Was ist ein "Agnostiker"?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mo 11. Sep 2006, 00:07 - Beitrag #1

Was ist ein "Agnostiker"?

Ich fürchte zwar, dass dieser Thread mich nur noch merh verwirren wird, aber ich versuche es trotzdem mal... gibt es eine Standard-Definition von "Agnostiker", die eindeutig und leicht verständlich ist? Ich lese überall etwas anderes zum Ausdruck "Agnostiker" und bin völlig verwirrt. Was soll ich denn nun glauben? x_X

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mo 11. Sep 2006, 00:49 - Beitrag #2

Glaube nur an das, was rational beweisbar ist oder Dir relevant erscheint, dann bist Du zum guten Teil Agnostiker.

Konkret meint der Agnostizismus, daß die Frage nach der Existenz Gottes nicht entschieden werden kann, weil er entweder für uns unerkennbar ist, der Beweis noch nicht gefunden ist oder es schlicht irrelevant ist, ob es Gott gibt oder nicht.

ich_von_hier
Active Member
Active Member

 
Beiträge: 157
Registriert: 13.10.2004
Mo 11. Sep 2006, 00:58 - Beitrag #3

Auch auf die Gefahr hin, das dich das wohl nicht wirklich weiterbringt:

Agnostizismus ist im Prinzip das Gegenteil von Gnostizismus. Das eine ist also die Kenntnis, das andere die Unkenntnis. (Von was kann ich auch nicht so genau sagen: Gott, Weltschöpfung, Wie das Wetter wird?)

Ich nehme mal an, das du auf Wikipedia schon geschaut hast, aber da steht ja auch "Die Selbstbezeichnung als 'Gnostiker' ist oft unspezifisch." Ebenso gilt das dann wohl auch für die Agnostiker. Eine Standard-Definition wird es wohl nicht geben. Also wird wohl alles, was du darüber gelesen hast richtig sein, obwohl sie alle was anderes erzählen.

MfG ich_von_hier

[Edit: hab janws Antwort übersehen.

Hab aber doch noch ne Standard-Definition gefunden:
Zitat von Duden:Agnostiker (Verfechter des Agnostizismus)]Agnostizismus,[/B] der; - (philos. Lehre, die das übersinnliche Sein für unerkennbar hält)
]

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mo 11. Sep 2006, 01:04 - Beitrag #4

@Janw: Also ist deiner Meinung nach sowohl ein Theist der sagt "ich glaube an Gott, kann iseine Existenz aber nicht beweisen" ein Agnostiker, als auch ein Atheist der sagt "ich glaube nicht an Gott, kann seine Nichtexistenz aber nicht beweisen"?

Was meinst du mit "entschieden"? Dass die Frage nicht beantwortet werden kann oder nicht gelöst? Also die Frage "Was ist die Wurzel aus Pi?" kann ich ja ganz einfach beantworten, indem ich irgendeine Zahl nenne (die aber garantiert falsch sein wird), aber nicht lösen, da ich nicht in der Lage bin, die richtige Antwort herauszubekommen. Die Frage "Gibt es Gott?" für unbeantwortbar zu halten, erscheint mir unsinnig. Sie für unlösbar zu halten, scheint mir hingegen äußerst plausibel.

Anaeyon
VIP Member
VIP Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1287
Registriert: 03.08.2004
Mo 11. Sep 2006, 02:28 - Beitrag #5

Da wir (und du dich mit Sarah?) letztens um genau diese Frage gestritten haben:

Es gibt einen Unterschied zwischen "Glaubst du an Gott" und "Gibt es Gott". Bei ersterer bin ich nur gefragt, ob ich seine Existenz annehme, bei zweiterer, ob es sie gibt, ganz objektiv. Das ist wie "Gibt es in dieser Kneipe Gin Tonic" (nein) und "Gibt es Gin Tonic?" (ja)..

So wie ich den Begriff Agnostiker kenne, sagt er nichts über den persönlichen Glauben oder Nicht-Glauben an Gott oder etwas anderes Übernatürliches aus, sondern schlichtweg nur, dass es nicht bewiesen werden kann oder es einem egal ist. (bzw. nicht relevant, falls die Worte besser passen..)

