Gott - jenseits von gut und böse?

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janw
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Do 7. Feb 2008, 03:19 - Beitrag #1

Gott - jenseits von gut und böse?

Ich habe jetzt das Buch von Buggle noch nicht gelesen, aber die Frage des "lieben" Gottes hat mich doch auf einige Gedanken gebracht, die ich mal zur Diskussion stellen möchte.

Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß Gott im Christentum als positive, prinzipiell menschenfreundliche Instanz bzw. Personifikation einer solchen wahrgenommen wird. Grundlage dieser Sichtweise ist die Glaubensaussage, daß Gott den Menschen die ihnen nach früherer Glaubensauffassung anhaftende Erbsünde genommen habe, indem er sie auf seinen Sohn übertragen habe. Einige Menschen töteten diesen Sohn wegen Gotteslästerung, woraufhin diese Sünde von jenen Menschen genommen wurde, die weiter an die Gottessohnhaftigkeit dieses Menschen glaubten und glauben.

Im Laufe der Zeit wurde aus dem Gott, der als Ausdruck seiner Gnade seinen Sohn opfert, also einem durchaus als auch anders könnend gedachten Gott, ein grundsätzlich positiver, liebender Gott, der "liebe Gott".

Dabei wurde dann im Zuge der Glaubensauslegung beiseite gelassen bzw. verklärt, daß dieses Opfer für sich genommen ein geradezu barbarischer Akt gewesen ist, unter Zuhilfenahme einer veritabel gewalttätigen Besatzungsmacht - was wäre passiert, wenn Pilatus Jesus nicht hingerichtet hätte, um damit den Priestern und dem Volk zu zeigen, wer die Macht besaß? - und daß dieser Gott der Überlieferung zufolge durchaus gewalttätig agiert hat, auch gegenüber seinen eigenen Gläubigen.

Mir ist jetzt die Frage gekommen, ob nicht ein Gott, wenn es ihn gäbe, geradezu "unlieb" handeln würde, wenn er nicht gewalttätig agieren würde.
Liegt nicht eines der Grundprobleme des Menschen darin, nur aus Katastrophen und Krisen Ansätze zur Weiterentwicklung zu ziehen, während mensch sich in Frieden und Wohlstand bequem einnistet?

Ipsissimus
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Do 7. Feb 2008, 13:25 - Beitrag #2

das wesentliche Problem eines christlichen Glaubens, der seine nach breitem christlichem Konsens unangefochtene Grundlage, die Bibel, ernst nimmt, besteht darin, dass das Gottesbild der Bibel einer Legierung aus miteinander nicht legierungsfähigen Komponenten gleicht. Wir haben einen Gott, der sich am Genozid erfreut, der Frauen, Greise und Kinder hinschlachten lässt, einen Gott, der Gebote gemäß herrschendem Zeitgeist erlässt ("wenn deine Tochter in der Stadt vergewaltigt wird und niemand hört sie schreien, so gehe hin und töte sie"), einen willkürlichen Gott, der die Willensfreiheit antastet, indem er Herzen verstockt und dann die Menschen, deren Herzen er selbst verstockt hat, so bestraft, als wären sie selbst an der Verstockung schuld (die Ägypter, deren Erstgeborere er getötet hat), einen frauenfeindlichen, rassistischen und patriarchalischen Gott, einen Gott, der mit Sühneopfern besänftigt werden kann, und letztlich einen Gott, der angesichts des gemäß seiner Befehle anscheinend kompletten Versagens seiner Schöpfung aus Liebe zu ihr das größte aller Sühneopfer selbst erbringt, indem er sich in Gestalt seines Avatars selbst töten lässt, wenn auch nur vorübergehend.

Jeder der Teile ist nach heutigen humanistischen Standards gelinde gesagt problematisch, selbst der letzte Teil (können Menschen doch einander bedingungslos verzeihen, nur Gott scheint das unmöglich zu sein, glaubt man der Bibel); besonders verheerend wirkt aber ihr Zusamenspiel im Konglommerat christlichen Glaubens. Ist die Inhumanität dieser Vorstellungen erst einmal in eine kindliche Psyche versenkt, in viele, am besten alle kindlichen Psychen versenkt, erklären sich die Grausamkeiten der christlichen Geschichte aus der Instabilität dieser Psychen ganz von selbst (selbst wenn die Methode überchristlich ist: Double- und Multi-Binding-Strategien gehören zum Repertoire der Machtsicherung aller Tyrannen).

Seit der Aufklärung ist die Situation natürlich komplexer geworden. Humanistische Standards sind zumindest theoretisches Allgemeingut geworden; also mußten die christlichen Grundlagen so neu gedeutet werden, dass sie zumindest "optisch" nicht zu deutlich hinter diesen Standards zurückbleiben. Diese Arbeit wurde vor allem in der EKD geleistet; die RKK tut sich damit wesentlich schwerer, versteckt aber viele kritische Lehraussagen in den Tiefen ihres Dogmendschungels. Daneben versuchen sich beide Kirchen in der Usurpation humanistischer Errungenschaften, die sie kurzerhand zu christlicher Kernlehre oder als dieser entlehnt erklärten (z.B. die angebliche Wertschätzung der Frau in der RKK). Diese Strategie ist überaus erfolgreich, gilt es doch in der theologischen und nichtatheistischen intellektuellen Elite Deutschlands als ausgemacht, dass die Bibel trotz ihres zutiefst inhumanen Charakters als DAS Begründungszentrum christlicher Weltsicht zu gelten habe - genauer gesagt wird dieser inhumane Charakter natürlich hinter der Verschleierung verborgen.

Darüber hinaus gibt es natürlich noch die christlichen Fundamentalisten, deren Weltsicht sich im Wesentlichen seit 2000 Jahren nicht mehr weiterentwickelt hat, womit sie sich selbst aus jedem ernstzunehmenden intellektuellen Diskurs gekickt haben.

Feuerkopf
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Do 7. Feb 2008, 23:25 - Beitrag #3

Ipsi,
der Gott, den du beschreibst, ist der alttestamentarische.

Der christliche Gott ist doch eigentlich der neutestamentarische, der durch Jesus und dessen Lehren verkörpert wird: durchaus mit moralischen Maßstäben, aber eher der "gute Gott", der nicht mehr selbst agiert, sondern Boten hat und einen menschlichen Sohn.

Der alttestamentarische Gott hat seine Quellen im jüdischen Glauben und geht zurück u. a. auf die Götterwelt Sumers, wenn man z. B. die Sintflutgeschichte nimmt, die auch im Gilgamesch-Epos auftaucht.

Du darfst mich gern korrigieren, wenn ich falsch liege.

Maglor
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Fr 8. Feb 2008, 00:35 - Beitrag #4

Auch der gute Hirte bringt sein Lamm am Ende doch zum Metzger... :crazy:
Ich habe es schon mal irgendwo in diesem Forum geschrieben. Es gibt ein Bund Gottes 1.0, einen Bund Gottes 1.2, ein Bund Gottes 2.1...

Der Herr Jesus in der Nacht, als er verraten wurde, nahm er das Brot, dankte und brach es und sprach: Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; solches tut zu meinem Gedächtnis. Ebenso nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; solches tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn so oft ihr von diesem Brot esst und von diesem Kelch trinkt, verkündigt ihr des Herrn Tod, bis er kommt. 1 Kor 15,3-8

Mit jedem neuen Bund wird das der Alte quasi verworfen.
Ein schönes Beispiel ist dieses hier:
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
Matthäus 5,38
Hier verwirft das Neue Testament ganz einfach das Alte. Tja, so ist der Liebe Gott, was interessiert ihn sein Geschwätz von gestern.
MfG Maglor :rolleyes:

janw
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Fr 8. Feb 2008, 01:24 - Beitrag #5

Zitat von Ipsissimus:das wesentliche Problem eines christlichen Glaubens, der seine nach breitem christlichem Konsens unangefochtene Grundlage, die Bibel, ernst nimmt, besteht darin, dass das Gottesbild der Bibel einer Legierung aus miteinander nicht legierungsfähigen Komponenten gleicht.[...]

Wobei man andererseits in "der Bibel" im Sinne des AT auch eine Entwicklung des Verhältnisses zwischen Gott und den Menschen erkennen bzw. diese in den Vordergrund stellen kann - die Praxis der Menschenopfer hat er mit Isaak beendet, die Verkündung der 10 Gebote geht mit einem neuen Bund einher usw. - d.h. der am Ende des AT erreichte Zustand des Verhältnisses Gottes zu den Menschen und der Glaubenspraxis der Menschen stellt den status quo dar, auf dem das Handeln Jesu (das, was als solches tradiert wurde) basiert.
In dem, was als Botschaft Jesu tradiert worden ist, werden aus dem AT eigentlich nur die 10 Gebote als weiterhin relevant hingestellt, ansonsten sehe ich zumindest sehr viel Kritik an der damaligen Glaubenspraxis, die Normeinhaltung (Sabbat!) über Belange wie Dienste am Nächsten stellte und in der der Tempel zu einer gewerblichen Veranstaltung mutiert war.

Das AT wird damit im Wesentlichen zum Kaffeesatz in der Melange, den nur aufrühren muss, wer es beim trinken unbedingt körnig haben will.

Ich gebe Dir allerdings recht, daß diese Sichtweise nicht mainstream ist, die Kinderbibel, die ich im passenden Alter verschlungen habe - ohne jede Not - troff nur von Apologien für die Gräuel des AT.

Nun könnte man allerdings auch darauf kommen, daß die Gräuel des AT Zuschreibungen der Gläubigen darstellen, die ihnen unerklärliche Zeichen als göttliche Zeichen deuteten. Daß sie Erdbeben und Stürme als typische Erscheinungsformen ihres Gottes ansahen, war insofern ganz hilfreich, als damit entsprechende Ereignisse, die zufällig bei ihren Angriffen auf verfeindete Stämme auftraten, als göttliche Hilfe hingestellt werden konnten - wodurch die sich anschließenden zeittypischen Gemetzel die höheren Weihen der Gottgewolltheit erfuhren.
Damit stünde man davor, daß die Palästinenser ihre Nachbarn überfielen, weil sie im Kampf um knappe Weidegründe, Wasser, Handelswege,... gerade im Wege waren, während die Israeliten zwar aus denselben Motiven handelten, ihr Vorgehen aber mit göttlicher Weisung, zumindest aber mit göttlichem Wohlwollen begründeten
(was eine interessante Parallele zur christlichen Begründung des Kolonialismus bildet).

