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Virtualität und Realität

BeitragVerfasst: Di 13. Sep 2005, 20:18
von Maurice
Ich hatte vor kurzen einen Beitrag in den Thread "Ist virtuelle Liebe real?" gepostet und eine in meinen Augen Begriffskonfusion aufgedeckt:
Ist virtuelle Liebe real? Was heißt real? Real meint, dass etwas Entsprechendes zu bestimmten Meinungen existiert. So ist der Baum, den ich meine vor meinem Zimmer zu sehen dann real, wenn es einen zu meiner Meinung entsprechenden Baum gibt, den ich vor meinem Zimmer vermute. Mit entsprechend ist nicht gemeint, dass mein Gedanke und das existierende Objekt haargenau übereinstimmen. Wenn dies nun nicht der Fall ist, dann ist der Baum, den ich mir vorstelle nicht real, weil er nicht existiert. Das einzige was dann existiert ist nur eine Vorstellung von einem Baum, aber nicht der Baum, auf den die Vorstellung zu verweist.
Also: real = existierend -> alles was existiert ist real
Daraus folgt, dass es streng genommen Unsinn, weil widersprüchlich ist, wenn man sagt, dass es unreale Dinge gibt, denn "gibt" gibt an, dass etwas existiert und wenn etwas unreal ist nicht existiert, dann kann ich nicht gleichzeitig existieren. Es können keine inexistenten Dinge existieren.
Kehren wir wieder zu der Frage zurück, ob virtuelle Liebe real ist, dann können wir genauso gut fragen, ob virtuelle Liebe existiert, weil das gleichbeutend mit der ersten Frage ist. Um das nun zu beantworten muss man sich fragen, ob "virtuell" hier gleichbedeutend mit "inexistent" ist. Ich meine die Antwort lautet nein, weil das Wort "virtuell" hier nicht meint, dass diese Liebe nicht existiert, sondern nur die Umstände beschreibt. Da nun auch eine virtuelle Liebe eine Art der Liebe ist und somit existiert, ist sie auch real.

Ich finde an dem Beispiel wird deutlich, dass es eine Konfusion der Begriffe bezüglich "real" und "virtuell" gibt, da die beiden oft als Gegensätze beschrieben werden, obwohl das Virtuelle ein Teil der Realität ist, weil es sonst das Virtuelle nicht geben würde. Hier halte ich es für notwendig, dass man nach passenderen Ausdrücken suchen sollte.

Der letzte Abschnitt sagt ja schon auf was ich hinaus will.
Ich würde gerne hier diskutieren, was man denn eigentlich unter "virtuell" versteht und ob man diesem Begriff einen anderen passend gegenüberstellen kann. :)

BeitragVerfasst: Di 13. Sep 2005, 23:50
von Traitor
Die Konfusion kommt primär durch die Computertechnik zustande. "Virtuell" ist, was nur im Computer existiert, "real" das, was auch außerhalb davon, "klassisch" sozusagen, existiert. "Virtuell" wird nicht als Synonym zu "irreal" verwendet, bzw. das "real", das als Antonym zu "virtuell" verwendet wird, ist ein stärker eingeschränktes "real" als das, das "irreal" gegenübersteht.
Es gibt also:
Reales im engeren Sinne, diesem gegenüber stehen Virtuelles und Irreales.
Reles im weiteren Sinne, es enthält das Virtuelle (und somit alles existente) und steht nur dem Irrealen gegenüber.

BeitragVerfasst: Mi 14. Sep 2005, 18:14
von e-noon
Das meiste ist schon gesagt... "unvirtuell" würde es wohl für die erste Zeit tun, klingt aber nicht so elegant... vielleicht plastisch? Obwohl es ja auch scheinbar plastische PC-Spiele gibt... wobei ich mich auch für fähig halte, die beiden Begriffe unter demselben Wort am Kontext zu erkennen, aber es sorgt sicher bei so manchem für Ungenauigkeit oder gar Verwirrung ^^

BeitragVerfasst: Do 15. Sep 2005, 01:45
von C.G.B. Spender
Zum Cyberspace allgemein fällt mir sofort das Buch "Die Himmelstür zum Cyberspace" ein, von Margaret Wertheim. Nach der Lektüre würde man wohl kaum wagen zu behaupten, dass die virtuellen Dinge, die Vorgänge in Datennetzen, nicht zur Wirklichkeit, also zur Realität gehören.

Das Plastische, oder etwas stärker formuliert, das Greifbare, ist für viele Menschen, mich eingeschlossen, sicher weniger abstrakt, als die Vorgänge innerhalb eines Datennetzes oder eines Computers. Wir Menschen nehmen die Welt nunmal mit unseren gesamten Sinnen war, daher mag es kaum verwundern, wenn man eine Grenze zwischen den Vorgängen in der greifbaren und digitalen Welt zieht, indem man das eine als virtuell und das andere als real bezeichnet.

Diese Begriffe sind durchaus legitim, als eine Art Abstufung, finde ich, zumal es in der digitalen Welt des Internets von Täuschungen und Fälschungen nur so wimmelt.
Copy und Paste, z.B., funktionieren im Leben außerhalb des PCs halt nur eingeschränkt. ;)


Wirklich interessant finde ich die verschiedenen Raumvorstellungen, aber das führt hier vielleicht zu weit. Virtualität ist nunmal gar kein Raum im herkömmlichen Sinne, es werden nur Daten hin und hergeschoben. Trotzdem gibt es im Datennetz eine gewisse Illusion eines Raumes, wenn auch nur die Illusion eines geistigen Raumes der Information, oder die eines 3D-Spieles. Ein 3D-Online-Spiel ist die Illusion einer anderen Welt.

Vielleicht ist aber auch der wirkliche Raum eine Illusion? Materie, die "nur" eine Aneinanderreihung von Teilchen mit mehr oder weniger stabiler Energie ist.

Wo man auch hinschaut: Reale Illusionen. ;)