Religionsfreiheit / Erziehungsfreiheit versus kindliches Recht auf Unversehrtheit

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Ipsissimus
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Mo 21. Apr 2008, 11:01 - Beitrag #1

Religionsfreiheit / Erziehungsfreiheit versus kindliches Recht auf Unversehrtheit

das Buch "Der Gotteswahn" von Richard Dawkins (http://www.amazon.de/Gotteswahn-Richard-Dawkins/dp/3550086881/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1208765640&sr=8-1) wurde heiß und kontrovers diskutiert. Ich stimme den meisten seiner Aussagen zu, auch wenn er wie andere in den Fehler verfällt, ein Metametasystem dadurch zu widerlegen, dass er ein anderes Metasystem als unhinterfragbar unterschiebt. Dies macht das Buch und seine Thesen angreifbarer, als sie sein müßten.

Wie dem auch sei, es geht mir hier nicht um das Buch als Ganzes, sondern nur um ein Detail. In einem der späteren Kapitel entwirft Dawkins ein Bild vom Einfluss religiöser Erziehung auf die kindliche Psyche. Nach einigen drastischen Schilderungen dessen, was religiöse Schreckensbilder von Hölle und Verdammnis, aber auch religiöse Praktiken wie erzwungene Beichte u.dgl. in einer kindlichen Psyche anrichten können, kommt er zum Kern seiner Kritik, der Indoktrination einer noch unversehrten Psyche mit offensichtlichem Blödsinn. Als Beispiel nimmt er hierfür die Amish, die bekanntermaßen alle Erzeugnisse neuer Technik wie Autos, Elektrizität u.dgl. für Errungenschaften des Teufels halten und ihren Kindern auch den Besuch allgemeinbildender Schulen verwehren. Er postuliert dagegen das Grundrecht eines Kindes auf Selbstbestimmung seines Geistes, was ihn zu der Forderung führt, dass Kinder so unterrichtet und erzogen werden müssen, dass ihnen in ihrer Erwachsenenzeit eine unbeeinflusste Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen weltanschaulichlichen Angeboten möglich sei. Dies sei z.B. nicht mehr gegeben, wenn in ein kindliches Gehirn die Angst vor ewiger Verdammnis u.dgl. eingepflanzt worden sei. Er berichtet in diesem Zusammenhang von zwei Harward-Professoren, die sich bitter darüber beklagten, dass sie sich bin in die Gegenwart entmündigt fühlen, weil es ihnen trotz langjähriger Psychotherapie und trotz ihrer intellektuellen Einsicht, mit der sie die Horizonte ihrer Eltern längst weit hinter sich gelassen haben, nicht möglich sei, ohne ein Gefühl banger Ängstlichkeit an die Religion zu denken, deren Hohlheit sich ihrem Geist längst entlarvt hat. Ihre Gefühle sind jedoch - von ihnen selbst so empfunden - in kindlichen Angstschemen hängengeblieben.

Dawkins entwickelt keine Forderung nach einem Verbot religiöser Erziehung, er proklamiert lediglich ein Recht des Kindes, unversehrt von intellektuellem Blödsinn und religiöser Indoktrination aufzuwachsen und schweigt darüber, wie dies praktisch geschehen soll. Dies ist an dieser Stelle aber auch nicht das Problem. Die Frage lautet: Was haltet ihr von der Festschreibung eines derartigen Rechts des Kindes? Habt ihr andere Vorschläge, wie der Versehrung eines kindlichen Geistes durch religiöse Symbolik, Metaphorik und Indoktrination und seiner Vergiftung mit offensichtlichem Blödsinn vorgebeugt werden kann? Oder spinnen Dawkins und andere, die die Gefahren religiöser Erziehung viel zu dramatisch darstellen, bzw. ohnehin des Teufels sind?

Maglor
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Mo 21. Apr 2008, 15:58 - Beitrag #2

Nun, das ist leider durchaus ein auch in Deutschland aktuelles Thema.
Ich bin auch der Ansicht, dass die Schulpflicht oder auch das Schulrecht der Kinder notfalls auch gegen den Willen der Eltern durchgesetzt werden muss. Dies ist in Deutschland zwar einfacher als in den USA, aber auch gab in Hessen gab im letzten Jahr ein Fall, in dem einer christlichen Splittergruppe angehörende Eltern meinten ihre Kinder zu Hause unterrichten zu dürfen, da die lieben Kleinen nur so vor Evolutionstheorie, sexueller Aufklärung und anderem Teufelswerk bewahrt werden können. Das Gericht konnte allerdings nur Bussgelder verhängen, nicht aber die Schulpflicht durchsetzen. :boah:
Das war aber auch ein Extremfall. Die Teilweise Verweigerung von bestimmten Fächern durch Zeugen Jehovas, radikale Muslime und andere Randgruppe bildet eine ähnliche, aber häufigere Problematik
Ich denke, dass die Schule als Gegengewicht zum mutmaßlich blöd doktrinierendem Elternhaus schon ausreicht, auch wenn es sich um kirchliche Privatschulen handelt, die ja zumindest in Deutschland auch staatlich beaufsichtigt werden.
Ansonsten sollte man aber Eltern nicht einfach das Recht nehmen Märchen zu erzählen. :crazy:

e-noon
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Mo 21. Apr 2008, 20:29 - Beitrag #3

Ich denke auch, pauschal kann man das nicht sagen, dann müsste man generell einen Elternführerschein einführen und regelmäßige Kontrollen, denn man kann seinen Kindern ja nicht nur die Angst vor dem bösen Teufel einpflanzen, sondern auch die vor den bösen Linken, vor den bösen Ausländern, vor dem bösen Staat, von den bösen Nachbarn... Blödsinn beschränkt sich leider nicht auf die Religionen.

Wenn im Einzelfall eine schwere psychische Störung offenkundig wird, ob durch zuviel eingetrichterten Blödsinn oder sonstige Misshandlung, sollte der Staat Mittel und Wege haben, eingreifen zu können, ebenso, wenn die Schulpflicht nicht eingehalten wird (der Staat muss sich einfach darüber klarwerden, ob er das Recht auf freie Religionsausübung wichtiger findet als die Schulpflicht seiner künftigen hoffentlich mündigen Bürger, oder nicht).

Lykurg
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Mo 21. Apr 2008, 23:17 - Beitrag #4

Schwierig... Grundsätzlich stimme ich zu, daß man Kinder davor schützen sollte, in einer Weise indoktriniert zu werden, die ihnen psychische Schäden zufügt und in einen Zustand geistiger Unfreiheit versetzt. Allerdings kann in meinen Augen eine aufgeklärt religiöse Erziehung mit dazu dienen, ein Grundvertrauen zu schaffen - in sich, seine Gesellschaft, Gott... und sich so stabilisierend auswirken. Ich meine damit keineswegs, daß es nicht auch andere Wege zu einem Urvertrauen geben kann; leugne auch nicht, daß die Grenze zwischen stützender und einengender Mauer nicht immer zu ziehen ist; auch beides zugleich gegeben sein kann; halte aber u.a. aus dem genannten Grund eine verpflichtend säkulare Erziehung für falsch.

Die Annahme einer freien Wahl im Erwachsenenalter ist dagegen unter jeglichen Bedingungen illusorisch. Man kann einen Glauben abtrainieren (jedenfalls vielen Menschen), man kann ihn auch vermitteln, aber sich wohl kaum in freier Wahl dafür entscheiden, von heute an zu glauben...

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Di 22. Apr 2008, 01:57 - Beitrag #5

hmm, finde, dass jeder von Euch auf seine Weise Recht hat.
Nach meinem Verständnis dient Religion dazu, die erfahrbare Welt in einen übergeordneten Zusammenhang bringen zu können. Zumindest so, das sich ein Kind die Frage nicht selbst stellen muss, ob zum Beispiel Gewalt gegenüber jemanden anderes gerechtfertigt ist und oder in welcher Form.

