Was ist Wahrheit?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
superconductor
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Di 14. Mär 2006, 21:30 - Beitrag #1

Was ist Wahrheit?

Wie definiert ihr Wahrheit?

Sehr gut gefällt mir folgende "Definition":
Wahrheit ist, wenn das Getane mit dem Gesprochenen übereinstimmt.

Doch ist diese die wahre Definiton von Wahrheit?

Ipsissimus
Dämmerung
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Mi 15. Mär 2006, 12:12 - Beitrag #2

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben ... :-)


"Wahrheit" ist aus meiner Sicht der Dinge eine der am meisten überbewerteten Begrifflichkeiten der Menschheitsgeschichte. In ihrer idealistischen Absolutheit prinzipiell unerreichbar, als Ideal öfter missbraucht als nützlich, verweigert sich die Forderung nach "Wahrheit" dem relativ einfach zu beobachtenden Umstand, daß in der Lebenspraxis von Menschen Wahrheit fast bedeutungslos ist. Jeder Mensch lügt jeden Tag viele Male "in Wort und Verhalten", zumindest gemessen am Ideal (Maurice, zu dieser Allaussage stehe ich^^; ob sie es freilich immer von sich selbst merken, ist nochmal eine andere Frage)

Die meisten Menschen dürften aber ein relativ feines Empfinden dafür haben, welches Ausmaß und welche Charakteristika Lügen aufweisen dürfen, um noch sozialkompatibel zu bleiben oder sogar überhaupt erst Sozialkompatibilität herzustellen.

"Wahrheit" ist imo ein Mythos; es geht außerhalb religiöser und moralischer Ansprüche nirgends um Wahrheit, sondern um Interpretation und um Situation, um Absichten mithin - was schert mich mein Geschwätz von gestern, um einen unserer Altbundeskanzler zu zitieren.

Lykurg
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Mi 15. Mär 2006, 13:27 - Beitrag #3

(37) Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.
(38) Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit? Und als er das gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu den Juden und spricht zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.
(Joh 18, 38f.)
Ich habe Pilatus immer gemocht. :) Was hätte es noch einer Antwort bedurft? In meinen Augen hatte er in diesem Moment verstanden.^^ - Unsäglich daher die Pilatusverfluchung im MA...

Aber, Ipsissimus, "öfter missbraucht [!] als nützlich" würde ich so nicht unterschreiben, schließlich ist gerade der Mißbrauch äußerst nützlich.^^
Wobei mE Wahrheit "in Wort und Verhalten" (absolute Übereinstimmung) realistisch dermaßen unerfüllbar ist, daß der Begriff in dieser Verwendung gänzlich unbrauchbar wird.

Wahrheit ist im Alltag die Information, mit der ein Mensch, der sie einem anderen gibt, auf beiden Seiten das bestmögliche Ergebnis erzielt. :crazy:
(Das ist als Definition gemeint, nicht als Beschreibung eines Aspekts.^^)

Ipsissimus
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Mi 15. Mär 2006, 13:46 - Beitrag #4

Im Grunde sagt Pliatus an dieser Stelle "armer Irrer"^^

Lykurg, ich habe bei der von dir zitierten Stelle immer den Eindruck, daß da was fehlt^^ also nicht deinem Zitat, sondern insgesamt der Schilderung der Situation. Sie wirkt auf mich so unvollständig in ihrer Stilisiertheit

Superleiter, interessant finde ich noch deine Schlussfrage, nach der "wahre[n] Definition von Wahrheit". Ich hätte jetzt nach einer angemessenen, allgemein akzeptierten, konsensentsprechenden udgl. Definition gefragt. Aber die "wahre" Definition? Hmm, welche Vorstellung verbindest du damit? So à la Jesus, wie schon dargestellt? Jesus als die wahre Wahrheit? Glaubst du, daß es viele Auffassungen von Wahrheit gibt, aber nur die eine wahre Wahrheit?


