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Gibt es Zufall?

BeitragVerfasst: Sa 30. Apr 2005, 00:40
von jaiden
... das ist eine Frage die mich schon länger quält, und die mir vermutlich auch wieder mal keiner in letzter Endgültigkeit beantworten können wird - aber eine Diskussion ist es wohl doch wert ;)

Im Prinzip würde es ja ausreichen, wenn es einen einzigen Prozeß im Universum gäbe, welcher _wirklich_ zufällig ist? Gibt es den? Könnte man es denn evtl. beweisen, dass dieser wirklich zufällig ist? Ich denke da gerade an so Sachen wie radioaktiven Zerfall, Heisenbergsche Unschärferelation bzw. Quantentheorie im allgemeinen...
Im Prinzip können wir es ja zunächst einmal nur nicht _messen_, was dabei passiert, und damit auch kein Gesetz zur Vorhersage aufstellen. Das heißt prinzipiell dann ja aber auch nicht, dass es keines _gibt_.

Gibts aus diesem Dilemma einen Ausweg?


jaiden

BeitragVerfasst: Sa 30. Apr 2005, 15:56
von ThomasM
Hallo jaiden

Ich kann an Deiner Abstimmung leider nicht teilnehmen, weil meine Antwort ein klares Jein ist.

Meine Antwort ist:
Naturwissenschaftlich müssen wir davon ausgehen, dass es echten Zufall gibt, weil sich die Prozesse des Universums, die sich naturwissenschaftlich darstellen lassen, nur alleine mit Hilfe von statistischen Mitteln und Wahrscheinlichkeitsvorhersagen beschreiben lassen. Hier gibt es keinen anderen Weg.

Diese Beschreibung muss so erfolgen, als würde sich das Universum zu jedem Zeitpunkt erst entscheiden, wie es weiter geht. Wir befinden uns dabei "innerhalb" dieses Systems, so dass wir echten Zufall und algorithmischen Zufall, der von innen lediglich echt aussieht, nicht unterscheiden können.

Nicht-naturwissenschaftlich gehe ich davon aus, dass hinter dem Universum ein universaler Geist steckt, den ich Gott nenne. Dieser kontrolliert den Zufall, indem er die relevanten Entscheidungen trifft, oder auch diese Entscheidungen solchen Geistern abgibt, die er nach seinem Abbild geschaffen hat. Insofern ist der Zufall kein echter.

Diese Auffassung ist allerdings vollständig nicht-naturwissenschaftlich und lässt sich nicht beweisen. Es lässt sich lediglich zeigen, dass sie mit den naturwissenschaftlich beobachtbaren Modellen konsistent ist.

Insofern kann ich Deine Abstimmung also nicht klar beantworten.

Gruß
Thomas

BeitragVerfasst: Sa 30. Apr 2005, 16:08
von Traitor
Im Naturwissenschafts-Forum gibt es schon diverse Threads dazu:
Zufall und Wahrscheinlichkeit
Ordnung, Chaos, Fuzzy
Und ein weiterer, in dem ich mich iirc mit Scuba zoffte, den ich aber gerade nicht wiederfinde.

Gehen wir die Sache hier also philosophischer an, würde ich sagen, und diese Richtung hat Thomas ja auch schon eingeschlagen.

@diesen erstmal: Einen Gott, dessen Wirken der Statistik folgt, stelle ich mir weder sehr ehrwürdig noch sympathisch/anbetungswürdig vor...
(Seriöser kann ich schlecht antworten, da der Glaubenssatz, wie du ja selbst sagst, hübsch unwiderlegbar ist ;) )

Zurück zur allgemeinen Fragestellung: Naturwissenschaftlich ist der Zufall nicht abstreitbar, höchstens auf fragwürdige Art weginterpretierbar. Also sehe ich ihn durchaus als real an, und da ein den Zufall steuerndes Etwas außerhalb des Universums der Theorie keine weitere Tiefe verschafft, sehe ich keinen Grund, dieses anzunehmen.

BeitragVerfasst: Sa 30. Apr 2005, 16:59
von Bowu
Für mich gibt es das Wort "Zufall". Es trägt in unserer Sprache die Bedeutung, dass die Ursachen eines konkreten Ereignisses für uns nicht wahrnehmbar oder fassbar sind.

