Das Christentum - eine kulturhistorische Betrachtung

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
Dämmerung
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So 16. Jan 2005, 02:22 - Beitrag #1

Abgetrennt aus dem Der Sinn des Leben und das Sterben im Alltag und die beiden Beiträge von Feuerkopf und Ipsissimus, die sich auf das Teilen des Threads beziehen, gelöscht.

Rosalie
hey, ich kann sich doch auch beides miteinander verbinden:es stellt sich die Frage, was man konkret unter Determinismus versteht. Wenn ich darunter verstehe, dass ein Wesen außerhalb unsres Systems (Raum und Zeit) meinen Werdegang bereits kennt, ich ihn aber noch nicht ... ist dies schon Determinismus??
Wenn das Wesen, nennen wir es einfachhalber mal Gott , alles was vor und nach uns geschieht in einer Art "Momentaufnahme" präsent hat - auch die Konflikte die ein jeder mit sich ausfechtet, bis er zu einer Entscheidung kommt, aber trotzdem weiß, wie der je Einzelne sich entscheidet, wie er handeln wird ... nennt man das dann Determinismus??

Aber, wem dem so sei, das spricht doch den Menschen nicht frei von der Verantwortung für sein Tun! Der Mensch muß trotzdem entscheiden: ja oder nein; dafür oder dagegen; rot oder blau; schwarz oder weiß .... wie auch immer. Ich kann doch nicht sagen, alles ist vorgegeben, alles ist egal? Es ist bestimmt, ob ich "böse" oder "gut" bin.

Die Entscheidung muß jeder einzelne Erdbewohner, jeden Tag wieder aufs Neue treffen ...........ob da draußen (oder ganz tief drinnen - wie die Christen denken) da jemand ist, der das Ergebnis schon kennt, ändert nichts, aber auch gar nichts ... an Deiner, an meiner Freiheit ...........


Ipsissimus
"... denn Gott erschuf die einen zum Heil, die anderen zur Verdammnis ..."

Paulus scheint anderer Ansicht zu sein als du, Rosalie, und dem wurden angeblich von Gott selbst die Hände beim Schreiben geführt :-)


Rosalie
wo steht denn dies geschrieben ........?????


Feuerkopf
in der Bibel steht auch, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschuf. Das nehmen wir - sofern wir keine christlichen Fundamentalisten sind - auch nicht als gegeben hin.

Das Gedankengebäude des Determinismus ist verführerisch, es ist in sich schlüssig und enthebt mich weiterführender Nachdenklichkeit.
Wie schön, dass es nur ein Konstrukt ist und ich es akzeptieren kann oder nicht.

Für mich ist eine mögliche Erklärbarkeit des Seins kein Grund, nicht doch mit großem Respekt vor diesem Sein zu stehen und an ein schöpferisches Prinzip zu glauben. Sollte sich eines Tages herausstellen, dass auch "die Seele" erklärbar ist...So what? Das Phänomen wäre immer noch da.


Ipsissimus
Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 9, Verse 21 - 23

21
"Hat nicht ein Töpfer Macht, aus einem Klumpen zu machen ein Gefäß zu Ehren und das andere zu Unehren?"

22
"Derhalben, wiewohl Gott wollte Zorn zeigen und kundtun seine Macht, hat er mit großer Geduld getragen die Gefäße des Zorns, die da zugerichtet sind zur Verdammnis,"

23
"auf daß er kundtäte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hat zur Herrlichkeit."

in der Übersetzung von Martin Luther


Feuerkopf, ich bin ganz gewiß kein Determinist, und die Bibel hat für mich schon lange jede Verbindlichkeit verloren. Aber ich bin auch nicht bereit, Christen (und andere Gläubige) so einfach davon kommen zu lassen. Natürlich haben sich im Laufe der Jahrhunderte die Interpretationen und wichtiger noch die Interpretationshintergründe gewandelt. Aber daß in die christliche Gedankenwelt langsam und widerwillig Elemente aufgenommen werden mußten, die - genuin nichtchristlichen, "heidnischen" Ursprungs - zu einer Milderung der Interpretation der ursprünglichen Schroffheit der biblischen Aussagen führten, ist ganz gewiss nicht Verdienst der Christenheit. Viele sind sich ja noch nicht mal drüber im klaren, daß heutiges amtskirchliches Christentum eine gläubig-heidnische Mischform ist (für die Katholen gilt ähnliches).