Traitor, ich finde es wird Zeit für ein Religionsforum^^ nein, ich stehe nicht als Moderator zur Verfügung^^

Lykurg
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Mi 15. Mär 2006, 14:17 - Beitrag #5

Ipsissimus, das ist eine Deutung, die ich dabei nicht ausschließen möchte - sie ist, wenn man so will, auch schon als Antwort auf "Mein Königreich ist nicht von dieser Welt" problemlos zu verstehen. Und daß da etwas fehlt, daß Johannes 'gnadenlos' stilisiert, macht ja auch den besonderen Reiz seines Textes aus.^^

Ich bezweifle sehr, daß ein Religionsforum wirklich eine allzugute Idee wäre - meine eher, daß es dem Philosophiebereich schaden könnte, wenn man ihm alle nicht hinlänglich akademischen Themen abzöge. (Und wenn, dann natürlich nur mit Ipsissimus als Mod!^^)

Ja, die "wahre Definition von Wahrheit" fiel mir auch auf, allerdings wertete ich das eher als eine leicht irreführende Zuspitzung; von mir übergangen, da tautologisch.

Maglor
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Mi 15. Mär 2006, 14:38 - Beitrag #6

Im Grunde ist die Wahrheit keineswegs nützlich. Natürlich wird sie missbraucht. Gern zieht man die häßliche Fratze der Wahrheit hervor, um anderen eins auszuwischen. Man nimmt ihnen die liebliche Maske Lüge, hält ihnen den Spiegel vor und zeigt ihnen ihr wahres Gesicht. So benutzt, wird die Wahrheit zur Waffe.
Natürlich gibt es die Wahrheit als konventionelle Tatsache und die Wahrheit als reele Tatsache. Erstere ist durch empirische Studien erfassbar, zweitere wohl kaum.
Tatsächlich haben Lügen, Einbildungen und Wahnvorstellungen größere Bedeutungen für den Menschen als die Wahrheit an sich. Man denke nur an aktuelle Ereignisse wie die Vogelgrippe.
Tatsächlich haben auch Legenden und Mythen größeren Einfluss als das tatsächliche Geschehen. Es kommt gar nicht so sehr auf ein Ereignis an, viel mehr auf die Nachricht.
Zu guter Letzt das Johannes-Evangelium 8, 42 - 45
"Jesus sprach zu ihnen: Wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr mich; denn ich bin von Gott ausgegangen und komme von ihm; denn ich bin nicht von selbst gekommen, sondern er hat mich gesandt. Warum versteht ihr denn meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt! Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er Lügen redet, so spricht er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge. Weil ich aber die Wahrheit sage, glaubt ihr mir nicht."
Merke: Wer den Teufel zum Vater hat, muss nunmal die Lügen glauben. Auch wenn sie die Wahrheit kennen, können sie sie nicht erkennen.
MfG Maglor

Padreic
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Mi 15. Mär 2006, 15:03 - Beitrag #7

@Ipsissimus
Ich würde einen wesentlich Unterschied konstatieren zwischen Lügen gegenüber anderen und Lügen gegenüber sich selbst. Zumindest ist für mich letzteres zu vermeiden das Ideal.

Wenn man religiöse und moralische Ansprüche jeglicher Art meidet, dann ist egal, was wahr ist, da gebe ich dir recht; es ist bedeutungslos, ob man sich etwas einbildet oder ob eine Sache wirklich so ist. Es ist bedeutunglos, ob ich jemandem Leid zufüge, solange ich es nicht mitbekomme (/mitbekommen will). So lange ich mir konsistent einbilden kann, ein geliebter Mensch sei an einem Unfall gestorben, ist es egal, dass er wegen mir Selbstmord begangen hat. So lange ich nur fest dran glaube, dass es einen Gott gibt, ist es egal, ob er wirklich existiert.
Obwohl ich glaube, dass Selbstbetrug immer Leid bringt. Nicht immer mehr Leid als so mancher Zustand ohne Selbstbetrug, aber vom "wahren" Glück wird man immer noch ein wenig entfernt sein, so lange man sich selbst belügt.

Wie kann übrigens ein Begriff ein Mythos sein? ;)

Und ich muss wohl nicht betonen, dass mir, da ich moralische und religiöse Ansprüche habe, wenn man so will, Wahrheit nicht egal ist.

