauchen Kinder Mystik? kam mir die Idee zu diesem Thema. Wie steht es mit dem Verhältnis unserer modernen westlichen Kultur zu anderen, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, die wir als "niedriger entwickelt" betrachten?

Zum einen schreibt Padreic:
Der Mythos war in der Kindheit der Menschheit das Mittel, die Welt zu begreifen. Warum sollte er nicht für die Kindheit eines Mensch taugens?
So sehr auch manche "die Weisheit der Alten" beschwören mögen oder der Verfall der modernen Kultur beschimpft wird, so gibt es doch kaum jemanden, der ernsthaft widersprechen würde, dass die heutige Lebens- und Gesellschaftsform "höherentwickelt" und erstrebenswerter ist als vergangene.

Zum anderen ist da diese Diskussion zwischen mir und aleanjre:
Original von aleanjre
Bevor ich hier weiter aushole, erkläre bitte deine offenkundige Feindseligkeit gegenüber Religiösität. Es gibt schließlich eine Menge Menschen, die in ihrem Glauben absolut erfüllt und glücklich leben. Dem Dalai Lama kann man nicht vorwerfen, er wäre verblendet, eifernd, oder unglücklich. Unzählige Bauern, Fischer und Jäger in sogenannten Entwicklungsländern haben noch nie von DNA, Dinosauriern oder Evolution gehört, leben aber absolut zufrieden im Glauben an ihre hiesige Gottheit.


Original von Traitor
Das Beispiel der glücklichen Dritte-Welt-Bauern in deinem letzten Abschnitt sehe ich nicht gerade als positiv an. Es zeigt im Gegenteil, wie bei ungenügender Bildung Religion die Menschen fesseln kann, daran hindern, über ihre Situation hinauszudenken. Aktuelle schlechte Lebensumstände als gut und erfüllend darzustellen, ist einer der großen Schäden, die Religionen der Menschheit zufügen.


Original von aleanjre
Ich hatte nicht diejenigen Menschen im Sinn, wo die Mutter mit 12 Kindern auf dem dürren Feld verhungert, während der Vater in einer Uranmine kaputt geht, und der Papst "liebet und vermehret euch, denn Pille und Kondom sind Sünde" predigt.
Sondern jene Menschen, die erfolgreich und zufrieden leben, obwohl sie das geschriebene Wort nicht kennen. Im Einklang mit der Natur, einigermaßen genug zu essen vor der Hütte. Vielleicht mit einer niedrigeren Lebenserwartung, denn die medizinische Versorgung ist nicht so perfekt. Aber eben zufrieden und glücklich.
Ich finde es anmaßend, auf solche Menschen herabzusehen. Sie haben ein funktionierendes Lebenskonzept, wozu brauchen sie Logik, Mathematik und all das, was wir "Zivilisation" nennen? Wenn sie mit ihren Naturgottheiten ein erfülltes Leben haben, wozu brauchen sie Evolutionstheorie und Quantenphysik? Warum sollte die Religion sie hindern, über sich selbst hinauszuwachsen?
Ich könnte mich jetzt hineinsteigern, was unsere atheistische, voll zivilisierte Gesellschaft "geschafft" hat, aber das ist nun wirklich nicht das Thema...

Die westliche Zivilisation und Weltanschauung über die anderer Völker zu stellen, wird heutzutage oft als arrogant, anmaßend und engstirnig bezeichnet.

Doch wo ist im Prinzip der Unterschied, ob ich unsere Kultur mit der europäischer Jäger und Sammler vor 5000 Jahren oder mit der von Jägern und Sammlern im heutigen Sibirien vergleiche, die ersten sehr ähnlich sind?
Eigentlich muss ich doch entweder konsequent sagen "alle Kulturen sind gleichwertig, auch die vergangenen" oder ich gestehe ehrlich ein, dass ich die eigene als überlegen betrachte.

Das eine Extrem gipfelt im totalen Relativismus, der u.a. eigentlich sämtliche Globalpolitik sinnlos macht, das Geschichtsverständis auf den Kopf stellt und uns vor starke Rechtfertigungsprobleme in vielen anderen Bereichen stellt.
Das andere Extrem zeigt sich im Imperialkolonialismus des 19. Jahrhunderts, in der "Bürde des weißen Mannes"-Denkweise. Beides kann kaum erstrebenswert sein.

Ich bin jedoch der Meinung, dass ein Kompromiss näher an der Überlegenheits-Ansicht als an der Relativismus-Ansicht liegen sollte. Der Vergleich mit dem Rückblick in die Geschichte zeigt, wie sehr das Gefühl der eigenen Überlegenheit in all unseren Denkweisen sitzt, und dass es auch so falsch nicht sein kann. Und vor allem, wie notwendig es ist, um vernünftig gegenüber Anderen auftreten zu können.
Wenn man die eigene Position zu stark relativiert, läuft man Gefahr, sie dadurch zu zerstören - warum sollte ich meine Lebensweise noch schützen und fördern, wenn jede andere genauso gut ist?