Jeder der Teile ist nach heutigen humanistischen Standards gelinde gesagt problematisch, selbst der letzte Teil (können Menschen doch einander bedingungslos verzeihen, nur Gott scheint das unmöglich zu sein, glaubt man der Bibel)]

Ja, nur ist das IMHO kein genuin christliches Problem, auch der Islam und das Judentum haben damit zu kämpfen, daß ihre grundlegenden Schriften aus archaisch geprägten Kulturen stammen und deutlich mit heutigen Gegebenheiten kollidieren. Wie ist es im Hinduismus und Buddhismus?
Allerdings ist die Situation im Christentum in meinen Augen insofern anders, als dieser Konflikt im Zuge der Aufklärung (die von zutiefst gläubigen Menschen vorangetrieben wurde) "abgeflacht" wurde, indem die Glaubensvorstellungen an den Erkenntnisfortschritt heranmodelliert wurden.
Vielleicht läuft es hier auf einen Synkretismus zwischen liberalchristlicher Glaubensüberzeugung und humanistischer Weltanschauung hinaus...

Was die psychischen Wirkungen betrifft, bin ich mir nicht so sicher - letztlich sind Grausamkeiten nicht auf den christlichen Raum beschränkt, s. das AT und die Tatsache, daß die Araber wesentlich am Sklavenhandel in Ostafrika beteiligt waren usw. - ist nicht Gewalt seit jeher Mittel aller Mächtigen gewesen?
Double-Binding hat dabei sicher immer auch eine Rolle gespielt, IMHO aber eher in Verbindung mit den aktuellen Despoten.

Diese Strategie ist überaus erfolgreich, gilt es doch in der theologischen und nichtatheistischen intellektuellen Elite Deutschlands als ausgemacht, dass die Bibel trotz ihres zutiefst inhumanen Charakters als DAS Begründungszentrum christlicher Weltsicht zu gelten habe - genauer gesagt wird dieser inhumane Charakter natürlich hinter der Verschleierung verborgen.

Würdest Du denn einen Ausweg darin sehen, die Bedeutung des AT für den christlichen Glauben im Wesentlichen auf die 10 Gebote zu reduzieren und die Neuerungen des NT wie die Betonung der Nächstenliebe und Gewaltfreiheit usw. als christlich zu betonen? Was wäre "unchristlich" bzw. gegen das Dogma an solch einer Sichtweise?
Wegen der Kreuzigung überlege ich immer...ist nicht auch diese ganze Geschichte nur menschliche Zuschreibung - oder gar erfunden? Oder war sie "nötig" aus Gottes Sicht, um etwas zu erreichen, das anders nicht erreichbar gewesen wäre...hätte ein plötzlich einsetzender und die Kreuzigung verhindernder Sturm als Erscheinungsform Gottes dieselbe Wirkung für die Gläubigen gehabt wie der Tod seines Avatars?

Ipsissimus
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Fr 8. Feb 2008, 12:27 - Beitrag #6

der Gott, den du beschreibst, ist der alttestamentarische.


es ist der christliche Gott, Feuerkopf^^

1) widerspricht die Bibel selbst auch in ihren neutestamentlichen Teilen an vielen Stellen jedem Versuch, die Gesamtheit der Schrift in Abrede zu stellen. Jesus bekennt sich ausdrücklich zum Gott des AT, und in vielen Apostelbriefen und in der Offenbahrung sind explizite Drohungen gegen jeglichen Versuch enthalten, die Bibel nicht in ihrer Gesamtheit anzuerkennen

2) besteht der Anspruch, dass die Bibel in toto ein göttlich inspiriertes Buch sei. Das kann man bejahen oder verneinen. Es ist aber ein extrem schwieriges bis unmögliches Unterfangen, unter Maßgabe eines derartigen Anspruchs Textteile ohne Inspiration von Textteilen mit Inspiration zu trennen.

3) bekennen sich die offiziellen Lehrmeinungen der RKK und der Freikirchen in Gänze und in der EKD die meisten Landeskirchen bis in die jüngste Zeit zur Einheit der Bibel. "Die Bibel, nichts als die Bibel, und die ganze Bibel", wie Luther das formuliert hat.

4) haben die Christen das AT usurpiert und konnten fast 2000 Jahre lang gut damit leben. Dass davon mittlerweile einiges nur noch peinlich ist, ändert nichts an der tiefen Verschränkung des AT mit dem christlichen Glauben

5) müsste mit der Bibel gegen die Bibel argumentiert werden, denn schließlich, wenn ein Teil der Texte göttlich inspiriert ist und der andere Teil nicht, muss der göttlich inspirierte Teil gegen den uninspirierten Teil abgegrenzt werden.

du versuchst den von janw angesprochenen Synkretismus aus humanisitischen und geeignet erscheinenden christlichen Vorstellungen, Feuerkopf. Das ist dann aber weder humanistisch noch christlich, sondern Privatreligion^^ wogegen nichts zu sagen ist, außer dass es ein psychologischer Drahtseilakt ist, die Bilderwelt des Christentums in sich weiter leben zu lassen^^


Wobei man andererseits in "der Bibel" im Sinne des AT auch eine Entwicklung des Verhältnisses zwischen Gott und den Menschen erkennen bzw. diese in den Vordergrund stellen kann - die Praxis der Menschenopfer hat er mit Isaak beendet, die Verkündung der 10 Gebote geht mit einem neuen Bund einher usw. - d.h. der am Ende des AT erreichte Zustand des Verhältnisses Gottes zu den Menschen und der Glaubenspraxis der Menschen stellt den status quo dar, auf dem das Handeln Jesu (das, was als solches tradiert wurde) basiert.


jan, der christliche Gott ist allmächtig und allwissend. Er hat demnach schon zu alttestamentlichen Zeiten vom Humanismus gewusst und dessen Standards gekannt. Irgendeine Art von Einfluss dieses Bewußtseins ist in der Bibel aber nicht zu erkennen. An keiner Stelle wird der vorläufige Charakter der göttlichen Gebote und Anweisungen festgestellt; an keiner Stelle gibt der Genozide befehlende Gott auch nur eine Spur von Einsicht oder gar Reue zu erkennen. Und selbst wenn sich dieser Gott gewandelt haben sollte - Jesus scheint so etwas zu implizieren - würdest du einem früheren Frauenschänder und Kinderficker, dessen entsprechende Triebe allmählich eingeschlafen sind, die Unversehrtheit deiner Frau und deiner Kinder anvertrauen?

Ganz davon zu schweigen, dass die schlimmste aller Drohungen sich im Neuen Testament findet. Im AT nach jüdischer Auslegung bist du am Ende einfach nur tot, fertig. Im NT droht es einer riesigen Mehrheit aller je gelebt habenden Menschen, am Ende als "Unkraut" aus dem "Weizen" aussortiert und im "Feuersee" der ewigen Verdammnis anheim gegeben zu werden. Ein liebender Gott? Nicht in einem mir auch nur entfernt geläufigen Sinne von "Liebe".

In dem, was als Botschaft Jesu tradiert worden ist, werden aus dem AT eigentlich nur die 10 Gebote als weiterhin relevant hingestellt


"Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist." (Matthäus 5,18)

Zumindest die Tora gilt laut Jesus demnach uneingeschränkt, und das sind 613 Einzelgebote mitsamt ihrer in großen Teilen inhumanen Ethik

Damit stünde man davor, daß die Palästinenser ihre Nachbarn überfielen ...


ein Maß für alle?^^


Ja, nur ist das IMHO kein genuin christliches Problem, auch der Islam und das Judentum haben damit zu kämpfen, daß ihre grundlegenden Schriften aus archaisch geprägten Kulturen stammen und deutlich mit heutigen Gegebenheiten kollidieren. Wie ist es im Hinduismus und Buddhismus?


ich denke, ein wesentlicher Unterschied besteht darin, ob man seine heiligen Schriften wie in den Gesetzesreligionen als göttliche Offenbarungsschriften jeder Hinterfragbarkeit entzieht, oder ob Glaube und Theologie einer Religion sie als philosophische Reflexionen weiser Menschen auffasst, wie es bei vielen hinduistischen und allen buddhistischen Schriften der Fall ist.

Davon abgesehen ändert der Umstand, dass auch andere ein Problem haben, nichts daran, dass auch wir dasselbe Problem haben^^ bei und für uns allerdings könnten wir es lösen^^

Was die psychischen Wirkungen betrifft, bin ich mir nicht so sicher ...


na ja, jan, komm^^ der Umstand, dass das Christentum kein Kinderchor war und ist, macht aus den anderen Religionen keine Musterknaben^^ das, was im Christentum die biblischen Vorstellungen sind, sind im Islam koranische Vorstellungen und in anderen Religionen die Vorstellungen deren Schriften. Es kommt ja gar nicht auf die konkreten Inhalte an, sondern nur darauf, ob diese Inhalte als Double Binding Element verwendet werden können.