Ipsissimus
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Mi 15. Mär 2006, 15:10 - Beitrag #8

was mir an dieser Stelle vor allem auffällt, Maglor, ist die von Jesus betriebene inhaltliche Selbstabsicherung durch zirkulär einander begründende Behauptungen.

Lykurg, wenn, dann garantiert nur ohne mich als Mod^^

/edit

Padreic, daß es ein Ideal gibt, Lügen zu vermeiden, bestreite ich gar nicht. Im Begriff des Ideals ist aber auch schon der unerfüllbar hohe Anspruch mitformuliert, welcher der Realität nicht standhält.

Wenn man religiöse und moralische Ansprüche jeglicher Art meidet, dann ist egal, was wahr ist, da gebe ich dir recht; es ist bedeutungslos, ob man sich etwas einbildet oder ob eine Sache wirklich so ist ...


es geht doch aber etwas pragmatischer zu im Leben, oder? Wir vertrauen Fahrplänen ("Vertrauen" im weitesten Sinne^^), wir treffen Entscheidungen auf der Basis für wahr genommener Informationen uvm. Und bei den allermeisten dieser Situationen kommt es nicht wirklich darauf an, ob sie in einem idealistischen Sinne wahr sind, sondern ob sie trotz ihrer Abweichungen von der Absolutheit praktikabel bleiben.

Es ist bedeutunglos, ob ich jemandem Leid zufüge, solange ich es nicht mitbekomme (/mitbekommen will). So lange ich mir konsistent einbilden kann, ein geliebter Mensch sei an einem Unfall gestorben, ist es egal, dass er wegen mir Selbstmord begangen hat.


WENN es einem Menschen bedeutungslos ist, und WENN es ihm gelingt, diese Täuschungen vor sich selbst durchzuhalten (was impliziert, daß er sie bei Notwendigkeit auch vor anderen durchhalten kann), dann ja, ist das für diesen Menschen bedeutungslos^^ Die Sieger schreiben, wie die Geschichte war. Und an die Akashachronik glauben nur Esoteriker, an die Hölle nur Gläubige.


So lange ich nur fest dran glaube, dass es einen Gott gibt, ist es egal, ob er wirklich existiert.


ditto ^^


Obwohl ich glaube, dass Selbstbetrug immer Leid bringt. Nicht immer mehr Leid als so mancher Zustand ohne Selbstbetrug, aber vom "wahren" Glück wird man immer noch ein wenig entfernt sein, so lange man sich selbst belügt.


das ist noch so ein idealistischer Begriff. Glück und "wahres" Glück gar. Ich kenne Glücksmomente, auch ausgedehntere. Sie kommen und gehen, und ihr Kommen und Gehen ist kontingent.


Wie kann übrigens ein Begriff ein Mythos sein?


Begriffe verweisen auf etwas. Das, worauf sie verweisen, kann ein Mythos sein.

Maglor
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Mi 15. Mär 2006, 15:24 - Beitrag #9

Wenn man sich mit Wahrheit und Lüge auseinandersetzen will, empfehle ich mal die Auseinandersetzung mit Leben, Wirken und Handeln des Generalissimus Stalin in Film und Fernsehn sowie der Sowjet-Union. Insbesondere: Der Film "Der Schwur" von 1946 und deren Nachwirkung im Reden und Handeln Stalins. :rolleyes:

Ipsissimus
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Mi 15. Mär 2006, 16:52 - Beitrag #10

na ja, "Der Schwur" ist aber eher komisch als irgendwas anderes. Natürlich manifestiert sich darin die - gelebte - Überzeugung Stalins, der rote Gott zu sein, aber ob der Film diese Überzeugung hervorgebracht hat, dürfte mehr als fraglich sein; er ist letztlich nur ein Film unter vielen dieser Art.

