Rosalie
hey, ich kann sich doch auch beides miteinander verbinden:es stellt sich die Frage, was man konkret unter Determinismus versteht. Wenn ich darunter verstehe, dass ein Wesen außerhalb unsres Systems (Raum und Zeit) meinen Werdegang bereits kennt, ich ihn aber noch nicht ... ist dies schon Determinismus??
Wenn das Wesen, nennen wir es einfachhalber mal Gott , alles was vor und nach uns geschieht in einer Art "Momentaufnahme" präsent hat - auch die Konflikte die ein jeder mit sich ausfechtet, bis er zu einer Entscheidung kommt, aber trotzdem weiß, wie der je Einzelne sich entscheidet, wie er handeln wird ... nennt man das dann Determinismus??
Aber, wem dem so sei, das spricht doch den Menschen nicht frei von der Verantwortung für sein Tun! Der Mensch muß trotzdem entscheiden: ja oder nein; dafür oder dagegen; rot oder blau; schwarz oder weiß .... wie auch immer. Ich kann doch nicht sagen, alles ist vorgegeben, alles ist egal? Es ist bestimmt, ob ich "böse" oder "gut" bin.
Die Entscheidung muß jeder einzelne Erdbewohner, jeden Tag wieder aufs Neue treffen ...........ob da draußen (oder ganz tief drinnen - wie die Christen denken) da jemand ist, der das Ergebnis schon kennt, ändert nichts, aber auch gar nichts ... an Deiner, an meiner Freiheit ...........
Ipsissimus
"... denn Gott erschuf die einen zum Heil, die anderen zur Verdammnis ..."
Paulus scheint anderer Ansicht zu sein als du, Rosalie, und dem wurden angeblich von Gott selbst die Hände beim Schreiben geführt :-)
Rosalie
wo steht denn dies geschrieben ........?????
Feuerkopf
in der Bibel steht auch, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschuf. Das nehmen wir - sofern wir keine christlichen Fundamentalisten sind - auch nicht als gegeben hin.
Das Gedankengebäude des Determinismus ist verführerisch, es ist in sich schlüssig und enthebt mich weiterführender Nachdenklichkeit.
Wie schön, dass es nur ein Konstrukt ist und ich es akzeptieren kann oder nicht.
Für mich ist eine mögliche Erklärbarkeit des Seins kein Grund, nicht doch mit großem Respekt vor diesem Sein zu stehen und an ein schöpferisches Prinzip zu glauben. Sollte sich eines Tages herausstellen, dass auch "die Seele" erklärbar ist...So what? Das Phänomen wäre immer noch da.
Ipsissimus
Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 9, Verse 21 - 23
21
"Hat nicht ein Töpfer Macht, aus einem Klumpen zu machen ein Gefäß zu Ehren und das andere zu Unehren?"
22
"Derhalben, wiewohl Gott wollte Zorn zeigen und kundtun seine Macht, hat er mit großer Geduld getragen die Gefäße des Zorns, die da zugerichtet sind zur Verdammnis,"
23
"auf daß er kundtäte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hat zur Herrlichkeit."
in der Übersetzung von Martin Luther
Feuerkopf, ich bin ganz gewiß kein Determinist, und die Bibel hat für mich schon lange jede Verbindlichkeit verloren. Aber ich bin auch nicht bereit, Christen (und andere Gläubige) so einfach davon kommen zu lassen. Natürlich haben sich im Laufe der Jahrhunderte die Interpretationen und wichtiger noch die Interpretationshintergründe gewandelt. Aber daß in die christliche Gedankenwelt langsam und widerwillig Elemente aufgenommen werden mußten, die - genuin nichtchristlichen, "heidnischen" Ursprungs - zu einer Milderung der Interpretation der ursprünglichen Schroffheit der biblischen Aussagen führten, ist ganz gewiss nicht Verdienst der Christenheit. Viele sind sich ja noch nicht mal drüber im klaren, daß heutiges amtskirchliches Christentum eine gläubig-heidnische Mischform ist (für die Katholen gilt ähnliches).
WENN die christlichen Konfessionen dahin gelangt wären, den Codex zu ändern - alle Schriften rauswerfen, die bösartige, menschenverachtende oder einfach nur grenzenlos naive Vorstellungen enthalten - würde ich dir bereitwilliger Zustimmen.
Feuerkopf
Wenn wir Gott auf eine solch kleingeistige Ebene herunterstufen, dann ist er menschlich, d. h. er ist fehlbar.
Wenn wir Gott aber annehmen als Schöpferkraft, die den Anstoß zu allem gab und der alles gleich gilt, dann können wir auch die Freiheit der Entscheidung annehmen. Ein Schöpfergott dieser Art kennt sicher alle Möglichkeiten, aber wir haben in der Hand, was wir daraus machen. Nur so macht für mich ein Schöpfergott Sinn, denn etwas zu initiieren, bei man von A-Z alles vorherbestimmt hat, ist nicht besonders kreativ.
Ipsissimus, Deinen letzten Satz finde ich zustimmenswert, allerdings hat die Sache einen Haken für die Amtskirche: Sie wird schon deshalb nicht ohne weiteres Lehrsätze über Bord werfen, weil - besonders die katholische Kirche - Wert darauf legt, keinem Zeitgeist hinterher zu hecheln. Konsequent in sich, würde ich meinen.
Ipsissimus
es tut mir leid, Feuerkopf, aber es ist mir unmöglich, Gott auf eine solche kleingeistige Ebene herunterzustufen, da ich nicht mit der Annahme "seiner" Existenz operiere.
Kulturhistorisch betrachtet ist das Christentum mit sehr viel mehr Berechtigung als die Religion des Paulus denn als die Religion des Jesus aufzufassen. Sieht man vom Abendmahl (Eucharistie) ab, so gehen praktisch alle Riten und Lehrinhalte, die REAL gelebt wurden, auf Paulus zurück. Mag sein, Jesus war der Geist, der diese Religion irgendwann einmal inspirierte - Paulus ist die Knochen, die Muskeln und der Wille, der sie vorwärts brachte und durch die Jahrtausende schleppte, während denen der ursprüngliche Geist verloren ging. Paulus´ Aussagen kommt faktisch unendlich viel mehr Wirkung und Bedeutung zu als denen von Jesus. Wenn du diese Aussagen aus dem Römerbrief kleinkariert findest, so sind sie es auf grandiose Weise, sie tragen seit fast 2000 Jahren das gute Gefühl der Christenheit, die Guten zu sein.
Eine Untersuchung der heute geglaubten Formen und Inhalte des Christentums würde sehr schnell, sehr drastisch offenlegen, in welchem Umfang fast alles, was das Christentum heute "menschlich" erscheinen läßt, in Wirklichkeit heidnischen Ursprungs ist. Beispiel: die vielgerühmte Gleichberechtigung und vergleichsweise angeblich gute Behandlung der Frauen in christlichen Ländern wurde von der Aufklärung erst mal mühsam dem Christentum abgerungen, bis jenes in Gestalt seiner Funktionäre auf die grandiose Idee kam, das, was nicht mehr zu verhindern war, sich selbst als Verdienst anzukreiden.