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mo 11. Sep 2006, 10:39 - Beitrag #6

@Fragen: In der Beziehung mache ich einen kleinne Rückzieher: "Glaubst du an Gott?" und "Gibt es Gott?" sind keine inhaltlich identischen Fragen, da es auf erstere eine mögliche Antwort mehr als auf letztere gibt. Ich bleibe fest dabei, dass man auf die Frage "Gibt es Gott?" nur mit "ja" oder "nein" antworten kann, während bei "Glaubst du an Gott?" auch ein "keine Ahnung" möglich ist. Wenn man mich z.B. fragt "Glaubst du, dass dieser Himmelsköper XP235b existiert?", dann glaube ich weder an ihn, noch nicht an ihn, da ich einfach keine Ahnung über den Sachverhalt habe. Die beiden Fragen ("Glaubst du..."/"Existiert...") beziehen sich auf unterschiedliche Sachverhalte, was ich bis vor kurzen übersehen habe. Zumindest glaube ich das. ;)
Aber ich hoffe, darüber nicht weiter diskutieren zu müssen, und dass dieses Zugeständnis als Basis ausreicht, um uns mit dem Begriff "Agnostiker" sinnvoll beschäftigen zu können.

So wie ich den Begriff Agnostiker kenne, sagt er (...) schlichtweg nur, dass es nicht bewiesen werden kann oder es einem egal ist.

Hmm aber es ist doch ein Unterschied, ob man meint, Gott kann man nicht beweisen oder ob einem die Existenz egal ist. Das sind doch zwei Paar Schuhe. Ist der Ausdruck doppelt besetzt?
Auch in einem anderen Forum haben mehrere User geschrieben, dass der Agnostizismus eine erkenntnistheoretische Position ist, der Theismus/Atheismus hingegen eine ontologische. Der Theismus bzw. Atheismus sagen etwas über die Existenz Gottes aus, der Agnostizismus hingegen über die Sicherheit dieses Existenzpostulats. Diese Einteilung erscheint mir sinnvoll, wobei es demnach agnostische Theisten als auch Atheisten gibt.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 11. Sep 2006, 11:24 - Beitrag #7

"Glaubst du an Gott?" und "Gibt es Gott?" sind keine inhaltlich identischen Fragen, da es auf erstere eine mögliche Antwort mehr als auf letztere gibt. Ich bleibe fest dabei, dass man auf die Frage "Gibt es Gott?" nur mit "ja" oder "nein" antworten kann, während bei "Glaubst du an Gott?" auch ein "keine Ahnung" möglich ist.
Ich sehe nicht ein, wieso ich auf "Gibt es Gott?" nicht mit "Ich weiß es nicht (sicher)" antworten darf.
Zwar entzieht sich die sichere Beurteilung von Bewußtseinszuständen (= Glaubst du...) oft unseren Fähigkeiten, aber die Existenz Gottes ist möglicherweise (= wenn er existiert und es seinem Willen entspricht) mindestens so unerforschlich.

Daß das zwei Paar Schuhe sind, sehe ich ähnlich; Gleichgültigkeit kann eine Folge der Unergründlichkeitsannahme sein, aber auch unreflektiert "da sein"; die andere Art, mit dieser Annahme umzugehen, ist eine besondere Form des Glaubens.

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mo 11. Sep 2006, 11:57 - Beitrag #8

Die Frage "Gibt es Gott?" ist ein Existenzpostulat und auf das kann man nur mit "ja" oder "nein" antworten, weil es die Form "P oder -P?" hat. Wenn die Frage "P oder -P?" heißt, dann gibt es offensichtlich nur zwei Antwortmöglichkeiten. Entgegnet man auf diese Frage mit einem "keine Ahnung", dann ist das lediglich eine Reaktion, aber keine Beantwortung der Frage. Man lässt die Frage unbeantwortet.
Dass nicht jede Reaktion auf eine Frage eine Antwort ist, wird deutlicher, wenn man sich vorstellt jemand fragt "Wieviel Uhr ist es?" und der andere entgegnet "Ich liebe Schokotorte.", so ist dies eine Reaktion auf die Frage und wohl auch keine komplett sinnlose, weil sich der Gegenüber wahrscheinlich eienn Scherz erlauben will, aber eine Antwort auf die Frage, war es bestimmt nicht. Auch wenn man hinter die Gleichung "1+1=" ein Fragezeichen schreibt, so hat man die Frage nicht beantwortet. Auf die Frage "Gibt es Gott?" mit "keine Ahnung" zu antworten ist wie das Fragezeichen hinter der Matheaufgabe. Ein "weiß nicht" alleine ist auch keine Antwort, wenn es wie "keine Ahnung" gemeint ist, sondern gibt höchstens Auskunft darüber, wie sicher man seiner Antwort ist, also mit welcher Sicherheit man die Existenz Gottes bejaht oder verneint.
Während Gott also nur entweder existieren oder nicht existieren kann, kann jemand weder an Existenz glauben noch an seine Nicht-Existenz glauben (z.B. Babys, die noch nie etwas über Gott gehört haben).