Diese Frage erübrigt sich in der Regel, wenn eine Verknüpfung zwischen Handeln, Wirkungen und Folgen für das soziale System hergestellt werden kann. Religion oder eine bestimmte Weltanschauung ist darin sehr effektiv.

Jede Gesellschaft tut es auf ihre Weise. Die Frage ist nur, ob unser Schulsystem und unsere Gesellschaft diese Leistung vollbringen kann, da ich in Frage stellen würde, dass ein Kind in der Lage ist dieses von selbst zu bewältigen. Es müsste quasi selbst ein Gesamtbild der wahrgenommenden Welt erfinden. Etwas wozu ganze Gesellschaften mitunter etliche Jahrhunderte benötigten.

Aber selbst wenn es ihm gelänge, stellte sich die Frage der Kommunizierbarkeit. Selbst die Gelehrten unter uns verbringen oft ein ganzes Leben im Streit darum, welche Herangehensweise die richtige wäre. Der anfallende Energieverbrauch für die Herstellung eines eigenen Weltbildes wäre so gross, dass für ein sozialisierendes Spiel auf dem Fussballplatz eigentlich keine Zeit mehr bliebe.

Beziehungsweise bin ich eigentlich froh, dass Kinder ihre Zeit zum spielen und spielenden Erlernen ihrer Welt benutzen, nur reicht dann die Energie definitiv nicht aus, eigene Weltbilder zu 'erfinden'.

Jedoch glaube ich, dass man ohne dieses nicht auskommt, bzw. entsteht ohne dieses ein Leere, die selbst einen hartgesottenen Individualisten in Depressionsstarre versetzen könnte.

Ich finde, jede gesunde Skepsis hat ihre Berechtigung, nur muss sie Scheitern, wenn sie andere Menschen in ihre Skepsis zwingt und damit ihrer Freiheit und Fähigkeit beraubt, sich gesellschaftlich zu integrieren und die gewonnene Zeit und Energie dazu zu benutzen, den gesellschaftlichen 'Energieverbrauch' auf ein verträgliches Mass zu verringern oder unser Leben durch Vielfarbigkeit zu bereichern.

Man stelle sich vor, wir müssten die DNA unseres Organismus zunächst komplett auswendig lernen, danach anzweifeln und wieder neu erfinden..... Und das im Kindesalter?

Es ist schon eine sinnvolle Erkenntnis, das die Weisheit, alles in ihren Zusammenhängen selbst zu erkennen und zu formulieren, dem Alter vorbehalten bleibt. Nur ist das genau etwas, das unsere Ökonomie durch Desintegration abzuschaffen trachtete. Möglicherweise ein Versuch, Zeit und Vergangenheit abzuschütteln, um nicht mit ihren Folgen konfrontiert werden zu müssen. Und irgendwie schien sich dem alles anzupassen, um eben auch nur das Leiden daran zu verringern.

Wenn ich mir vorstellte, ich wäre schon als Kind Gesellschaftskritiker gewesen... ich wäre möglicherweise so sehr mit dem Verarbeiten der Differenz zwischen mir und der Gesellschaft beschäftigt gewesen (als ob die Pubertät nicht schon anstrengend genug wäre), dass mir kaum noch Zeit geblieben wäre, mich für Musik oder Physik zu interessieren. Ich hätte Soziologie studieren müssen oder Computerspiele spielen.....

Maglor
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Di 22. Apr 2008, 11:17 - Beitrag #6

Wer interessiert sich eigentlich noch für die Psyche von Kindern, wenn gleich zwei von drei abrahamitischen Religionen die männliche Genitalverstümmelung propagieren und durchführen? Die kleinen Jungs hat ja keiner gefragt, ob sie ihre Vorhaut nicht doch lieber behalten wollen. :rolleyes:
In den USA, wo die Beschneidung männlicher Säuglinge auch auf Grund des puritanitischen Mythos, man könne so der Masturbation Einhalt gebieten, lange Zeit üblich war, wird dieses Thema heiß diskutiert und etliche Ärtzte verweigern die Durchführung dieses medizinisch unnötigen Eingriffes, der jenseits des großes Teiches genauso Routine war wie das Abtrennen der Nabelschnur.
Im politisch korrekten Deutschland darf über so was natürlich nicht in der "Öffentlichkeit" diskutiert werden. :rolleyes:
Verdammt, bin ich jetzt Antisemit und stehe gleichzeitig aus Osamas Todesliste? :crazy:

Maurice
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Di 22. Apr 2008, 11:28 - Beitrag #7

auch wenn er wie andere in den Fehler verfällt, ein Metametasystem dadurch zu widerlegen, dass er ein anderes Metasystem als unhinterfragbar unterschiebt

So wie du über den (O-Ton) "offensichtlichem Blödsinn" redest, scheinst du dir deines Metasystems aber auch sehr sicher zu sein. Für den einen ist es offensichtlicher Blödsinn für einen die offensichtliche Wahrheit. ;)
Aber das ist meta... genauso wie die Frage, ob der Thread nicht besser unter "Beruf und Bildung" aufgehoben wäre. Aber ich finde Philo passt auch. ^^

@Topic: Da die Frage nach dem Sollen für mich nur in einem individualutilitaristischen Kontext berechtigt zu sein scheint, kann ich keine Äußerung auf die Frage gebe "Wie sollte MAN mit solchen Fällen verfahren?", da es imo auf diese Frage keine sinnvolle Antwort geben kann. Ich würde also gerne wissen, wie wer genau handeln sollte in bezug auf diese Sachlage. Wie sollte sich der Pfarrer oder wie sollte sich der athetistische Bio-Lehrer oder wie sollte sich die marxistisch angehauchte Mutter verhalten? Oder geht es einfach um die Frage, wie es jeder von uns am liebsten gehandhabt haben würde?
Grob gesagt: Gewisse grundsätzliche Glaubensinhalte ("Glauben" hier im Sinne von "Meinung/Weltbild" nicht notwendig im religiösen Sinne) sollten alle Institutionen (darunter Schule, Eltern, Kirche usw.) den Menschen vermitteln müssen, bzw. keine Inhalte vermitteln, die diesen widersprechen (z.B. keine Hetze gegen Ausländer oder Angehörige eines bestimmten Geschlechts). Falls jemand versucht, solche Inhalte in Kinder einzupflanzen, sollte diesem der Zugang zu diesem verweigert werden oder zumindest den Zugung eingeschränkt bekommen. Daraus folgt nicht, dass man eine "Gedankenpolizei" oder einen "Elternführerschein" einrichten sollte. Sind aber solche Fälle zu beobachten, sollten diese gemeldet werden und von staatlicher Seite Maßnahmen getroffen werden, um diesen Einfluss auf die Kinder zu verhindern.
Das scheint mir prima facie das richtige Grundmodell zu sein, um es MEINEN Wünschen recht zu machen. Für den Pfarrer oder die Zeugin Johavos könnte hingegen eine ganz andere Regelung erstrebenswert sein. ;)

Ipsissimus
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Di 22. Apr 2008, 12:55 - Beitrag #8

Maurice, du hast aber bemerkt, dass in meinem gesamten Eingangsposting nicht einmal das Wort "sollen" wie in "wie sollte man das halten" vorkommt?^^

das mit dem Meta- und Metametasystem ist keine Frage von Überzeugung, sondern ein denktechnischer Fehler. Wenn die Widerlegung des Christentums so aussieht, dass im Islam etwas anderes gelehrt wird, dann sieht die Widerlegung des Islam so aus, dass im Christentum etwas anderes gelehrt wird, und wir geraten in eine unentscheidbare Schleife. Es ist daher ein Fehler, eine Bequemlichkeit oder Unsicherheit des Denkens, die Widerlegung eines Systems auf die Proklamation der Richtigkeit eines konkurrierenden Systems zu bauen. Dawkins hätte diese Schleife aufgrund seiner intellektuellen Voraussetzungen problemlos umgehen können, aber anscheinend lieben auch Menschen seiner intellektuellen Voraussetzungen Überzeugungen immer noch genug, um dem Prinzip der Überzeugtheit in die Falle zu gehen. Das Buch enthält glücklicherweise genug Material, um trotzdem eine imo wertvolle und jedenfalls schonungslose Aufarbeitung religiöser Überzeugungen zu bieten, aber es wird durch besagte Falle, die nicht vermieden wurde, angreifbarer als es sein müßte.