Maglor
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Mi 15. Mär 2006, 17:00 - Beitrag #11

Natürlich ist es nur einer von vielen Stalin-Filmen. Der Witz aber auch den ich hinauswill, ist folgender:
Im Film schwört Stalin an Lenins Grab. Tatsächlich gab es während der Beerdigung keinen Schwur Stalins; es handelt sich um eine Erfindung des Autors. In späteren Reden jedoch, spielt Stalin auf eben jene Filmszenen an und macht den Schwur an Lenins Grab zum Teil seiner eigenen Person.
Was hat nun die Welt mehr geprägt: Die Wahrheit oder der Schein?
War nicht eben jener Schein, jener angeblicher Schwur, nicht wirklich und gegenwärtig in der Sowjet-Union.
Letztlich liegt ein großer Teil des stalinschen Selbstverständnisses als Diktator in eben jenem Schwur begründet, der nur im Kino existierte.
MfG Maglor

Maurice
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Mi 15. Mär 2006, 19:42 - Beitrag #12

Ich gehe davon aus, dass ihr, wenn ihr von "Wahrheit" sprecht, wahre Aussagen meint. Kann aber gut sein, dass ich mich hier täusche, denn meisten Posts scheinen sich hier weniger mit der Frage zu beschäftigen, wann eine Aussage wahrt ist. Man sollte versuchen, nicht irgendwie auf die Relighion zu kommen, die führt zu nichts.

Wenn man religiöse und moralische Ansprüche jeglicher Art meidet, dann ist egal, was wahr ist

An sich ist alles egal, aber meistens nicht für ein konkretes Subjekt. Und ich verstehe nicht, warum ein atheistischer Amoralist notwendig kein Interesse an der Wahrheit haben sollte. Man denke nur mal an die Wissenschaftler dieses Kalibers, die einem wissenschaftlichen Realismus anhängen.
Ich finde deine These unplausibel.


BTT:
Wann ist eine Aussage wahr? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten die besonders verbreitet sind: Die Korrespondenztheorie und die Kohärenztheorie. Die meisten Menschen meinen die erste zu vertreten (ich ebenfalls), die besagt: Eine Aussage ist dann wahr, wenn sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Die andere besagt: Eine Aussage ist dann wahr, wenn sie in keinem Widerspruch zu meinen übrigen Meinungen steht.
In der Praxis sind wir aber (fast) alle Kohärenztheoretiker. Das müssen wir auch sein, wenn wir das so liebgewonnene Wort "Wissen" nicht annähernd vollständig aus unserem Sprachgebrauch tilgen wollen. Doch streng genommen müssten wir, wenn wir konsequent sein wollten (aber wer will das schon?) selbst bei letzteren Ansatz auf das Wörtchen "wissen" verzichten, da wir weder sagen können, ob eine Aussage mit der Wirklichkeit übereinstimmt, noch ob eine Aussage mit unseren Meinungen übereinstimmt. Wir können es nur aus Überzeugung, nicht aber mit Sicherheit sagen.

... Uh ich merke gerade, dass ich etwas abschweife. Aber wir hatten diese Diskussion vor nicht allzu langer Zeit schon sehr ausführlich behandelt. Mindestens Traitor und Ipsi sollten sich an diesen Thread noch erinnern.


PS: Ipsis Aussagen haben mich spontan an Nietzsche erinnert. Ist diese Assoziation berechtigt? ;)

PPS @superc: Als ich deine Def gelesen hatte, musste ich sofort denken, dass sie wie eine Umkehrung eines performativen Widerspruchs klingt. ^^

Padreic
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Mi 15. Mär 2006, 21:08 - Beitrag #13

@Maurice:
Ich denke, der Kohärenzbegriff von Wahrheit hat mit Wahrheit erstmal nichts zu tun. [ich weiß, Definitionen können nicht wahr oder falsch sein, aber ich kann auch meine Katze Wahrheit nennen] Die Kohärenztheorie beschreibt, wann wir eine Aussage als wahr bezeichnen bzw. annehmen, dass eine Aussage wahr ist. Aber der Begriff hat viele Konsequenzen, die ich als für einen Wahrheitsbegriff nicht angemessen halten würde (Ipsi wird mir sicherlich widersprechen): Zeitabhängigkeit und Subjektbezogenheit oder Verletzung des Satzes vom Widerspruch.