Würdest Du denn einen Ausweg darin sehen, die Bedeutung des AT für den christlichen Glauben im Wesentlichen auf die 10 Gebote zu reduzieren und die Neuerungen des NT wie die Betonung der Nächstenliebe und Gewaltfreiheit usw. als christlich zu betonen? Was wäre "unchristlich" bzw. gegen das Dogma an solch einer Sichtweise?


das wird zunehmend in der EKD unter der Hand versucht und verursacht dort die übliche Mischung zwischen Zustimmung und Gegenwehr. Im wesentlichen würde ich aber sagen, dass in einer derartigen Sichtweise das Ende der Bibel als in Gänze heiliger Schrift bereits implizit mitenthalten ist, mit allen Folgen, die das für das Christentum hätte. Deswegen tut sich selbst die EKD schwer, derartige Ansichten zur offiziellen Lehre zu erheben, geschweige denn die RKK, bei der es noch nicht einmal Andeutungen einer offiziellen Relativierung des biblischen Gottesbildes gibt. Zur Gewaltfreiheit des NT habe ich oben schon ein bisschen was gesagt. Die darin enthaltenen Drohgebärden sind essentiell^^

Tja und last not least, wozu benötigt ein gütiger Gott überhaupt ein Versöhnungsopfer? Gute Frage^^ wie mensch sie auch dreht und wendet, es bleibt ein Element von archaischer Bösartigkeit übrig^^ Und daraus resultiert die Frage, die sich wirklich stellt:

Warum - bei all diesen Reduzierungen, Vorbehalten, Einwänden und der gesamten Geschichte des christlichen Glaubens - warum dem Dämon also die Waffe nicht aus der Hand schlagen und Schluss mit ihm machen?

janw
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Sa 9. Feb 2008, 03:16 - Beitrag #7

Zitat von Ipsissimus:jan, der christliche Gott ist allmächtig und allwissend. Er hat demnach schon zu alttestamentlichen Zeiten vom Humanismus gewusst und dessen Standards gekannt. Irgendeine Art von Einfluss dieses Bewußtseins ist in der Bibel aber nicht zu erkennen. An keiner Stelle wird der vorläufige Charakter der göttlichen Gebote und Anweisungen festgestellt]
Ja, wenn man anerkennt, daß Gott die ihm zugeschriebenen Handlungen des AT begangen hat, muss man das konzedieren. Und auch die Nächstenliebe-Aussagen Jesu - ich habe sie mir mal wieder vorgenommen - klingen mir zumindest teilweise nicht so universell, wie sie meist verstanden werden, sondern eher nach "Nächster des eigenen Volkes / der Glaubensgemeinschaft". Ich sollte mal meinen Pastor fragen, wie der das sieht^^
Bliebe immer noch die mögliche Sichtweise, daß die Gläubigen Gott all das zugeschrieben haben, was ihnen bei der Durchsetzung ihrer eigennützigen Ziele hilfreich war - und weil die Konkurrenten Ungläubige waren, wurde denn in Jericho auch keiner wirklich ermordet, zumindest nicht so richtig...
Gut, aber das liefe der Anschauung göttlicher Autorschaft des AT zuwider...
Oder ist die auch nur erdacht worden, um das eigennützigen Interessen dienende Werk zu immunisieren?

Was den Triebtäter betrifft...aus eigener Anschauung von Tätern beliebiger Delikte würde ich das nicht ganz von vorne herein ausschließen. Immerhin hat er gegenüber einem bisher unauffälligen Menschen mit der gleichen Disposition den Vorteil, daß er auch noch die letzten Jahre in Freiheit verlieren würde.

Ganz davon zu schweigen, dass die schlimmste aller Drohungen sich im Neuen Testament findet. Im AT nach jüdischer Auslegung bist du am Ende einfach nur tot, fertig. Im NT droht es einer riesigen Mehrheit aller je gelebt habenden Menschen, am Ende als "Unkraut" aus dem "Weizen" aussortiert und im "Feuersee" der ewigen Verdammnis anheim gegeben zu werden. Ein liebender Gott? Nicht in einem mir auch nur entfernt geläufigen Sinne von "Liebe".

Ja, denen, die nicht im Glauben leben, wird dies angedroht; in einer Predigt, die ich eben gefunden habe, wird gerade dies als Beleg für die Liebe Gottes herangezogen - keiner müsse dort landen.
Aber ich gebe Dir recht, daß es schon etwas seltsam ist, daß Gott einen Ort, den er selbst nicht erträgt, überhaupt Menschen zumutet. Und dann einfach so, nur weil sie gelebt haben.
Letztlich ist diese Passage Teil der für mich ziemlich problematischen Neuerung im NT, nach der in Gläubige und Ungläubige unterschieden und Abfallen vom Glauben möglich und zum Problem aufgebaut wird. Irre ich mich, oder ist die Jenseitsvorstellung des AT deshalb eine andere, weil mensch als Jude geboren sein muss und damit gar nicht Nichtjude werden kann?
Davon ab, glaubt recht, wer nur glaubt, um am Ende im richtigen Töpfchen zu landen?

Jedenfalls, so richtig liebevoll finde ich die Passage auch nicht.
Aber wie heißt es so schön...die Liebe Gottes, die höher ist als alle unsere Vernunft...^^

"Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist." (Matthäus 5,18)

Zumindest die Tora gilt laut Jesus demnach uneingeschränkt, und das sind 613 Einzelgebote mitsamt ihrer in großen Teilen inhumanen Ethik

Die Passage hatte ich vergessen... Mir fällt aber auf, daß sie nur bei Matth. auftaucht, während sich gleich zwei oder drei Evangelisten mit dem Scheidungsrecht und anderen Fragen befassen. Sagt diese unterschiedliche Intensität der Überlieferung etwas über die Relevanz aus?

Jesus hat einige Male gegen Gesetze der Tora verstoßen, z.B. bei der Heilung am Sabbat und hinsichtlich des Händewaschens vor dem essen, relativiert das die 613 Gebote nicht doch ein wenig? Und wie sind sie so schnell den frühen Christen abhanden gekommen?

ein Maß für alle?^^

Naja, wes Gründe nur von der Welt sind, dem kann geholfen werden^^

ich denke, ein wesentlicher Unterschied besteht darin, ob man seine heiligen Schriften wie in den Gesetzesreligionen als göttliche Offenbarungsschriften jeder Hinterfragbarkeit entzieht, oder ob Glaube und Theologie einer Religion sie als philosophische Reflexionen weiser Menschen auffasst, wie es bei vielen hinduistischen und allen buddhistischen Schriften der Fall ist.

Allerdings.
Allerdings stehen die Reflexionen von Menschen auch stärker in der Gefahr, durch Reflexionen anderer überwunden zu werden, notfalls interessegeleitet und mit Macht.
Stand der japanische Buddhismus in Opposition zu den Gräueltaten das Japaner in der Mandschurei und im Pazifikkrieg? Oder gab es da keine Beziehung?

Davon abgesehen ändert der Umstand, dass auch andere ein Problem haben, nichts daran, dass auch wir dasselbe Problem haben^^ bei und für uns allerdings könnten wir es lösen^^

Allerdings würde das Verschwinden des Christentums nach seiner synkretischen Vereinigung mit dem Humanismus die anderen Buchreligionen noch stärker davon abhalten, überhaupt an Aufklärung zu denken - sie wollten denn am eigenen Aste sägen.

na ja, jan, komm^^ der Umstand, dass das Christentum kein Kinderchor war und ist, macht aus den anderen Religionen keine Musterknaben^^ das, was im Christentum die biblischen Vorstellungen sind, sind im Islam koranische Vorstellungen und in anderen Religionen die Vorstellungen deren Schriften. Es kommt ja gar nicht auf die konkreten Inhalte an, sondern nur darauf, ob diese Inhalte als Double Binding Element verwendet werden können.

Meinst Du, daß nur das Christentum Double Binding-tauglich ist?
Es gab bei mir zumindest mal eine Zeit, in der es mir ziemlich geholfen hat, zu glauben...ich weiß nicht so recht, ob ich psychisch stabiler gewesen wäre, wenn ich damals schon so viel vom Buddhismus gewusst hätte, wie ich heute weiß.
Und wurden nicht auch in Indien blutige Kriege der Regionalkönige ausgefochten, und war China ein Hort der Freiheit, als dort Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus beherrschende Weltanschauungen waren?

das wird zunehmend in der EKD unter der Hand versucht und verursacht dort die übliche Mischung zwischen Zustimmung und Gegenwehr. Im wesentlichen würde ich aber sagen, dass in einer derartigen Sichtweise das Ende der Bibel als in Gänze heiliger Schrift bereits implizit mitenthalten ist, mit allen Folgen, die das für das Christentum hätte. Deswegen tut sich selbst die EKD schwer, derartige Ansichten zur offiziellen Lehre zu erheben, geschweige denn die RKK, bei der es noch nicht einmal Andeutungen einer offiziellen Relativierung des biblischen Gottesbildes gibt. Zur Gewaltfreiheit des NT habe ich oben schon ein bisschen was gesagt. Die darin enthaltenen Drohgebärden sind essentiell^^

Diese Gedanken/Befürchtungen hatte ich auch...

Tja und last not least, wozu benötigt ein gütiger Gott überhaupt ein Versöhnungsopfer? Gute Frage^^ wie mensch sie auch dreht und wendet, es bleibt ein Element von archaischer Bösartigkeit übrig^^

Vielleicht, weil die Menschen nicht so weit waren, eine andere Sprache zu verstehen. Ich kann mit meinen Schülern noch so viel über Wahrscheinlichkeiten reden, sie verstehen doch fast immer nur ja oder nein, Schlag und Gegenschlag, Ursache und Wirkung, sofortige Konsequenz. Alles andere gibt es nicht, wie es auch für die Indianer an der amerikanischen Küste die Segelschiffe nicht gab, die doch auf den Netzhäuten ihrer Augen abgebildet wurden.
Kommt noch hinzu, was Paulus und Konsorten angerichtet haben, haben sie nicht vielleicht die Geschichte in der Überlieferung blutiger gemacht, um den Glauben der Ihren zu stärken und zu schärfen? Der Feind muss böse sein, wenn die Bewegung leben soll...

Und daraus resultiert die Frage, die sich wirklich stellt:

Warum - bei all diesen Reduzierungen, Vorbehalten, Einwänden und der gesamten Geschichte des christlichen Glaubens - warum dem Dämon also die Waffe nicht aus der Hand schlagen und Schluss mit ihm machen?

Weil der Dämon vielleicht ein guter Begleiter geworden ist durch die Fährnisse des Lebens.
Weil die Mängel zwar offenkundig sind, das aber nicht hinreicht - verlernt je jemand seine Muttersprache oder lernt sie um?