WENN die christlichen Konfessionen dahin gelangt wären, den Codex zu ändern - alle Schriften rauswerfen, die bösartige, menschenverachtende oder einfach nur grenzenlos naive Vorstellungen enthalten - würde ich dir bereitwilliger Zustimmen.


Feuerkopf
Wenn wir Gott auf eine solch kleingeistige Ebene herunterstufen, dann ist er menschlich, d. h. er ist fehlbar.

Wenn wir Gott aber annehmen als Schöpferkraft, die den Anstoß zu allem gab und der alles gleich gilt, dann können wir auch die Freiheit der Entscheidung annehmen. Ein Schöpfergott dieser Art kennt sicher alle Möglichkeiten, aber wir haben in der Hand, was wir daraus machen. Nur so macht für mich ein Schöpfergott Sinn, denn etwas zu initiieren, bei man von A-Z alles vorherbestimmt hat, ist nicht besonders kreativ.

Ipsissimus, Deinen letzten Satz finde ich zustimmenswert, allerdings hat die Sache einen Haken für die Amtskirche: Sie wird schon deshalb nicht ohne weiteres Lehrsätze über Bord werfen, weil - besonders die katholische Kirche - Wert darauf legt, keinem Zeitgeist hinterher zu hecheln. Konsequent in sich, würde ich meinen.


Ipsissimus

es tut mir leid, Feuerkopf, aber es ist mir unmöglich, Gott auf eine solche kleingeistige Ebene herunterzustufen, da ich nicht mit der Annahme "seiner" Existenz operiere.

Kulturhistorisch betrachtet ist das Christentum mit sehr viel mehr Berechtigung als die Religion des Paulus denn als die Religion des Jesus aufzufassen. Sieht man vom Abendmahl (Eucharistie) ab, so gehen praktisch alle Riten und Lehrinhalte, die REAL gelebt wurden, auf Paulus zurück. Mag sein, Jesus war der Geist, der diese Religion irgendwann einmal inspirierte - Paulus ist die Knochen, die Muskeln und der Wille, der sie vorwärts brachte und durch die Jahrtausende schleppte, während denen der ursprüngliche Geist verloren ging. Paulus´ Aussagen kommt faktisch unendlich viel mehr Wirkung und Bedeutung zu als denen von Jesus. Wenn du diese Aussagen aus dem Römerbrief kleinkariert findest, so sind sie es auf grandiose Weise, sie tragen seit fast 2000 Jahren das gute Gefühl der Christenheit, die Guten zu sein.

Eine Untersuchung der heute geglaubten Formen und Inhalte des Christentums würde sehr schnell, sehr drastisch offenlegen, in welchem Umfang fast alles, was das Christentum heute "menschlich" erscheinen läßt, in Wirklichkeit heidnischen Ursprungs ist. Beispiel: die vielgerühmte Gleichberechtigung und vergleichsweise angeblich gute Behandlung der Frauen in christlichen Ländern wurde von der Aufklärung erst mal mühsam dem Christentum abgerungen, bis jenes in Gestalt seiner Funktionäre auf die grandiose Idee kam, das, was nicht mehr zu verhindern war, sich selbst als Verdienst anzukreiden.

sony
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Mo 17. Jan 2005, 18:12 - Beitrag #2

Oje oje mal wieder ein grosses Fragezeichen in den Köpfen der "Gelehrten"? Ich versuche kurz zu Antworten: Paulus schreibt im Galaterbrief folgendes: Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Crhisto Jesus. Gal. 3,25. Dieser wichtige Vers gibt klar zum Ausdruck, dass es keine Klassenunterschiede gibt. Mann und Frau sind gleichberechtig in Gott, da gibt es keine Unterschiede zwischen ihnen, keiner ist besser als der andere, sie sind alle gleich. (Zum Gegensatz der Muslimen)