Die Korrespondenztheorie halte ich allerdings auch (zumindest ohne weitere Verfeinerung) für problematisch. Die beiden problematischen Wörter sind 'wenn' und 'übereinstimmen'.
Wenn ich etwas definiere, so muss traditionellerweise die rechte Seite bekannt sein und insbesondere nicht den zu definierenden Begriff enthalten. Benutzt aber so ein logisches Symbol wie das Wort 'wenn' nicht schon den Begriff der Wahrheit? Eine Aussage ist wahr, wenn die Bedingung erfüllt ist, dass die Aussage der Wirklichkeit entspricht. Ist das eine andere Aussage? Wenn nein, was ist dieses 'erfüllt' denn anderes als 'es ist wahr'? Ich könnte die Definition wieder einsetzen: "es entspricht der Wirklichkeit, dass diese Aussage der Wirklichkeit entspricht" Das ist für mich aber nicht klarer.
Und leitet gleich zum zweiten Punkt. Was heißt es, dass eine Aussage der Wirklichkeit entspricht? Eine Aussage verweist auf einen Verhalt, der eben in der Wirklichkeit zutrifft oder eben nicht; so würde ich es naiv formulieren. Schwieriger wird es mit abstrakten Aussagen. Beispielsweise mathematische Aussagen. Oder auch Aussagen wie: "Die Aussage X entspricht der Wirklichkeit." Verweist eine solche Aussage wirklich auf die Wirklichkeit oder nur auf das Verhältnis von Aussagen zu Wirklichkeit?

A propos: Was ist überhaupt eine Aussage? Siehst du sie als Abstraktum oder als konkrete sprachliche Äußerung? Und ist für dich der Begriff 'Wahrheit' eine bloße Abkürzung für irgendetwas oder hat es einen ontologischen Status?

[Entschuldige meine Fragenkaskade. Die Fragen sind konstruktiv destruktiv gemeint; also teilweises Einreißen zu einem festeren Bau.]

An sich ist alles egal, aber meistens nicht für ein konkretes Subjekt. Und ich verstehe nicht, warum ein atheistischer Amoralist notwendig kein Interesse an der Wahrheit haben sollte. Man denke nur mal an die Wissenschaftler dieses Kalibers, die einem wissenschaftlichen Realismus anhängen.
Ich finde deine These unplausibel.

Nunja, dann formuliere ich meine These um: es gibt keinerlei aus praktischen Erwägungen folgenden Grund, Wahrheit irgendeine Bedeutung beizumessen. Darüber, inwieweit man diese Wissenschaftler religiös nennen kann, will ich jetzt nicht diskutieren.

@Ipsissimus:
Padreic, daß es ein Ideal gibt, Lügen zu vermeiden, bestreite ich gar nicht. Im Begriff des Ideals ist aber auch schon der unerfüllbar hohe Anspruch mitformuliert, welcher der Realität nicht standhält.

Nein. In dem Sinne, dass es vollständig real erfüllt werden kann, hast du vermutlich recht, aber eben als Ideal, dass es einen kontinuierlich dazu antreibt, sich ihm anzunähern, hält es durchaus der Realität stand.

es geht doch aber etwas pragmatischer zu im Leben, oder? Wir vertrauen Fahrplänen ("Vertrauen" im weitesten Sinne^^), wir treffen Entscheidungen auf der Basis für wahr genommener Informationen uvm. Und bei den allermeisten dieser Situationen kommt es nicht wirklich darauf an, ob sie in einem idealistischen Sinne wahr sind, sondern ob sie trotz ihrer Abweichungen von der Absolutheit praktikabel bleiben.

Klar, für alles Pragmatische hast du recht. Aber es geht eben nicht immer nur pragmatisch zu.

das ist noch so ein idealistischer Begriff. Glück und "wahres" Glück gar. Ich kenne Glücksmomente, auch ausgedehntere. Sie kommen und gehen, und ihr Kommen und Gehen ist kontingent.

Ja, was impliziert, dass du noch nicht das "wahre" Glück gefunden hast ;). Das wäre das Glück, dass einen durchdringt und bleibt und keinen Grund hat zu schwinden.

