Ontologie der Ereignisse

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Traitor
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Di 14. Jul 2009, 20:39 - Beitrag #1

Ontologie der Ereignisse

Soeben las ich im "Physics Today"-Journal der American Physical Society einen sehr interessanten Artikel des Physikers N. David Mermin. Er ist nicht frei abrufbar, ich verlinke ihn hier aber trotzdem mal, vielleicht sitzt ja der ein oder andere in einem Uni-Netzwerk mit passendem Abonnement.

Das Wesentliche zusammengefasst: Mermin kritisiert es als "bad habit" der Physiker, ihre Modelle der Realität als die Realität selbst aufzufassen. (Ein Problem, dessen ich mir zwar bewusst bin, dessen unzureichender sprachlicher Vermeidung ich mich aber ebenfalls für schuldig bekenne.) Schrittweise dekonstruiert er Quantenzustände, Quantenfelder, klassische Felder, Teilchen und Raumzeit als Nicht-Realität.
Als letzte Objekte der physikalischen Anschauung mit einem Rest von Realitätsansprüchen bleiben ihm Ereignisse übrig. "die Teilchen interagieren", "der Zug kommt an", "der Uhrzeiger steht auf 7". Nur die jeweiligen, räumlich und zeitlich nullausgedehnten Punktereignisse, nicht die Modelle, die hinter den dabei vorkommenden Substantiven und Verben stehen. Zustände wie Prozesse seien nur abstrakte Modelle zur konsistenten Verbindung und Systematisierung von Ereignissen.
Ganz unantastbare Realität ordnet er auch den Ereignissen nicht zu, sind sie doch natürlich nur über fehlbare Sinneswahrnehmungen zugänglich. Aber wenn ich ihn recht verstehe, so plädiert er doch für eine Ontologie, die Ereignisse als einzige fundamentale Kategorie kennt.

Sympathisch erscheint mir das vor allem daher, dass es dem hierarchischen Aufbau moderner Quantengravitationstheorien entspricht - die Feldtheorie setzt auf einem Hilbertraum an, der aus den physikalischen Zuständen aus der Menge aller Zustände eines bestimmten Zustandsraumes auf einer gekrümmten Mannigfaltigkeit gebildet wird, deren Struktur einem kausalen Netz aufgeprägt wird, das als ursprünglichste Einheiten einfach auf einem ungeordneten Satz von Punktereignissen aufbaut.
Unsympathisch ist es mir nach meinem pragmatischen Ontologieverständis. Für mich existiert, was mit mir wechselwirkt, und Wahrheitskriterium ist die Hinreichendheit. Solange es also keinen vorhersagekräftigen Unterschied zwischen der Betrachtung der Welt mit Ereignismengen oder Quantenzuständen gibt, sind letztere vollkommen äquivalent und pragmatische Existenz und damit ontologischer Status können ihnen guten Gewissens zugewiesen werden.

Die Frage, die eigentlicher Hauptgrund dieses Threads ist, nun zumindest noch zum Abschluss: Gibt es eine derartige Ontologie bereits im Werke irgendwelcher Philosophen, wenn auch vielleicht mit anderen Begrifflichkeiten?

Ipsissimus
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Mi 15. Jul 2009, 11:33 - Beitrag #2

interessanter Artikel^^

Frage: sind Quantenereignisse Ereignisse im von Mermin geforderten Sinne?

Frage: wenn wir das Kausalitätsprinzip aufrecht erhalten wollen, gleichzeitig Quantenfelder und dergleichen aber nicht für real halten sollen, was bewirkt dann all die Ereignisse? Wir werden uns kaum dazu versteigen wollen, abstrakten Größen godlike reale Wirkungen zuzuschreiben, oder? Sind uns ganze Legionen von "wirkungserzeugenden" Ereignissen entgangen?

blobbfish
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Mi 15. Jul 2009, 13:12 - Beitrag #3

Soweit ich das richtige verstehe (Artikel aus Zeitgründen bisher nicht studiert), kann man sagen, dass es das durchaus schon gibt oder gab. Es vermengen sich dort dubiose Wissenschaftstheorien, log. Empirismus und Konstruktivismus wohl allen voran.
Ich finde, soweit ich das von dir geschrieben als Grundlage nehme, geht er im ersten Schritt zwar richtig (Konstruktivismus), im zweiten aber falsch. Das ganze geht mir spontan zu sehr in Richtung eines Atomismus.