Ipsissimus
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Mo 11. Feb 2008, 14:30 - Beitrag #8

wenn man anerkennt, daß Gott die ihm zugeschriebenen Handlungen des AT begangen hat


du erwähnst in deinem Eingangsposting das Buch von Buggle, stellst das Thema also in den Kontext einer Diskussion des christlichen Gottesverständnisses. Die Verwendung des undifferenzierten Begriffes "Gott" statt, "christlicher Gott gemäß gesamtbiblischer Gottesvorstellungen" erlaubt dabei natürlich eine gewisse Unschärfe, in der manche Schärfen genuin christlichen Gottesverständnisses zugunsten einer verschwommenen Sicht aufgehoben werden können, in der dann zwar die Vorstellungen aufrecht erhalten bleiben, aber gar nicht mehr erwähnt oder nicht mehr so scharf formuliert werden müssen - mithin ein psychologisch-rhetorischer Trick.

Also, nimmt mensch - wie ich schon schrieb - die Bibel als Grundlage seines christlichen Glaubens so ernst, wie es den Bekenntnissen und Lehren aller christlichen Konfessionen und auch der Eigendarstellung der Bibel eigen ist, dann hat der christliche Gott definitiv alle die Greuel ursächlich zu verantworten, für die er in der Bibel Lobpreis einheimst. Und der betreffende Mensch muss sich nicht nur nach seinem Gottesverständnis, sondern auch nach seinem Menschenverständnis fragen lassen. Nimmt Mensch die Bibel nicht mehr oder nur noch auszugsweise ernst, dann stellt sich die Frage, warum er/sie dann noch darum ringt, unter Verdrehung und Verdrängung als problematisch empfundener biblischer Aussagen einem genuin inhumanen Gott humane Züge abzugewinnen, statt dieses Gottesbild nicht auf den Müll zu werfen.

nebenbei, Jesus sprach laut Bibel nicht von Nächstenliebe sondern von Feindesliebe.

Was den Triebtäter betrifft...


wenn mensch einen Menschen gut kennt, wird er/sie vielleicht ein solches Risiko eingehen; es täte mich aber schwerst verwundern tun^^ wenn dies nicht mit einer deutlich erhöhten Aufmerksamkeit fernab jeglicher Verharmlosung der potentiellen Gefährdung einher ginge. Der Gott des AT kann eigentlich nur als Dämonengott qualifiziert werden - dass dieser Dämonengott anhand der Darstellungen des NT als geläutert eingestuft werden muss, darf angesichts der Strafdrohungen des NT getrost bezweifelt werden.

- keiner müsse dort landen.


wenn ich will, dass jemand nicht in einer Folterzelle landet, dann baue ich erst gar keine Folterzellen. Wenn ich Folterzellen baue, und dann sage "Schau mal, das ist dein finales Ziel, aber wenn du den Kotau vor mir vollziehst, brauchst du nicht hinein", dann wollte ich nie, dass niemand darin landet, und meine Freundlichkeit ist nur Vorwand.

...die Liebe Gottes, die höher ist als alle unsere Vernunft...


welches Gottes?

Sagt diese unterschiedliche Intensität der Überlieferung etwas über die Relevanz aus?


das hängt davo ab, welche Auslegungstradition du bevorzugst

Und wie sind sie so schnell den frühen Christen abhanden gekommen?


Grabenkämpfe. Bis zum Konzil von Konstantinopel 381 glaubete mehr oder weniger jeder Bischof, was er wollte, und seine Schäfchen natürlich auch

Allerdings stehen die Reflexionen von Menschen auch stärker in der Gefahr, durch Reflexionen anderer überwunden zu werden, notfalls interessegeleitet und mit Macht.


und das siehst du beim Christentum oder anderen Gesetzesreligionen nicht als gegeben an?

Stand der japanische Buddhismus in Opposition zu den Gräueltaten das Japaner in der Mandschurei und im Pazifikkrieg? Oder gab es da keine Beziehung?


wie ich schon in der Vergangenheit nicht müde wurde, immer wieder zu betonen, ist der Buddhismus als Moralsystem schlichterdings missverstanden^^ es gab Zenmeister, die nach humanistischen Standards als Kriegsverbrecher eingestuft werden müssen^^

Meinst Du, daß nur das Christentum Double Binding-tauglich ist?


das ist das genaue Gegenteil dessen, was ich gesagt habe^^

Vielleicht, weil die Menschen nicht so weit waren, eine andere Sprache zu verstehen. I


jan, wir verstehen die Bibel vollkommen, wenn wir sie als Propagandabuch auffassen

Weil der Dämon vielleicht ein guter Begleiter geworden ist durch die Fährnisse des Lebens.


ist er das?

Dann bedarf der Mensch wahrhaftig der Erlösung von seinem guten Begleiter.

Padreic
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Mo 11. Feb 2008, 19:16 - Beitrag #9

Dass ein Gott inhuman ist, sollte eigentlich keinen wundern, oder? Es ist nicht Gottvater, dessen Handlungen unser Vorbild sein sollten; seine Handlungen sind mythisch und rätselhaft, zudem verfremdet überliefert. Wer mag hinter seine Ratschlüsse schauen? Aber dass er Menschen, die sich gegen ihn entscheiden, nicht tief in seine Arme schließt, mag nicht überraschen. Dass er liebend ist, heißt nicht, dass man es zu einfach mit einer Form menschlicher Liebe, die einem gerade beliebt, gleichsetzt. Wenn man jemanden liebt, muss man dann nicht seine Entscheidungen ernstnehmen? Niemand sagt, dass das Leben ein Kindergeburtstag ist.

Dass die gesamte Bibel göttlich inspiriert ist [woran ich, auch aus christlicher Perspektive, nicht so ganz glauben kann; niemand wird behaupten, dass ein Autor vom Blitz erschlagen wurde, wenn er einen Satz nicht aus göttlicher Inspiration, sondern aus eigener Borniertheit reingeschrieben hat, oder?], heißt nicht, dass man einfach einfach ein paar Zeilen herausnehmen und direkte Handlungsanweisungen daraus lesen kann. Dass ein Ausspruch göttlich inspiriert ist, heißt nicht, dass er für alle Zeiten das richtige und beste darstellt. Insbesondere bedeutet das Ernstnehmen des Alten Testaments nicht, dass wir sämtliche Speise- und Sabbatgebote einhalten müssen. So wie uns das Handeln und Wort des Menschensohnes überliefert sind, können sie nicht mehr gelten. Der Hintergrund der Gebote mag ewig sein; ihr konkrete Ausformung kann sich durchaus wandeln. Nur manche scheinen festgemeißelt in Stein: "Liebe deinen nächsten wie dich selbst." und "Liebe deinen Gott im höchsten Maße." beispielsweise. Aber auch hier mag sich ändern, wie wir sie konkret verstehen.

Es gibt da einen Ausspruch, ich glaube von Kierkegaard: "Die Bibel ist nicht dazu da, dass wir sie kritisieren, sondern dass sie uns kritisiert." Er ist ein Paradox auf seine Weise, dieser Satz. Brauchen wir nicht Kunde von der Glaubwürdigkeit einer Autorität, die wir kritisch hinterfragen können, bevor wir uns von dieser kritisieren lassen? Und doch. Wenn wir beim Lesen der Bibel nur überprüfen, ob darin steht, was wir ohnehin schon glauben und meinen, nehmen wir sie nicht ernst und können kaum auf das Christsein horchen. "In diesem Buch tun Leute Dinge, die ich blöd finde. Blödes Buch!" Vielleicht sind wir auch einfach borniert in unseren "Einsichten" der Moderne.

Ipsissimus
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Di 12. Feb 2008, 14:32 - Beitrag #10

Dass ein Gott inhuman ist, sollte eigentlich keinen wundern, oder?


jain^^ da es sich bei "Gott" lediglich um Gottesvorstellungen handelt, sind die Vorstellung so inhuman und zeitgeistbedingt wie die Menschen, die sie entwickelt haben, mithin nichts Verwunderliches. Verwunderlich ist aber vielleicht ein bisschen, dass offenbar nur inhumane Vorstellungen entwickelt wurden, was in seiner Einseitigkeit über die gesamte Dauer der menschlichen Zivilisationsgeschichte doch verwundern mag^^ andererseits ist darin ein Kommentar über die menschliche Natur enthalten, also vielleicht doch wieder nicht so ganz verwunderlich^^

Es ist nicht Gottvater, dessen Handlungen unser Vorbild sein sollten; seine Handlungen sind mythisch und rätselhaft, zudem verfremdet überliefert.


welcher der vielen "einzigen" oder "obersten" Gottheiten ist denn damit gemeint? Davon abgesehen geht es nicht darum, die Handlungen "Gottvaters" zum Vorbild zu nehmen, sondern darum, klipp und klar zu sehen, dass die Handlungen und Eigenschaften, die dem christlichen "Gottvater" in der Bibel zugewiesen werden, inhuman und daher inkompatibel zu einer humanistischen Weltsicht sind. Sollte es tatsächlich einen realen Gott geben, könnte man es ihm kaum verargen, wenn er über dieses Buch schwer verärgert wäre.

Wer mag hinter seine Ratschlüsse schauen?


ich mag hinter seine Ratschlüsse schauen^^ und tatsächlich, ich entdecke da auch was^^ menschlich-allzumenschliche Vorstellungen, die auf die Projektionsfläche eines Gottesbildes geworfen werden^^

Aber dass er Menschen, die sich gegen ihn entscheiden, nicht tief in seine Arme schließt, mag nicht überraschen.


ah, aber das ist Folge davon, dass Gottesbilder grundsätzlich nicht in der Lage sind, jemanden in den Arm zu nehmen^^

Padreic, ich halte es für eine Pattsituation nur auf oberster Ebene. Es kann nicht auf rationaler Basis dagegen argumentiert werden, dass ein Gott existiert und ursächlich den Dingen zugrundeliegen könnte. Es kann auch nicht auf rationaler Basis dafür argumentiert werden.

Es kann aber sehr wohl auf rationaler Basis über den Wert und den Gültigkeitsbereich von Gottesbildern und Gottesvorstellungen gesprochen werden.

Wenn sich das auf einen Privatgott bezieht, wird die Diskussion immer wieder an den Punkt gelangen, dass sich die Individuen ihren Privatgott so hinbiegen, dass sie irgendwie damit klarkommen. Also kann ein sinnvoller rationaler Diskurs nur auf der Basis von explizierten, etablierten Gotesvorstellungen geführt werden. Und da denke ich, dass alle drei gesetzesreligiösen "Gottväter" schlechte Karten in der Konfrontation mit humanistischen Standards haben.