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 16. Mär 2006, 00:14 - Beitrag #14

dass du noch nicht das "wahre" Glück gefunden hast


ich habe den Weihnachtsmann, den goldenen Drachen und das rosafarbene Einhorn auch noch nicht gefunden^^ was nicht impliziert, daß es sie gibt^^

Maurice
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Do 16. Mär 2006, 16:41 - Beitrag #15

es gibt keinerlei aus praktischen Erwägungen folgenden Grund, Wahrheit irgendeine Bedeutung beizumessen.

Sorry aber wie du zu dieser Schlussfolgerung kommst ist mir völlig unklar.
Die Frage, ob eine Aussage wahr ist, hat allein schon deshalb eine Bedeutung für mich, weil es mich interessiert, ob sie wahr oder falsch ist. Und die Frage interessiert mich, weil von ihr zu einem großen Teil abhängt, wie erfolgreich meine Pläne für die Zukunft sind. Das hat erstmal nichts mit Religon oder Moral zu tun. Werte setzen weder Moral noch Religion voraus.

@Kohärenztheorie: Wenn ich die von mir gelesenen Lexikonbeträge und die Ausführungen der Dozenten richtig verstanden habe, dann sagt die Koheränztheorie, dass die Aussage wahr ist, die mit unseren übrigen Meinungen übereinstimmt und nicht nur, dass wir sie für wahr halten.

Hier eine Passage die meine Aussage stützt (das beste was ich auf die Schnelle gefunden habe):
Schon bei der Korrespondenztheorie mußten die zu überprüfenden Aussagen anhand von Beobachtungsaussagen als wahr bestimmt oder als falsch verworfen werden. Die Kohärenztheorie der Wahrheit vergleicht nur noch Aussagen untereinander. Sie nimmt daher - in Absetzung zur Korrespondenztheorie - nicht auf etwas Bezug, das außerhalb des Denkens liegt. Ein Satz ist wahr, wenn er sich widerspruchsfrei in das Netz der bestehenden wahren Aussagen einordnen läßt.
(Quelle: http://www.gavagai.de/themen/HHP68.htm)

Pad dir liegt ein falsches Verständnis vor, für was das Wort "Kohärenztheorie" steht. Oder liegen dir nur andere Quellen vor?

@Aussage: Was eine Aussage ist? Kann man wohl in jeder Einführung in die Sprachphilosopie nachlesen. Eine Aussage ist die Proposition, der Inhalt der einer sprachlichen Äußerung zu Grunde liegt. (Ontologisch würde ich eine Aussage als einen Gedanken einordnen.)

Was deine Kritik zu der Korrespondenztheorie angeht, so kann ich sie leider nicht nachvollziehen. Ich kann leider nicht sehen, wo für dich das Problem ist.
Beispiel:
Ich behaupte, dass in diesem Zimmer ein Bett steht. Diese Aussag ist (nach der Korrtheo.) dann wahr, wenn in diesem Zimmer wirklich ein Bett steht.
Wo ist hier das Problem? :confused:

Ipsissimus
Dämmerung
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Ich behaupte, dass in diesem Zimmer ein Bett steht. Diese Aussag ist (nach der Korrtheo.) dann wahr, wenn in diesem Zimmer wirklich ein Bett steht.


das kommt drauf an^^ was ist, wenn in diesem Zimmer mehrere Betten stehen? Dann ist die Aussage, daß darin ein Bett steht, zwar auch wahr, aber doch eine Irreführung.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, mit wahren Aussagen Unwahres zu sagen. Mein Chef verlangt von mir, einen Sachverhalt zu überprüfen, fragt mich eine Stunde später, ob ich ihn überprüft habe. Ich sage "ja" und lüge nicht, weil ich den Sachverhalt überprüft habe. Daß das gestern gewesen ist, braucht Chef nicht zu erfahren.

Maurice
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Do 16. Mär 2006, 17:16 - Beitrag #17

Oje da nimmt es einer ganz genau. ;)
Ok ich kann das Beispiel so präzisieren, dass es eindeutig ist:
Ich behaupte, dass in diesem Zimmer mindestens ein Bett steht. Die Aussage ist dann wahr, wenn in diesem Zimmer mindestens ein Bett steht.

