Philosophie - philosophisch betrachtet

anhand eines kleinen, schon etwas älteren Textes von mir möchte ich ein paar Fragen zum Thema "Philosophie" aufwerfen.
Was hat Philosophie geleistet?
Was kann Philosophie leisten?
Hat die Philosophie in wichtigen Bereichen versagt, in denen sie nicht hätte versagen müssen?
Ist die heutige Priorität der naturwissenschaftlichen gegenüber den philosophischen Fragestellungen Folge des Versagens der Philosophie oder folgerichtige Konsequenz in der Entwicklung des Denkens?
Was sind die Folgen dieser Priorität der naturwissenschaftlichen Fragestellungen?
Sind Möglichkeiten vorstellbar, der Philosophie wieder einen gleichberechtigten Platz neben der Naturwissenschaft zu sichern, ohne daß sie vor dieser und deren Methoden den Kotau vollziehen muß?
Der folgende Text "kreist" um diese Fragen, er stellt und beantwortet sie nicht explizit.
Was hat Philosophie geleistet?
Was kann Philosophie leisten?
Hat die Philosophie in wichtigen Bereichen versagt, in denen sie nicht hätte versagen müssen?
Ist die heutige Priorität der naturwissenschaftlichen gegenüber den philosophischen Fragestellungen Folge des Versagens der Philosophie oder folgerichtige Konsequenz in der Entwicklung des Denkens?
Was sind die Folgen dieser Priorität der naturwissenschaftlichen Fragestellungen?
Sind Möglichkeiten vorstellbar, der Philosophie wieder einen gleichberechtigten Platz neben der Naturwissenschaft zu sichern, ohne daß sie vor dieser und deren Methoden den Kotau vollziehen muß?
Der folgende Text "kreist" um diese Fragen, er stellt und beantwortet sie nicht explizit.
eins
Setze einem Kind eine beliebig chaotische Struktur vor. Jedes Kind wird in kürzester Zeit in dieser Struktur Sinnprovenienzen gefunden und Sinn konstruiert haben. Die Technik, die es hierfür anwendet, besteht darin, alles auszublenden, was für seine situativen Belange belanglos ist, also fast alles.
Die Entwicklung von Form ist also ein Ausblendprozeß, bei dem eine gewünschte Form dadurch im Total der Wirklichkeit wahrgenommen wird, daß alle Anteile dieses Totals, die nicht zur Konstruktion des Gewünschten beitragen, vergessen, verdrängt, nicht wahrgenommen, eben ausgeblendet werden.
Das Wesentliche dieses Vorgangs und dieser Fertigkeit ist die Erwünschtheit des Ergebnisses, die anderen Komponenten sind demgegenüber triviale Grundfertigkeit.
zwei
Diese Fertigkeit hat sich auch das Erwachsene bewahrt.
drei
Die Kriterien, nach denen das Kind und das Erwachsene Sinnprovenienzen finden, unterscheiden sich im Grad der Gebundenheit an externe Vorgaben.
vier
Auch zwischen Erwachsenen unterscheiden sich diese Kriterien im Grad der Gebundenheit an externe Vorgaben.
fünf
Aufgrund dieser Verschiedenheit können wir davon ausgehen, daß faktisch ein Kontinuum zwischen Kriterien »völlig gebundener« und »völlig ungebundener« Auffindung von Sinnprovenienzen besteht; »völlige Ungebundenheit« würde dabei zu konstatieren sein als Eigenart eines Menschen, dem alles als Zeichen für eine Sinnprovenienz dient, z.B. schon Vogel- oder Wolkenflug, Kaffeesatz oder Sternkonstellation, der gesamte Bereich der Mantik, »völlige Gebundenheit« bezeichnet andererseits die Eigenart eines Menschen, Zeichen für Sinnprovenienz ausschließlich dort zu sehen, wo sie mit Vorgaben positivistischer wissenschaftlicher, gesellschaftlicher oder ökonomischer Theorien in Einklang stehen, also erst im Bereich der »harten Fakten«.
sechs
»Technik« funktioniert nur im Rahmen eines bestimmten Sinnzusammenhangs. Die explodierende Atombombe, die als Beweis für ein objektives Funktionieren dienen könnte, kann nicht als göttlicher oder dämonischer Natur seiend widerlegt werden, ohne den gesamten Sinnzusammenhang mitzuvermitteln, innerhalb dessen solche Widerlegung »wahr« ist. Dies impliziert aber die Aufgabe eines anderen Sinnzusammenhangs, innerhalb dessen sich die Atombombe als ebenso tödlich erweisen würde, allerdings auf einem anderen Erklärungszusammenhang basierend. Wir sind in einem Strudel von Metaebenen gefangen.