Persönlich - ich bin ein spiritueller Mensch. Meine Zenpraxis hindert mich nicht, von einem Gefühl des Einseins mit allem erfüllt zu sein. Sie bewahrt mich aber davor, diesem Gefühl rauschhaft zu erliegen und ihm eine überindividuelle Bedeutung zuzubilligen. Ich verzichte auch vollkommen auf jegliche weitergehende Spekulation über die Ursache dieser Empfindungen oder gar über Eigenschaften dieser etwaigen Ursache, außer dass ich in meinem allgemeinen Erklärungsrahmen von Panpsychis ausgehe. Das ist für mich Geborgenheit genug, und ich muss mich nicht noch damit herumplagen, Genozide schönzureden oder ins Mysthische zu überhöhen, damit sie der Hinterfragbarkeit enthoben scheinen.

Dass die gesamte Bibel göttlich inspiriert ist ...


was es heißt, dass die gesamte Bibel göttlich inspiriert sei, wird doch wohl in den offiziellen Kirchenlehren festgeschrieben, denen ein Christ je nach Konfession und Kongregation mehr oder weniger fest verpflichtet ist. Ich lege auf diese Feststellung soviel Nachdruck, weil - wie oben mit dem Begriff der Privatreligion schon angedeutet - nach meinen Beobachtungen der "normale" mitteleuropäische Christ unter seinem Christsein schon lange einen mehr oder weniger inhomogenen Synkretismus aus humanistischen und biblischen Elementen versteht, selbst wenn er diese humanistischen Elemente ursächlich und irrtümlich dem biblischen Gottesbild und seinen Wirkungen zuschreibt. Zum einen ist mir diese Loslösung und Befreiung von strickten Vorgaben sehr sympathisch, zumal sie sich im Mitteleuropa außerhalb fundamentalistischer Kreise auf breiter Front vollzieht. Zum anderen ergibt sich daraus die Schwierigkeit, dass die Sachverhalte dahinter verschwommen werden, wenn die Gläubigen eben zwar schon lange den Gott der Bibel auf ein paar ausgewählte Kernsätze reduzieren, dieses Gemisch aber immer noch als christlich auffassen. Ich habe nichts gegen solche Privatreligionen. Aber warum dann immer noch so tun, als wäre die Bibel das Nonplusultra aller Weisheit?

Die Bibel ist nicht dazu da, dass wir sie kritisieren, sondern dass sie uns kritisiert.


du schreibst die Kritikpunkte daran gleich hinterher, als würde das die Kritik entschärfen^^ "Was in der Bildzeitung steht, ist wahr, denn es steht in der Bildzeitung, dass wahr ist, was in ihr steht, und deswegen würde nichts in der Bildzeitung stehen, was nicht wahr ist."

Kiergegards Satz ist nichts als einer von unzähligen Versuchen, einem als absolute Autorität empfundenem Buch durch Überhöhung den Nimbus der Unhinterfragbarkeit zu verleien und es gegen Kritik zu immunisieren.

"In diesem Buch tun Leute Dinge, die ich blöd finde. Blödes Buch!"


oh nein^^ ich nehme die Bibel sehr ernst, und sie ist alles, nur kein blödes Buch^^ sie ist nur eben nicht das, was Gläubige in ihr sehen, ist nicht "Heilige Schrift", sondern in Teilen Propagandabuch, in Teilen Geschichtsbuch, in Teilen Kampfschrift, in Teilen Weisheitspoesie. Sie entstand über einen sehr langen Zeitraum, und sie spiegelt sehr genau die Absichten und Ziele der Menschen wieder, die ihre Texte verfassten. Als solches ist sie hochinteressant zu lesen, wenn man sich für die Psychologie historischer Entwicklungen interessiert natürlich nur. Mehr nicht. Mit einer etwaigen real existierenden Gottheit hat sie nichts, aber auch gar nichts zu tun.

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Mi 13. Feb 2008, 18:43 - Beitrag #11

Genauso handelt es sich bei "dir" nur um eine Vorstellung und trotzdem rede ich mit dir. Sei's drum. Aber um diesem Gespräch eine gewisse philosophische und religiöse Dimension zu geben, sollte zumindest methodisch nicht ausgeschlossen werden, dass hinter diesen Gottesvorstellungen doch ein reales göttliches Wesen verborgen sein könnte.

Worauf ich (unter anderem) hinaus wollte, ist das Folgende: Von einem Gottvater humanes Verhalten zu verlangen, erscheint schon von den Worten her problematisch. Es mag viele Leute geben, die eine Synthese von Humanismus und Christentum zu leben versuchen. Aber letztlich kann das nie vollkommen aufgehen, da das Christentum doch dazu auffordert, die Welt nicht vom Menschen, sondern vom Gotte her zu denken. Dass die Bibel nicht mit dem Humanismus so recht zusammen passen will, ist keineswegs überraschend oder bloß zufällig in einigen Punkten; es ist wesentlich für diesen Typus des Religiösen. Die Bibel fordert gewissermaßen schon einen Fundamentalismus (auch wenn nicht unbedingt so, wie er von vielen Evangelikalen praktiziert wird). Dass viele, die sich Christen nennen, dem nicht folgen, zeugt vielleicht nicht in jedem Fall von intellektueller Redlichkeit, ist aber auch nicht weiter überraschend. Was gefordert wird, richtet sich ja durchaus in einigen Punkten gegen gesunden Menschenverstand und das, was angenehm und bequem ist.
Spricht es aber gegen das Christentum, dass es dem (universellen) Humanismus widerspricht?

Ich bleibe übrigens bei meiner Position bzgl. des Kierkegaardschen Ausspruches. Unsere Basis, auf der wir die Bibel, den Koran oder auch die Bildzeitung kritisieren, ist immer wacklig und geht von vielen Annahmen aus. Und diese Annahmen können wir letztlich nicht eliminieren; wir müssen in einem immer währenden Prozess über diese Annahmen nachdenken und sie vielleicht verwerfen, vielleicht andere nehmen; doch letztlich haben wir wenig bis keine Gründe, die wirklich für unsere Grundannahmen sprechen. Wir nehmen bestimmte Sachen für gegeben, andere nicht. Ich kann es Leuten nicht wirklich verdenken, wenn sie die Bibel als einen Ankerpunkt nehmen, so lange sie es auf redliche Weise tun.

Persönlich - ich rede nicht über meine Privatreligion, (u.a.) weil ich es nicht kann, da ich nicht in einem engeren Sinne gläubig bin. Was ich schreibe, ist meine Auslegung des Christentums. Ich versuche, sie so stark und unvermischt zu machen, wie ich kann. An dieser Untersuchung hab ich letztlich ein ernsthafteres Interesse als an einer bloß gesellschaftlich-psychologischen Untersuchung von Gottesbildern, auch wenn diese auch nicht uninteressant sein mag.

Ipsissimus
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Do 14. Feb 2008, 17:27 - Beitrag #12

Genauso handelt es sich bei "dir" nur um eine Vorstellung ...


"Genauso"? Das heißt, du siehst "ihn", wie du einen Baum siehst, du hörst "ihn", wie du einen Menschen sprechen hörst, der vor dir steht, oder wenigstens im Fernseher gerade eine Rede hält? Sprichst gar mit "ihm", wie du auch mit mir "trotzdem" redest, und bekommst Antworten, wie du von mir Antworten bekommst? Oder handelt es sich dabei um die übliche, durch metaphorische Wortbenutzung bedingte Verwechslung ontologischer Kategorien, wenn du "ihm" und mir denselben ontologischen Status zuweist?

Von einem Gottvater humanes Verhalten zu verlangen, erscheint schon von den Worten her problematisch.


wenn wir versuchsweise irgendeinem oder allen der vielen im Laufe der Menschheitsgeschichte schon angebeteten "Gottväter" um der Diskussion willen tatsächlich den ontologischen Status einer realexistenten, intelligenten und handlungsfähigen Entität zusprechen, was sollte uns daran hindern, an diese Entität die Bewertungskriterien anzulegen, die wir an alle diese realexistenten, intelligenten und handlungsfähigen Entitäten anlegen?

Ein den Genozid befehlender Tyrann ist ein den Genozid befehlender Tyrann, selbst wenn er ein Gott sein sollte; und wenn er vor 2500 Jahren das letzte Mal einen Genozid befohlen haben sollte, so ist er immer noch ein Massenmörder. Hitler wird ja auch in alle Ewigkeit einfach nur ein Massenmörder sein, selbst wenn es in 2000 Jahren eine Religion geschafft haben sollte, sein Bild durch fortwährende geeignete Propaganda im Bewußtsein seiner Gläubigen von allen Makeln des geschichtlichen Hitlers zu befreien.

Ich denke gar nicht daran, irgendeinem intelligenten Wesen einen Sonderstatus zuzubilligen. Wenn real, wenn existent, dann auch die Kriterien, die ich an jedes real existente Wesen anlege. Ein Folterknecht ist kein feiner Kerl, nur weil ich zu befürchten habe, irgendwann unter ihm zu leiden

ich befürchte nur, dass unter dieser Maßgabe der biblische Gott noch schlechter abschneidet als unter der Maßgabe, ihn als bloße Vorstellung aufzufassen. Gegen einen solchen Gott werde ich immer rebellieren, selbst wenn am Ende die schlimmsten Szenenerien perversester fundamentalistischer Straf- und Verdammnisphantasien an mir Wirklichkeit werden sollten. Ein solcher Gott ist kein Gott, sondern ein Dämon. Nieder mit ihm.

Aber letztlich kann das nie vollkommen aufgehen, da das Christentum doch dazu auffordert, die Welt nicht vom Menschen, sondern vom Gotte her zu denken


das ist wohl so (wenn man "vom Gotte" ersetzt durch "vom Gotte gemäß biblischen Schilderungen"). Schlimm für das Christentum. Fürchterlich für die Menschheit.