Maurice
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Di 22. Apr 2008, 14:42 - Beitrag #9

Ich habe das Buch leider nicht gelesen - Preis und Länge sprachen bisher dagegen. Aber gut möglich, dass ich es mir irgendwann nochmal ansehe. Ich lese dafür momentan aber etwas ähnliches in der Richtung: Norbert Hoerster "Die Frage nach Gott". Aber das gehört eigentlich in einen anderen Thread...

Maurice, du hast aber bemerkt, dass in meinem gesamten Eingangsposting nicht einmal das Wort "sollen" wie in "wie sollte man das halten" vorkommt?

Nicht nur die Sätze, in denen explizit das Wort "sollen" vorkommen, sind Soll-Sätze. Auch ein Satz wie "Mach bitte das Fenster zu!" enthält nicht das Wort "sollen" und dennoch wird offensichtlich eine Sollensaussage getätigt.
Zwar kommt das Wort "sollen" in deinem Post nicht vor, aber wenn man an der ein oder anderen Stelle nicht ein implizites Sollen voraussetzt führen Fragen wie "Habt ihr andere Vorschläge, wie der Versehrung eines kindlichen Geistes durch religiöse Symbolik, Metaphorik und Indoktrination und seiner Vergiftung mit offensichtlichem Blödsinn vorgebeugt werden kann?" zu merkwürdigen Optionen, wie dass man das Kind einfach zeitlebens in den Keller eines atheitischen Haushaltes sperren könnte, welche hier wohl kaum im Sinne des Threaderstellers sind. Oder sollen wir auch solche Optionen diskutieren? Ich glaube kaum. Das bedeutet aber, dass du einen normativen Rahmen voraussetzt und nach der genaueren Beschaffenheit dieses Rahmens fragte ich in meinem letzten Post. ^^

Hmm, das war schon wieder ziemlich meta... merkt man, dass mir die alltäglichen Meta-Diskussionen fehlen? Jedenfalls wäre das Meta-Thema, was du in deinem letzten Post angesprochen hast, wohl fast wieder einen eigenen Thread wert. Oder wolltest du nur aussagen, dass dich deine externe Kritik von Dawkins stört und du es besser gefunden hättest, wenn er sich auf eine interne Kritik beschränkt hätte?

Ipsissimus
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Di 22. Apr 2008, 16:43 - Beitrag #10

ich habe keinen expliziten normativen Rahmen gesetzt, weil in diesem Stadium der Auseinandersetzung Ideen erst mal zu wichtig sind, als dass ich sie schon vorfiltern möchte. Mit offenkundigen Absurditäten oder absoluten No-Nos werde ich mich beschäftigen, sobald sie vorgeschlagen werden^^ es ist richtig, dass ICH.FÜR.MICH über einen normativen Rahmen verfüge, aber den gedenke ich niemandem aufzuzwingen, da er Ausdruck meines Wesens ist und nichts, womit ich den kategorischen Imperativ erfüllen möchte^^

ich wollte mit meinen Bemerkungen zu Meta- und Metametasystemen genau das ausdrücken, was ich in diesen Bemerkungen niederschrieb^^

janw
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So 27. Apr 2008, 01:29 - Beitrag #11

Die Frage lautet: Was haltet ihr von der Festschreibung eines derartigen Rechts des Kindes? Habt ihr andere Vorschläge, wie der Versehrung eines kindlichen Geistes durch religiöse Symbolik, Metaphorik und Indoktrination und seiner Vergiftung mit offensichtlichem Blödsinn vorgebeugt werden kann? Oder spinnen Dawkins und andere, die die Gefahren religiöser Erziehung viel zu dramatisch darstellen, bzw. ohnehin des Teufels sind?

Rein pragmatisch betrachtet, könnte man Dawkins' Forderung mit Verweis auf die UN-Kinderrechtskonvention erledigen, die explizit körperliche, seelische und sexuelle Gewalt verbietet.
Die Probleme dieser Konvention zeigen sich u.a. bei einem diesjährigen Sportgroßereignis, das mit Werten wie Frieden und Völkerverständigung in Verbindung gebracht wird, zu dessen Realisierung aber ganz erheblich auch auf Kinderarbeit zurück gegriffen wurde - dies aber nur nebenbei.

Für mich stellt sich aber die Frage, ob eine Erziehung in einem religiösen Bezugssystem per se eine Versehrung des kindlichen Geistes bedeutet bzw. bedeuten muss.
Ich denke, daß die Entwicklung einer Erkenntnis von weltanschaulicher Vorstellung, die Entwicklung von Vorstellungen über die Welt, die den Rahmen des Offensichtlichen übersteigen, eine der grundlegenden Eigenschaften des Menschen ist, etwas, das im Laufe der geistigen Entwicklung des Menschen "passiert"; vielleicht in ähnlicher Weise, wie in einer bestimmten Phase das Gehirn aktiv akustische Reize auf Muster mit Bedeutung untersucht, die dann zu reproduzieren versucht werden - der Beginn der Sprachentwicklung.
Es gibt Befunde von MRT-Untersuchungen, die auf die Existenz einer spezifisch bei "religiösen" Handlungen wie z.B. Meditation aktiven Hirnregion hinweisen, was für mich die These vom Menschen als u.a. "religiösen" bzw. weltanschauenden Tier stützt.
Man könnte nun argumentieren, der Mensch könne sich ja nach Belieben später einen Glauben zulegen, ohne die Vorfestlegungen einer weltanschaulichen Prägung im Kindesalter.
Nun kommt aber IMHO der Impuls, daß es da "etwas" jenseits des Offensichtlichen zu erkennen gibt in der Welt, der Impuls zur Entwicklung der Anschauung, daß in der Welt mehr als das Offensichtliche gelten könnte, vom Kind selbst, und nur wenn dessen Suche auch etwas findet, kann in meinen Augen ein Bewusstsein davon entstehen, eine Weltanschauung zu besitzen bzw. diese Dimension zusätzlich zum rationalen Koordinatensystem zu besitzen.
Ich denke, daß mensch über bestimmte Dinge nicht urteilen kann, er habe sie denn selbst erlebt, erst die Erfahrung schafft IMHO in manchen Bereichen die Freiheit, sich selbst zu verorten. Irgendwann im Leben eine Weltanschauung für sich anzunehmen bedeutet IMHO mehr, als sich das Regelsystem von StarTrek, Das Schwarze Auge oder ähnlichem (ohne dem zu nahe treten zu wollen^^) anzueignen und setzt IMHO voraus, zu wissen, daß und wie es sich "anfühlt", in einer Weltanschauung zu leben.

Natürlich muss die Art und Weise der Vermittlung einer Weltanschauung so erfolgen, daß sie eben in dieser Weise zur Freiheit führt, und das muss auch für das betreffende weltanschauliche System gelten. Das Christentum sehe ich in diesem Zusammenhang etwas kritisch, es ist IMHO in der Gefahr, eine Verankerung in Ängsten zu erzeugen, dies gilt in meinen Augen besonders für die radikaleren Ausprägungen, wie eben bei den Amish oder den Evangelikalen.
Daß es dazu ideengeschichtlich machtpolitisch auf besonders tönernen Füßen steht, bringt mich selbst zunehmend weiter auf Distanz zum Christentum, die Lektüre eines Konfirmations-Arbeitsheftes aus meiner Gemeinde mit krass dem gültigen Wissen widersprechenden Aussagen nährt leider die Aussagen vom intellektuellen Blödsinn - so sehr ich bei Dawkins auch das Gefühl habe, er schütte das Kind mit dem Bade aus.

Die Frage wäre für mich, ob eine zen-buddhistische Kindheit die Lösung wäre...und wie das aussähe.

Maglor
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So 27. Apr 2008, 17:42 - Beitrag #12

Ja, Zen-Buddhisten sind ganz bestimmt die besseren Menschen. ;)
Die ewige Zen-Lobhudelei in der Matrix nervt übrigens. :rolleyes:
Eine buddhistische Erziehung kann übrigens auch zu solch tollen Dingen führen.
Aber jetzt werde ich wahrscheinlich gleich belehrt und kriege erzählt, dass ja deutsche Schöngeister viel mehr Ahnung vom Zen haben als irgendwelche japanischen Adeligen.
Zitat von janw:Ich denke, daß die Entwicklung einer Erkenntnis von weltanschaulicher Vorstellung, die Entwicklung von Vorstellungen über die Welt, die den Rahmen des Offensichtlichen übersteigen, eine der grundlegenden Eigenschaften des Menschen ist, etwas, das im Laufe der geistigen Entwicklung des Menschen "passiert"]
Es ist nun mal die Frage, wie man Religion auffasst. In unserem Land kommt ja die Mehrheit der religiösen bevölkert, vom weihnachtlichen Kirchgang, Taufen und Beerdigungen einmal abgesehen, ohne "religiöse Handlungen" aus.
Auch möchte ich bezweifeln, dass Meditation notwendigerweise etwas mit Religion zu tun hat. Sie kann dazu gehören, genauso wie Orgelmusik oder Rotwein. (Und man kann auch ohne Religion meditieren, Orgel spielen oder Rotwein trinken!) ;)
Ohne religiöse Kulthandlungen verschwimmt der Religionsbegriff allerdings mit dem der Weltanschauung. Aber der Einfluss einer Weltanschauung kann ja mindestens genauso schlecht auf einer Kinderseele wirken wie Religion. Faschismus, Stalinismus und nicht zuletzt auch der Maoismus haben das ja zur Genüge bewiesen.
Allerdings zeigt sich hier auch, dass sich ein erwachsener Mensch durchaus von durch die Familie oder die staatliche Erziehung aufgedrückte Weltanschauung trennen kann. Die Biografien der Kinder der 3. Reiches können wohl als Beispiel gelten.
Daß es dazu ideengeschichtlich machtpolitisch auf besonders tönernen Füßen steht, bringt mich selbst zunehmend weiter auf Distanz zum Christentum, die Lektüre eines Konfirmations-Arbeitsheftes aus meiner Gemeinde mit krass dem gültigen Wissen widersprechenden Aussagen nährt leider die Aussagen vom intellektuellen Blödsinn - so sehr ich bei Dawkins auch das Gefühl habe, er schütte das Kind mit dem Bade aus.

Was meinst du "intellektuellen Blödsinn"? Hat die Exegese im Arbeitsheft nichts mit der heiligen Schrift zu tun. Zeitgenössische, evangelische Heftchen haben ja mit der Schriftversessenheit Luthers wenig zu tun sondern verbreiten ja eher das relative Wischi-Waschi-Christentum mit Jesus liebt dich und Antisemitismus ist böse.
MfG Maglor :rolleyes:

janw
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So 27. Apr 2008, 18:40 - Beitrag #13

Zitat von Maglor:Ja, Zen-Buddhisten sind ganz bestimmt die besseren Menschen.
Die ewige Zen-Lobhudelei in der Matrix nervt übrigens.
Eine buddhistische Erziehung kann übrigens auch zu solch tollen Dingen führen.
Aber jetzt werde ich wahrscheinlich gleich belehrt und kriege erzählt, dass ja deutsche Schöngeister viel mehr Ahnung vom Zen haben als irgendwelche japanischen Adeligen.

Wenn Du ernsthaft darüber diskutieren möchtest, kannst Du gerne einen neuen thread dazu aufmachen, von mir hier nur so viel, daß nach meiner bescheidenen Kenntnis der Zen-Buddhismus diejenige Weltanschauung, Geisteshaltung, -ismus ist, die sich dem mit Weltanschauungen, Geisteshaltungen und -ismen implizit verbundenen Anspruch auf normative Wirkung, dem Kern jedes -ismus, am konsequentesten verweigert. Du könntest es also auch als Erziehung mit minimalstem normativen Anspruch und Weltanschauungsstrukturvermittlung lesen.

Im übrigen würde Buddha sich wegen so mancher von Buddhisten geübter Rituale im Grab umdrehen^^

Es ist nun mal die Frage, wie man Religion auffasst. In unserem Land kommt ja die Mehrheit der religiösen bevölkert, vom weihnachtlichen Kirchgang, Taufen und Beerdigungen einmal abgesehen, ohne "religiöse Handlungen" aus.
Auch möchte ich bezweifeln, dass Meditation notwendigerweise etwas mit Religion zu tun hat. Sie kann dazu gehören, genauso wie Orgelmusik oder Rotwein. (Und man kann auch ohne Religion meditieren, Orgel spielen oder Rotwein trinken!) ]
Sicher dominieren die "Weihnachtschristen", aber die Mehrzahl hat nach wie vor die weltanschaulichen Inhalte im Kopf, und sehr vielen wird dies dann wieder präsent, wenn irgendwelche Krisen in ihr Leben treten.
Meditation ist eine in allen Religionen benutzte Technik, und die genannten Befunde wurden während des Meditierens gewonnen.

Allerdings zeigt sich hier auch, dass sich ein erwachsener Mensch durchaus von durch die Familie oder die staatliche Erziehung aufgedrückte Weltanschauung trennen kann.

Ja, doch offensichtlich nicht immer leicht, oft in einem mühsamen und nicht immer freudvollen Prozess.
Meine Überlegung ist nur, ob mit gar keiner Weltanschauung aufzuwachsen nicht in vielen Fällen schlimmer wirkt, ob es nicht gewisser Bahnungen bedarf, um sich für sie, gegen sie oder für Änderungen entscheiden zu können.

Was meinst du "intellektuellen Blödsinn"? Hat die Exegese im Arbeitsheft nichts mit der heiligen Schrift zu tun. Zeitgenössische, evangelische Heftchen haben ja mit der Schriftversessenheit Luthers wenig zu tun sondern verbreiten ja eher das relative Wischi-Waschi-Christentum mit Jesus liebt dich und Antisemitismus ist böse.

Wenn's denn mal so wäre...das klang teils etwas nach ID... :shock:

Ipsissimus
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Mo 28. Apr 2008, 12:47 - Beitrag #14

Rein pragmatisch betrachtet, könnte man Dawkins' Forderung mit Verweis auf die UN-Kinderrechtskonvention erledigen, die explizit körperliche, seelische und sexuelle Gewalt verbietet.


Religiöse Indoktrination wird seitens dieser Konvention nicht als Gewalt aufgefasst, wofern sie von den Eltern oder von diesen beauftragten Personen an den Kindern durchgeführt wird, die Konvention greift also nicht^^

Für mich stellt sich aber die Frage, ob eine Erziehung in einem religiösen Bezugssystem per se eine Versehrung des kindlichen Geistes bedeutet bzw. bedeuten muss.


es scheint mir fruchtbar zu sein, bei dieser Frage zwischen einer explizit religiösen Erziehung (katholisch, protestantisch, sunnitisch, shiitisch, scientologisch, Hardcore-esoterisch usw.) und der behutsamen Förderung einer allgemein spirituellen Geisteshaltung zu differenzieren. Jede Religion die mit Dogmen oder deren Äquivalenten arbeitet, muss sich fragen lassen, was denn ihre Dogmen besagen. Und wo Dogmen ganz offensichtlich Blödsinn als Wahrheit formulieren, da würde ich sagen: ja, ein Kind, dem derartige Dogmen vermittelt werden, dessen Geist wird versehrt, gleichgültig, wie tief die Verankerung der entsprechenden Religion in einer Kultur ist.


Ich denke, daß die Entwicklung einer Erkenntnis von weltanschaulicher Vorstellung, die Entwicklung von Vorstellungen über die Welt, die den Rahmen des Offensichtlichen übersteigen, eine der grundlegenden Eigenschaften des Menschen ist


als guter Evolutionsbiologe widmet sich Dawkins dieser Frage recht ausgiebig^^ er kommt zu der Ansicht, dass sich die Existenz eines religiösen Bedürfnisses nicht als evolutionärer Fortschritt erklären lässt, und fragt sich natürlich, wie es dann zu diesem Bedürfnis kommen kann. Er erklärt es sich - als Hypothese formuliert - als Fehlanwendung eines tatsächlichen evolutionären Vorteils. Es ist für kleine Kinder von immensem Vorteil, in bestimmten Situationen Dinge unhinterfragt hinzunehmen. Wenn ein Erwachsener mit scharfer Stimme "Lass das" sagt, überleben jene Kinder, die nicht die Tollkirsche in den Mund schieben, auch wenn sie noch so lecker aussieht. Gehorsam, und allgemeiner: Vertrauen, ist also in bestimmten Situationen ein evolutionärer Vorteil. Es sieht so aus, als speise sich Religion aus diesem Vorteil, wende ihn aber auf ein Gebiet an, mit dem kein derartiger Vorteil verbunden ist.


Es gibt Befunde von MRT-Untersuchungen, die auf die Existenz einer spezifisch bei "religiösen" Handlungen wie z.B. Meditation aktiven Hirnregion hinweisen, was für mich die These vom Menschen als u.a. "religiösen" bzw. weltanschauenden Tier stützt.


vom spirituellen Tier: ja. Vom religiösen Tier: nein. Religion bedient sich in Form gegossener Spiritualität, die dabei allerdings ihres Grundcharakteristikums beraubt wird - der Freiheit ihrer Hinwendung - und in Folge davon entgleist. Religion ist sozusagen die Bannung der Spiritualität, nicht deren Entfaltung und/oder Vollendung^^


Die Frage wäre für mich, ob eine zen-buddhistische Kindheit die Lösung wäre...und wie das aussähe.


ich glaube das nicht. Ein Kind wird nur in allerseltensten Einzelfällen bereits ein Problembewußtsein entfaltet haben, welches dem Kind ermöglicht, auch nur zu ahnen, weswegen und wobei Zen ihm Hilfestellung sein könnte, geschweige denn zu wissen, ob es den Zenweg gehen will. Und geistlos meditiert ist genauso albern wie geistlos gebetet^^ die Vermittlung allgemein buddhistischer Prinzipien, wie es z.B. die Buddhistische Kirche Japans versucht, geht aber so sehr am Wesen des Zen vorbei, dass mensch bei dieser Vorstellung nur abwinken kann.

janw
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Zitat von Ipsissimus:Religiöse Indoktrination wird seitens dieser Konvention nicht als Gewalt aufgefasst, wofern sie von den Eltern oder von diesen beauftragten Personen an den Kindern durchgeführt wird, die Konvention greift also nicht^^

Ist das explizit irgendwo ausgeführt, und gibt es entsprechende Ausführungen auch für sexuelle Intrusion? Ich hoffe doch, daß man da weiter ist...

es scheint mir fruchtbar zu sein, bei dieser Frage zwischen einer explizit religiösen Erziehung (katholisch, protestantisch, sunnitisch, shiitisch, scientologisch, Hardcore-esoterisch usw.) und der behutsamen Förderung einer allgemein spirituellen Geisteshaltung zu differenzieren. Jede Religion die mit Dogmen oder deren Äquivalenten arbeitet, muss sich fragen lassen, was denn ihre Dogmen besagen. Und wo Dogmen ganz offensichtlich Blödsinn als Wahrheit formulieren, da würde ich sagen: ja, ein Kind, dem derartige Dogmen vermittelt werden, dessen Geist wird versehrt, gleichgültig, wie tief die Verankerung der entsprechenden Religion in einer Kultur ist.

Da bin ich bei Dir, ich weiß nur nicht, ob das praktikabel wäre...letztlich bedarf alles zu Vermittelnde, gerade bei Kindern, einer Konkretisierung, die z.B. ein religiöses Verhaltenskodex- und Dogmensystem liefert. Sollten Eltern hier eigene alternative Systeme schaffen? Wie könnten Eltern durchschnittlicher geistiger Durchdringungsfähigkeit in die Lage kommen, den Blödsinnsanteil zu erkennen, um ihn umschiffen zu können?
Die Konkretisierung führt dann zu der Gefahr der "Verselbstverständlichung" dieser Systeme, die mit zunehmender Intensivierung der Vermittlung und verstärkender Momente in der Entwicklung des Menschen vergrößert wird - zu der es aber eben nicht kommen muss.
Ich denke insofern, daß gerade diese verstärkenden Momente im Auge zu behalten wären, bzw. daß an einem bestimmten Punkt verstärkt an einer Hinterfragung der Glaubensinhalte gearbeitet werden sollte.
Hier käme dem Religionsunterricht eine tragende Rolle zu, die er aber nur unzureichend erfüllen kann, wenn Religionslehrer selbst Abgesandte kirchlicher Träger sind und sich zudem die Wahrnehmung der Schüler von dem Fach als "Laberfach" voreilend zu eigen machen.

als guter Evolutionsbiologe widmet sich Dawkins dieser Frage recht ausgiebig^^ er kommt zu der Ansicht, dass sich die Existenz eines religiösen Bedürfnisses nicht als evolutionärer Fortschritt erklären lässt, und fragt sich natürlich, wie es dann zu diesem Bedürfnis kommen kann. Er erklärt es sich - als Hypothese formuliert - als Fehlanwendung eines tatsächlichen evolutionären Vorteils. Es ist für kleine Kinder von immensem Vorteil, in bestimmten Situationen Dinge unhinterfragt hinzunehmen. Wenn ein Erwachsener mit scharfer Stimme "Lass das" sagt, überleben jene Kinder, die nicht die Tollkirsche in den Mund schieben, auch wenn sie noch so lecker aussieht. Gehorsam, und allgemeiner: Vertrauen, ist also in bestimmten Situationen ein evolutionärer Vorteil. Es sieht so aus, als speise sich Religion aus diesem Vorteil, wende ihn aber auf ein Gebiet an, mit dem kein derartiger Vorteil verbunden ist.