Im Übrigen ist dieses "bad habit" meiner Meinung nach garnicht so tragisch. Für den Physiker, überhaupt den Naturwissenschaftler, macht es keinen Unterschied, ob er in Modellen redet oder von Wirklichkeit, das ist nämlich garnicht sein Problem. Seine Arbeit ist invariant unter dieser Unterscheidung. Diese wird erst problematisch, wenn man sie falsch anwendet und zu strikt zwischen (unmittelbar) wahrnehmbaren und dem modellierten unterscheidet.

Ich möchte übrigens noch anmerken, dass ich mit einem methodischen Konstruktivismus, genauer dem Marburger Konstruktivismus, "groß geworden" bin.

janw
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Mi 15. Jul 2009, 13:16 - Beitrag #4

Für mich existiert, was mit mir wechselwirkt

Wie ist das mit Neutrinos, wechselwirken die mit Dir?

Mich erinnert das ein wenig an die Realsetzung von Wachstumskurven in der Biologie, die ja nur Extrapolationen einzelner Meßwerte bzw. diskreter Einzelwerte sind.
Eigentlich ein Teilproblem des verbreiteten Problems, daß zwischen Modell und Realität nicht hinreichend unterschieden wird, auch und gerade an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.

blobbfish
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Mo 20. Jul 2009, 13:57 - Beitrag #5

Zitat von blobbfish:Soweit ich das richtige verstehe (Artikel aus Zeitgründen bisher nicht studiert), kann man sagen, dass es das durchaus schon gibt oder gab. Es vermengen sich dort dubiose Wissenschaftstheorien, log. Empirismus und Konstruktivismus wohl allen voran.
Ich finde, soweit ich das von dir geschrieben als Grundlage nehme, geht er im ersten Schritt zwar richtig (Konstruktivismus), im zweiten aber falsch. Das ganze geht mir spontan zu sehr in Richtung eines Atomismus.


Lasse ich im wesentlichen mal so stehen, erscheint mir im Artikel so herausnehmbar. Was ich noch anfügen kann und möchte, ist dass er zu Beginn durchaus auch den richtigen Weg wählt, aber ihn nicht konsequent weiterschreitet, bis zur Frage, wo das Modell eigentlich herkommt und wieso das Modell etwas beschreibt, bzw. warum sich etwas so modellieren lässt, die Antwort darauf findet man aber prinzipiell, indem man den von janw zitierten Satz bedenkt und anwendet. Irgendwo ist ein Übergang zwischen Lebenswelt und Wissenschaft, ein Übergang zwischen Wirklichkeit und Modell.

Noch direkt zu deiner Frage Traitor: Mir ist da namentlich keiner bekannt, der etwas ähnliches konstruiert, allerdings kenne ich viele Philosophen/Wissenschaftstheoretiker nicht mit Namen, weiterhin ist es auch oft so, dass mehrere an einer "Strömung" arbeiten, diese Strömung aber sehr fein ist, so dass sie kaum als eine eigene Strömung/Richtung anerkannt werden kann (der meth. Konstruktivismus hat zum Beispiel auch viele Derviate). Und richtige identifizierbare Arbeitsgruppen wie den Wiener Kreis gibt es eben auch nicht mehr so richtig. Vielmehr bedient man sich lieber aus Elementen von bereits ex. Theoreien und bessert das ganze mit Hilfe anderer Theoreien und eigenen Gedanken aus. Mache ich auch so. Das wird zuweilen merkwürdig, wenn ich z.B. mit jemandem über Grundlagen der Mathematik rede. Oh, neues Thema.

Traitor
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So 26. Jul 2009, 16:51 - Beitrag #6

@Ipsi:
Frage: sind Quantenereignisse Ereignisse im von Mermin geforderten Sinne?