Was der Vers aus Römer Kapitel 9 und folgende betrifft. So sagen diese Verse dass Gott wohl Menschen auserwählt zum Heil, aber nicht dass er Menschen bestimmt zur Verdammnis!! DENN " alle Menschen haben gesündigt, und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes" was heisst, dass alle die Hölle verdienen. ja ja ja hartes Wort, harte Ansichten, aber laut Bibel... . Gott liebt den Menschen er will nicht dass er sterbe sondern dass er lebe !! Hesekiel 33, 11 darum kam auch Jesus Christus um " die Sünde der Welt wegzunehmen." Johannes 1, 29 Jetzt fragt sich vielleicht einer, dann ist ja alles schon vorgegeben und ich kann gar nichts mehr ändern, mein Schicksal ist besigelt. Und wieder sagt da die Bibel ein anders Wort: bittet und es wird euch gegeben, sucht und ihr werdet finden, klopft an und es wird euch aufgetan werden. Der Sinn Gottes ist nun mal grösser als wir Menschen es sind, darum ruft auch Paulus aus nachdem er systematisch die Gerechtigkeit Gottes im Römerbrief ausgelegt hat, oh Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! wie unausforschlich sind deine Gerichte und unausspürbar seine Wege! Die Verantwortlichkeit des Menschen ist gleich vollberechtigt wie auch seine Souveränität in der Erlösung.

@Ipsissimus Was war Paulus für einer? der lese doch Apostelgeschichte 9 wie er von Jesus seinen Auftrag bekommen hatte, sein Evangelium zu verkünden. Paulus war ein Apostel !!!! Und er vervollständigte das Wort Gottes siehe Kolosser 1,25.

Ipsissimus
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Di 18. Jan 2005, 01:03 - Beitrag #3

Sony, du legst an Vers 22 andere Interpretationskriterien an als an Vers 23 und ignorierst dabei Vers 21, aber was soll´s :-) und was Paulus im Galaterbrief schreibt, betrifft Christen, also jene, die - in freikirchlicher Sprache - Jesus als ihren persönlichen Herrn angenommen haben, keinewegs die unbekehrten Heiden. Mann und Frau sind gleichberechtigt in Gott? Gedächtniszitat (wiederum Paulus): "Das aber was Christus für den Mann ist, ist der Mann für die Frau". Sehr viel schlimmer geht´s eigentlich nicht, und die Praxis zeigt bis in die jüngste Gegenwart genau dieses.

Und wenn sich seit meinem Theologiestudium nichts Bahnbrechendes an der Apostelgeschichte geändert hat, wurde Paulus vor Damaskus von einem Licht geblendet und später Jesus hinzu interpretiert, als es darum ging, eine gar nicht von Saulus überzeugte Apostelschar zu seiner Anerkennung zu bewegen. Und, verzeih, Selbstbezeugungen sind noch lange keine Beweis, daß das Behauptete stimmt (Kolosserbrief) :-)

Deinen Interpretationen nach zu urteilen, Sony, bist du ein gläubiger Christ, evtl. sogar aus einer Freikirche. Für dich gilt die Bibel folglich als Autorität. Vielleicht ist dir klar geworden, daß die Bibel für mich keine Autorität darstellt und infolge dessen nicht als Beweisgrundlage dienen kann. Aber das ist eigentlich auch nicht gegenstand dieses Threads. Wenn du mich wirklich packen willst, dann zeige mir doch bitte, wo in der Realität christlichen Lebens die Prinzipien von Jesus wirkungsmächtig geworden sind. Wohlgemerkt, in der Realität, nicht in den schönen Worten.