Hier wird dann Wissenschaft selbst zum Glaubensinhalt^^ ich denke, daß ein religiöses Bedürfnis sehr wohl eine wichtige Rolle in der Evolution und für das Überleben des Menschen gespielt haben könnte, nach dem dieser sich seiner Sterblichkeit und Schwäche und prinzipiellen Unterlegenheit gegenüber fast allen natürlichen Feinden und Kräften bewusst geworden war - sich auf etwas Transzendentales beziehen zu können, eine Vorstellung zu entwickeln, daß der von einem Löwen zerrissene Jagdgenosse nun durch ewige und fruchtbare Jagdgründe streift, mag geholfen haben, nicht auch noch im übertragenen Sinne den Kopf zu verlieren. Gut, wir sind hier im Bereich animistischer Vorstellungen - liegt also das Übel eigentlich in ihrer Kanonisierung, wurden sie dadurch zur Religion?

vom spirituellen Tier: ja. Vom religiösen Tier: nein. Religion bedient sich in Form gegossener Spiritualität, die dabei allerdings ihres Grundcharakteristikums beraubt wird - der Freiheit ihrer Hinwendung - und in Folge davon entgleist. Religion ist sozusagen die Bannung der Spiritualität, nicht deren Entfaltung und/oder Vollendung^^

Ok, nur kommen wir bei der Freiheit der Hinwendung wieder an den Punkt, ob die gegeben ist, wenn einem Kind kein spirituelles Konkretum vermittelt worden ist. Und wäre Dawkins denn für eine milde Vermittlung einer spirituellen Grundhaltung zu haben?
Was die Bannung betrifft, d'accord. Ich überlege gerade, was mein Pastor dazu sagen würde^^ und eine Kollegin, die zum Katholizismus konvertiert ist.

ich glaube das nicht. Ein Kind wird nur in allerseltensten Einzelfällen bereits ein Problembewußtsein entfaltet haben, welches dem Kind ermöglicht, auch nur zu ahnen, weswegen und wobei Zen ihm Hilfestellung sein könnte, geschweige denn zu wissen, ob es den Zenweg gehen will. Und geistlos meditiert ist genauso albern wie geistlos gebetet^^ die Vermittlung allgemein buddhistischer Prinzipien, wie es z.B. die Buddhistische Kirche Japans versucht, geht aber so sehr am Wesen des Zen vorbei, dass mensch bei dieser Vorstellung nur abwinken kann.

Das dachte ich mir.

Ipsissimus
Dämmerung
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Di 29. Apr 2008, 11:00 - Beitrag #16

Die 10 Rechte des Kindes, als Zusammenfassung der UNICEF der über 40 Paragrafen, die auf etwa 20 Seiten die Kinderrechtskonvention darstellen:

1. Das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung unabhängig von Religion, Herkunft und Geschlecht
2. Das Recht auf einen Namen und eine Staatszugehörigkeit
3. Das Recht auf Gesundheit
4. Das Recht auf Bildung und Ausbildung
5. Das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung
6. Das Recht, sich zu informieren, sich mitzuteilen, gehört zu werden und sich zu versammeln
7. Das Recht auf eine Privatsphäre und eine gewaltfreie Erziehung im Sinne der Gleichberechtigung und des Friedens
8. Das Recht auf sofortige Hilfe in Katastrophen und Notlagen und auf Schutz vor Grausamkeit, Vernachlässigung, Ausnutzung und Verfolgung
9. Das Recht auf eine Familie, elterliche Fürsorge und ein sicheres Zuhause
10. Das Recht auf Betreuung bei Behinderung



Die Relgionsfreiheit ist in Art. 14 der Kinderrechtskonvention festgehalten:

„1 Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.“

„2 Die Vertragsstaaten achten die Rechte und Pflichten der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds, das Kind bei der Ausübung dieses Rechts in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise zu leiten.“

„3 Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit oder Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind.“


Da hierbei die Paragrafen 1 und 2 in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, hebt Paragraf 2 den ersten Paragrafen praktisch wieder auf, sobald es zu einem Konflikt kommt. Und nirgendwo wird ein explizites Recht des Kindes proklamiert, selbst dann frei von religiöser Indoktrination heranzuwachsen, wenn seine Eltern und/oder sein gesamtes Umfeld es religiös erziehen wollen. Und die Reichweite eines Rechtes, dass aufgehoben werden kann, sobald irgendein Blödkopf die allgemeine öffentliche Sittlichkeit in Gefahr sieht, darf auch bezweifelt werden

In Artikel 34 wird das Recht des Kindes auf Schutz vor sexuellem Missbrauch festgeschrieben.

"Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Kind vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Mißbrauchs zu schützen. Zu diesem Zweck treffen die Vertragsstaaten insbesondere alle geeigneten innerstaatlichen, zweiseitigen und mehrseitigen Maßnahmen, um zu verhindern, daß Kinder

1. zur Beteiligung an rechtswidrigen sexuellen Handlungen verleitet oder gezwungen werden;
2. für die Prostitution oder andere rechtswidrige sexuelle Praktiken ausgebeutet werden;
3. für pornographische Darbietungen und Darstellungen ausgebeutet werden. "



Wie könnten Eltern durchschnittlicher geistiger Durchdringungsfähigkeit in die Lage kommen, den Blödsinnsanteil zu erkennen, um ihn umschiffen zu können?


das zentrale Problem bei Religionsfreiheit besteht darin, dass es die Freiheit garantiert, jeden Blödsinn als wahr zu behaupten^^ ich denke allerdings, dass es im Prinzip jedem normal hauptschulgebildetem Menschen abverlangbar ist, einzusehen, dass zumindest große Bereiche religiöser Aussagen Blödsinn sind. Während mensch sich über die Bergpredigt und ihren normativen Anspruch noch streiten kann, gibt es eigentlich keine Frage darüber, dass Frauen ohne die Zusammenführung ihrer Eizellen mit Spermien nicht schwanger werden. Und Spermien entstehen nicht aus dem Nichts. Man könnte natürlich darüber spekulieren - wie es literarisch mindestens einmal geschah^^ - Maria habe mit einem Apfel Selbstbefriedigung betrieben, auf den Josef vorher ein bisschen masturbiert hatte^^ Es gibt auch keine Frage darüber, dass Jesus keine Toten erweckt hat, denn so richtig Tote können nicht mehr erweckt werden^^ bestenfalls könnte man mit Scheintod und ein bisschen Vodoo argumentieren, aber das ist ja eine Erklärungsrichtung, welche verpönt ist. Und Jesus ist auch nicht wiederauferstanden, wenn er denn tatsächlich gelebt und am Kreuz gestorben sein sollte^^

Über alle solche Dinge KANN sich ein Mensch im Klaren sein, sobald er einmal das Konzept von Fiktion verstanden hat. Oder sich darüber im Klaren ist, in welchem Ausmaß ein menschliches Gehirn fähig ist, Halluzinationen und Wahnvorstellungen zu erzeugen.

Man kann also im Prinzip davon ausgehen, dass zumindest jede Behauptung von Geschehnissen, die nicht mit Naturgesetzen vereinbar sind, Blödsinn formuliert. In jeder normalen psychologischen/psychiatrischen Therapie werden entsprechende Behauptungen auch entsprechend gewertet, nur für religiöse Behauptungen schaffen wir eine Schutzzone, selbst wenn die Auswirkung derartiger Behauptungen auf eine kindliche Psyche verheerend sind.

Schwieriger ist es sicher bei Behauptungen, die von vornherein in der Transzendenz angesiedelt sind, etwa Jenseits-/Paradies-/Verdammnis-Erwartungen. Aber auch da gibt es mittlerweile Korrektive aus Psychologie und Philosophie, wenngleich die Offensichtlichkeit in diesem Bereich zugegebenermaßen nicht so stark ausgeprägt ist wie in dem ersten Bereich. Allerdings kann man hier immer darauf verweisen, dass derartige Behauptungen als reine Spekulationen charakterisiert werden müssen, für die keinerlei wie auch immer gearteter Erfahrungswert spricht.

daß der von einem Löwen zerrissene Jagdgenosse nun durch ewige und fruchtbare Jagdgründe streift, mag geholfen haben, nicht auch noch im übertragenen Sinne den Kopf zu verlieren.


solche Überzeugungen stärken üblicherweise nur das Kalkül der Stammeschefs, noch mehr Krieger sinnlos in einem Angriff auf eine Mammutherde oder den Nachbarstamm zu verheizen^^ solange wir nichts von religiösen Stimmungen bei Tieren wissen, bleibt die Annahme eines direkten evolutionären Vorteils religiöser Bedürfnisse auch reine Spekulation^^ wobei ich sicher zugebe, dass Dawkins Erklärung - die er lediglich als These formuliert - derzeit auch nur Spekulation ist, allerdings eine Spekulation, die der Evolution deutlich weniger Gestalthaftigkeit unterstellt als deine^^

nur kommen wir bei der Freiheit der Hinwendung wieder an den Punkt, ob die gegeben ist, wenn einem Kind kein spirituelles Konkretum vermittelt worden ist. Und wäre Dawkins denn für eine milde Vermittlung einer spirituellen Grundhaltung zu haben?