Natürlich darf diese Erhebung nicht zu weit gehen, wie es bei den Kolonialisten trotz IMHO durchaus bis zu einem gewissen Grad sinnvolle Prinzipien (ob es Prinzipien oder nicht viel mehr nur Vorwände waren, ist ein anderes Thema) geschehen ist: das Selbstbewusstsein wird dann zur Unrechtbehandlung anderer Völker, wenn man diese gegen ihren erklärten Willen zwangs"zivilisieren" will.

Eindeutig nicht hinter dieser Grenze ist es meiner Meinung nach aber, unsere (Lebens- und Geistes-) Kultur in Überlegungen und Diskussionen als die erstrebenswertere (nicht -werteste, es gibt ja auch noch die Zukunft) zu betrachten und ihre Vorgänger als Zwischenstationen auf dem Weg zu ihr, bzw. heutige, mit vergangenen vergleichbare Kulturen, als auf diesem Weg zurückgeblieben.
Auch nicht dahinter ist es, zu versuchen, andere Völker auf unser "Niveau" zu bringen, solange dies nicht mit Gewalt geschieht.

BeitragVerfasst: So 3. Okt 2004, 23:10
von aleanjre
Aber genau an diesem Punkt setzt es nun mal an, Traitor. Denn die industrielle Gesellschaft zerstört ohne Rücksicht auf Verluste alle Lebensräume. Obwohl wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und uns nun darauf beschränken, "primitive" Kulturen zu beboachten statt zu assimilieren, lassen wir ihnen trotzdem nicht die Freiheit nach ihren Traditionen weiterzuleben. Der Regenwald wird abgeholzt, das Meer verseucht, die Luft verpestet, alles Rohstoffresourcen aufgefressen.
Mir geht es nicht darum zu sagen: "Schöne alte Zeit, als wir noch Keulenschwingend hinter Mammuts herlaufen durften, so friedlich und rein".
Blödsinn.
Auch bin ich nicht dem Mythos des "edlen Wilden" verfallen, dem Glauben, dass alle Naturvölker im Besitz einer kindlichen Unschuld sind. Es ist wenig romantisches am Leben dieser Völker, und wir wären kaum fähig, uns ihnen schmerzfrei anzupassen. Worauf ich mich berief, war die Zufriedenheit dieser Menschen. Sie streben nicht nach Morgen, nach mehr, immer mehr. Drehen sich nicht ununterbrochen im Kreis und suchen den Sinn.

Viele (keineswegs alle) dieser Völker leben in einem besonderen Einklang mit der Natur. Sie nehmen das, was sie brauchen. Nicht mehr. Sie danken für das, was sie bekommen. Sie bitten, wenn sie nicht genug haben.

Dies eben steht im krassen Gegensatz zur industriell - gesellschaftlichen Denkweise: nimm, soviel du kriegen kannst, bevor ein anderer es nimmt. Es steht dir zu, wenn du es erobern konntest, ist es dein. Wenn du nicht genug hast, such dir Verbündete, um mehr zu bekommen. Vielleicht brauchst du es nicht sofort, aber man muss an die Zukunft denken!

Niemals würde ich den Fortschritt als solchen verteufeln. Ein Leben ohne Bücher wäre für mich undenkbar! Ich genieße Computer, Telefone und Spülmaschinen. Letztere sind Luxus, die ich jederzeit wieder hergeben würde. Das Wissen ist mir allerdings heilig.
Aber der Fortschritt hat einen hohen Preis, dessen ich mir sehr bewußt bin.

Tolkien schreibt in seinem Meisterwerk : (freies Zitat): "Wer etwas zerbricht, um es zu verstehen, verläßt den Pfad der Weisheit."
Wir zerbrechen ständig und ununterbrochen, ohne irgendetwas zu verstehen. Und das, was wir verstehen - was nutzt es uns?

Um mich selbst zu zitieren: Nichts sagt mehr über eine Kultur aus als ihr Umgang mit dem Tod.
Die religiösen Völker haben verschiedene Methoden, ihre Toten zu ehren. Sie werden begraben, verbrannt, ins Meer versenkt. Mumifiziert für die Wiedergeburt, oder aufgegessen, damit ihre Seele teil der Gemeinschaft wird.
Der religiöse Teil unserer Gesellschaft begräbt und betrauert die Toten, setzt ihnen Gedenksteine.
Der wissenschaftliche Teil unserer Gesellschaft seziert die Toten, um jedes bisschen Wissen aus ihnen herauszuholen. Und er bekämpft den Tod als solchen. Triumph über Krankheit und Alter, Fortschritt allein um des Fortschritts willen. Wie viele Lebewesen wurden auf dem Altar der Wissenschaft geopfert, wenn ich mir diese Polemik mal erlauben darf?
Ich weiß nicht die genaue Zahl der verendeten Embryonen, Föten und Neugeborenen, aber es waren hunderte, bevor Schaf Dolly als Klon berühmt wurde. Wofür? Dolly leidet an unzähligen Krankheiten und Gebrechen, hervorgerufen durch das Verfahren. Unzählige Versuche gab es vorher, mit verschiedensten Tierarten. Es gibt keinen Respekt vor dem Leben. Und keine Würdigung des Todes.

