Bei meinen Überlegeugungen, wie man moralische Forderungen begründen kann, kam mir die These in den Sinn, dass Versuche, diese zu Begründen, immer zu einem von drei Problemen führen wird:
1. Es lässt sich keine Begründung finden oder eine Begründbarkeit wird generell
ausgeschlossen.
2. Solche Forderungen werden letztlich mit dem Eigennutz des Angesprochenen begründet.
3. Es wird auf angebliche absolute intrinische Werte/Güter verwiesen.
Das Problem des ersten Punktes ist klar. Ein Autor, der die stärkere Version der Position vertritt wäre z.B. Carnap, der leugnet, dass moralische Forderungen sinnvoll begründet werden können, da jede Begründung eine empirische sein müsste, aber für moralische Forderungen eine solche Begründung ausgeschlossen sei. (vgl. z.B. "Die Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache")
Dieser Ansatz ist extrem kontraintuitiv und unbefriedigend. Fast niemand wird sich mit der Behauptung zufrieden geben, solche Forderungen könne man nicht begründen.
Die zweite Position scheint mir derzeit sehr verbreiteste zu sein (z.B. in der Soziobiologie und bei Autoren, die moralische Forderungen durch die faktische Anerkennung anderer Menschen begründen). Sie stellt imo aber deshalb letzlich ein schweres Problem dar, da es bei solchen Forderungen dann gar nicht mehr um "moralische" handelt, wenn solche Forderungen, die man als "moralisch" bezeichnet, kategorisch gelten sollen. DIe Kategorizität von moralischen Forderungen stellt meiner Einschätzung nach ein zentrales Element des Moralbegriffs der meisten Menschen dar. Ein Moralbegriff ohne dieses Element wäre daher lückenhaft, möchte er die allgemeinen Vorstellungen dessn wiedergeben, was die Menschen als "Moral" bezeichnen. Eine "moralische Forderung" die nur hypothetisch gilt, ist damit also
streng genommen keine moralische Forderung mehr.
("Nutzen" ist hier im weiten Sinne gemeint, worunter auch Begründungen zählen, die auf das Gewissen des Akteurs verweisen oder dem Wunsch bestimmten Wertvorstellungen zu entsprechen.)
Die dritte Position ist daher problematisch, da erstens unklar ist, wie solche Werte/Güter (z.B. die christliche Würde des Menschen, die einen absoluten Wert des Menschen darstellt, die er an sich, als qua Mensch-Sein besitzt) ontologisch einzuordnen sind (Wo sitzt dieser Wert? Wie interagiert er mit anderen ontologischen Kategorien? usw) und zweitens die schwierige Frage beantwortet werden kann, wie der Mensch die Existenz solcher Güter prüfen kann.
Während die meisten religiöse Personen den dritten Ansatz wählen werden und auch etwas zu den Fragen sagen werden - wobei es fraglich bleibt, ob diese Erklärungen (z.B. göttliche Eingebung) überzeugen und methodisch akzeptabel sind - scheinen mir alle Naturalisten vor diesem unüberwindlichen Problem zu stehen, wenn sie moralische Forderungen begründen wollen.
Meine Frage an euch ist jetzt weniger, welche der drei Positionen ihr vertretet, sondern was ihr von meiner Idee eines "Begründungs-Trilemmas der Moral" haltet. Stimmt ihr zu, dass es prinzipell nur diese drei Optionen gibt oder fallen euch noch andere ein, die sich nicht auf einer dieser drei Optionen reduzieren lassen?
Anmerkungen:
1. Genau genommen müsste der Thread "Steht der Naturalismus vor einem Begründungs-Trilemma?" heißen, da supranaturalistische Positionen die dritte Schiene fahren können, ohne inkohärent zu werden (wobei damit ja noch nicht alle Probleme gelöst wären). Ich habe die Frage oben aber allgemeiner gestellt, um keine Naturalismus-Diskussion herauf zu beschwören.
2. Auch wenn ich dieses Thema eröffne, heißt das leider nicht, dass ich wieder mehr Zeit habe. Bis auf weiteres will ich mir nicht die Zeit nehmen, mich wieder aktiv in Foren zu beteiligen (nicht nur in der Matrix). Da ich die oben genannte Überlegung aber spannend fand (auch wegen der Nähe des Aufbaus der These an Alberts Münchhausen-Trilemma in bezug auf erkenntnistheoretische Letztbegründungen), wollte ich von ein paar Leuten ein paar Meinungen hören. Ihr werdet hier also in erster Linie ohne mich diskutieren müssen. Ich werde aber versuchen, ab und zu auch was zu schreiben, wenn ich es für wichtig halte.