Soeben las ich im "Physics Today"-Journal der American Physical Society einen sehr interessanten Artikel des Physikers N. David Mermin. Er ist nicht frei abrufbar, ich verlinke ihn hier aber trotzdem mal, vielleicht sitzt ja der ein oder andere in einem Uni-Netzwerk mit passendem Abonnement.
Das Wesentliche zusammengefasst: Mermin kritisiert es als "bad habit" der Physiker, ihre Modelle der Realität als die Realität selbst aufzufassen. (Ein Problem, dessen ich mir zwar bewusst bin, dessen unzureichender sprachlicher Vermeidung ich mich aber ebenfalls für schuldig bekenne.) Schrittweise dekonstruiert er Quantenzustände, Quantenfelder, klassische Felder, Teilchen und Raumzeit als Nicht-Realität.
Als letzte Objekte der physikalischen Anschauung mit einem Rest von Realitätsansprüchen bleiben ihm Ereignisse übrig. "die Teilchen interagieren", "der Zug kommt an", "der Uhrzeiger steht auf 7". Nur die jeweiligen, räumlich und zeitlich nullausgedehnten Punktereignisse, nicht die Modelle, die hinter den dabei vorkommenden Substantiven und Verben stehen. Zustände wie Prozesse seien nur abstrakte Modelle zur konsistenten Verbindung und Systematisierung von Ereignissen.
Ganz unantastbare Realität ordnet er auch den Ereignissen nicht zu, sind sie doch natürlich nur über fehlbare Sinneswahrnehmungen zugänglich. Aber wenn ich ihn recht verstehe, so plädiert er doch für eine Ontologie, die Ereignisse als einzige fundamentale Kategorie kennt.
Sympathisch erscheint mir das vor allem daher, dass es dem hierarchischen Aufbau moderner Quantengravitationstheorien entspricht - die Feldtheorie setzt auf einem Hilbertraum an, der aus den physikalischen Zuständen aus der Menge aller Zustände eines bestimmten Zustandsraumes auf einer gekrümmten Mannigfaltigkeit gebildet wird, deren Struktur einem kausalen Netz aufgeprägt wird, das als ursprünglichste Einheiten einfach auf einem ungeordneten Satz von Punktereignissen aufbaut.
Unsympathisch ist es mir nach meinem pragmatischen Ontologieverständis. Für mich existiert, was mit mir wechselwirkt, und Wahrheitskriterium ist die Hinreichendheit. Solange es also keinen vorhersagekräftigen Unterschied zwischen der Betrachtung der Welt mit Ereignismengen oder Quantenzuständen gibt, sind letztere vollkommen äquivalent und pragmatische Existenz und damit ontologischer Status können ihnen guten Gewissens zugewiesen werden.
Die Frage, die eigentlicher Hauptgrund dieses Threads ist, nun zumindest noch zum Abschluss: Gibt es eine derartige Ontologie bereits im Werke irgendwelcher Philosophen, wenn auch vielleicht mit anderen Begrifflichkeiten?