der Artikel berichtet von der Realityshow "La zone Xtreme", die von France 2 (dem französischen Äquivalent des ZDF, also Öffentlich-Rechtlich, nicht etwa privat) vorbereitet und aufgezeichnet wurde; die Ausstrahlung steht noch bevor. In dieser Show wurde mit Kandidaten das berühmte Milgram-Experiment von 1961 nachgestellt. Ein Schauspieler sitzt auf der Bühne in einem Käfig, an Elektroden angeschlossen. Er muss eine große Anzahl Wortpaare auswendig lernen. Der Kandidat sitzt mit einer Moderatorin in einem abgeschirmten Bereich und stellt dem Schauspieler (der ihm als weiterer Kandidat vorgestellt wurde) Fragen zu den Wortpaaren. Für jeden Fehler in der Antwort löst er einen Stromschlag aus, beginnend bei 20 V bis hoch zu 480 V. Jedesmal wenn er zögert, wird er von der Moderatorin mit teilweise sehr harschen Worten zum weitermachen aufgefordert:
"Lassen Sie sich nicht beeindrucken. Es soll weiter gehen." Und: "Sie müssen weiter machen. So ist die Regel." Oder: "Stellen Sie weiterhin die Fragen. Wir übernehmen die volle Verantwortung". Und DAS Argument schlechthin: "Sie können Jean-Paul (so wurde der Schauspieler getauft) nicht daran hindern zu gewinnen. Das Publikum ist einverstanden.
Aus den Zeitungsberichten, die nach den Aufnahmen, aber vor der Ausstrahlung über die Sendung erschienen, berichteten Journalisten, die den Aufzeichnungen beiwohnen konnten, dass lediglich 2 von 10 Kandidaten sich verweigert hatten; 80% der Kandidaten haben bis zur höchsten Stromstärke "mitgespielt", trotz teilweise offensichtlich heftiger Gewissensqualen - die Autorität des Mediums Fernsehen in Gestalt der Moderatorin war größer.
Fazit: Die Ergebnissse des Milgram-Experimentes sind immer noch valide. Das dritte Reich würde auch heute noch funktionieren, wenn es jemand nur geschickt genug anfängt.
Ergänzung zum original Milgram-Experiment
Heutzutage würde ein vergleichbares Experiment von der Mehrzahl der Psychologen als unethisch zurückgewiesen werden, da es die Versuchspersonen einem starken inneren Druck aussetzt und sie über den wahren Zweck des Experiments täuscht. An vielen Universitäten stellte man als Reaktion auf diesen Versuch ethische Richtlinien über die Zulassung von psychologischen Experimenten auf. Ob das gewonnene Wissen bei Militär und Geheimdiensten Anwendung fand, ist nicht bekannt.
Milgram kommentierte die Ergebnisse seines Experiments so:
„Die rechtlichen und philosophischen Aspekte von Gehorsam sind von enormer Bedeutung, sie sagen aber sehr wenig über das Verhalten der meisten Menschen in konkreten Situationen aus. Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klingelten, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.“
– Stanley Milgram: The Perils of Obedience, Harper´s Magazine, 1974
Bis heute gilt der Autoritätsgehorsam theoretisch als nur unzureichend geklärt. Obwohl Milgram eine Persönlichkeitsbasis für Autoritätsgehorsam und Verweigerung vermutete, konnte er diese nicht belegen. Statt dessen ging er von zwei Funktionszuständen aus: einem Zustand der Autonomie, in dem das Individuum sich als für seine Handlungen verantwortlich erlebt, und einem „Agens-Zustand“, in den es durch den Eintritt in ein Autoritätssystem versetzt wird und nicht mehr aufgrund eigener Zielsetzungen handelt, sondern zum Instrument der Wünsche anderer wird.
Das Experiment zeigte, dass die meisten Versuchspersonen durch die Situation veranlasst wurden, sich an den Anweisungen des Versuchsleiters und nicht an dem Schmerz der Opfer zu orientieren. Die Veranlassung war am wirksamsten, wenn der Versuchsleiter anwesend war und am wirkungslosesten, wenn die Instruktionen per Tonband oder Telefon erfolgten. Auch die Nähe zum „Schüler“ beeinflusste die Bereitschaft zum Abbruch des Versuches. So gingen ohne Rückmeldung der „Schüler“ praktisch alle Versuchspersonen bis zur höchsten Schockstufe, während beim direkten Kontakt nur noch 30 Prozent die Höchststufe erreichten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment