"Die Welt ist böse"

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Ipsissimus
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Mi 6. Mai 2009, 14:06 - Beitrag #1

"Die Welt ist böse"

Auszug aus einem Interview mit Lemmy Kilmister

Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister will eigentlich nur Whisky trinken und sein neues Album hören. Über Musik philosophiert er allerdings doch ganz gerne. Und über Idioten sowieso.

Berlin. Esplanade. Auf der anderen Straßenseite: die CDU. Seine Hand fasst sich an wie ein Autoreifen. Sie fährt in einen Eiskübel, Würfel in die Gläser, Whiskey drüber, am Ende eine Nuance Cola. Seine Sätze kommen blitzschnell, das geht nach jeder Frage peng und zack. Geschult ganz klar auf der großen Universität der Straße, im kalten Rauch von Tourbussen und Bars der bunten westlichen Welt. Seine Stimme ist natürlich heiser. Wenn er 'was lustig findet, scheppert sein Gelächter wie ein Haufen Rost durch die Suite. Der "Gottvater des Heavy Metal" ist ein bisschen fertig, aber doch ganz guter Dinge. Willkommen, Captain Hook . .

.....

SZ: Ist Motörhead böse?

Kilmister: Die Welt ist böse. Motörhead tritt dir nur in den Arsch. Motörhead ist eine Rock-'n'- Roll-Band. Wir sind nur Hintergrundmusik. Wieso sind wir böse? . . . Wieso ist nicht die Kirche böse?

SZ: Die Kirche? Welche?

Kilmister: Alle. Was für ein Wahnsinn, den Leuten zu erzählen, Maria ist jungfräulich niedergekommen. Armer Josef, oder? Und Jesus? Stirbt am Kreuz und steht wieder auf? Wahnsinn! Wahnsinn!!

SZ: Es ist eher bildlich . . .

Kilmister: Sag einem wiedergeborenen Christen in den USA, dass das bildlich gemeint ist - der rastet aus und überfällt Mexiko! Ich meine, Leute, die Länder regieren, ernstzunehmende Länder, keine Voodoostämme, okay?, diese Leute behaupten tatsächlich, dass all' diese sagenhaften Märchen aus der Bibel stimmen! Sie berufen sich darauf, wenn sie politische Entscheidungen treffen, gegen Kondome, gegen Aids-Aufklärung, Reagan sah Aids als gerechte Strafe. Das ist schlimm, mein Lieber! Die Leute schwören auf die Bibel. Das ist, als ob du mit einem Piloten fliegst, der Gespenster sieht!

SZ: Johann Sebastian Bach wäre ohne die Kirche gar nicht vorstellbar.

Kilmister: Absoluter Unsinn.

SZ: Aber doch!

Kilmister: Unsinn. Bach wäre ohne Transzendenz nicht vorstellbar. Die Kirche hat ihn benutzt. Und er hat sich benutzen lassen. So war'n die Zeiten. Die Leute mussten ja von was leben. Cheers!

SZ: Jedem seinen Glauben, oder?

Kilmister: Ich hab' keine Bibel in der Hand. Bush hat eine, Blair hatte eine, Saddam wedelte mit dem Koran rum, die Schlächter in Srebrenica konnten auch auf die Liebe ihrer Kirche zählen, als sie die Leute da reihenweise massakrierten . . .

SZ: Die Kirchen sind nicht aus Prinzip böse.

Kilmister: Die Leute haben eine Scheißangst vor dem Tod. Es könnte sich der Verdacht ergeben, dass die ganze Plackerei sinnlos ist, oder? Da wir ja eh alle zur Hölle fahren. Die Kirchen ködern diese Leute mit Märchen und machen sie verrückt, Mann! Wenn du schön brav bist, bist du nicht tot, sondern nur in Gottes Armen. So - wer ist nun wahnsinnig? Ich oder die Weihrauchschwenker?


das hätte ich dem ollen Lemmy gar nicht zugetraut^^ der Rest des Interviews hat es ebenfalls in sich, nachzulesen hier http://www.sueddeutsche.de/kultur/961/308903/text/ vor allem die Stellen über die Idioten^^

e-noon
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Mi 6. Mai 2009, 14:38 - Beitrag #2

Kannte den Typ nicht, wirkt aber sympathisch :D
"Wer ist nun wahnsinnig? Ich oder die Weihrauchschwenker?"

Maglor
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Mi 6. Mai 2009, 16:14 - Beitrag #3

Im Grunde nur eine Ansammlung von Vorurteilen, Verallgemeinerungen usw...
Eine Genialtät kann ich da jetzt nicht erkennen. Das die Welt böse ist, wollten mir die zeigen Jehovas neulich auch unter die Nase binden, aber...
Naja, ich werf es mal in die Heavy-Metal-Schublade. Dort findet sich auch eine Menge anderer Müll.
Die Kirchenkritik ist im Heavy-Metal gängiger Topos. Wahlweise gesteigert zu einer Satan-, Odin- oder Nazi-Symbolik. Grotesk-Schrift und (die im Englischen unbekannten) Umlaute sollen den Band-Namen einen deutschen, daher bösen Look geben und das eigene Image vom bösen Metal unterstreichen.
Mir ist nur immer unklar, worum es da eigentlich. Provokation? Sendungsbewusstsein? Ob es nun kindisch oder gemeingefährlich ist, auf jeden wird so mein deutscher Stölz verletzt. :crazy:
Man kann es durchaus noch steigern:
"Menhir - Heiden auf dem Weg zum Erfolg"
http://www.ziuwari.de/HP/Interviews/2.html
Da du gerade den Weg der Folklore erwähnt hast: Wie nah an alten Traditionen seid ihr wirklich? Die Menschen damals glaubten an Götter wie Donar, Tyr oder eben vorher Ziu; sie opferten ihnen und richteten ihr Leben in gewisser Weise nach diesem Glauben aus. Tut ihr das auch? Welche Rolle spielt die Natur für euch in diesem Zusammenhang?
H: Als erstes müßte ich da erwähnen, daß ich mein Leben größtenteils so lebe, wie ich es will, ohne mir von irgend jemanden etwas diktieren zu lassen. Da sich meine Abneigung gegen die Kirche, das Christentum und somit auch gegen die regierenden, christlich geprägten Parteien richtet, war es früher oder später notwendig, eine eigene Lebensphilosophie zu finden. Dies kam nicht von heute auf morgen, sondern durch jahrelanges Selbststudium von Büchern. Auch Gespräche mit Gleichgesinnten und letztlich auch die Liebe zur Natur brachten uns gewissermaßen auf den Pfad der Heiden. Mit der Gründung von MENHIR sahen wir dann auch eine Möglichkeit, diese Erfahrungen und unsere Lebensphilosophie einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Wir hätten genauso gut über alles andere Texte machen können, aber mir ist es sehr wichtig, wenn man sich die heutige Gesellschaft so ansieht, die Menschen daran zu erinnern, wo ihre Wurzeln liegen. Auch ist mir klar, daß sich der größte Teil von ihnen einen Dreck darum schert und unsere Einstellung verspottet; aber der Teil, welcher nicht lacht, wird eines Tages froh darüber sein, anders gedacht und gelebt zu haben. Wir meinen damit, daß durch unseren Glauben wieder eine spezielle Beziehung zur Natur erwächst, welche in anderen Zeiten ein Überleben sicherte. Wie unsere Vorfahren mit der Natur zu leben, aus ihr Kraft zu schöpfen und sie zu ehren, ist unser Ziel. Die Kirche, welche Schuld daran trägt, daß unser einstiges heidnisches Gedankengut so gut wie ausgelöscht ist, verdient nur unseren Haß und unsere Abscheu. Wir kämpfen jetzt noch auf dem ideologischen Weg gegen sie an, indem wir alte thüringische Überlieferungen, Sagen, den Alltag unserer Vorfahren und die heidnische Götterwelt in unseren Liedern zum Leben erwecken.

Nee, "Heide" wurde er, weil er eine Abneigung gegen die Kirche und den Rest hatte; und weil er "Heide" ist, hasst er die Kirche. :crazy:

Anaeyon
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Mi 6. Mai 2009, 16:24 - Beitrag #4

Maglor, deine Verallgemeinerungen passen aber auch nicht gerade zu deinem "selbstbewussten" Schreibstil.

Aber in Sachen Lemmy stimme ich zu, genial war das Interview nun wirklich nicht. Auch wenn das niemand behauptet hat. Also, hier nicht.

Ipsissimus
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Mi 6. Mai 2009, 16:37 - Beitrag #5

zunächst mal, ich stimme durchaus zu, wenn dieses Interview als Slapstick aufgefasst werden soll. Für eine wirkliche Ausweitung der Diskussion und Vertiefung der Argumente ist in diesem Format sicher nicht der Raum.

Trotzdem ist es immer wieder verwunderlich, welcher Mechanismus gegen Kirchen- und allgemein Religionskritiker aufgeboten wird: der Umstand der Kritik selbst wird als Hinweis auf ihre ... ja, was ... Illegitimität, Unangemessenheit verwendet, und in dieser Spiegelkritik findet eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Inhalt der Kritik gar nicht mehr statt.

"Ach, du bist ja Heide, du musst ja so denken."

Dass auch der Krist^^ dass jedermensch in gewisser Hinsicht so denkt, wie er muss - weil sein Leben ihn dahin geführt hat - das scheint kein Problem zu sein, nur im Falle des Heiden erübrigt das "Argument" anscheinend jede ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung.

Was mich wiederum nicht wirklich verwundert. Wer außer echten kristlichen Fundamentalisten möchte heute wirklich Jungfrauengeburt, Auferstehung, Totenerweckung und d.gl. ernsthaft argumentativ rechtfertigen? Man glaubt da doch lieber im Stillen und hofft, dass in ernsthaften Kontexten die Albernheiten des Glaubens nicht erwähnt werden.

janw
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Mi 6. Mai 2009, 21:42 - Beitrag #6

Spiegel?