Rosalie
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Di 18. Jan 2005, 10:47 - Beitrag #4

Ipsissimus, diese Realität findest Du in einzelnen Menschen. Es ist mit Sicherheit nicht die Masse der Christen, die die Lehre Jesu auch nur versuchen umzusetzen. Es sind auch nicht unbedingt (oder am wenigsten) die Päpste, Bischofe, Pastoren ....es sind einige Wenige (im Vergleich der Anzahl auf unrem Planeten) in all den verschiedenen Zeitepochen und Länder, welche dies taten und tun. Wenn Du in einige Heiligenbiographien liest, kannst Du darüber erfahren. :)

Ipsissimus
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Di 18. Jan 2005, 13:20 - Beitrag #5

sicher, Rosalie, sicher ... aber einzelne Menschen haben schon immer und seit je gegen die Masse ihre individuellen Überzeugungen verfolgt; das ist erstens kein Privileg des Christentums und zweitens ändert es nichts daran, daß das Christentum kulturhistorisch über seine Institutionen und deren Einflüsse auf die Gesellschaft definiert ist, nicht über das Alibi einzelner Spitzenleistungen.

Was die Heiligenlegenden anbelangt, nun, ich habe einige gelesen ... und befürchte, daß ich dieser speziellen Art von Gläubigkeit abhold bin :-) aber vor allem die Legenden aus der Frühzeit waren recht interessant. Heiliger XYZ fackelt heidnischen Tempel zum Ruhme des Herrn ab; waren halt leider noch ein paar Leute drin, was deren überlebende Angehörigen nicht wirklich witzig fanden und Heiliger XYZ erleidet den "Martyrertod" ... na ja, nicht wirklich mein Ding :-)

sony
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Di 18. Jan 2005, 19:33 - Beitrag #6

@Ipsissmus, wieso bist du Pfarrer? Du glaubst der Bibel nicht. Du erinnerst mich an die Pharisäer die viel wussten, aber den Herrn Jesus nicht erkannten dass er der Messias war. Wenn du Jesu Reden nachverfolgst wirst du merken, dass er die Bibel wörtlich auslegt. "Und wer seinen Willen (den Willen Gottes) tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist, oder ob ich aus mir selbst rede". Du sollst Gott und sein Wort handfest prüfen, auch durch ausprobieren. Dann wirst du erfahren, dass die Bibel wirklich Gottes unfehlbaren Wort ist. (Aber bedenke, Jesus sagte als erstes dem Gelähmten, deine Sünden sind dir vergeben.)
Und mit Christus und durch ihn kann man/frau ein christliches Leben führen. "denn ausser mir könnt ihr nichts tun" -So wie ich dich aber einschätze, bist du nicht in Christus und kennst nicht diese lebendige Beziehung.(Sorry)

So und jetzt zu deiner Frage, wo die Lehren Jesu wirkungsmächtig geworden sind: Ich nehme wieder gerne meine vielgeliebte Bibel zur Hand : "Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt,und dessen Name in der Höhe und im Heiligtum, und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten um zu beleben das Herz der Zerschlagenen." Jesaja 57, Hier wird deutlich, dass Gott in 3 Bereichen wohnung nimmt. Im Himmel, im Tempel und in den Gläubigen.

Ich glaube das der Himmel, sprich Gottes regieren, wirksam und vollmächtig in der Reformation sichtbar wurde.

Und heute ist ja der Tempel, neutestamentlich, die Gemeinde in der Gott wohnt. Vielleicht kennst du oder hörst du von Gemeinden die recht aktiv sind, letzthin hab ich von einer gehört, die die Abwasserkanäle ihrer politischen Gemeinde säuberte! Oder all die vielen Schulen und Krankenhäuser in anderen Ländern sind oft auch von christlichen Werken ausgegangen.

Und zu guter letzt in den Gläubigen, die findest du vorwiegend ihn ihren Gemeinden! Vielleicht musst du einmal zu einer Gemeinde gehen. Da solltest du eignentlich Menschen treffen die Jesus lieben und ihm nachfolgen wollen. Und fragst sie wie sie ihr Christsein leben.