was die erste Frage angeht, zumindest können wir sagen, dass religiöse Erziehung gründlich desavouiert ist. Warum einer areligiösen Erziehung also keine Chance geben? Die Staaten konnten ja Religionsunterricht in ihren Schulen zulassen, warum also nicht auch Spiritualitätsunterricht stattdessen? Du weißt, warum^^ weil es beim Religionsunterricht gerade nicht um Freiheit geht^^ sondern um Unterwerfung von Menschen unter Regelschemen^^ solche Menschen sind fügsamer, lassen sich besser lenken^^ deswegen die unselige Wertschätzung der Religionsfreiheit^^

was die zweite Frage angeht, ja, Dawkins ist dafür zu haben. Er spricht explizit von der "Religion Einsteins". Einstein wird ja seitens christlicher Fundamentalisten immer wieder als Beleg für die Vereinbarkeit von Gläubigkeit und Wissenschaft angeführt, aufgrund seines berühmten "Gott würfelt nicht". Dabei hat Einstein selbst einige Male explizit darauf hingewiesen, dass er an keinen personalen Gott glaubt. "Einsteins Religion" ist das Staunen eines erkennenden Menschen über ein grandioses Universum, das um so grandioser wird, je mehr er darüber erfährt, nicht aber die treuherzige Versicherung eines Gläubigen, das Universum sei so toll, dass es nur von Gott gemacht worden sein könnte. Diese Spiritualität erkennt Dawkins explizit an.

Padreic
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Di 29. Apr 2008, 19:25 - Beitrag #17

@Ipsissimus
Man kann also im Prinzip davon ausgehen, dass zumindest jede Behauptung von Geschehnissen, die nicht mit Naturgesetzen vereinbar sind, Blödsinn formuliert. In jeder normalen psychologischen/psychiatrischen Therapie werden entsprechende Behauptungen auch entsprechend gewertet, nur für religiöse Behauptungen schaffen wir eine Schutzzone, selbst wenn die Auswirkung derartiger Behauptungen auf eine kindliche Psyche verheerend sind.
Kann man natürlich; aber eine Erkenntnis, dass dergleichen Blödsinn ist, steht bei mir noch aus (obgleich ich auch nicht daran glaube). Für einen unbedingten Glauben an die "Naturgesetze" (woher auch immer uns solche bekannt sein sollen) sprechen meiner Meinung nach höchstens pragmatische Gründe.
Wenn mir jemand Dinge erzählt, die zu den üblichen Gesetzen der Physik in Widerspruch stehen, wäre das für mich noch kein Grund, ihm notwendigerweise nicht zu glauben, auch wenn ich seine Aussagen vermutlich für unwahrscheinlich halten würde. Du hast natürlich recht, dass sich die Frage stellt, was in aller Welt Gründe sein könnten, die religiösen Wunderbeschreibungen für wahrscheinlicher zu halten. Aber zwischen einer unwahrscheinlichen Aussage und offenkundigem Blödsinn würde ich noch eine gewisse Grenze ziehen. [Die Aussage, dass Milliarden von Leuten offenkundigen Blödsinn glauben, halte ich zwar für nicht gewagt; aber dass viele Millionen wirklich intelligenter und gebildeter Leute über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg denselben oder ähnlichen offenkundigen Unsinn glaubt, schon eher]
Dass, ein Kind in einem System von religiösen Aussagen zu erziehen, stets verheerende Wirkungen auf dessen Psyche haben wird, halte ich jedenfalls für mindestens ebenso offenkundigen Unsinn. In hunderten von Millionen, eigentlich sogar Milliarden Fällen von verheerenden Auswirkungen zu sprechen, halte ich für etwas gewagt...

Ich will keineswegs darauf hinaus, dass man sein Kind religiös "indoktrinieren" sollte, nicht einmal in einem nicht fundamentalistischen, sondern bloß im Sinne eines christlichen Grundkonsenses. Andererseits kann ich Leute, die glauben, und ihre Kinder religiös erziehen, durchaus verstehen; an das Konzept des Seelenheils zu glauben und nicht zu versuchen, sein Kind auf den Weg eines solchen zu bringen, grenzt an eine Form der Vernachlässigung (relativ zum betreffenden Weltbild). Selbst wenn das vielleicht keine optimaler Weg sein mag; es gibt tausend andere Dinge, die man Kinder antun kann und die sehr, sehr viele ihren Kindern antun, die schlimmer sind.

Zu den beiden Harvard-Professoren: es ist anzumerken, dass jemand, der sich im Erwachsenenalter für einen Glauben intellektuell entscheidet, obgleich er nicht zu einem solchen erzogen wurde, mindestens ebenso große Schwierigkeiten haben wird, ein Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens gegenüber Gott zu entwickeln, wie einer, der religiös erzogen wurde, seine religiösen Ängste loszuwerden.

Du weißt, warum^^ weil es beim Religionsunterricht gerade nicht um Freiheit geht^^ sondern um Unterwerfung von Menschen unter Regelschemen

Ich bin mir nicht sicher, was für Religionsunterricht du erlebt hast; ich kann bei dem Religionsunterricht, den ich erlebt hat, eigentlich solche Unterwerfungen nicht stärker sehen, als in vielen anderen Unterrichten, den Medien oder jeder menschlichen Äußerung...da mag sich in den letzten Jahrzehnten auch manches geändert haben.
Gegen Spiritualitätsunterrichte spricht wohl, dass es auch ganz abgesehen von im engeren Sinne politischen Gründen, den Grundintentionen der Schule widerspricht, da diese den Zweck hat, primär intellektuelles Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln (abgesehen vielleicht von Sport, Kunst und Musik, wo gewisse manuelle Dinge hinzu kommen). Und wie stelltest du dir einen solchen Unterricht überhaupt vor?

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Di 29. Apr 2008, 23:02 - Beitrag #18

ich denke allerdings, dass es im Prinzip jedem normal hauptschulgebildetem Menschen abverlangbar ist, einzusehen, dass zumindest große Bereiche religiöser Aussagen Blödsinn sind


zu Deinen Beispielen: für einen gläubigen Menschen ist Gott der Schöpfer der Welt. Daraus erschließt sich logischerweise, dass der Erschaffer allen Seins auch der Herr über die seinem Werk eingegeben Gesetze ist. Warum sollte Gott, der das Universium durch sein Wort, seine Geisteskraft erschaffen hat, nicht in der Lage sein, ein Ei ohne männliches Sperma zu befruchten? Warum sollte ein solcher Gott nicht Herr über Leben und Tod sein. Für einen gläubigen Menschen wäre das Gegenteil total unlogisch, ein Gott der dazu nicht die Fähigkeiten hätte, wäre nicht allmächtig.

Das in der religiösen Kindererziehung (besonders) in der Vergangenheit viel Schaden angerichtet wurde, steht außer Frage. Viele oder alle(?) "Gotteshasser" (und ich wähle dieses Wort mit Bedacht) haben eine "religiöse, oft fundamentalistische Erziehung, oftmals in Kaderschmieden von kirchl. Internaten "genossen", in welchen ihnen und gerade den sensibelsten, der Glaube durch Herzenshärte und Rigorismus ausgetrieben wurde.

Spricht dies gegen den Glauben? Ich denke nein! Je höher (wertvoller) ein Gut ist, desto schlimmer sind die Folgen durch Mißbrauch! Zwei Beispiele (die natürlich wie alle Bsp. "hinken"): keiner wird in Frage stellen, das die Liebe etwas wunderbares ist und der Mensch ohne sie kaum leben kann. Doch wieviel Leid kommt durch diese auch in die Welt.
Energie? Brauchen wir alle. Atomkraft perfekt (gibts leider nicht, I know) eingesetzt, würde dieses Problem lösen, doch welche verheerenden Folgen kann man mit dieser auch anrichten - die Menschheit vernichten.