Naja, ob das nun unter slapstick zu verbuchen ist?
Zwischen dem Rockergehabe scheint da doch einiges an Einsicht durch, die nicht zum Normalmaß in der Gesellschaft zählt, etwa die Einschätzung Bachs, und auch die Einordnung Motörheads ins Musikeruniversum enthüllt IMHO, was in diesem Land Journalist wird.

Trotzdem ist es immer wieder verwunderlich, welcher Mechanismus gegen Kirchen- und allgemein Religionskritiker aufgeboten wird: der Umstand der Kritik selbst wird als Hinweis auf ihre ... ja, was ... Illegitimität, Unangemessenheit verwendet, und in dieser Spiegelkritik findet eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Inhalt der Kritik gar nicht mehr statt.

Naja, das erinnert etwas an die 70er Jahre, wo die bloße Tatsache, einmal demonstriert zu haben, noch für "oh" und "ah" sorgen und zwischen Wohl und Wehe entscheiden konnte - ich würde sagen "sage mir, woran du dich reibst, und ich sage dir, was dich umtreibt"
Ich denke, daraus spricht einfach viel tiefe Verunsicherung, hatte Jesus nicht gesagt, daß das Reich Gottes bald anbrechen würde? Und es kam nicht, und im Jahre 1000 kam es auch nicht, und nun hoffen sie seit 2000 Jahren, und denen, die nicht mehr glauben, geht es nicht schlechter, das muss doch...^^

blobbfish
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Do 7. Mai 2009, 16:16 - Beitrag #7

Hilfe ist das ein unreflektierter Bockmist.

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Do 7. Mai 2009, 16:44 - Beitrag #8

gibt´s da auch ne Begründung dafür?

blobbfish
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Do 7. Mai 2009, 16:53 - Beitrag #9

Dogmatismus. Obacht aber, ich torpedier mich hierbei u.U. selbst mit einer Stigmatisierung.

e-noon
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Do 7. Mai 2009, 16:55 - Beitrag #10

Sieht nicht so aus *Spamkanone in Anschlag bring*
Ich hätte es am ehesten noch auf die 8-10 Idioten pro 10 Mitmenschen bezogen; das mag zwar sein (ich weiß es nicht, bin an der Uni, da mag es weniger sein, wobei, in der Soziologie eher mehr), aber es ist sicher nicht in einer groß angelegten Studie überprüft. Überhaupt sind es im kritischen Sinne Stammtischweisheiten, die er von sich gibt, allerdings in einer Weise, die mir erlaubt zu glauben, dass sich dahinter schon mehr verbirgt als nur das, eine sehr praktische Lebensphilosophie. Nicht zu heiraten, wenn man nicht monogam veranlagt ist, finde ich zum Beispiel schon mal sehr löblich (wo kommt dann eigentlich sein Sohn her?). Zum Thema Kindererziehung könnte man auch mehr sagen als "ich habe meinem Kind beigebracht, Idioten zu erkennen". Aber naja, es ist ein Interview mit einem Musiker.

Ipsissimus
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Do 7. Mai 2009, 16:58 - Beitrag #11

resultiert der Dogmatismus aus der vertretenen Sache oder eher aus der Kommunikationsform? In einem derartigen Interview geht es wohl eher um funkelnde Brillianz als um Tiefgründigkeit. Ich kenne Kilmister nicht persönlich, aber es wäre sicher interessant, ihn darauf zu befragen, ob er zu seinen Thesen nicht eine entsprechende Unterfütterung bieten kann^^

blobbfish
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Do 7. Mai 2009, 17:04 - Beitrag #12

Im vorliegenden Interview sowohl als auch wenn du mich fragst. e-noon, nein, war nicht als Spam gedacht, dein zweiter Satz ist die ausführliche Variante meines Dogmatismusverdachts.

e-noon
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Do 7. Mai 2009, 17:08 - Beitrag #13

Alles klar (die Spamkanone feuert übrigens auch nach hinten).
Aber es klang nicht wie Dogmatismus, eher wie Erfahrung... ein bisschen Verallgemeinerung wird auch dabei gewesen sein. Übrigens, 9 von 10 Leuten Idioten, aber keine Frauen? Ja, Verallgemeinerung und fragwürdiger Umgang mit der Statistik.

blobbfish
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Do 7. Mai 2009, 17:15 - Beitrag #14

Nun, zwischen Dogmatismus und Erfahrung ist sicherlich ein schmaler Grad, den letzteres nimmt einen großen Einfluss auf unsere Meinungen und Einstellungen.
Ich selbst hab, muss ich zugestehen, keinen allzustarken Dogmatismusbegriff, da fällt dann eben ein bisschen mehr drunter.

janw
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Do 7. Mai 2009, 21:25 - Beitrag #15

"Dogmatismus!" ist der Lieblingsvorwurf der Dogmatiker, nach der Häresie...weil er die eigenen Schäfchen davon abhält, sich tiefer mit der Sache zu befassen.
Etwas mehr Begründung wäre also dienlich.

Was die rein männlichen Idioten betrifft, würde ich ihm zugute halten, daß er Merkel nicht kennt^^


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