Das Phänomen des Zufalls, liegt für mich nicht in den außer uns existierenden Objekten, sondern in der Mangelhaftigkeit unserer Wahrnehmung bzw. unseres Verstandes die Kausalität zu erkennen.

Wenn die Messung die Daten beeinflußt, so ist dieses nicht akausal. Und ein objektiv existierender Zufall müsste akausal sein.

BeitragVerfasst: Sa 30. Apr 2005, 21:16
von jaiden
@ThomasM: hm, aber nur, weil etwas mittels Statistik erklärt werden kann, heißt das doch nicht, dass es zufällig ist, oder?

Ansonsten muß ich gestehen, dass ich meine Frage selbst nicht beantworten kann, aber mich hat einfach interessiert, ob es Leute gibt, die meinen, die Antwort mit Sicherheit zu wissen - ich tu es jedenfalls nicht...

Dass wir einen Zufall, der uns von "außen" (also einer anderen Dimension, nennen wir sie Gott oder wie auch immer) "aufgedrückt" wird nicht erkennen können ist mir klar - da würde ich sogar dazu tendieren, dass dann als "echten" Zufall zu klassifizieren. Einfach, weil dabei in unserer Dimension keine Ursache für das entsprechende Ereignis existiert.

@Bowu: hm, für mich hat "Zufall" leider nicht so viel damit zu tun, ob man etwas wahrnehmen kann, oder nicht, sondern ob etwas existiert... Aber alleine über dieses Wort läßt sich ja wunderbar streiten...
Du bist im Prinzip also der Meinung, dass es keinen Zufall gibt, und damit alles determiniert ist?


jaiden

BeitragVerfasst: Sa 30. Apr 2005, 21:47
von Traitor
Zitat von Bowu:
Und ein objektiv existierender Zufall müsste akausal sein.


Zitat von jaiden:
da würde ich sogar dazu tendieren, dass dann als "echten" Zufall zu klassifizieren. Einfach, weil dabei in unserer Dimension keine Ursache für das entsprechende Ereignis existiert.


Das übliche Missverständnis. Zufälligkeit vs. Determiniertheit und Kausalität vs. Akausalität sind zwei verschiedene Kategorien. Die Zufälligkeit eines Ereignisses bedeutet nicht, dass es ohne Ursache geschehen ist, sondern nur, dass die exakte Ausprägung des Ergebnisses nicht fest in der Ursache angelegt war.
Am Beispiel aufgezeigt: der radioaktive Zerfall geschieht zufällig, aber er hat durchaus eine Ursache, nämlich inhärente Instabilitäten des Kerns.

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 00:22
von Ipsissimus
grundsätzlich, nach wie vor halte ich dafür, daß Menschen vieler Sachverhalte nicht bedürfen, solange sie die Illusion dieser Sachverhalte aufrechterhalten können. Zufall gehört zu solchen Sachverhalten, freier Wille neben vielen anderen ebenso.

Davon abgesehen glaube ich auch nicht, daß mensch eine sinnvolle Entscheidung über die etwaige Realexistenz von Zufall herbeiführen kann. Wenn es wirklich eine Frage ist, die dich quält, jaiden, dann ist es eher der Zufall als Kategorie menschlichen Ordnungswillens, und damit etwas, das zwar in der Denkwelt von Menschen fest etabliert ist, das aber kaum etwas mit Physik zu tun hat.

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 00:56
von jaiden
@Traitor:
okay, ich gebe zu, ich habe mich ein wenig unglücklich ausgedrückt... Ich meinte natürlich "keine Ursache für die Zufälligkeit in unserer Dimension existiert"...


@ Ipsi:
was aber nichts an der Tatsache ändert, dass ich diese Frage trotzdem mal ganz gerne beantworten können würde :)

jaiden

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 11:23
von Maurice
Bevor ich groß rumtexte erstmal eine Frage:
Warum interessiert es dich, ob es reale Zufälle gibt oder nicht?
Welchen Unterschied macht es für dein Leben?

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 11:57
von jaiden
naja, es wäre (wenigstens für mich) die Antwort, ob der Verlauf unserer Existenz von vornherein festgelegt ist, oder nicht...

jaiden

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 12:23
von Maurice
Und würde das wiederum einen Unterschied für dich machen?