Ipsissimus
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Mi 30. Apr 2008, 16:50 - Beitrag #19

in einem mathematisch strengen Sinne ist die Gotteshypothese auch nicht zu widerlegen, Rosali; es gibt jedoch mindestens zwei Überlegungen, die zusammen sie ungeheuer unwahrscheinlich machen. Zum einen: wenn ein Schöpfergott ein komplexes Universum ex nihilo geschaffen hat, dann muss dieser Schöpfergott eine wesentlich höhere Stufe der Komplexität aufweisen, als das erschaffene Universum. Wenn das so ist, ergibt sich aber zwangsläufig die Frage, wie es kommt, dass ein Schöpfergott existiert? Dies führt uns zum anderen darauf, dass jeder derart komplexe Gott nur dadurch erklärt werden kann, dass ein Wesen, welches zu ihm im selben Verhältnis steht wie er zu seiner Schöpfung, ihn geschaffen haben muss. Für dieses Wesen gilt aber wieder die Komplexitätsfrage, und wir enden in einem regresso ad infinitum, einer unendlichen Schleife ohne Abbruchbedingung.

Wie gesagt, dies wiederlegt die Gotteshypothese nicht im strengen Sinn, macht sie aber extrem unwahrscheinlich. Und in ihrer Unwahrscheinlichkeit ist auch die Unwahrscheinlichkeit von ihr abgeleiteter Aussagen begründet.

für einen gläubigen Menschen ist Gott der Schöpfer der Welt.


du meinst mit "Gott" jenen Gott, an den dieser Gläubige gerade glaubt, oder? Da es ziemlich viele Gläubige gibt, heißt das, die Welt wurde von Jahwe erschaffen, sie wurde aber auch von Shiva erschaffen, und auch von Allah, aber auch von Martuk, von Baal, Astarte, Amon Re und von 1000 anderen Gottheiten, an die gerade geglaubt wird. Und wie ist es, wenn jemand 10 Jahre lang glaubt, die Welt sei von Jahwe erschaffen, danach 15 Jahre lang glaubt, die Welt sein von Krishna erschaffen, und hinterher Atheist wird. Wurde sie objektiv dann erst von Jahwe, dann von Krishna und zuletzt gar nicht erschaffen? Siehst du da ein Problem? Siehst du da möglicherweise sogar eine Notwendigkeit, zu einer Ursachenfindung von Existenz zu gelangen, die von persönlichem Glauben absieht und wenigstens versucht - auch wenn Objektivität nur als Ideal erreichbar ist - Ursachen zu finden, die ein bisschen konsistenter sind als menschliches Glauben?

Viele oder alle(?) "Gotteshasser" (und ich wähle dieses Wort mit Bedacht) haben eine "religiöse, oft fundamentalistische Erziehung, oftmals in Kaderschmieden von kirchl. Internaten "genossen", in welchen ihnen und gerade den sensibelsten, der Glaube durch Herzenshärte und Rigorismus ausgetrieben wurde.


weißt du, Begriffe wie "Gotteshasser" sind schrecklich. Weil sie von einer schrecklichen Selbstüberschätzung gläubiger Menschen zeugen, die annehmen, ihre Überzeugungen seien wichtig genug, dass andere diesen Überzeugungen gegenüber nur zustimmend oder hassend gegenüber stehen können. Gotteshasser. Wie könnte ich hassen, was nicht existiert? Ich kann kühl abwägen, ob etwas existiert, ich kann mir die Grenzen der Abwägung eingestehen und gelange am Ende zu Wahrscheinlichkeiten, wofern ich in meiner Abwägung ehrlich bin. Aber hassen? Das ist so typisch religiöse Kampfpropaganda, die noch in ihren anscheinend positiven Formulierungen nicht geneigt ist, eine andere Position als die des eigenen Glaubens ernst zu nehmen. Das jemand gerade aus Sensibilität und Herzenswärme Atheist sein kann, sich Sensibilität und Herzenswärme gerade durch seinen Atheismus bewahren kann, das kommt solchen Propagandisten nicht in den Sinn^^

Ich bin selbst ein "spiritueller Atheist"^^ also nicht prinzipiell abgeneigt, die Welt übermaterialistisch zu erklären. Mir angemessen scheinende Erklärungen der Existenz dürfen sich jedoch nicht vor dem aktuellen Stand der Erkenntnis drücken, und sie müssen genügend Bewegungsfreiheit lassen. Ich kann mir immanente Götter vorstellen, Energiewesen unbegreiflicher Mächtigkeit. Superintelligenzen. Sie kommen aber nach dem Beginn von Existenz, nicht davor. Und ob es sie gibt, darüber ist derzeit keine Aussage möglich. Sein Leben darauf auszurichten, als sei ihre Existenz gewiss, das ist ... na ja^^



Padreic, wie ich nicht zum ersten Mal ausführte, uns Heutige scheren absolute Gewissheiten nicht mehr; wir haben gelernt, was Wahrscheinlichkeiten sind, und können mit ihnen leben. Zumindest liegt dies in unseren intellektuellen und psychischen Möglichkeiten und verursacht bei den Aufgeklärteren unter uns kein religiöses Magengrimmen mehr. Um sich den Blödsinn, den Millionen und Milliarden wirklich intelligenter und gebildeter Menschen durch die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch geglaubt haben, zu vergegenwärtigen, muss man sich nur eine Geschichte der Kriege zu Gemüte führen, einschließlich der religiös motivierten. Und auch die Anzahl von Kindern, die durch religiöse Erziehung davon abgehalten wurde, nicht mit Begeisterung in den Krieg zu ziehen, ist nicht so dramatisch hoch, dass ich vor religiösen Überzeugungen in Ehrfurcht erstarren würde.

Bei den beiden Harward-Professoren ist das genaue Gegenteil dessen, was du sagst, der Fall: sie haben sich kraft ihrer intellektuellen Einsicht als Erwachsene dagegen entschieden, die Welt mit gläubigen Augen zu sehen, und müssen bemerken, dass sie der Indoktrination durch die christliche Bilderwelt nicht entkommen, weil diese Bilderwelt auf einem Bereich ihrer Psyche zugreift, der intellektuell sehr schwer bis gar nicht zu beeinflussen ist. Sie wünschen sich jedenfalls, ohne diese Bilderwelt sozialisiert worden zu sein^^

an das Konzept des Seelenheils zu glauben und nicht zu versuchen, sein Kind auf den Weg eines solchen zu bringen, grenzt an eine Form der Vernachlässigung


irregeführte Eltern führen ihre Kinder in die Irre. So traurig das ist, so selbstverständlich ist es.

Spiritualitätsunterricht könnte ich mir auf viele Weisen vorstellen. Das Erlernen von Meditation wäre eine Möglichkeit. Aber da hast du recht, so etwas wird nicht kommen, der politische Wille zum mündigen Bürger ist nur dann vorhanden, wenn der mündige Bürger im Konsens bleibt^^

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Mi 30. Apr 2008, 17:28 - Beitrag #20

Begriffe wie "Gotteshasser" sind schrecklich


Ipsi, ich glaube Du hast mich mißverstanden. Ich meinte damit keine Atheisten, denn wer kann etwas hassen , an was er nicht glaubt? Nein, ich meinte Menschen, die Gott wirklich hassen. Das kann, so denke ich, bei einem gläubigen Menschen, der sehr schlimme negative Erfahrung mit seiner Religion gesammelt hat, durchaus eintreten. Vielleicht ist dies nur ein vorübergehender Zustand und endet irgendwann (vielleicht zum Selbstschutz, denn Hass verbittert und zerstört) in einem Atheismus?! k.A.

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