Natürlich ist dies nur ein Aspekt der Zivilisation. Der traurigste eben. Kulturell haben wir viel erreicht. "Back to nature" - Schlachtrufe bringen nun wirklich kein Heil. Niemand will bestreiten, dass die Freiheit der Individuen in den demokratischen Staaten unglaublich erstrebenswerter und lebenswerter ist als alle Staatsformen, die es zuvor gab. Würden wir heute die Atomkraftwerke ausschalten, säßen wir nett im Dunkeln. Es muss eben ein verantwortungsbewußter, langsamer Wandel angestrebt werden. Weg von der Raffgier des viel geschimpften Kapitalismus, hin zu dem bescheideneren Modell des "nimm nur, was du brauchst, und lass genug zum nachwachsen".
Das Beobachten der "primitiveren" Kulturen kann uns da ein Vorbild sein.
Ihre Zufriedenheit und Dankbarkeit für das wenige - sollte es unbedingt.

Ich hoffe, ich war nicht zu wirr. :shy:

BeitragVerfasst: So 3. Okt 2004, 23:37
von Traitor
Nimm es mir nicht übel, aleanjre, aber ich finde dein Posting ziemlich am Thema vorbei - vielleicht hast du dich vom einmal eingeschlagenen Wissenschaft-/Technik-Argumentationsstrang zu sehr mitreißen lassen, vielleicht habe ich im Eingangspost auch keine klar genuge Fragestellung geliefert.

Es geht mir nicht um den Gegensatz zwischen industrieller Gesellschaft und Naturgesellschaft. Es geht um die Frage des Verhaltens unterschiedlicher Kulturen gegeneinander, diese Frage würde sich genauso stellen, wenn wir keine Industire und Technik hätten, sie wird in der heutigen Situation lediglich besonders klar.

BeitragVerfasst: So 3. Okt 2004, 23:43
von aleanjre
Dann nimm mir bitte nicht übel, dass ich diese Fragestellung überhaupt nicht rausgelesen hab. Es schien mir tatsächlich um genau diese Frage zu gehen - Industrie versus Naturgesellschaft.
Ich werde über deine eigentliche Intention nachgrübeln, wenn ich ausgeschlafen bin.

BeitragVerfasst: Mo 4. Okt 2004, 08:31
von Rosalie
, diese Frage würde sich genauso stellen, wenn wir keine Industire und Technik hätten, sie wird in der heutigen Situation lediglich besonders klar


aber diese Technik und Industrie prägt doch das Verhalten der Menschen immens. Ohne diese ... ja wo wären wir dann? Wäre da vieles nicht anders? Oder meinst Du unsre - immer noch - christlich geprägte Kultur hier in weiten Teilen Europas, verglichen mit der Kultur andrer Länder, geprägt durch andre Religionen? Denn letztendlich sind es ja die Religionen (oder wie heutzutage der Materialismus, der aber auch eine Art Religionsersatz ist) die die Kultur eines Landes bestimmen.

Rosalie

BeitragVerfasst: Di 5. Okt 2004, 00:41
von Traitor
So, ich versuche nochmal, die beiden Kernfragen, auf die ich hinauswill, die aber im Ausgangsposting anscheinend nicht sonderlich eindeutig waren, klarzumachen.

Da ist zum einen die etwas akademische Nebenfrage: wieso messen wir mit verschiedenem Maß, wenn es um zeitgenössische fremde Kulturen geht gegenüber der Behandlung von Kulturen in der Vergangenheit?

Und dann die Hauptfrage: Wie hat generell das Verhalten einer Kultur zur anderen auszusehen, wenn die eine auf den ersten Blick reichlich Gründe sieht, sich der anderen überlegen zu fühlen? Soll sie sich diese Überlegenheit zugestehen und dementsprechend handeln, indem sie versucht, andere Kulturen "auf ihre Stufe zu heben"? Oder soll sie diese Überlegenheit als Arroganz verwerfen und allen anderen Kulturen eine gleichwertige Stufe zugestehen und somit jeden Versuch unterlassen, diese zu verändern? Beziehungsweise, da beide Extreme unsinnig sind, inwieweit soll ein Mittelweg in welche Richtung tendieren?
Dabei geht es sowohl um moralische und erkenntnistheoretische Grundlagenbegründungen als auch um praktische Auswirkungs- und Nutzenbegründungen. Bei letzteren kann man sich, da das Beispiel ideal ist, auf unsere heutige Situation beziehen, aber ersteres geht über diese hinaus, ist eine generelle Frage nach menschlichen Verhaltensweisen.

Maurice, du hattest ja anderweitig beantragt, den hier von Aleanjre eingeschlagenen Weg als eigenständiges Thema fortzuführen. Da der Beitrag auch hier jetzt seinen Zweck hat - für die Metadiskussion, wohin dieser Thread gehen soll - werde ich ihn in ein neues Thema kopieren.

Edit: Zur weiteren Klärung habe ich auch mal den Threadtitel umgeschrieben.

BeitragVerfasst: Di 5. Okt 2004, 14:37
von Padreic
Da ist zum einen die etwas akademische Nebenfrage: wieso messen wir mit verschiedenem Maß, wenn es um zeitgenössische fremde Kulturen geht gegenüber der Behandlung von Kulturen in der Vergangenheit?