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 12:30
von Traitor
@Ipsi: Nun kann ich jedoch mit dem gleichen unbegründeten, doch scheinbar süßen Überlegenheitsgefühl entgegnen:
"grundsätzlich, nach wie vor halte ich dafür, daß Menschen vieler Sachverhalte nicht bedürfen, solange sie die Illusion dieser Sachverhalte aufrechterhalten können. Mechanistik gehört zu solchen Sachverhalten, Determiniertheit des Menschen neben vielen anderen ebenso."

PS@Maurice: Wie kommt es, dass DU plötzlich daran zweifelst, ob philosophische Fragestellungen relevant sind?

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 12:56
von Maurice
Traitor du hast einen Fehlschluss begangen? Die Frage nach der Relevanz eiens Themas bedeutet nicht zugleich, dass man der Antwort keine Relevanz einräumt. ;)

Abgesehen davon finde ich, dass nicht jede philosophische Frage relevant ist, bzw. dass es mehr oder weniger relevante Frage gibt. Die Frage nach einem real existierenden Zufall ordne ich der letzteren Kategorie zu.

PS: Ob der Mensch determiniert ist oder nicht, lässt sich wohl durch Erfahrung nicht beweisen, sondern wird aus der zugrunde liegenden Methodik gefolgert. Dabei ist zu beachten, dass es noch kein schlüssiges Modell gegeben hat, die eine Akteurskausalität nicht nur aus praktischen Gründen zu rechtfertigen. Natürlich kann man auch einfach versuchen den Begriff "Willensfreiheit" umzudefinieren, aber löst das wohl nicht wirklich das Problem.

BeitragVerfasst: So 1. Mai 2005, 13:14
von Bowu
Zitat von Traitor:Am Beispiel aufgezeigt: der radioaktive Zerfall geschieht zufällig, aber er hat durchaus eine Ursache, nämlich inhärente Instabilitäten des Kerns.


Dein Beispiel beschreibt korrekt was "subjektiver" Zufall ist (also was die Bedeutung des Wortes Zufall für uns ist). Wir kennen in diesem Fall die Ursache der ,wie du es nennst, inhärenten Instabilität, kennen für einige Zerfallserscheinung die weitere Ursache (Auslöser) der Energiezufuhr.
Der Schluß, dass aus unserer Unkenntnis der weiteren Ursachen für einen spontanen Zerfall, dessen Zufälligkeit folgen muss, ist wohl kaum ernst gemeint.
Selbst wenn wir davon ausgehen, dass ein spontaner Zerfall, ohne äußere Einwirkung geschieht, so gibt es keine zwingenden Gründe anzunehmen, das der Zerfall nicht schon seid der Erschaffung des Kerns "programmiert" war.

Eine Black Box ist kein Zufallsgenerator.
(im objektiven Sinn)

Man kann Determiniertheit und Kausalität möglicherweise unterscheiden, dann aber so, dass Determiniertheit die objektive Außenwelt betrifft und die Kausalität die Ordnung unserer Vorstellungen betrifft. Die Zufälligkeit ist für beide Begriffe der Gegensatz. Wir nennen sie im Bewußtsein Akausalität, in der objektiven Welt Indeterminiertheit.

Determination ist die Festgelegtheit eines Ereignisses durch ihre Ursachen, zu diesen Ursachen gehört eben auch die Auslösbarkeit durch bestimmte Ereignisse.
Kausalität ist das Vermögen unseres Verstandes diese Ursachen und Wirkungen zu ordnen. Oder anders: Kausalität ist unsere (subjektive) Interpretation der Weltdetermination.

Wenn du von Akausalität auf Indeterminiertheit schließen willst, müßtest du objektiv sein, und dann noch Akausalität wahrnehmen.