Was gefordert wird, richtet sich ja durchaus in einigen Punkten gegen gesunden Menschenverstand und das, was angenehm und bequem ist.


gesunder Menschenverstand kann irren, ohne jede Frage; ein Handeln, das ihm zuwider läuft, muss nicht zwangsweise dumm oder falsch sein. Es wäre jedoch wünschenswert, wenigstens in rudimentärster Weise noch etwas Weisheit erkennen zu lassen; diese Weisheit ist christlichen Positionen nicht automatisch zu eigen, nur weil es christliche Positionen sind

der zweite Teil, das klingt so einnehmend nach "Schau, wir Christen machen es uns im Gegensatz zu allen anderen nicht angehmen und bequem".

es gibt spirituelle Menschen, denen ihre Spiritualität ein Anliegen und ein Lebensthema ist. Solche Menschen machen es sich in dem von dir gemeinten Sinne weder angenehm noch bequem in religiösen Fragen. Es gibt sie in christlichen Kreisen wie außerhalb christlicher Kreise. Alle anderen sind Mitläufer.

Spricht es aber gegen das Christentum, dass es dem (universellen) Humanismus widerspricht?


wie du weißt, anerkennt ein Zenbuddhist kein Metasystem, kein Entscheidungssystem mit absoluter Autorität. Auch der Humanismus ist kein solches System, das Christentum nicht, und Zen schon gar nicht. Was bleibt zur Entscheidungsfindung?

Das, was einem Menschen angemessen ist.

Und damit wird es immer Menschen geben, die auf verschiedenen Seiten stehen. Ich würde niemals einem Massenmörder, der Zenmeister ist, absprechen, dass er Zenmeister ist. Ich würde nur in entsprechender Situation trotzdem gegen ihn vorgehen. Weil ich ich bin, nicht weil ich mich einem moralischen Prinzip verpflichtet fühle.

Das Christentum spricht gegen mich^^ das spricht gegen das Christentum^^ dass es dadurch auch einem universellen Humanismus widerspricht, ist belanglos


"Unsere" Basis, von der aus "wir" Bibel, Koran und dergleichen kritisieren, ist mitnichten wackelig. Erkenne dich selbst, und du hast die stabilste Basis, die du dir nur wünschen kannst. Dich selbst. Kiergegard würde ich religiöse Kleinmütigkeit und Unmündigkeit unterstellen.

"Und woher weißt du, dass deine Auffassungen richtig sind, wenn du sie nicht an einer absoluten Autorität abgleichst?" Meine Güte, wie oft habe ich das als Kritik hören müssen. Meine Lieblingsantwort darauf hat eine Romanfigur formuliert: "Denk gefälligst für dich selbst und auf eigenes Risiko, Feigling."

Davon abgesehen - habe ich richtig verstanden, dass du Philosophie studierst? Als Geisteswissenschaftler sollte dir Quellenkritik doch geläufig und sogar ein zentrales Anliegen sein^^

janw
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So 24. Feb 2008, 03:18 - Beitrag #13

Zitat von Ipsissimus:du erwähnst in deinem Eingangsposting das Buch von Buggle, stellst das Thema also in den Kontext einer Diskussion des christlichen Gottesverständnisses. Die Verwendung des undifferenzierten Begriffes "Gott" statt, "christlicher Gott gemäß gesamtbiblischer Gottesvorstellungen" erlaubt dabei natürlich eine gewisse Unschärfe, in der manche Schärfen genuin christlichen Gottesverständnisses zugunsten einer verschwommenen Sicht aufgehoben werden können, in der dann zwar die Vorstellungen aufrecht erhalten bleiben, aber gar nicht mehr erwähnt oder nicht mehr so scharf formuliert werden müssen - mithin ein psychologisch-rhetorischer Trick.

Also, nimmt mensch - wie ich schon schrieb - die Bibel als Grundlage seines christlichen Glaubens so ernst, wie es den Bekenntnissen und Lehren aller christlichen Konfessionen und auch der Eigendarstellung der Bibel eigen ist, dann hat der christliche Gott definitiv alle die Greuel ursächlich zu verantworten, für die er in der Bibel Lobpreis einheimst. Und der betreffende Mensch muss sich nicht nur nach seinem Gottesverständnis, sondern auch nach seinem Menschenverständnis fragen lassen. Nimmt Mensch die Bibel nicht mehr oder nur noch auszugsweise ernst, dann stellt sich die Frage, warum er/sie dann noch darum ringt, unter Verdrehung und Verdrängung als problematisch empfundener biblischer Aussagen einem genuin inhumanen Gott humane Züge abzugewinnen, statt dieses Gottesbild nicht auf den Müll zu werfen.

Habe mir das Buch mittlerweile besorgt.
Du hast schon recht, die Trennung "Gott als generelles transzendentales Wesen" vs. "Gott im Sinne jüdischchristlicher Vorstellungen" wird vielfachst nicht vollzogen und damit die christliche Glaubensfrage unzulässig zur allgemeinen Glaubensfrage stilisiert.
Meine eigene Vorstellung ist "notwendigerweise" (aufgrund entsprechender Sozialisation) im Bereich christlicher Vorstellungen verankert worden, letztlich aber durch eigenes ErlebenWahrnehmen/Auffassen gefestigt und konkretisiert zu jener meiner der Amtskirchensicht gegenüber skeptischen Glaubensausprägung. Du würdest hierin eine psychologische Konditionierung wahrnehmen (und dies festzustellen beinhaltet schon eine gewisse Distanzierung meinerseits gegenüber meinen Vorstellungen, wie auch eine Aussage darüber, wie ihnen beizukommen wäre).

nebenbei, Jesus sprach laut Bibel nicht von Nächstenliebe sondern von Feindesliebe.

In Mk. 12.31 heißt es: "Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst."
Das entspricht dem gleichlautenden Gebot aus 3. Mose 19.18, das sich auf Angehörige des Volkes der Israeliten bezieht, sie sind die Nächsten, die zu lieben sind, über den Rest wird nichts gesagt.
Aber bedeutet "liebet Eure Feinde" nicht eine Verstärkung und Ausdehnung des Liebes-Gebotes, indem hiernach jeglicher andere zu lieben ist wie mensch selbst, sogar ein Feind?
Das war zumindest bisher mein Verständnis dieser Aussage.
Ein ziemlich provozierendes dazu, ich hab da so einen ehemaligen Lehrer und seinen Filius, bei dem mir das mit dem lieben partout schwer fallen will^^

wenn mensch einen Menschen gut kennt, wird er/sie vielleicht ein solches Risiko eingehen]
Nun, fürchte nicht, daß ich es an der gebotenen erhöhten Aufmerksamkeit fehlen ließe, da ist gewiss nichts zu verharmlosen.
Nur, falls sich das kurz beantworten lässt, wie sieht es denn generell aus angesichts des Problems einer hohen Dispositionswirkung von Mißbrauchserlebnissen und einer Dunkelziffer bei den Mißbrauchten? Ist nicht generell Vorsicht die Mutter des Porzellans, oder mißbraucht es sich leichter, wenn es das zweite Mal ist?

Der Gott des AT kann eigentlich nur als Dämonengott qualifiziert werden - dass dieser Dämonengott anhand der Darstellungen des NT als geläutert eingestuft werden muss, darf angesichts der Strafdrohungen des NT getrost bezweifelt werden.

Ja, so lange Du damit keinen daimon meinst^^ scheint mir das auch zunehmend so, oder Gott ist von seinem daimon verlassen.
Im Grunde reicht ein Blick zu Adam und Eva, um zu sehen, woran mensch da ist...
Wobei hier mit der Erbsünde das ganze Problem geschaffen wird, um das die ganze Erlösungsfrage später kreist. Wie konnte solch eine Vorstellung entstehen?

wenn ich will, dass jemand nicht in einer Folterzelle landet, dann baue ich erst gar keine Folterzellen. [...]

Ja...und doch kann es für einen Menschen in einer Notlage leichter sein, seine Lage als "dank ihm an der möglichen schlimmeren Folterzelle vorbei" zu verstehen, als sich kontingenten Prozessen ausgeliefert zu sehen und dem Dämon der Aufsichselbstgeworfenheit.

welches Gottes?

Das Zitat ist der Beginn der Segnung am Ende des lutherischen Gottesdienstes - ich wollte nur andeuten, daß IMHO letztlich doch ein Maß an Unbestimmtheit verbleibt, wie wir die geschilderten Unsäglichkeiten richtig interpretieren - Dämonengott, Propaganda, psychologisch interpretierbares Gedankengut, was noch?

das hängt davo ab, welche Auslegungstradition du bevorzugst[/I]
Persönlich neige ich dazu, einer ereignisnäheren Quelle größeren Wahrheitswert zuzumessen. Allerdings ist in diesem Falle die redaktionelle Bearbeitung und die Frage der richtigen Übersetzung auch so wirkmächtig gewesen, daß ich nicht wirklich weiß, wie ich die Unterschiede in den Evangelien interpretieren soll.
Ist vielleicht wahrer, was häufiger überliefert wird?

Grabenkämpfe. Bis zum Konzil von Konstantinopel 381 glaubete mehr oder weniger jeder Bischof, was er wollte, und seine Schäfchen natürlich auch

Das Kernproblem mit der späteren bewussten Veränderung des Glaubens.
Aber dann könnten alle die Probleme mit Kriegen und Katastrophen seit dem daran liegen, daß keiner mehr richtig glaubt - nicht, daß ich das glaube^^, aber manch Gläubiger könnte auf soetwas kommen.

und das siehst du beim Christentum oder anderen Gesetzesreligionen nicht als gegeben an?

Naja, durch den zugrunde liegenden Text bzw. seine Quellen ist ein gewisser Rahmen gesteckt, auf den ein Gläubiger sich beziehen kann, auch wenn die Amtskirche redaktionell und auslegerisch tätig wird. Jede Bearbeitung und Auslegung bezieht sich letztlich auf diese Grundlage, kann sie nicht in dem Maße übersteigen, wie dies vielleicht bezüglich der Lehren eines anderen Menschen möglich ist.
Gut, natürlich läuft die Festlegung auf eine Grundlage auf eine zumindest sehr gut mögliche, vielleicht gar gewollte, Barriere für das eigene Denken hinaus - ein gravierendes Problem.

wie ich schon in der Vergangenheit nicht müde wurde, immer wieder zu betonen, ist der Buddhismus als Moralsystem schlichterdings missverstanden^^ es gab Zenmeister, die nach humanistischen Standards als Kriegsverbrecher eingestuft werden müssen^^

Fürwahr ein Problem, daß ich irgendwie gerne Moralsystem suche, wo "religion(sartig)" drauf steht, aber ich arbeite dran^^

das ist das genaue Gegenteil dessen, was ich gesagt habe^^

Ich dachte mir, daß dem so sei, wollte aber ganz sichergehen.

jan, wir verstehen die Bibel vollkommen, wenn wir sie als Propagandabuch auffassen

Gut, dann werd ich ihr mal einen neuen Platz in der Bibliothek verschaffen. Neben Keynes, wäre doch mal reizvoll...

ist er das?