Ipsissimus
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Di 18. Jan 2005, 21:16 - Beitrag #7

Stop, Sony, stop, keine voreiligen Schlüsse :-) Ich sagte, daß ich Theologie (u.a.) studiert habe, nicht daß ich Pfarrer bin. DIESER Kelch ist noch mal an mir vorüber gegangen :-) hat mich zwar einiges gekostet, aber das ist eine andere Geschichte

Sag, Sony, warum tust du dir das an, auf diesen Thread zu antworten? Du hast dich bisher - außer mir Bibelzitate und einschlägige fundamental-christliche Auslegungen um die Ohren zu schlagen - mit dem Fragenkomplex noch in keiner deiner Antworten auseinandergesetzt. Ich glaube dir ja, daß du ein gläubiger Christ bist und meine Blasphemien empörend findest. Zufrieden? Was ich aber diskutieren wollte, war die Frage, wo Jesu ursprüngliche Ideen in der christlichen Praxis historisch wirkungsmächtig geworden sind. Und ob es nicht vielmehr so ist, daß Jesu Ideen - wenn Jesus denn existiert haben sollte, was ich nicht für bewiesen erachte - historisch durch die Ideen des Paulus zu einem sehr großen Teil verdrängt worden sind. Kannst du darauf etwas antworten? Jede Antwort wäre mir recht, wenn du es nur unterließest, deine Konkordanz zu bemühen und mir nicht noch so ein für die Fragestellung eingegenstandsloses Zitat um die Ohren knallst.

Die Reformation war ein hochgradig politischer Akt. Krankenhäuser u.ä. haben die Christen nicht gepachtet; davon abgesehen fußt der Mildtätigkeits- und Barmherzigkeitskult der Kirche nicht auf Ideen von Christus, sondern in der internen Praxis der Urgemeinde und wurde jahrhundertelang bis auf vereinzelte Ausnahmen auch nur gegenüber Christen praktiziert, wenn überhaupt.

sony
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Di 18. Jan 2005, 22:22 - Beitrag #8

sorry, wenn ich dir zu nahe getreten bin. :rolleyes:

Ipsissimus
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Di 18. Jan 2005, 22:28 - Beitrag #9

no prob :-) ich entschuldige mich ebenfalls, daß ich so heftig geworden bin

sony
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Mi 19. Jan 2005, 00:17 - Beitrag #10

Na da hast du wieder eine Jesus Lehre die geblieben ist: vergebe deinem nächsten. ;)

Feuerkopf
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Mi 19. Jan 2005, 09:16 - Beitrag #11

Sozialisierung im Zeichen des Kreuzes

Wenn wir uns hier mit der kulturhistorischen Bedeutung des Christentums auseinandersetzen, so ist sicherlich auch die der Einfluss auf das alltägliche Leben bedenkenswert.
Ipsissimus und ich dürften noch zu denen gehören, die sich an das auf Latein verlesene Hochamt am Sonntag in den katholischen Kirchen erinnern können. Da saß man in der Kirche, vom Ritual bekam man nur die geheimnisvolle Sprache mit, die man fehlerhaft lernte. Später wurden die Hochaltäre abgeschafft und die Priester wendeten sich der Gemeinde zu bei der Wandlung, die Liturgie wurde auf Deutsch gehalten.

Die Ohrenbeichte war zu meiner Jugendzeit noch Voraussetzung für die Teilnahme an der Kommunion. Nun frage ich mich, was hat ein Kind von 9 Jahren zu beichten? Ich gestehe, mir manchmal etwas ausgedacht zu haben, weil ich sonst nichts zu sagen gehabt hätte.
Mir gefiel auch, dass ich mit dem Beten von soundsovielen Rosenkränzen eine Seele aus dem Fegefeuer retten konnte. Schätze, ein paar verstorbene Sünder können sich bei einem eifrigen Mädchen bedanken...
Außerdem wurde mir der Eindruck vermittelt, Gott sähe alles.