sieben
Da jenes, was Menschen von Belang ist, im Laufe ihres Lebens wie auch in den unterschiedlichen Lebensbereichen sich als veränderlich erweist, können wir ebenfalls davon ausgehen, daß die Kriterienauswahl, sozusagen die Position eines Menschen innerhalb dieses Kontinuums, mit Zeit und Anwendungsfall sich ändert. Ein Wissenschaftler kann innerhalb seines Fachbereichs ein strenger Positivist sein, gleichzeitig sein Leben insgesamt nach den Vorgaben einer Religion gestalten und gelegentlich und insgeheim Astrologen um Rat fragen - aber nur sein Psychoanalytiker weiß, von welchen Monstern der Kindheit der Gute gequält wird. Erfahrungsgemäß sind solche oder analoge Strukturen im Leben der allermeisten Menschen die Regel, nicht die Ausnahme. Die Widersprüchlichkeit, die hierbei sachlich auf der Ebene der Ideen zu konstatieren ist, wird durch das menschliche Grundvermögen des gleichzeitigen Handlings einander widersprechender Ideen spielend ausgeglichen.
acht
Gemäß den situativ oder strategisch gewünschten Zielen werden in der Regel die mit jenen Zielen korrespondierenden Lösungen eines Bereichs als normativ gesetzt - gemäß der Machtvollkommenheit des oder der Setzenden. Andere Lösungsmöglichkeiten werden suspekt gemacht.
neun
Auf den ersten Blick spielt sich menschliches Leben vor dem Hintergrund einer verwirrenden, riesigen Vielfalt von Einflußfaktoren ab, deren Zielsetzungen sowohl das Einzelne als auch jede Gruppe in mehr oder weniger hohem Maße unterliegt. In diesem Zusammenhang kommt es als triviale, anscheinend völlig selbstverständliche und von allen gewußte und akzeptierte conditio humana daher, daß menschliches Miteinander, menschliche Beziehungen sich in asymmetrischen Machtverhältnissen abspielen.
[...]
Menschen schaffen sich eine grauenhafte Wirklichkeit. Ich habe nicht vor, diesen Satz zu rechtfertigen. Wer es vorzieht, in Szenarien von heiler Welt zu denken, die lediglich durch individuelle Fehlleistungen der »Bösewichte« bedroht sei, möge beruhigt weiterschlafen. Menschen schaffen sich eine grauenhafte Wirklichkeit. Aber: der Einsatz reiner Gewaltmittel (als Extremmöglichkeit von Macht) ist nicht immer der effektivste Weg, die eigene Maximalverwirklichung auf Kosten anderer - und darum geht es letztlich und beinahe ausschließlich - durchzusetzen. Viel einfacher ist es, die eigenen Absichten anderen als in deren ureigenstem Interesse liegend zu vermitteln. Wem diese Vermittlung gelingt, verfügt über einen extrem wirksamen Agenten der eigenen Absichten »im Herzen des Feindes«. Über Theologie mag ich in diesem Zusammenhang nicht mehr eigens sprechen. Es scheint mir allerdings auch nicht zu weit hergeholt, Philosophie mitsamt ihren Ablegern im wesentlichen als Versuch eines Anthropodizees aufzufassen. Dieses Kunstwort bezeichnet also in Anlehnung an den Begriff des »Theodizees« den Versuch der Rechtfertigung des Soseins der menschlichen Spezies angesichts der begangenen Bösartigkeiten.
Kein Erweis einer Bösartigkeit, keine Ausrottung einer Tierart, keine Vernichtungskampagne, keine Folter, nichts, was irgend geschieht, darf anscheinend dazu führen, daß das Sosein der Spezies ihren Individuen jemals ernstlich und irreversibel suspekt wird. Wir wollen - um das Prinzip unseres Lebens ganz deutlich und böse auszudrücken - wenn es notwendig ist tagsüber im Lager Auschwitz Juden zu Tode quälen und abends im Kreise der Unsrigen für wunderbare, feinfühlige, kunstsinnige, zärtliche, menschliche Menschen gelten. Auschwitz ist vorüber; das Prinzip hingegen ist allgegenwärtig.
Anders ausgedrückt: Philosophie liefert Begründungszusammenhänge, warum das, was Macht ohnehin zu tun beschlossen hat, für notwendig, wünschenswert und - oft genug - »gut« zu gelten hat. Noch anders gesagt: Sinn von Philosophie (mitsamt ihrer Schwester Theologie) ist die Verschleierung von intentionaler Willkür als dem zentralen Grundprinzip menschlicher Existenz.