BeitragVerfasst: Mo 2. Mai 2005, 00:24
von jaiden
@Maurice: Ja. Deshalb frage ich :D

jaiden

BeitragVerfasst: Mo 2. Mai 2005, 09:41
von Ipsissimus
@Ipsi: Nun kann ich jedoch mit dem gleichen unbegründeten, doch scheinbar süßen Überlegenheitsgefühl entgegnen:
"grundsätzlich, nach wie vor halte ich dafür, daß Menschen vieler Sachverhalte nicht bedürfen, solange sie die Illusion dieser Sachverhalte aufrechterhalten können. Mechanistik gehört zu solchen Sachverhalten, Determiniertheit des Menschen neben vielen anderen ebenso."
wozu der Stachel, Traitor? Glaubst du mir nicht, daß ich meine, was ich sage? Ganz davon abgesehen, daß deine "Entgegnung" das Prinzip des von mir Gemeinten lediglich mit weiteren Beispielen illustriert.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,353818,00.html enthält übrigens einen interessanten mathematischen Beitrag zum Thema, etwas spezialisiert allerdings

]@Ipsi:
was aber nichts an der Tatsache ändert, dass ich diese Frage trotzdem mal ganz gerne beantworten können würde


ist dir ja ungenommen :-) ich argumentiere lediglich dahingehend, daß bei vielen Fragen dieser Art Unentscheidbarkeit die "wirkliche" Antwort auf das Gesamtphänomen ist, woraus dann bestenfalls noch als Frage folgt, welche andere Antwort in welchem Kontext sinnvoll gegeben werden kann.

BeitragVerfasst: Mo 2. Mai 2005, 15:31
von jaiden
@Ipsi: meinst du mit "Unentscheidbarkeit" einfach nur, dass man es nicht wissen _kann_?
Ich gebe dir natürlich Recht damit, dass das auch eine Antwort ist, leider aber eine, die mich irgendwie nicht so recht zufrieden stellt... :(



jaiden

BeitragVerfasst: Mo 2. Mai 2005, 15:49
von Ipsissimus
ich meine damit, illustriert am Beispiel von Quantenvorgängen: wenn die Heisenbergsche Unschärferelation eine prinzipielle Grenze der Beobachtungsgenauigkeit formuliert, dann ist die Unentscheidbarkeit hinsichtlich der Frage der Zufälligkeit von Ereignissen, die unter dieser Grenze liegen, in die Struktur unseres Universums fest integriert. Die "wahre" Antwort wäre dann: unentscheidbar. Daran ändern auch statistische Wahrscheinlichkeitsaussagen nichts, ebensowenig wie Spekulationen der weiter oben ausgeführten Art über das Verhältnis zwischen Kausalität und Determiniertheit.

Mit Ungewißheiten leben zu können, ist auch eine Notwendigkeit.

BeitragVerfasst: Mo 2. Mai 2005, 16:14
von jaiden
Nun gut, dass ist soweit klar...

Trotzdem gibt es im Prinzip 2 Hypothesen, was denn "unterhalb" dieser Beobachtungsgrenze passiert:

a) es läuft wirklich alles zufällig ab, nach außen macht sich das durch die Statistik bemerkbar

b) es gibt eine Art "Programmierung", die sich von außen aber auch als Statistik wahrgenommen wird

( c) eine ganz andere Möglichkeit, an die bislang noch keiner gedacht hat, oder denken konnte...)


Was mich halt interessieren würde ist, ob es trotz der Beobachtungsgrenze ne Möglichkeit gibt, sich (mit einer gewissen Sicherheit) für eines von beidem zu entscheiden, oder ob alles nur geraten wäre.


Deinen Nachsatz verstehe ich aber nicht so genau: warum soll das eine Notwendigkeit sein? Wofür?


jaiden

BeitragVerfasst: Mo 2. Mai 2005, 16:43
von Ipsissimus
mein Nachsatz bezog sich auf deine Aussage, wonach es dich nicht recht zufriedenstellen kann, die Frage im Unentscheidbaren zu belassen. Das ist eine der vielen Ungewissheiten, mit denen mensch leben muss, einfach weil sie "da sind".

Diese drei Hypothesen bringen dich aber der Entscheidbarkeit keinen Schritt näher. Wenn du allerdings als Rahmenbedingung "mit einer gewissen Sicherheit" einführst, gibst du die exakte Entscheidung natürlich auf, was imo klug ist, dich aber nicht zufriedenstellt, wenn ich dich richtig verstanden habe.

Letztlich scheint es eine Frage des Weltbildes zu sein, und da gilt: was wir hineinstecken, erhalten wir wieder heraus.