Descartes' Gottesbeweis

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Maurice
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Fr 12. Nov 2004, 14:36 - Beitrag #1

Descartes' Gottesbeweis

Wer von euch hat die Meditationen von Descartes gelesen? Ich habe bisher nur einschließlich der dritten gelesen, aber werde die anderen im Laufe der Woche ebenfalls lesen.
Was haltet ihr von seinem "Gottesbeweis" in der 3. Med.? Dass die Logik eines vollkommenden Schwächen hat, brauchen wir ja nicht zu diskutieren, das ist offensichtlich. Aber ist die Argumentation von D. schlüssig, die er bringt?
Wenn ich das richtig verstanden habe, sagt er, dass alles was wir denken sich auf etwas von uns unabhängiges bezieht. Jedes Phantasiegebilde, setzt sich auch nur als bekanntem zusammen, z.B. ein Einhorn=Pferd+Horn. Die Idee der Unendlichkeit und der Vollkommenheit hingegen sind laut D. aber auf keine Erfahrungen zurückzuführen und weißem demnach auf etwas über uns, nämlich einem Wesen, dass diese Eigenschaften besitzt, also für ihn Gott.
Bevor ich meine Gegenargumente bringe, würde ich doch vorher gerne auch ein paar andere Meinungen hören, um nicht alles vorweg zu nehmen. ;)

Ipsissimus
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Fr 12. Nov 2004, 14:52 - Beitrag #2

http://h2hobel.phl.univie.ac.at/~yellow/gbw/gbwtxt.html

bietet eine sehr schlüssige Widerlegung unter Vermeidung des Unangemessenheitsproblems:

Denn die logisch-analytische Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises ist zwar akzeptabel und in sich natürlich schlüssig (insoferne sträuben wir uns ja gar nicht gegen sie), aber nichtsdestoweniger keine adäquate Kritik, weil sie den Sinn des ontologischen Gottesbeweises einfach mißversteht, indem sie ihn von einem ontologischen in ein logisches (formallogisches), das ein prädizierendes Argument sei, umdeutet! Der ganze Beweis wird als rein formallogisches Prädizieren interpretiert, es wird übersehen, daß hier kein reines Prädizieren vorliegt, insoferne ja Transzendenz zwar begrifflich verwendet (also "verkonzeptualisiert") wird, aber selbst rein prädikativ nicht verstanden werden kann.


Das Problem (also das phänomenal ontologische Problem) ist der Begriff (besser: die Verbegrifflichung des Wortes) "Transzendenz", das mit "Vollkommenheit" nicht zu verwechseln ist, weil letztere zwar wirklich eine (leere, nicht-referentielle, bloßen Sinn habende) Begrifflichkeit ist und auch vom Transzendenten, wenn man darunter Gott versteht gemäß der Interpretationstradition bzw. des Kontextes, aussagbar ist (sozusagen als sein erstes Prädikat und vielleicht auch prinzipiell als Prädikat aller seiner universalen Prädikate), aber einfach keine entsprechende oder analoge Übertragung (Trans-skription) für "Transzendenz" darstellt, weil diese per se ja sogar Vollkommenheit transzendieren muß!

Padreic
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Fr 12. Nov 2004, 19:53 - Beitrag #3

Das Problem ist, zumindest in der Descart'schen Version des ontologischen Arguments, mehr die Prämisse, dass wir eine Idee von Gott bzw. von Unendlichkeit und Vollkommenheit haben, als die Schlussweise. Diese Ideen haben wir nämlich nicht positiv, sondern höchstens negativ, als Verneinung unserer endlichen und unvollkommenen Welt. Hätten wir eine echte Vorstellung von Unendlichkeit und Vollkommenheit, läge der Fall anders, denn diese könnten wir, denke ich, unter der Annahme unserer rein physischen, also höchst begrenzten Existenz, nicht haben. Aber leider haben wir desbezüglich Pech gehabt ;).

Padreic

Ipsissimus
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Fr 12. Nov 2004, 20:00 - Beitrag #4

die Prämissen sind das tatsächliche Problem aller Logik :-) je unangreifbarer die Schlußfolgerungsprinzipien werden, desto mehr können sie - bei unadäquaten Prämissen - in die Irre führen, insofern ihre Schlüssigkeit ein Vertrauen in das Ergebnis suggeriert, das inhaltlich gar nicht angebracht ist

Maurice
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Fr 12. Nov 2004, 20:57 - Beitrag #5

Zwei Versuche von Gegenargumenten

Hmm Pad dein Einwand ist gar nicht mal so schlecht, aber ob er den Befürwortern D.s Argument genügt?
Ich habe mir zwei andere Punkte überlegt, nämlich folgende:

I. Aus einer Vorstellung, die sich nicht von der Erfahrung ableiten lässt, resultiert nicht notwendig die Existenz eines Reverenten.
Beispiele:
1. Die Idee vom Nichts weißt nicht zwangweiße auf die Existenz des Nichts.
Die meisten sollten sich noch z.T. an die Diskussion damals erinnern und auch ansonsten ist dieses Thema sehr umstritten.
2. Die Idee von Raum und Zeit weißt nicht zwangsweise auf die Existenz von Zeit und Raum.
Was Zeit und Raum ist und ob es dies an sich gibt oder nur ein Konstrukt des menschlichen Denkens ist, ist ebenfalls ein kontroverses Thema.
3. Die Idee von ein- und zweidimensionalen Objekten weißt nicht zwangweise auf die Existenz von ein- und zweidimensionalen Objekten.
Wir haben zwar in der Theorie solche Objekte (Punkte und Geraden) aber kennen wir solche Objekte nicht aus der Praxis. Oder kann mir jemand ein ein- oder zweidimensionales Objekt zeigen?