Was genau ist ein "Quantenereignis"? ;) Prinzipiell ist der Unterschied zwischen Quanten und Nicht-Quanten insbesondere in einer Vereinheitlichten Theorie natürlich nicht aufrechtzuerhalten. Auch wenn Mermin so klingt, als betrachte er alles quantige als besonders irreal, so denke ich, dass er da nur vom dem klassisch Denkenden als offenbar irreal erscheinenden zum erst nach genauem Nachdenken ebenso irrealen geht.
Eher legt er eine Trennlinie zwischen evidenten Wahrnehmungsereignissen des bewussten Beobachters und rekonstruierten, also irrealen, Ereignissen der übrigen Physik. Worin ich ihm nicht folgen würde.

Frage: wenn wir das Kausalitätsprinzip aufrecht erhalten wollen, gleichzeitig Quantenfelder und dergleichen aber nicht für real halten sollen, was bewirkt dann all die Ereignisse? Wir werden uns kaum dazu versteigen wollen, abstrakten Größen godlike reale Wirkungen zuzuschreiben, oder? Sind uns ganze Legionen von "wirkungserzeugenden" Ereignissen entgangen?
Auch das Kausalitätsprinzip ist in diesem System wohl nur eine zur Erklärung der Ereignismenge herangezogene Abstraktion, also auf derselben Irrealitätsebene wie die Quantenfelder. Sogar nicht nur die Kausalität, sondern schon Wirkung, Veränderung und alle anderen Prozesskonzepte.

@blobbfish:
Im Übrigen ist dieses "bad habit" meiner Meinung nach garnicht so tragisch. Für den Physiker, überhaupt den Naturwissenschaftler, macht es keinen Unterschied, ob er in Modellen redet oder von Wirklichkeit, das ist nämlich garnicht sein Problem. Seine Arbeit ist invariant unter dieser Unterscheidung. Diese wird erst problematisch, wenn man sie falsch anwendet und zu strikt zwischen (unmittelbar) wahrnehmbaren und dem modellierten unterscheidet.
Ja, es wird im Wesentlichen erst zum Problem, wenn man mit Laien, insbesondere mit Philosophen, spricht.
Das ganze geht mir spontan zu sehr in Richtung eines Atomismus.
Atomismus in welchem Sinne? Neben dem offenbar nicht gemeinten chemischen habe ich bei Wikipedia nur noch einen sprachanalytischen gesehen, der auch nicht zu passen scheint.
Was ich noch anfügen kann und möchte, ist dass er zu Beginn durchaus auch den richtigen Weg wählt, aber ihn nicht konsequent weiterschreitet, bis zur Frage, wo das Modell eigentlich herkommt und wieso das Modell etwas beschreibt, bzw. warum sich etwas so modellieren lässt, die Antwort darauf findet man aber prinzipiell, indem man den von janw zitierten Satz bedenkt und anwendet. Irgendwo ist ein Übergang zwischen Lebenswelt und Wissenschaft, ein Übergang zwischen Wirklichkeit und Modell.
Das konsequente Fortschreiten wäre für dich also nicht, auch noch die Ereignisse zu dekonstruieren und gar nichts überzubehalten, sondern jenseits der Ereignisse doch wieder eine logische Struktur der Welt zu finden?

@Jan:
Wie ist das mit Neutrinos, wechselwirken die mit Dir?
Natürlich. Die Wahrscheinlichkeit für eine Interaktion, die so stark ist, dass ich davon etwas merke, ist jedoch verschwindend.
Mich erinnert das ein wenig an die Realsetzung von Wachstumskurven in der Biologie, die ja nur Extrapolationen einzelner Meßwerte bzw. diskreter Einzelwerte sind.
Nunja, etwas fundamentaler ist es schon. ;)
Eigentlich ein Teilproblem des verbreiteten Problems, daß zwischen Modell und Realität nicht hinreichend unterschieden wird, auch und gerade an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.
Genau, diese Schnittstelle ist der kritischste Punkt. Manchmal achten Wissenschaftler zu wenig auf diese Unterscheidung. Dadurch glauben manche Teile der Öffentlichkeit dann alles vorbehaltlos als absolut wahr; andere zweifeln alles an, da alles, was die Wissenschaft mache, ja stets bloßes Raten sei.