Meine Mutter und auch meine Freundin wurden noch gezwungen, am Sonntag zur Kirche zu gehen, was beide nicht regelmäßig taten, sondern sie ließen sich von Bekannten kurz den Inhalt der Predigt wiedergeben und gingen ansonsten ihrer eigenen Wege. Das nenne ich Lügentraining.
Da ich aus einer gemischtkonfessionellen Familie stamme, gab es für mich diesen Zwang zum Glück nicht. Meine Eltern hatten aber auch keine Wahl, wie ich getauft werden sollte, denn meine Mutter war katholisch, ergo musste ich es auch werden.

Die Grundschulen waren konfessionell getrennt. Im gleichen Gebäude wie meine katholische G. war die evangelische beheimatet. In den Pausen gab es regelmäßig Prügeleien. Wer auf die städtische Gemeinschaftsschule ging, war sowieso in unseren Augen ein "Heidenkind".

In Frage stellen tat ich die katholische Kirche erst im Teenageralter. Bis dahin hatte ich alle in Frage kommende Sakramente erhalten. Mit 15 etwa kam ich in Kontakt mit Jugendlichen aus einer baptistischen Kirchengemeinde. Das war für mich sehr beeindruckend, denn diese Gemeinde machte eine für damalige Verhältnisse tolle Jugendarbeit. Sonntags ging ich also "in die Jugend". Da wurde gesungen und gebetet. Außerdem waren die Jungen sehr nett.;)
Mit 16 wollte ich gern konvertieren. Meine Mutter gab mir den guten Rat, noch ein Jahr zu warten und mir alles gut anzusehen.
Als von mir dann Straßenmission erwartet wurde und ich mitbekam, wie beinahe fundamentalistisch diese Gemeinde war, distanzierte ich mich wieder davon. Allerdings hatte ich meine katholische Trübsinnigkeit und das permanente schlechte Gewissen verloren, sondern glaubte mit mehr Zuversicht. Die Zeit der Jesus-People, von "Jesus Christ Superstar" ist mir heute noch sehr präsent.

Die Frauenbewegung der 70er Jahre öffnete vielen den Blick für die latente und offene Frauenfeindlichkeit der Kirchen. Es gab endlich weibliche Theologen, die die Lehren der großen Kirchenfürsten kritisch hinterfragten. So nahm ich nach und nach Abschied von der Amtskirche und interessierte mich auch für andere Religionen. Mit der Zeit entwickelte sich für mich eine entspannte Haltung zum Glauben,z. B. adaptierte ich asiatisches Gedankengut.
Ich lernte auch durch die Frauenbewegung wieder mehr zyklisch als linear zu denken.

Endgültig Abschied von der Amtskirche nahm ich, als ich einen geschiedenen Katholiken heiraten wollte und dadurch quasi exkommuniziert worden wäre. Diese zwar konsequente, aber wie ich finde, gnadenlose Haltung der katholischen Kirche bewog mich und meinen Mann zum Austritt.

Unsere Kinder waren im katholischen Kindergarten und im evangelischen Religionsunterricht, weil ich der Meinung bin, die christlichen Grundwerte gehören zur hiesigen Kultur und man sollte sie wenigstens kennen.
Beide haben sich freiwillig evangelisch taufen lassen, sind aber nicht besonders aktiv.

Ich denke, mein Entwicklungsgang ist einigermaßen typisch für jemanden meines Alters. Hinzuzufügen ist, dass ich in einer eher evangelischen Umgebung in einer Großstadt aufgewachsen bin.

Dieser kurze Abriss diente jetzt nicht unbedingt der wissenschaftlichen Untermauerung, sondern soll ein Zeitzeugenbericht sein für eine rasante Entwicklung in den letzten gut 50 Jahren.