Dann bedarf der Mensch wahrhaftig der Erlösung von seinem guten Begleiter.

Im Sinne eines daimon, eines Schutzgeistes, ist er das geworden. Und nachdem auch meine wichtigsten realen Lebensbegleiter seit einiger Zeit nicht mehr sind, wird er nun auch noch untragbar; etwas unerquicklich...

Aber es geht wohl kein Weg daran vorbei. Das Dumme ist nur, daß das Gefühl noch nicht so will, wie die ratio gebietet, zumindest bisweilen noch.

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Mo 25. Feb 2008, 18:04 - Beitrag #14

Meine eigene Vorstellung ist "notwendigerweise" (aufgrund entsprechender Sozialisation) im Bereich christlicher Vorstellungen verankert worden, letztlich aber durch eigenes ErlebenWahrnehmen/Auffassen gefestigt und konkretisiert zu jener meiner der Amtskirchensicht gegenüber skeptischen Glaubensausprägung. Du würdest hierin eine psychologische Konditionierung wahrnehmen (und dies festzustellen beinhaltet schon eine gewisse Distanzierung meinerseits gegenüber meinen Vorstellungen, wie auch eine Aussage darüber, wie ihnen beizukommen wäre).


es wird dir vielleicht verwunderlich vorkommen, janw, aber ich stehe dem Buch von Buggle eher skeptisch als zustimmend gegenüber. Das hat seinen Grund darin, dass auch ihm nichts besseres einfällt, als einem Metasystem ein anderes Metasystem entgegenzusetzen und so zu tun, als sei letzteres unhinterfragbar der Weisheit derzeitiger letzter Schluss.

Sein Metasystem nennt sich Rationalismus/Humanismus; er verkennt imo jedoch dabei, dass Rationalismus aller Absichten Hure ist (Kriege und Massenentlassungen können ungeheuer rational begründet, geplant und durchgeführt werden), und dass auch der Humanismus namhafte Misserfolge bezüglich der Freundlichkeit von ihm herstammender System vorzuweisen hat, wofern mir die Freizügigkeit erlaubt ist, die politischen Systeme der Staaten des real existierenden Sozialismus als in der Theorie vom Humanismus herrührend aufzufassen. Auch viele jener Politiker, die den Militärimperialismus des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts befohlen und getragen haben, verstanden sich durchaus als Humanisten.

Buggle verkennt im Kern, dass KEIN wie auch immer gesetztes Metasystem qua seiner Setzung und qua seiner Eigenarten Gewähr dafür bietet, dem "Faschismus unserer Seelen" Einhalt zu gebieten.

Ich denke auch, die Geschichte der Religionen und Weltanschauungen mitsamt ihren historischen politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen bietet uns dafür auch genügend Belegmaterial. Das Christentum und leider auch der Humanismuss stehen wie alle anderen Religionen und Weltanschauungen in einer langen Reihe von Denksystemen, die ihrem Missbrauch nichts entgegenzusetzen haben.

Damit ist auch implizit gesagt, was hilft - nämlich ewige Wachsamkeit sich selbst gegenüber. "Was hilft" ist hier nicht als Suggestion von Gelingen aufzufassen, sondern als einzig mögliches Moment, welches überhaupt eine Chance bietet. Wenn ich eine Lebenspraxis der permanenten Wachsamkeit mir selbst gegenüber etabliere, gibt es eine Chance, wenigstens eine Chance, dass ich nicht bei nächst bester Gelegenheit zum Sklavenhalter werde, nur weil sich die Gelegenheit bietet und mir Begründungen zuhauf geboten werden, die mit der freundlichen Weichzeichnung meines Selbstbildes komform gehen.

Von daher, janw^^ Buggle liefert eine tolle Übung in Logik, anhand eines Themas, dem Logik anstelle verschwommenem Empfinden sicher sehr gut tut. Letztlich aber verzweifeln seine Argumente an der Renitenz der menschlichen Psyche, sofern diese keinem lebenslangen Prozess der Integration ihrer bösartigen Elemente unterzogen wird. Das Licht nicht allein, und der Schatten nicht allein^^ erst in ihrer Integration - die NIEMALS von selbst geschieht - kann ein Mensch zu einer Gesamtheit gelangen, welche über den Dichotomien des "moralischen Wollens und Empfindens" steht, welche zu all den Bösartigkeiten menschlichen Handelns führen. Das kann ein Mensch aber immer nur für sich selbst; die Methode eignet also nicht zum Metasystem. Und sie kann auch zu Zenmeistern führen, die Kriegsverbrecher sind.

später mehr^^

janw
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Di 4. Mär 2008, 21:40 - Beitrag #15

Ja, den Eindruck habe ich bei Buggle auch gewonnen, er ersetzt die christliche Religion (und übertragbarerweise auch andere theistische Religionen) durch eine Religion der Aufklärung - wobei mir diese fast noch gefährlicher erscheint als erstere, da Rationalität an sich schon unser Denken und Handeln bestimmt, wehe, wenn wir sie dann noch in eine Sphäre quasigöttlicher Unantastbarkeit erheben^^
Zudem muss er sich IMHO fragen lassen, welche Aufklärung er meint, welchen Stand in der Werteentwicklung. Bezieht er sich auf den Erkenntnishorizont von etwa 1792, möglichst ohne Kant, der bis heute das politische Denken in usa prägt - vielleicht ein Grund für die Differenzen zwischen usa und Europa bzw. dem Rest der Welt? Oder schließt Buggles Humanismus die Erwägungen mit ein, die aus der Erfahrung von Kolonialismus und zweier Totalitarismen bis heute in Europa gewachsen sind, die zumindest bei manchen Akteuren bisweilen ein Verständnis dafür evozieren, daß bisher als "zu entwickeln" eingestufte Völker sich selbst eine andere Zukunft wünschen, und bestehe sie darin, schlicht in Ruhe gelassen zu werden?

Was, wenn man bemerkt, doch zum Sklavenhalter geworden zu sein, wenn auch nur kurz?^^

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Mi 5. Mär 2008, 01:54 - Beitrag #16

Du siehst also eine gewisse Notwendigkeit von Gewalt den Menschen gegenüber um ihre positiven Aspekte zu fördern, habe ich das richtig Verstanden? Wäre es da nicht besser die Grundeinstellung der Menschen zu ändern ohne ihnen schlechtes zuzufügen? Schließlich geben viele Menschen Gott die Schuld an schlimmen Vorfällen.

Wiederrum, worin Läge die Notwendigkeit der Weiterentwicklung wenn es dazu keinen Reiz gibt, die Neugierde mal vollkommen ausgeblendet, die reicht großen Staatschefs und anderen Personen in Machtpositionen oft nicht aus um Forschungsprojekten Geld zuzuschießen. Anstelle dieses Leids ist doch heutzutage das Streben nach Gewinn getreten.

Wobei die altbewährte Möglichkeit, Gewalt und Druck auf die Menschen auszuüben wesentlich schneller Erfolge zeigen kann. Große technologische oder soziale Weiterentwicklungen sind doch häufig an brutale Kriege gebunden. Es sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es zwischen gut und böse eben diese Grauzone gibt, die sich unserem Verständnis entzieht.

Kapitalismus als Weiterentwicklung einer Religion?

Ipsissimus
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Mi 5. Mär 2008, 13:16 - Beitrag #17

Du siehst also eine gewisse Notwendigkeit von Gewalt den Menschen gegenüber um ihre positiven Aspekte zu fördern, habe ich das richtig Verstanden?


falls du mich das gefragt haben solltest, nein, ich sehe keine Notwendigkeit für desgleichen. Ich sehe zwar eine Praxis der Gewaltanwendung, aber keine Notwendigkeit^^ das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich es als Hybris erachte, für andere Menschen Entscheidungen der Art zu treffen, was für diese als "wünschenswert", "positiv", "notwendig" und desgleichen zu gelten habe.

worin Läge die Notwendigkeit der Weiterentwicklung ...


gute Frage. Ich gehöre zu der Fraktion, die sich fragt, weswegen wir eigentlich von den Bäumen runter sind, beziehungsweise weswegen wir überhaupt auch nur die Ozeane verlassen haben. Ich halte alle diese "Notwendigkeiten" tatsächlich für kontingent; wir haben halt Pech gehabt, dass die Kontingenz ausgerechnet uns geformt hat und nicht ne nette Species.

Andererseits ist das vielleicht ne Antwort auf die Frage der Notwendigkeit. Wir sind nicht nett, wir sind gar nicht nett; aus bestimmten Perspektiven betrachtet könnte es also als wünschenswert oder gar notwendig erscheinen, dass wir nett werden. Unsere Macher müssen sich deswegen aber nicht krämen - als wenige Perspektiven von nahezu unzählbar vielen kann mensch sie getrost ignorieren.

Tatsächlich tanzen Natur und Lebendigkeit über derartige Erwägungen einfach hinweg. Ob wir scheitern, ob wir in diesem Scheitern uns und Myriaden empfindender Wesen Qual zufügen und sie in unseren eigenen Untergang mit hinein ziehen - wen interessiert´s^^ uns nicht, und die Natur erst recht nicht. Und auch, was das über uns aussagt, interessiert uns nicht^^

Wobei die altbewährte Möglichkeit, Gewalt und Druck auf die Menschen auszuüben wesentlich schneller Erfolge zeigen kann


Gewalt ist nur eine besonders komplizierte Form von Hilflosigkeit

dass es zwischen gut und böse eben diese Grauzone gibt, die sich unserem Verständnis entzieht.