blobbfish
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So 26. Jul 2009, 17:50 - Beitrag #7

Atomismus im Sinne einer Zerlegung in unzerlegbares. Wird tatsächlich oft auf Sprache angewandt, lässt sich aber auch verallgemeinern. Für den Aufbau einer Theorie nicht schlecht, für eine Erklärung aber schrecklich. (Bsp. wär Euklidische Methodenlehre, heuristisch leicht abgewandelt, d.h. nicht in zu strengem Sinne).

Ereignis ließe sich doch noch dekonstruieren. Logisch bliebe nicht viel über, da stimme ich dir zu, Ereignis ist aber auch ein lebensweltlicher Begriff, der geschärft werden kann. Schau mal nach Protophysik im meth. Konstruktivismus (nicht bei Kant (andre Situation), Kuhn (s. Kant, aber methodisch total bescheuert)), ich kann dir da auch bei Zeiten Literatur raussuchen. Wenn ich ihn aber richtig verstanden habe (mein Englisch ist wirklich nicht gut), lässt er die doch unverändert.

henryN
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Mi 29. Jul 2009, 23:05 - Beitrag #8

Jaques Derrida: "Eine gewisse unmögliche Möglichkeit vom Ereignis zu sprechen."

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So 2. Aug 2009, 20:11 - Beitrag #9

@Traitor: Das erinnert mich an das, was man als Prozessphilosophie oder Prozessmetaphysik bezeichnet. Siehe z. B: http://en.wikipedia.org/wiki/Process_philosophy oder http://plato.stanford.edu/entries/process-philosophy/ . Da ich mich nicht sonderlich damit auskenne, weiß ich aber nicht, wie sehr hier die Betonung auf den Punktereignissen liegt.

Zur Sache:
Es ist wohl eins der Hauptunterscheidungsmerkmale von Ontologien, wieviel Ordnung man dem Universum zubilligt und wieviel man von der Ordnung als rein menschengemacht ansieht. Ohne den Artikel gelesen zu haben, scheint es mir, dass Mermin recht stark auf der "chaotischen" Seite ist.

Dabei ist es, denke ich, so, dass man rein logisch wenig Gründe findet, das eine dem anderen vorzuziehen. Zunächst und zumeist bietet sich unserer Wahrnehmung ja eine Welt von Objekten und Bewegungen dar. Nach etwas Reflexion bemerken wir, dass in seltsam gestalteten Situationen diesen Objekten mitunter offenbar kein Objekt in der Realität entspricht (optische Täuschungen) und dass auch in der anderen Fällen diese Objekte eine, erstmal nicht logisch deduzierbare, Konstruktion aus den Rohsinnesdaten sind.

Die Extremposition auf der chaotischen Seite würde jetzt sagen: Das Universum ist ein einziger Malstrom des Chaos, der in keine kleineren Untereinheiten zerlegbar ist. Mermin ist nicht ganz so radikal, spricht er doch immerhin noch von Punktereignissen (das mit den Sinnesdaten ist hier wohl mehr ein epistemologisches denn ein ontologisches Problem) - allerdings geht er schon relativ weit: ich vermute, dass seiner Meinung nach so ein Objekt wie ein Stern bloß ein Konglomerat von Einzelprozessen der Kernfusionen (die man meinetwegen noch kleiner zerlegen kann), Plasmaströmungen etc., das wir aus unseren menschlichen Ordnungslaunen heraus zu einer Ordnungseinheit, einem Objekt zusammenfassen. Hier liegt wohl auch das, was anscheinend blobbfish kritisiert, der Atomismus: was spricht dafür, dass man den Malstrom in kleinste Einheiten, diese Punktereignisse zerlegen kann? Wenig bis nichts, denke ich. [diese Sichtweise entspricht schon, in etwa, dem, was der logische Atomismus mit Aussagen macht]