II. Unendlichkeit ist ein Erfahrungswert!
Das klingt jetzt garantiert zuerst unsinnig, abe lasst es mich an einem kleinen Beispiel erklären:
Man nehme als erstes eine Strecke, z.B. die Länge des Zimmers. Man stelle sich nun an die eine Wand und gehe solange geradeaus, bis man nicht mehr weitergehen kann, was die gegenüberliegende Wand sein wird. Ein einfaches Beispiel einer endlichen Strecke.
Nun nehme man eine kreisförmige Strecke, z.B. eine Laufbahn. Man läuft los, mit der gleichen Vorraussetzung wie im Fall davor... und man läuft... und läuft... und läuft... und es gibt kein Ende. Man kann zwar auf einem Kreis willkürlich einen Anfang und ein Ende bestimmen, aber an sich hat dies ein Kreis nicht, weil er in sich geschlossen ist. Wir werden zwar nicht unendlich lange auf der Bahn laufen können, aber wir sehen in der Praxis, dass es soetwas wie Unendlichkeit gibt, weshalb die Vorstellung dessen kein GEdanke a priori ist, sondern sehr wohl ein empirischer.

Ipsissimus
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Fr 12. Nov 2004, 21:32 - Beitrag #6

zu deinem Punkt zwei: Einspruch, euer Ehren :-)

dies ist keine Erfahrung mit Unendlichkeit, das ist eine Hochrechnung von Langeweile :-) wir können auch versuchen, einfach in die Luft zu springen und dann die zurückgelegten Wege zu addieren, das ist für unser Empfinden nicht Unendlichkeit

du verwechselst da wieder mal ein logisches Konstrukt mit einer Erfahrung

Maurice
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Fr 12. Nov 2004, 21:36 - Beitrag #7

Ja die Forumulierung ist nicht einwandfrei, ich gestehe, mir wahr auch mehr nach einem plakativen Aufhänger. :D
Ich will damit zeigen, dass "Unendlichkeit" kein Gedanke ist, der a priori ist, sondern auf Empiri beruht. Das heißt nicht, dass wir Unendlichkeit konkret erfahren, sondern dass unsere Idee davon auf Erfahrungen gründet.

Padreic
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Fr 12. Nov 2004, 22:44 - Beitrag #8

I. 1) und 3) Der Kernpunkt beim Descartes'schen Argument ist, dass Unendlichkeit und Vollkommenheit nicht nur Vorstellungen sind, die uns in der Empirie nicht begegnen, sondern auch alles unsere empirischen Vorstellungen übersteigen. Eine zweidimensionale Fläche können wir uns vorstellen, weil wir nur eine Dimension runterschalten. Ein vierdimensionaler Raum wird dagegen für uns schwer. Die Analogie dürfte klar sein. Ebenso ist das Nichts (zumindest im westlichen Denken ;)) nur bloße Negation des Seins und die Negation des uns Bekannten können wir uns im Allgemeinen vorstellen. Sprich, von etwas uns Bekanntem können wir immer auf ein Niedrigeres kommen, aber nie auf etwas echt Höheres. Das ist im Kern platonisches Denken.
2) Ich denke, das hat wenig mit dem Argument zu tun. Raum und Zeit könnten tatsächlich Eigenschaften sein, die unser Wahrnehmungsapparat in das Wahrgenommene reininterpretiert. Sie sind also dann quasi ein Teil von uns, was aber auch kein logisches Problem darstellt. Bei Unendlichkeit und Vollkommenheit ist das Problem, dass es Vorstellungen sind, die eigentlich zu groß für uns sind, also nicht schon ursprünglich Teil von uns sein können.

II. Wir haben keine echte Idee von Unendlichkeit. Wenn wir uns beispielsweise eine (unendliche lange) Gerade vorstellen wollen, so können wir uns immer nur lokale Bilder vorstellen. Oder vielmehr, noch etwas präziser: Wir haben immer nur eine Vorstellung des potentiell Unendlichen, d.h. eines beliebig erweiterbarem Endlichen, nie die des aktual Unendlichen, also des wirklich Unendlichen. Das potentiell unendliche ist tatsächlich auf Empirie gegründet, da wir uns sowohl Endliches als auch Erweiterung in der Empirie begegnet.

Padreic

Maurice
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Fr 12. Nov 2004, 22:51 - Beitrag #9

Ebenso ist das Nichts nur bloße Negation des Seins und die Negation des uns Bekannten können wir uns im Allgemeinen vorstellen.

Verstehe ich dich richtig, dass das Nichts für uns vorstellbar ist? Ich glaube da scheine ich dich falsch zu verstehen, bzw. du dich etwas undeutlich ausgedrückt zu haben, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass du dir "Nichts" vorstellen kannst.

Kacktus
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Fr 12. Nov 2004, 23:08 - Beitrag #10

2. Die Idee von Raum und Zeit weißt nicht zwangsweise auf die Existenz von Zeit und Raum.


Ist nicht allein die Tatsache , dass unsere Existenz endlich ist ein Beweis für das Vorhandensein von Zeit? :confused:

Maurice
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Sa 13. Nov 2004, 00:17 - Beitrag #11

Ich glaube das ruft nach einem Thread über Zeit. ;)
Kacktus mach doch einfach einen auf, wo verschiedene Konzepte von "Zeit" ansprechen könnte. Die Frage ist nur ob das mehr Wissenschaft oder Philosophie ist. Imo in gewisser Weise beides.


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