Es gibt keine äquivalenten Kulturen. Eine technologisch unterentwickelte Urwaldkultur in Afrika ist etwas völlig anders als die unserer Vorfahren. Die meisten jetzt noch existenten primitiven Kulturen würden fortschrittsmäßig stagnieren, wenn wir sie nicht beeinflussen würden. Die Kultur unserer Vorväter hat nicht stagniert, sonst wären wir nicht da, wo wir sind. Wenn sich eine Kultur weiterentwickelt, so tut sie das aus einem Mangel heraus, und in dieser Hinsicht ist es gut, wenn sie sich weiterentwickelt. Eine stagnierende Kultur ruht dagegen in sich selbst, sie ist Fundament einer stabilen und wohl auch in gewissen Maßen zufriedenen Gesellschaft. Sie kommt ohne uns zurecht. Müssen wir sie darin stören?

Ist es schlecht, dass es Affen gibt? Ist es schlecht, dass es Wühlmäuse gibt? Ist es schlecht, dass es primitive Ureinwohnerkulturen gibt? Unsere Kultur hat einen anderen Weg beschritten, wir haben Bücher, wir haben Autos, wir haben Atombomben. Doch wir könnten zugestehen, dass es auch einen anderen Weg gibt, und dass Vielfalt wertvoll ist. Sie mögen von ihrer Lebensweise her halb Tier sein, doch ist es denn in jeder Hinsicht schlecht, ein Tier zu sein? Und wenn unser Weg schlecht läuft, werden wir eine Erinnerung daran haben, dass es auch andesr geht... [das ganze erinnert mich ehrlich gesagt ein wenig an Brave New World, wo es ist die Reservate für die Wilden gibt, die auch sehr primitiv leben, während die Brave New World Fortschritt pur ist.]

Diese Grundsatzerwägung ist ganz unabhängig von den konkreten Mitteln, zu denen man bei dem Kontakt mit den primitiven Kulturen greift, zu bedenken und man mag zu ihr stehen wie man will. Zugestehen muss man allerdings, dass in der Geschichte bei der ganzen Sache schon eine Menge schief gelaufen ist. Während die Kulturen vorher mehr oder weniger in sich ruhten, wurden sie nachher in bewussten Mangel gestürzt (der im Falle der Indianer ein wenig durch Feuerwasser abgemildert wurde). Es ging ihnen nachher in vielen Beziehungen schlechter als vorher, auch wenn sie nun technologisch ein wenig fortschrittlicher sein mögen. Oft litten sie nachher mehr Hunger als vorher. Nicht selten verloren sich dann auch ihre kulturellen Wurzeln, die ihnen auf ihre Art einen geistigen Reichtum gegeben hat. Dass viele Gefahren bestehen, kann auch der größte Fortschrittsfanatiker nicht leugnen.

Padreic

P. S. Auch wenn ich in Mystik-Thread von der "Kindheit der Menschheit" gesprochen habe, war das nicht notwendigerweise abwertend gemeint. Ich mag Kinder.

BeitragVerfasst: Di 5. Okt 2004, 22:55
von Traitor
Absatz 1) Im Prinzip sind diese Kulturen nicht anders als unsere Vorfahren. Auch unsere Vorfahren waren zu einem bestimmten Zeitpunkt eine in sich ruhende Gesellschaft. Wie du erkennst, veränderten sie sich aus einem Mangel - aber dieser Mangel war wohl nicht immanent, sondern entstand durch veränderte Umweltbedingungen. Diese können eine heutige "primitive" Kultur genauso treffen, dann wird diese sich verändern müssen. Da gibt es meiner Ansicht nach keinen prinzipiellen Unterschied, sondern sozusagen nur verschiedene Messzeitpunkte (das ganze klingt ein wenig nach einem "geschichtswissenschaftlichen Phasenraum", fällt mir da auf, könnte ein interessantes Modell abgeben...)

Absatz 2) Es ist nicht schlecht, wie diese Menschen leben, sicher nicht. Aber neben schlecht und neutral gibt es auch gut, wobei ich gut als gehobenen Lebensstandard und größere Entfaltungsmöglichkeiten betrachte. Diese Chancen sollte man keinem Menschen vorenthalten. Vorausgesetzt, man betrachtet sich als fähig, mit ausreichender Zuverlässigkeit darüber zu urteilen, ob die eigenen Errungenschaften wirklich positiv sind - die Verantwortungsfrage spielt wieder mit hinein.

Die BraveNewWorld-Verbindung ist interessant. Soweit ich mich erinnere, wird im Buch dann auch die Frage gestellt, inwieweit es zulässig ist, andere Menschen als Korrektiv für die eigene Kultur zu "halten" - oder wir hatten sie zumindest implizit aus ihm abgeleitet.

Absatz 3) Die Frage ist, ob diese Übergangskonflikte vermeidbar oder zumindest so weit reduzierbar, dass sie durch die Vorteile genügend überwogen werden, sind.