Ipsissimus
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Mi 19. Jan 2005, 10:10 - Beitrag #12

Sony, "Vergib deinem Nächsten" ist keine Lehre von Jesus, sondern ein alttestamentliches Gebot, das schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel hatte, als Jesus dann auf der Bildfläche erschienen sein soll :-) Und was von Jesus´ "Liebe deine Feinde" übriggeblieben ist, dürfen wir fast jeden Tag auf´s Neue beglückt bei seinen amerikanischen Freunden beobachten, aber nicht nur dort :-)


Gehört mit zu den beeindruckendsten Erlebnissen, als ich zum ersten Mal im Vatikan war, irgendwann 1985 kurz vor Ostern. Es muss irgendein besonderer Tag gewesen sein, ich habe aber nicht herausgefunden, was es war ... jedenfalls ... ein Hochamt im Petersdom, gehalten von einem Kardinal in Latein. Es war Abend und gegen Abschluss der Messe gingen im Dom nacheinander die Lichter aus, bis diese ganze riesige Kirche fast vollständig im Dunkeln lag. Nach einem kurzen Augenblick der Stille setzte dann Gesang ein - ein Männer- und Knabenchor, glockenklar und gaben das "Miserere" von Alegri. Da liefen mir Schauer den Rücken runter und ich fühlte mich für Minuten wie ins Mittelalter versetzt.

In der Volksschule hatten wir eine gemischte Klasse, ich als einer von 2 Evangelen unter 40 Katholen; das war definitiv nicht lustig.

Feuerkopf
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Mi 19. Jan 2005, 10:12 - Beitrag #13

Habe schon häufiger von Protestanten gehört, dass sie die Folklore der Katholiken sehr beeindruckend finden. ;)

Mir persönlich sagt die Nüchternheit evangelischer Kirchen und der Pragmatismus der Gottesdienste deutlich mehr zu, inzwischen.
Mir gefällt das Basisorientierte und die Mitbestimmung.

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Mi 19. Jan 2005, 12:00 - Beitrag #14

Mit dem, was Feuerkopf erzählt hat, haben wir doch schonmal ein wirkmächtiges Prinzip, das auf den in den Evangelien manifestierten Lehren fußt: sie wäre quasi exkommuniziert worden, hätte sie ihren geschiedenen katholischen Mann geheiratet.

Dass die Amtskirchen im Ganzen nicht eigentlich christlich zu nennen sind, hat schon Kierkegaard mit Recht moniert. Man kann auch schön an den Großinquisitor von Dostojevski denken, nach dem die katholische Kirche quasi den Weg der Welt, den Weg des Teufels gegangen ist. Eine eigentlich christliche Organisation hätte auch nie zu solcher Macht gelangen können. Sie halten sich ja nichtmal an ihren Paulus ;).
Mag sein, dass es in manchen Freikirchen manches anders ist.

Übrigens finde ich es auch schade, dass die Messe nicht mehr in Latein ist. Es geht um das Ritual, da muss man die Sprache nicht verstehen.

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Ipsissimus
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Mi 19. Jan 2005, 12:28 - Beitrag #15

Mit dem, was Feuerkopf erzählt hat, haben wir doch schonmal ein wirkmächtiges Prinzip, das auf den in den Evangelien manifestierten Lehren fußt: sie wäre quasi exkommuniziert worden, hätte sie ihren geschiedenen katholischen Mann geheiratet.


mir fällt jetzt auf Anhieb keine Aussage in den Evangelien ein, mit der eine Exkommunizierung begründet werden könnte. Die Lehre, wonach die Kirche in bevollmächtigter Nachfolge Petrus steht - durch die Weiterreichung des Heiligen Geistes - ist in ihrer spezifisch katholischen Ausprägung - also bezüglich der Alleinbevollmächtigung der Päpste/Bischöfe/Priester - einige Jahrhunderte später anzusiedeln

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Mi 19. Jan 2005, 12:35 - Beitrag #16

Eigentlich ist die Festlegung von "Ehebruch = schwere Sünde" schon aus dem Alten Testament, da Ehebruch gegen eines der 10 Gebote verstößt.

Es wird natürlich nicht gefragt, ob man überhaupt Ursache eines Ehebruchs ist. Auch wird das Ganze erst in dem Moment virulent, wenn man einen geschiedenen Katholiken heiraten will. Erst dann ist der "Tatbestand" der schweren Sünde gegeben. Bis dass der Tod euch scheide - das ist das Prinzip.