"gut" und "böse" sind aller Absichten Huren^^ nichts ist "an sich" gut, nichts ist "an sich" böse; der Krieg der Interpretationen wird in Ewigkeit weitergehen. Und wo wir uns - jede/r einzelne - in diesem Krieg positionieren, das erzählt alles über jede/n einzelnen von uns

Kapitalismus als Weiterentwicklung einer Religion?


wieso Weiterentwicklung? Gier war von Anfang an die einzige wirkliche Religion der Menschheit und wird diese Position bis zum Ende unserer Species auch nicht verlieren

Was, wenn man bemerkt, doch zum Sklavenhalter geworden zu sein, wenn auch nur kurz?^^


kommt drauf an^^ Sklaven können freigelassen werden, aber ob der Sklavenhalter noch vor seiner Mentalität zu retten ist? Wenn überhaupt, dann ganz sicher nur dann, wenn es ihm ein Anliegen ist, wenn er sich selbst als das Problem erkennt^^

andererseits - ich will das nicht überstrapazieren^^ Menschen sind keine Götter, ihre Motive, Absichten, Einsichten, Strategien sind nicht vollkommen. Sich selbst vor sich selbst zu sehr an den Pranger zu stellen, hieße nur, vom Hochseil nicht links, sondern rechts runterzufallen. Nur die Verschränkung von Entschlossenheit und Gelassenheit gewährt Angemessenheit.

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Mi 5. Mär 2008, 16:35 - Beitrag #18

alls du mich das gefragt haben solltest, nein, ich sehe keine Notwendigkeit für desgleichen. Ich sehe zwar eine Praxis der Gewaltanwendung, aber keine Notwendigkeit^^ das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich es als Hybris erachte, für andere Menschen Entscheidungen der Art zu treffen, was für diese als "wünschenswert", "positiv", "notwendig" und desgleichen zu gelten habe.


Nein, die Frage galt jan's Eingangsbeitrag. Aber deine Antwort ist mir auch sehr recht. Letzlich war es ein biologischer Prozess der uns von den Bäumen geholt hat und uns einen Freien Willen gegen hat, der uns heute ermöglich den Fortschritt zu kontrollieren und uns nicht allein von der Evolution abhängig macht.

Interesse für unsere eigenen Taten besteht, warum gibt es sonst ein Unrechtsbewusstsein, Scham für schlechte Taten?

Gewalt ist nur eine besonders komplizierte Form von Hilflosigkeit


Dann ist eine verbale Auseinandersetzung aber ebenso eine Form von Hilflosigkeit.

"gut" und "böse" sind aller Absichten Huren^^ nichts ist "an sich" gut, nichts ist "an sich" böse; der Krieg der Interpretationen wird in Ewigkeit weitergehen. Und wo wir uns - jede/r einzelne - in diesem Krieg positionieren, das erzählt alles über jede/n einzelnen von uns


Es ist gut, dass sich dies nur theoretisch so zerlegen lässt, ansonsten würde unsere Zivilisation untergehen. Aber ich verstehe durchaus was du meinst und befinde das auch für richtig.

wieso Weiterentwicklung? Gier war von Anfang an die einzige wirkliche Religion der Menschheit und wird diese Position bis zum Ende unserer Species auch nicht verlieren


Da wäre ich mir nicht so ganz sicher. Angst war ein ganz wesentlicher Bestandteil der Menschen und ist es noch heute. Daraus haben sich auch andere Machtpositionen bedient. Es gab auch schon andere Gesellschaftsformen die die altbekannte Religion ersetzten sollten. Stichwort UDSSR. Menschen werden doch bedeutend von Gier und und Angst getrieben, kann man das nicht verbinden?

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

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Do 6. Mär 2008, 17:25 - Beitrag #19

und uns einen Freien Willen gegen hat


ich würde sagen, einen Willen, der sich an Freiheitsgraden entlang hangeld. Einen absolut freien Willen vermag ich nicht zu erkennen. Kommt noch hinzu, dass der "freie Wille" der allermeisten Menschen "frei" nur ist im Sinne des Wollens, das nach Absolvierung der kindlichen und jugendlichen Indoltrination überhaupt noch gewollt werden kann. Die allermeisten Menschen sind Systemroboter und wollen nur das, was das System ihnen erlaubt, wollen zu dürfen.

den Fortschritt zu kontrollieren


immer wieder der gleiche alte Wahn von der Krone der Schöpfung

warum gibt es sonst ein Unrechtsbewusstsein, Scham für schlechte Taten?


frühkindliche Indoktrination

Dann ist eine verbale Auseinandersetzung aber ebenso eine Form von Hilflosigkeit.


sie kann es definitiv sein, meine Aussage trifft keine Unterscheidung hinsichtlich der Form der Gewalt; sie ist allerdings nicht notwendigerweise eine Form von Gewalt. Ich bin aber nicht sicher, ob du verstanden hast, was ich mit meiner Aussage überhaupt meine.

Es ist gut, dass sich dies nur theoretisch so zerlegen lässt, ansonsten würde unsere Zivilisation untergehen.


... denn alles was besteht, ist wert, dass es zugrunde geht^^ davor mögen uns natürlich die Paladine des Lichts bewahren, und wenn sie solange draufhauen müssen, bis nichts mehr existiert, was bewahrt werden könnte. Schließlich gilt es, heilige abendländische Werte zu verteidigen, dabei können die Menschen ruhig mal drauf gehen^^

Menschen werden doch bedeutend von Gier und und Angst getrieben, kann man das nicht verbinden?


sicher doch. Aber Angst ist nichts, wonach wir uns sehnen, oder woraus wir Trost ziehen. Wir wollen sie los werden. Damit kann sie als Motiv einer Religion zugrundeliegen. Gier ist aus sich selbst heraus bereits die ganze Religion.

janw
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Sa 8. Mär 2008, 13:57 - Beitrag #20

Zitat von Ben2506:Du siehst also eine gewisse Notwendigkeit von Gewalt den Menschen gegenüber um ihre positiven Aspekte zu fördern, habe ich das richtig Verstanden? Wäre es da nicht besser die Grundeinstellung der Menschen zu ändern ohne ihnen schlechtes zuzufügen? Schließlich geben viele Menschen Gott die Schuld an schlimmen Vorfällen.

Meine Fragestellung
Zitat von janw:Mir ist jetzt die Frage gekommen, ob nicht ein Gott, wenn es ihn gäbe, geradezu "unlieb" handeln würde, wenn er nicht gewalttätig agieren würde.
Liegt nicht eines der Grundprobleme des Menschen darin, nur aus Katastrophen und Krisen Ansätze zur Weiterentwicklung zu ziehen, während mensch sich in Frieden und Wohlstand bequem einnistet?

beruht auf der sehr zivilsationskritischen, sogar recht hoffnungsarmen Feststellung, daß der Mensch bisher überwiegend durch Krisen, oft genug selbst verursachte, zu neuen Entwicklungen, vulgo Fortschritt genannt, getrieben worden sei. In klassischer Anwendung der Sanktionstheorie (Fehlverhalten wird durch Strafandrohung und Bestrafung verhindert bzw. korrigiert) ergibt sich daraufhin die Frage, ob dieses Verhalten der Menschen nicht sanktioniert werden müsste - und wenn man einen Gott als beobachtende und lenkende Instanz annimmt, durch eben diesen.

Nun, ich glaube selbst weder an die Notwendigkeit noch an die Heilsamkeit von Sanktionen, auch die Präventionswirkung angedrohter Strafen ist meist recht gering.
Daraufhin ergibt sich aus der Fragestellung aber zweierlei - zum einen die Frage, weshalb "Gott" überhaupt dem Menschen diese Nichteinsicht in sein selbstzerstörerisches Potential mitgegeben hat - oder ist die Schaffung eines letztlich die ganze Schöpfung gefährdenden Wesens nicht vielleicht gar ein Beweis gegen die Gottgeschaffenheit des Menschen?
Zum anderen, wie Du anmerkst, daß Menschen die Ursache von Krisen überall suchen, sogar in Gott, nicht aber in ihrem eigenen konkreten Tun. Auch die Anschauung von Krise als göttlicher Strafe im AT wird nie mit konkretisiertem Fehlverhalten in Verbindung gebracht. Es läuft darauf hinaus, daß die Menschen ihre eigenen Kategorien auf Gott projizieren, ihn so gesehen zu einem der ihren machen.

Natürlich wäre es besser, den Menschen die Augen zu öffnen für das, was sie da tun und dafür, daß sie es selbst in der Hand haben, was aus ihnen und der Welt wird.

Wiederrum, worin Läge die Notwendigkeit der Weiterentwicklung wenn es dazu keinen Reiz gibt, [...]. Anstelle dieses Leids ist doch heutzutage das Streben nach Gewinn getreten.

Ich denke, daß neben Neugier Krisen tatsächlich ein wesentlicher Motor gewesen sind, der die Menschen aus der Savanne an die Küsten und weiter getrieben hat, in neue Gebiete, in denen sie nur überleben konnten, weil irgendeiner von ihnen eine rettende Idee hatte. Insgesamt ein kontingenter Prozess, wie Ipsi sagt. Wobei IMHO ein großer Teil dieser Krisen aber selbst verursacht gewesen sein dürfte, Mensch hat seine Ressourcen immer bis zum geht nicht mehr ausgebeutet und seinen Müll daneben abgelegt, und nach ihm die Sintflut^^
Das Gewinnstreben hat diese Tendenzen verschärft.

Es sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es zwischen gut und böse eben diese Grauzone gibt, die sich unserem Verständnis entzieht.

Warum im Menschen das Konzept von gut und böse entstanden ist, ob dies nicht vielleicht eine Verstärkung des "Reiz-nicht Reiz"-Systems ist - gute Frage, die wir mal aufgreifen sollten.
Ich denke, es sind Extrema eines grauen Kontinuums, und die Trennung ist machtinitiiert.

Kapitalismus als Weiterentwicklung einer Religion?

Der Kapitalismus beruht auf Anschauungen über "den Menschen", die auf jeden Einzelnen übertragen werden. Für mich erfüllt das ein Kriterium einer Religion.


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