Auch wenn ich in Mystik-Thread von der "Kindheit der Menschheit" gesprochen habe, war das nicht notwendigerweise abwertend gemeint. Ich mag Kinder.
Ich mag Kinder ebenso. Aber wir belassen Kinder nicht in ihrem kindlichen Zustand, sondern erziehen sie zu unserem.
Präventiv: Ja, ich weiß, in diesem Vergleich schwingt eine gehörige Portion "White Man's Burden" mit. Aber wie im Eingangspost gesagt - von der rassischen Komponente entfernt, sympathisiere ich durchaus relativ weitgehend mit dieser Ansicht.

BeitragVerfasst: Mi 6. Okt 2004, 20:27
von Padreic
Zu 1.) Ich bezweifle zwar, dass deine Annahme der prinzipiellen Gleichheit so zutrifft, aber meinetwegen können wir sie erstmal als Basis verwenden.
Wichtig ist, dass die Kultur jetzt in sich ruhend ist. Natürlich mag einmal ein Klimawandel eintreten, der sie aus dieser Ruhe wirft und auf den sie dann in natürlicher Entwicklung reagiert, genauso wie unsere Vorfahren es getan haben. Es ändert nichts daran, dass ein jetziger Einfluss von uns eine unnatürliche Störung einer funktionierenden Gesellschaft wäre.

Zu 2.) Unsere Gesellschaft mag in mancher Hinsicht besser sein als die ihre (und in mancher Hinsicht sicherlich auch schlechter), aber sie ist nicht so toll, dass wir ein Recht hätten, sie anderen als Modell aufzudrücken.
Sie werden kaum dazu fähig sein, eine vernünftige Entscheidung zu treffen, ob sie dieses neue Modell, was ihnen angeboten wird, auch annehmen sollen. Das werden die Kultur-Imperialisten sicherlich ähnlich sehen und ihnen die neue Kultur etwas aggressiver bringen, damit sie sie erstmal ausprobieren können. Dann können sie aber nie wieder zurück. Dann haben sie keine Wahl mehr.
Neue Chancen existieren sicherlich. Aber genauso sicherlich, wird es einigen Menschen nachher schlechter gehen als vorher. Wir maßen uns an, manche Menschen vielleicht ins Unglück zu stoßen, und das nur für den zivilisatorischen Fortschritt. Es ist eine Form der Hybris, was da geschieht.

Zu 3.) Man wird es auf jeden Fall nicht so hinbekommen, dass die Vorteile eindeutig überwiegen.

Ich mag Kinder ebenso. Aber wir belassen Kinder nicht in ihrem kindlichen Zustand, sondern erziehen sie zu unserem.

Ich will doch mein Kind nicht zu meinem Zustand erziehen. Ich will ihm helfen, die Möglichkeiten, die in ihm stecken zu nutzen, seine Neugier und Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Kind ruht nicht in sich selbst.

Padreic

BeitragVerfasst: Mi 6. Okt 2004, 21:06
von Traitor
Zu 1): Warum soll der Mensch weniger Recht zu einem Eingriff haben als das Klima? Bzw., da das natürlich irgendwo ein albernes Argument ist, da Klima natürlich keine Rechte hat: wieso sollen wir uns zurückhalten und alles dem Zufall überlassen, wenn wir der Meinung sind, es besser machen zu können? Und wenn wir nicht der Meinung wären, etwas besser als der Zufall machen zu können, dann hätte man ein sehr niedriges Selbstbild.

Zu 2): Ob es Hybris ist, ist die Frage. Es ist eine, wenn es von vornherein keine Chance gibt, rechtfertigenden Erfolg zu haben. Wenn es aber Aussicht auf Erfolg gibt, dann ist es keine Hybris, sondern Verantwortungsübernahme für ein Wagnis.
Der Punkt, dass die Naturvölker nicht in der Lage sind, frei über das "Angebot" zu entscheiden, ist kritisch. Aber vorher waren sie ebensowenig in der Lage, frei über ihr Leben zu entscheiden. So führt dies auch zu der zentralen Frage, um die die ganze Thematik aus meiner Sicht kreist: Darf man Menschen zu etwas zwingen, um ihnen dadurch Freiheitspotential zu geben?

Zu 3) Leider fehlen Präzedenzfälle, wo ein vernünftiger Ansatz probiert wurde, so kann man hier nur spekulieren, und es steht dein Nein gegen mein Ja.

Zu den Kindern, also 4): Ich denke, zumindest unbewusst willst du es doch zu deinem Zustand erziehen. Außerdem ist das Ausnutzen aller in einem Menschen wohnenden Potentiale ja schon eine bestimmte Geisteshaltung und Lebenseinstellung.

Neuer Punkt 5) Eine zentrale Differenz in diesem Thread ist wohl auch, dass du "in sich ruhend" als etwas Positives begreifst, ich als etwas Negatives.