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Mi 19. Jan 2005, 13:08 - Beitrag #17

dem neutestamentlich die Geschichte mit Jesus und der Ehebrecherin entgegensteht

Rosalie
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Mi 19. Jan 2005, 13:17 - Beitrag #18

"gehe hin und sündige nicht mehr"

aber der Satz vorher, "wer von Euch ohne Schuld ist...." - zuerst kommt die Barmherzigkeit und das Richten sollten wir tunlichst unterlassen, denn wie heißt es auch so schön: " wer richtet, wird selbst gerichtet werden" .

Moral einzufordern, ohne die dahinterstehende Liebe zu Gott ist in jedem Fall verwerflich und wenn die Liebe zu Gott vorhanden, dann ergibt sich die moralische Komponente von allein. ;)

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Mi 19. Jan 2005, 13:40 - Beitrag #19

es gibt da so eine Geschichte im Talmud ...

Ein Rabbi geht auf der Straße spazieren, als ihm eine Frau um die Füße fällt, die von einer aufgebrachten Menge Menschen gesteinigt werden soll, da sie Ehebruch begangen hat. Der Rabbi stellt sich vor die Frau und schaut die geifernde Menschenmenge an und spricht: "Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Niemand antwortet ein Wort und nach ein Weile fängt die Menge an, sich zu zerstreuen.

Da wendet sich der Rabbi um, klaubt einen Stein vom Boden auf und zerschmettert der Ehebrecherin den Kopf.

Und zu der Menge gewendet: "Nein, ich bin nicht ohne Sünde. Aber wenn wir den Sündlosen die Bestrafung derer überlassen, die gegen die Gesetze unserer Gemeinschaft verstoßen, haben wir bald keine Gemeinschaft mehr, weil es keine Sündlosen gibt."

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Das WESEN der Ehebrecher-Geschichte, wie sie im Neuen Testament erzählt wird, ist Mitempfinden und Erbarmen, das Wesen der Talmud-Geschichte ist am Gesetz ausgerichtete Gerechtigkeit.

Es scheint zu den tiefen unausrottbaren Überzeugungen der Menschheit zu gehören, daß Strafe sein muß, was auch immer wir davon haben mögen. Jesus scheint das anders gesehen zu haben. Da steht "Gehe hin und sündige nicht mehr" - da steht nicht: "Gehe hin und sündige nicht mehr, sonst haue ich dir nächstes Mal den Schädel ein."

Insofern ist auch diese Story ein Hinweis darauf, daß die Ideen Jesu nie wirkungsmächtig geworden sind. Die - ältere - alttestamentliche Auffassung und die Paulinische Auffassung haben sich in der realen Praxis der Kirche durchgesetzt (Paulus war ein Schriftgelehrter!)

e-noon
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Mi 19. Jan 2005, 13:49 - Beitrag #20

*mich in die Diskussion einklink*
Hier geb ich dir Recht, Ipsissmus. Ich habe die Geschichte gelesen und bin ein wenig geschockt, wenn ich ehrlich bin - mit diesem Ende habe ich nicht gerechnet.
Das Konzept von Rache und Bestrafung besteht nicht nur auch, sondern vor allem in der katholischen Kirche, natürlich auch in anderen, auch in extremerem Maße, aber für die heutige Zeit übertreibt es die katholische imo auch zu sehr. Jesu Idee hat sich hier eindeutig als wenig mehr denn als Redewendung oder unterhaltsame Geschichte erhalten. Anstatt seinem Wort zu folgen und einer Ehebrecherin zu sagen, sie möge nicht mehr sündigen (wenn man denn Ehebrechen unter allen Umständen als Sünde sieht), wird sie mit Excommunizierung bestraft. Das Christentum kann Jesus imo nur in Einzelfällen nachfolgen, um auf die breite Masse eine solche Wirkung und Veränderungskraft zu haben, ist es zu schwach. Natürlich tut die Kirche auch viel Gutes, aber das uralte Konzept der Bestrafung kann sie nicht ansatzweise auflösen.
Wo kämen wir denn da auch hin, wenn jemand sündigt, und dann auch noch Erbarmen erfährt? :rolleyes:

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