Meine eigene Position sieht wohl etwa so aus: das Universum ist ein Malstrom, aber nicht ein rein chaotischer. Man kann nie mit völliger Berechtigung irgendeinen Bestandteil herausgreifen und ihn für sich betrachten; aber aufgrund der Struktur des Malstroms haben wir Berechtigung mit relativer Berechtigung es in Bestandteile zu zerlegen und unsere menschlichen Kategorien darauf anzuwenden. So ist es meiner Meinung nach auch mit Raum und Zeit; es gibt keinen Raum und Zeit, aber dieser Universumsmalstrom ist irgendwie raum- und zeithaft und -artig. Nach obigem Paradigma können wir natürlich nicht wirklich sagen, dass es darin Objekte gibt, die als Eigenschaft Raumartigkeit haben, und Prozesse, die als Eigenschaft Zeitartigkeit haben, weil alles eins ist, aber die Struktur erlaubt uns, für bestimmte Zwecke so zu reden, ohne deutlich in die Irre zu gehen.

Ich will nicht leugnen, dass diese Gedänklein ihre Schwächen haben. Zum einen scheuen sie sich für konkrete Aussagen, sind gerade nicht im mindesten falsfizierbar, da, wenn man nach ein paar konkret geäußerten Aussagen sie doch in Widersprüche verstrickt, sie sich rausreden werden, dass man diese konkreten Aussagen (so wie alles, was in menschlicher Sprache niedergelegt) nur mit einer gewissen Berechtigung sagen konnte, sie bloß halb metaphorisch, halb pragmatisch waren - man mag sagen, dass es eine entspannte Ontologie ist, die sich scholastischen Spitzfindigkeiten und Grabenkämpfen entziehen will. Zum zweiten erwähnen sie nicht die Subjekthaftigkeit; gerade die Daseienden, die Menschen, sind ja vielleicht mit der wichtigste Prüfstein für eine Ontologie, da wir auf diese über uns selbst ja vielleicht den besten Zugriff haben. Sicher konstituiert sich unser Selbst irgendwo aus Einzelereignissen unserer Wahrnehmung etc. Doch ich denke, dass diese Fundamental gelinkt sind in einer Weise, die über bloße kausale Beziehungen hinaus geht, und uns damit quasi dazu zwingen, uns selbst (bei aller Disparität) als eine Einheit zu denken - eine Einheit, die nicht bloß von Strukturmomenten suggeriert wird, sondern eine fundementale ontologische Größe ist. Jede allzu entspannte, sich es allzu einfache machende Ontologie/Metaphysik wird dann doch wieder von dem Faktum unserer selbst herausgefordert....

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Mo 3. Aug 2009, 10:40 - Beitrag #10

ein klassischer Konflikt, der früher üblicherweise im Gegenüber zwischen "abendländisch analytischer" und "orientalisch synthetisierender" Betrachtungsweise verortet wurde.

Es gibt offenbar zwei tiefgehende Bedürfnisse des menschlichen Geistes: das Erfassen "gestalthafter" "Ganzheiten" und deren Analyse, also Zergliederung in kleinste Funktionseinheiten. Da sich all das nur im menschlichen Geist abspielt (ein Stern würde - soweit wir wissen - niemals auf die Idee kommen, sich selbst zu untergliedern) ist es eigentlich irrelevant, ein ontologisches Problem daran aufzuhängen.

Natürlich folgt massiven physikalischen Paradigmenwechseln immer auch eine Erweiterung unserer Mentalität nach; Leute aus dem 19. Jahrhundert würden sich verwundert die Augen reiben, könnten sie sehen, wie selbstverständlich wir mit Relativität umgehen, wie selbstverständlich uns die Vorstellung von Raumzeit geworden ist u.dgl. Es ist durch nichts auszuschließen, dass uns auf dem Gebiet der Quantenphysik ähnliche massive Paradigmenwechsel bevorstehen, vor allem, wenn es eine Theorie zur ToE schaffen sollte


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