BeitragVerfasst: Do 7. Okt 2004, 00:29
von Maurice
Wenn eine Kultur meint, dass sie einer anderen überlgen ist und dass es sowohl ihr als auch der anderen Kultur von Nutzen wäre, wenn die andere Kultur sich ihr anpassen würde, warum sollte sie dann nicht versuchen letztere zu verändern?
Bitte verschont mich mit Sprüchen wie "wer gibt ihnen das Recht dazu". Wer verbietet es denn? Ich sage wer der Kultur das Recht gibt: Sie selbst. Der Mensch bestimmt selbst was er tun sollte und was nicht. Wer sollte es ihm auch sonst befehlen?
Nun gibt es genug Diskussionpotential ob die eigene Kultur für jede Gruppe die beste wäre und ob es gut wäre Einfluss auf diese Gruppen zu nehmen. Kulturen sehe sich sich für gewöhnlich selbst als die beste an, denn wenn sie eine andere für besser halten würde, würde sie ja versuchen sich nach dessen Vorbild zu verhalten.
Meint eine Kultur, dass es für sie und die andere besser wäre, dass die andere sich der eigenen Art anpasst, wird sie wohl versuchen diese zu beeinflussen. Über das Wie gibt es verschiedene Ansichten. Dass es mit dem Schwert nicht immer am besten geht, sehen wir z.B. am Irak. Eine andere Möglichkeit ist der diplomatische Weg, wie er z.B. bei der Türkei stattfindet.
Die Erfahrung zeigt uns, dass ein friedlicher Weg des Versuch der Einflussnahme produktiver ist, als ein kriegerischer.

Soviel fürs erste für mich, ich bin leider einfach zu müde um jetzt mehr zu schreiben.
Sorry :s46: ...

BeitragVerfasst: Do 7. Okt 2004, 01:12
von Wombat
Eine kleine Zwischenfrage:

Geht es hier um ganze Völker, sprich eine Kultur wird für die andere ganz "ausgelöscht"?

Warum kann man kein Kompromiss finden?

Nehmen wir das Beispiel von Ausländern. So gesehen, leben sie in zwei verschiedenen Kulturen, in der ihrigen und der hier herschenden. Aber es gibt keine klaren Grenzen, so dass man behaupten könnte, sie gehören mehr der einen als der anderen Kultur an. Meistens ist es so, dass sie sich aus beiden Kulturen die Rosinen rauspicken, die ihrer Meinung nach schmackhaft sind.

4) Ich möchte meine Kinder nicht zu meinem Zustand erziehen, sondern zu einem besseren (was besser in dem Fall heissen soll, ist jedem einzelnen selber überlassen). Man lernt schließlich aus den Fehlern seiner eigenen Erziehung.

BeitragVerfasst: Do 7. Okt 2004, 10:07
von aleanjre
"Wer gibt ihnen das Recht" - verfehlt voll den Punkt!
Die Frage müsste lauten: "Welchen Nutzen soll das haben?"

Wenn "wir" (stellvertretend für die hochzivilisierte, erforschende Gesellschaft) in irgendeinem Regenwald, einer Wüste, Bergregion, was auch immer, ein Volk treffen, das mit Giftpfeil, Holzspeer oder Fallgruben sein Essen jagt, in Steinhöhlen haust und seine Toten in trauter Runde aufisst, damit die Seele des Verstorbenen teil der Gemeinschaft wird - haben wir erst einmal faszinierendes Forschungsmaterial vor der Nase. Wir können diese Menschen beobachten, die sich wohl tatsächlich seit Jahrtausenden kaum weiter entwickelt haben, Rückschlüsse auf steinzeitliche Gesellschaften schließen. Wissenschaftler aller Kategorien, von Sprachforscher bis Anthropogologe, schlagen Salti rückwärts.

Es wäre also erst einmal eine Zerstörung von beobachtenswerten Verhaltensweisen, würden wir diese Menschen in Jeans stecken, die Kinder schnappen und in Schulen zwingen und die Erwachsenen mit Ackerbau und Viehzucht betrauen. Der Kulturschock würde dieses Volk genauso an den Rand der Vernichtung führen wie die Aborigenes, die nordamerikanischen Indianer, die Inuit. Alkohol, Drogen, Massenselbstmorde, weil eine ganze Generation verlorgen gehen würde. Alles, was älter als ca. 12 ist, könnte sich nicht anpassen, würde an der Entwurzelung zugrunde gehen. Die nächste Generation dann stünde zwischen zwei Welten - die alte und die neue. Immer noch massive Probleme, aber mit Potential. Erst die 3. Generation würde die Anpassung schaffen. Den verloren gegangenen Riten, Traditionen und der schwindenden Sprache nachtrauern. Sich noch ein wenig als Bastard in der schönen neuen Welt fühlen, aber mit Verständnis für die großen Zusammenhänge. Genug, die ihre Abstammung leugnen und sich voll integrieren, studieren gehen, vielleicht als Anwälte für ihr Volk arbeiten, oder als Arzt. Oder diesen Teil ihrer Abstammung so hassen, dass sie fortgehen und nicht daran erinnert werden wollen.