Meine Frage bleibt, wo hier das Problem sein soll. Es versteht doch jeder hier, was ich ausdrücken will.

PS @Pad: Du siehst hier scheinbar ein Problem, ich aber nicht. Deshalb ich mir gerade noch eine Frage eingefallen: Existiert das Problem nur für dich oder auch für mich, selbst wenn ich kein Problem vorliegen sehe? Hat ein Problem eine unabhängige Existenz?
PPS: Hmm hat das überhaupt noch was mit dme Thema zu tun? ^^*

Ipsissimus
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Do 16. Mär 2006, 17:26 - Beitrag #18

das ist aber ein etwas anderes Problem, Maurice, nämlich ob man Aussagen eindeutig machen kann. Das kann man möglicherweise, aber dabei verändert man sie. "In diesem Zimmer steht mindestens ein Bett" ist etwa anderes als "In diesem Zimmer steht ein Bett."

Wir sprechen aber im Alltag überwiegend in nichteindeutigen Sätzen. Und da haben wir ein Problem mit der Kohärenztheorie, die, soweit ich sie verstehe, nur mit wirklich eindeutigen Situationen und Aussagen funktioniert, also mit der Mehrzahl aller Situationen und Aussagen nicht.

Maurice
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Soweit ich die Kohärenztheorie verstanden habe, spielen nur Aussagen und ihre logische Verknüpfung eine Rolle. (Siehe auch den Link oben.)

Dass wir im Alltag oft Äußerungen tätigen, deren Aussage für den Gegenüber nicht eindeutig zu erkennen ist, sehe ich auch als ein Problem. Dieses lässt sich aber zumindest zu einem bestimmten Grad reduzieren, wenn man darum bemüht ist, sich für den anderen eindeutig auszudrücken.
Damit lassen sich freilich nicht alle Missverständnisse aus der Welt schaffen, allein schon weil unsere Sprache alles andere als optimal ist.

janw
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Do 16. Mär 2006, 17:58 - Beitrag #20

Zitat von superconductor:Wahrheit ist, wenn das Getane mit dem Gesprochenen übereinstimmt.

Das korreliert recht gut mit meinem Konzept von "Wirklichkeit" und "Realität".
Die Gesamtheit der unmittelbar wirkenden Verhalte und Beziehungen bezeichne ich als Wirklichkeit, unser jeweils individuelles Konstrukt derselben als Realität.
So gesehen, wenn Wirklichkeit iSv. "das Getane" deckungsgleich würde mit dem Produkt von dessen Vermittlung an uns, das könnte mensch als Wahrheit bezeichnen.

Wobei sich dann die Frage stellt, wie relevant eine solche Wahrheit ist.
In meinen Augen ist es notwendig, zu erkennen, daß das Bild der Welt, wie es sich "uns" darbietet, ein Konstrukt unseres Hirns aus Sinnesdaten und emotionaler Einfärbung ist. Sinnesdaten, die der Außenwelt entstammen und diese selektiv repräsentieren.
Dem Erkennen der relativen Singularität dieser Konstrukte könnten einige kommunikativ bedingte Konflikte zum Opfer fallen, es müßten nur alle Konstrukte als gleichwertig erachtet werden, da auf vergleichbarer Datenbasis und Konstruktionsalgorithmen basierend.

Das genaue Wie des Soseins der Außenwelt ist p.d. nur näherungsweise zu erfassen, wie auch die Wahrheit eben nur etwas näherungsweise zu erreichendes ist. Die Mathematik liegt sicher im größten Näherungsbereich.

Wie ein Altbundeskanzler mal sagte: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt".

Zitat von Maurice:Man sollte versuchen, nicht irgendwie auf die Relighion zu kommen, die führt zu nichts.

Maurice, Du fürchtest die Religion, wie der Teufel das Weihwasser^^

Ipsi, Kommunikation schafft Wirklichkeitsillusionen, die Wahrheit ist irgendwo da draußen^^
Hoffentlich ändert sich nicht zu viel von gestern auf nachher...

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