PS: Ein "Ja" oder "Nein" auf die Frage "Gibt es Gott?" gibt noch keine Auskunft darüber, wie sicher sich der Antwortende ist. Die Antwort könnte ja in beiden Fällen durch "ich glaube, dass Gott (/nicht) existiert" oder "ich weiß, dass Gott (/nicht) existiert" ergänzt werden.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 11. Sep 2006, 13:30 - Beitrag #9

dann müßtest du stärker in Betracht ziehen, daß es Fragen gibt, die wesentlich dadurch gekennzeichnet sind, daß ihnen keine nichtwillkürliche Antwort eignet

Die Frage nach der Existenz Gottes und die Frage nach der Existenz Außerirdischer in 10 Milliarden Lichtjahren Entfernung sind beide faktisch gleich unbeantwortbar. Prinzipiell braucht man bei den Außerirdischen aber nur hinzufliegen und eine Kugeloberfläche in 10 Mrd LJ Entfernung punktgenau abzusuchen, was nur ein technisches Problem ist. "Gott" kann aufgrund der ihm zugeschriebenen Eigenschaften prinzipiell nicht nachgewiesen werden - d.h. seine Eigenschaften sind so gesetzt, daß sie seine wie auch immer erweitert verstandene physikalisch basierte Wahrnehmung verhindern - daran scheitert die entweder-oder-Logik des Existenzpostulats

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mo 11. Sep 2006, 21:27 - Beitrag #10

Frage: "Existieren Außerirdische in 10 Milliarden Lichtjahren Entfernung?"
Ich: Ja!
So habe die Frage beantwortet und deine These wiederlegt. :D
Tja lösen kann ich die Frage aber nicht, d.h. ich kann nicht überprüfen, ob die Antwort richtig. Beantworten kann ich die Frage aber trotzdem, egal wie unsicher die Antwort auch sein mag. ;)

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 11. Sep 2006, 21:45 - Beitrag #11

Daß du auf diese Frage eine willkürliche Antwort geben kannst bzw. geben mußt, hatte Ipsissimus bereits ansprochen - du kannst genauso willkürlich "grün" oder "Darauf gibt es keine eindeutige Antwort" erwidern, oder "Das weiß nur Gott selbst, wenn er es wissen will" - was immerhin in sich eine gewisse Plausibilität hat, mehr noch als bei den Aliens.^^

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Mo 6. Nov 2006, 17:53 - Beitrag #12

Maurice,

Hmm aber es ist doch ein Unterschied, ob man meint, Gott kann man nicht beweisen oder ob einem die Existenz egal ist. Das sind doch zwei Paar Schuhe. Ist der Ausdruck doppelt besetzt?


Es gibt vielfältige Definitionen von Agnostizismus, je nach eigener Überzeugung hat jeder Literat/Philosoph die Definiton geringfügig geändert.

Agnostizismus kommt aus dem griechischen (a-gnoein) und bedeutet nicht wissen. Ethymologisch betrachtet wird hier also keine Differenzierung vorgenommen, diese tritt erst bei unterschiedlichen Denkmodellen auf.

Das antike Verständnis des Agnostizismus war identisch mit dem des Pyrrhonismus (benannt nach Pyrrhon von Elis), also der Weigerung Fragen zu beantworten, für deren Beantwortung die erforderliche Kenntnis fehlt. Pyrrhon ging noch einen Schritt weiter und klassifizierte diese Art der Fragestellung als schädlich. Seine Begründung ist ähnlich wie die Kants, der zwischen objektiver Realität (die er auschließlich der Mathematik zugestand) und subjektiver Wahrnehmung differenzierte und die daraus resultierende Unfähigkeit Fragen ohne ausreichende Kenntnis objektiv wahrheitsgemäß beantworten zu können feststellte.

Hume ging in seinem erkenntnisstheorethischen Werk "Eine Behandlung über den menschlichen Verstand" noch einen Schritt weiter und sprach sämtlicher Materie, aus den gleichen Gründen wie Kant, die Unbeweisbarkeit zu.