Und was haben "wir" davon, außer dass wir uns spätestens bei der 3. Generation öffentlich entschuldigen und Entschädigungszahlungen leisten müssen? Nicht viel. Vielleicht das Wissen, dass dieses Volk sowieso ausgestorben wäre, aufgrund der Lebensraumvernichtung. Vielleicht hat dieses Volk ja auch auf einer Uranmine gehaust. Dann können wir uns trösten, dass die Zwangsumsiedlung der Gesundheit dieser Menschen sehr genutzt hat, und wir die kostbaren Rohstoffe einsacken. Darüberhinaus haben wir aber nur ein Volk zerbrochen und nichts verstanden. Unsere ganze Macht ausgespielt, die Eitelkeit gepflegt. Jene Art Eitelkeit, die einen befällt, wenn man eine Ratte in ein Labyrinth setzt. Wir sind groß und so stolz auf unsere Intelligenz. Die kleine häßliche Ratte ist ganz in unserer Hand. Wir können sie mit Köderdüften in das Zentrum oder ewig im Kreis locken. Wir können sie mit Stromschlägen in die Irre oder richtige Richtung laufen lassen. Wir können das Labyrinth fluten und sie ersaufen lassen. Wir können alle ihre Lebenszeichen messen, ihr kleine Erfolgserlebnisse geben, beobachten, wie schnell sie lernt. Wir haben die Macht.
Das gleiche ist mit diesen Naturvölkern. Wir haben Waffen, wir sind viele. Wir können den albernen Eingeborenen die Giftpfeile wegnehmen und durch Präzisionsgewehre ersetzen, damit die endlich ordentlich jagen können. Und wundern uns dann, wenn es plötzlich keine Elefanten mehr in dieser Gegend gibt.

All dies ist in der Vergangenheit bis zum Erbrechen geschehen, und es hat keiner Seite irgendetwas gebracht.
Eine sinnvollere Methode ist das gegenseitige Verstehen. Nicht wir zwingen das Naturvolk, uns zu verstehen, sondern wir gehen unter sie und lernen sie zu verstehen. Ihre Sprache zu sprechen. Ihr Vertrauen gewinnen. Ihre Sicht der Welt, ihr Wissen, die uralten Traditionen. Natürlich ist auch das schon eine Einmischung, die Veränderung hervorruft. Es liegt dann in unserer Verantwortung, für einen erträglichen Übergang zu sorgen. Sanfter Austausch des Wissens, behutsame Korrekturen des Weltbildes. Auch das wird nicht problemlos von statten gehen, seine Opfer fordern. Aber es beläßt das Naturvolk seiner Würde. Und nutzt uns im vollen Umfang, denn wir entreißen ihnen kein Wissen, sie schenken es uns. Wenn wir es verdient haben.

Nebengedanke: Ein sehr kriegerisch ausgelegter Naturstamm würde wahrscheinlich einen friedlichen Kulturaustausch erheblich erschweren. Je nachdem, welche Interessengruppen da vorantreiben würden (Rohstoffe der Umgebung) könnte das für beide Seiten böse enden. Ansonsten müsste man sehr behutsam vorgehen, um Vertrauen und Respekt zu gewinnen.

BeitragVerfasst: Do 7. Okt 2004, 11:21
von Traitor
@taboo: Natürlich soll die "Zivilisierung" einer anderen Kultur beinhalten, dass bewahrenswerte Elemente von deren alten Lebensweise, die in die neue integrierbar sind, auch integriert werden.

@alea: Dein Laborrattenvergleich hinkt beziehungsweise wendet sich sogar gegen dich. Denn was du für die Ratte beschreibst -
Die kleine häßliche Ratte ist ganz in unserer Hand. Wir können sie mit Köderdüften in das Zentrum oder ewig im Kreis locken. Wir können sie mit Stromschlägen in die Irre oder richtige Richtung laufen lassen. Wir können das Labyrinth fluten und sie ersaufen lassen. Wir können alle ihre Lebenszeichen messen, ihr kleine Erfolgserlebnisse geben, beobachten, wie schnell sie lernt. Wir haben die Macht.
- ist genau das, was wir machen würden, wenn wir ein neues Naturvolk entdecken und es, statt es zu "zivilisieren", beobachten, wie du es im Abschnitt davor forderst. Das Zivilisieren dagegen ist der Schritt, der dies verhindert und versucht, diese Menschen auf die gleiche Ebene zu heben und somit die Machtverhältnisse auszugleichen. Das ist genau der Punkt, den ich weiter oben in Sachen Brave New World kurz ansprach.

BeitragVerfasst: Do 7. Okt 2004, 11:51
von aleanjre
1.Rein beobachten, ob die Ratte es allein durchs Labyrinth schafft, oder sie 2. frei nach Belieben operieren, manipulieren, mit Stromschlägen versengen, mit Medikamenten vollpumpen oder töten, wenn wir finden, sie hat ihre Schuldigkeit getan - das sind aber zwei ganz verschiedene Verhaltensweisen!

Ein Volk 1.rein beobachten oder es 2. mit Technik und Wissen überschütten, zwangsimpfen, die Kinder entführen und in Pflegefamilien stopfen damit sie assimilieren, die gesunden Erwachsenen in einen Sprachkurs stecken, in anständige Kleidung und dann ab in die Fabrik, damit wir uns freuen, wie produktiv die jetzt sind... da wäre die Entsprechung.

BeitragVerfasst: Do 28. Okt 2004, 14:13
von Chennyboy
Traitor:
- ist genau das, was wir machen würden, wenn wir ein neues Naturvolk entdecken und es, statt es zu "zivilisieren", beobachten, wie du es im Abschnitt davor forderst. Das Zivilisieren dagegen ist der Schritt, der dies verhindert und versucht, diese Menschen auf die gleiche Ebene zu heben und somit die Machtverhältnisse auszugleichen. Das ist genau der Punkt, den ich weiter oben in Sachen Brave New World kurz ansprach.
Es waere doch besser, wir lassen diese Leute in Ruhe weiterleben, als uns einzumischen. Was wir tun sollen, ist doch nur, unsere Gesellschaft stark zu machen, und nicht das, was aleanjre schon gesagt hat. Die Einwohner empfinden das vielleicht gar nicht als Hilfe, sondern als ein Diktatur.

BeitragVerfasst: Do 4. Nov 2004, 23:23
von Ipsissimus
es ist mir noch nie aufgefallen, daß irgendeinem Menschen oder einer Gruppe von Menschen, die die Macht haben, etwas zu tun, was sie tun wollen, die Gründe dafür ausgegangen wären.

Und es ist mir noch nie aufgefallen, daß dort, wo die Macht fehlte, das zu tun, was getan werden wollte, gute Gründe gereicht hätten.

Will sagen: es läuft auf Anmaßung hinaus. Erst kommen die Missionare, dann die Soldaten und zuletzt die Aasgeier, die Kaufleute. Immer zum besten der betreffenden ursupierten Völker, Länder, Kulturen. Nur daß sie hinterher merkwürdigerweise immer ausgeblutet waren.

Natürlich "helfen" wir gelegentlich. Und verlangen dafür einen Preis, eine Preis, der von denen, denen wir helfen, nie hätte bezahlt werden müssen, wenn wir einfach weg geblieben wären, weil sie dann nie in die Lage gekommen wären, Hilfe annehmen zu müssen.

Da das aber müßiges Gejammere ist und die Haie nie darauf verzichten werden, zu haien - mögen sie sich gegenseitig mit ihren Gründen erbauliche Reden von ihrer Überlegenheit halten.

BeitragVerfasst: Sa 6. Nov 2004, 17:07
von Chennyboy
Ich werfe eine kurze Bemerkung in die Runde, um realistisch zu bleiben:
In diese kapitalistische Weltordnung, wie wir sie heute haben, ist es unmoeglich, auf den Ureinwohner Ruecksicht zu nehmen.

Deshalb nuetzt diese Diskussion eigentlich nicht so viel. Ich widerlege mich eigentlich schon selbst, (Ich spare Traitor also das Arbeit) denn um unsere Gesellschaft stark zu machen, bedeutet auch, dass wir den Firmen unseres Landes Freiheit gewaehren sollen. Und dann gehen unsere Firmen bei den Ureinwohnern Holzhacken und zivilisieren sie, um mit ihnen Geschaefte zu machen.

Und unsere Werltordnung kann niemand aendern. Also kann man auch nichts gegen Ausbeutung von Ureinwohner tun.

BeitragVerfasst: So 7. Nov 2004, 13:58
von Ipsissimus
eine prägnante Zusammenfassung der imo wesentlichen Punkte unserer Wertesysteme, Chennyboy :-)

Wertesysteme, deren wesentlicher Zweck darin besteht, tagsüber ohne Gewissenskonflikte oder Begründungsprobleme haien zu können und abends im Kreise der Lieben als ein liebreizender, angenehmer, sensibler usw. Mensch durchzugehen

schließlich möchten wir doch so gerne, daß wir "gut" genannt werden, wir wollen nur den Preis des "Gutseins" dafür nicht bezahlen

BeitragVerfasst: So 7. Nov 2004, 22:36
von Traitor
@aleanjre (der letzte Post muss mir damals irgendwie entgangen sein):
Ein vorgefundenes Volk in seinem Urzustand zu belassen und zu sagen, das wäre das beste für es, ist mindestens genauso anmaßend wie der Versuch, es zu "zivilisieren". Die menschenverachtenden Folgen, die eine solche "Erste Direktive" genauso haben kann wie totale Einmischung, werden in StarTrek immer wieder gestriffen (ich wundere mich etwas, dass mir erst jetzt einfällt, diese Parallele zu erwähnen) und treffen in der realen Welt ebenso zu. Denn wie kann man etwa einen blutigen Krieg zwischen Eingeborenenstämmen einfach beobachten und sich sagen, das wäre das beste für sie?
Was du als zivilisierendes Verhalten beschreibst, ist eine mit Sicherheit wenig hilfreiche Extremvariante, die aber bekanntlich auch nicht das ist, was ich propagiere.

@Chenny und Ipsissimus: Realismus in allen Ehren, aber in totalen Fatalismus sollte er dann doch nicht umschlagen. Darum, dass wir "gut" sind, geht es nicht, sondern darum, besser zu sein als früher und besser als in einer Zukunft, die aus reinem laisser-faire erwüchse.
"Unsere Weltordnung kann niemand ändern" - doch. Sie wurde vielmals geändert, sie wird kontinuierlich geändert, und sie kann und muss weiterhin und in steigendem Maße geändert werden. Wer behauptet, wir hätten im Laufe der Zeit keine Fortschritte gemacht, der hat ein verqueres Verhältnis zur Realität.