Im Gegensatz zur "modernen" Erkenntnistheorie, die zwischen "Starkem Agnostizismus" also der grundsätzlichen Unbeweisbarkeit eines Sachverhalts aufgrund permanent fehlender Kenntnisse und "Schwachem Agnostizismus" also der momentanen Unbeweisbarkeit eines Sachverhalts aufgrund momentan fehlender Kenntnisse differenziert, waren einige historische Strömungen des Agnostizismus so weit, jede Frage als unbeantwortbar zu bezeichnen, weil sie Prämissen enthalte, die auf unbeweisbaren Axiomen beruhe und diese nicht losgelöst von der Frage an sich betrachtet werden könnten. Ein gutes Beispiel für diese Form des "absoluten Agnostizismus" ist das Nelsonsche Paradox, auch als "regegressus ad infinitum" bekannt.
Der absolute Agnostizismus war jedoch nicht sehr verbreitet, da er zum einen keinerlei Diskussion ermöglichte und zum anderen logisch inkonsistent bzw. paradox ist.


Der von der Philosophie losgelöste moderne "methodische Agnostizismus" bezeichnet die Fragwürdigkeit /Unmöglichkeit (je nach Spezifizierung schwacher oder starker) einer Beantwortung, sofern zur Erlangung der zur Beantwortung erforderlichen Kenntnisse eine unbeweisbare auf Axiomen beruhende Methodik erforderlich war und ist insbesondere in der Kritik der Naturwissenschaften sehr verbreitet.
Der "stmA" diskrediert die naturwissenschaftliche Methodik im allgemeinen, der "swmA" bezieht nur die Wahrscheinlichkeit eines inkorrekten modus operandi der Naturwissenschaft bei der Beurteilung der Antwort mit ein.


Das sind nur einige Differnenzierungen, es gibt noch wesentlich mehr, aber viele kenne ich nur namentlich und habe mich nicht damit beschäftigt.

Ich habe leider erst eben gemerkt, dass dieser Thread schon recht alt ist, poste das aber dennoch, sonst wäre es ja vertane Zeit. ^^

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Di 7. Nov 2006, 21:16 - Beitrag #13

Jaja, wie bei so vielen Ausdrücken, gibt es auch bei diesem leider keine einheitliche Definition. So steht unter dem Stichwort "Agnonostizismus" in dem einen Lexikon das eine und in einem anderen, etwas anders. Einer der Laster der Philosophie. :rolleyes:
Ich habe beschlossen in Zukunft "Agnostizismus" immer erstmal als Standpunkt zu verstehen, der die Gottesfrage unbeantwortet lässt. So wird er ja, wie es mir scheint, auch meistens verwendet.

Viel mehr stört mich im Moment, dass bezüglich der Ausdrücke "Amoralismus" und "Immoralismus" eine ähnliche Konfusion herrscht. -.-*

PS: Auch wenn der Thread alt ist, ist dein ausführlicher Beitrag sehr willkommen. Thx! :)

BS
Junior Member
Junior Member

 
Beiträge: 60
Registriert: 29.04.2004
So 4. Feb 2007, 14:46 - Beitrag #14

In meinem Wörterbuch der Philosophie steht selbsterklärend folgendes...

Agnosie: Nichtwissen. Bei -> Sokrates der Anfang, bei den -> Skeptikern der Endpunkt philosophischer Erkenntnis. Das Bewusstsein der A., "Ich weiß, daß ich nichts weiß", wird entsprechend zur Voraussetzung oder zum Höhepunkt der Erkenntnis.

Agnostizismus: Lehre von der Unerkennbarkeit des Wesens der Dinge oder der Realität überhaupt. Nach -> Hume hat es der Verstand nur mit Sinneseindrücken zu tun. Daraus kann die Existenz der Außenwelt nicht zwingend abgeleitet werden. -> Kant erklärt das Ding an sich für unerkennbar, da sich stets nur seine Erscheinungsformen feststellen lassen.


Dazu fällt mir aber noch folgendes ein, was manchmal indirekt etwas mit Agnosen zu tun hat.

Antagonismus: Gegensatz, Widerstreit; der A. ist insbesondere das auschließende Moment in einem Gegensatzverhältnis - im Gegensatz zum gegenseitigen Sich-Bedingen der Gegenpole. -> Polarität, -> Gegensatz -> Wiederspruch.


Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste

cron