Von Krankheiten und Verfallsdaten

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Do 2. Dez 2010, 01:38 - Beitrag #1

Von Krankheiten und Verfallsdaten

Steh ich neulich vor dem spiegel und seh einen flecken oder etwas dergleichen und erinnere mich stark an tom hanks und den film philadelphia. Was ist wenn diese flecken sich ausweiten, nach einem besuch beim arzt stellt sich herraus man hat aids.
Man lässt die letzten tage revue passieren und denkt sich so ... was ist mit den sexpartnern ? Ich würde mich verpflichtet fühlen diese aufzusuchen um ihnen den stand der dinge mitzuteilen. Aber was dann ? Einige leben haben einen stempel bekommen mit einem verfallsdatum, genau wie das eigene.

Eine freundin meinerseits meinte zu mir sie würde sich die kugel geben.

Mein erster gedanke war, ich nehme mir eine kleine wohnung, absolut spartanisch eingerichtet, setze mich aufs bett und lass die tage dahingleiten. Ich weiss nicht ob es ein trost ist oder nicht, aber das übrigbleibende geld würde dann auf die "opfer" aufgeteilt werden. Eventuell nutzen sie es um die letzten tage nochmal in vollen zügen zu geniessen. Denn andererseits glaube ich nicht das "sie" die zeit mit mir verbringen wollen würden, mir, dem boten des todes.
Mir kam darauf kurz der gedanke, statt die letzten tage mit nichtstun zu verleben, warum nicht ein buch lesen, und im selben moment verbot ich mir dieses, denn ich sollte keine freude mehr am leben haben, mich nicht an literatur laben und erfreuen, denn freude ist nicht was einem zuteil werden sollte wenn man andere leben zerstört hat.

Was ist aus dem ursprungswirt geworden ? Wer hat mich infiziert ? Wieviel zeit bleibt mir noch ?
Und warum sind mir die anderen leben so viel mehr wert als mein eigenes ? Mir etwas unverständlich.

Die gedanken haben mich einige tage beschäftigt, da dachte ich ich lasse euch daran teilhaben.


und in der stille der nacht, wenn jeder für sich alleine ist,
dann erst erkennen wir die grosse leere die uns allen innewohnt

e-noon
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Do 2. Dez 2010, 02:11 - Beitrag #2

Hi Format.Com,

Ich finde die Frage, die dich beschäftigt, sehr wichtig und interessant. Am wichtigsten ist es in einer solchen Lage, sich genau zu informieren und nicht durchzudrehen. Speziell bei Aids haben sich die Überlebenschancen deutlich verbessert. Selbst wenn man an Aids erkrankt, kann man immer noch an Altersschwäche sterben. Die Lebenserwartung ist begrenzt - bei allen Menschen. Es ist wichtig, sich das klar zu machen; man ist nicht auf einmal anders, nur weil man krank ist. Man muss sich nicht heute vom Leben verabschieden, wenn man noch Jahre oder Jahrzehnte vor sich hat.

Das mit den Sexpartnern ist so eine Sache. Ich gehe regelmäßig Blutspenden, dabei würde sich wohl herausstellen, wenn ich Aids hätte. Ich wechsle meine Sexualpartner nicht sehr häufig, und wenn jemand das tut, ist es natürlich immer äußerst wichtig, Kondome zu benutzen. Wenn ich eine längere Beziehung eingehe, erwarte ich von mir selbst und von meinem Partner, dass wir beide uns auf etwaige Krankheiten untersuchen lassen, bevor ich eventuell erwäge, die Pille zu nehmen.

Es ist auf jeden Fall eine gute und mutige Idee, die Menschen zu informieren, die infiziert sein könnten. Nicht jeder von denen ist es dann zwangsläufig auch.

Umbringen macht doch keinen Sinn. Umbringen aus Angst vor dem Tod? Gut, vielleicht, wenn die Symptome irgendwann alles Erträgliche übersteigen. Aber das passiert vielleicht bei Krebs im Endstadium, bei Aids kann es gut sein, dass das niemals eintritt... Habe letztens noch ein Buch gelesen über ein Ehepaar, das Aids hatte, erst 10 Jahre nach der Diagnose haben sie dieses Buch geschrieben... bis dahin allen verheimlicht außer engster Familie, und normal weitergelebt... Also Hoffnung gibt es immer!

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 2. Dez 2010, 11:03 - Beitrag #3

es dürfte einen ziemlichen Unterschied ausmachen, je nachdem, ob dieser Fragenkomplex abstrakt durchdacht wird oder ob ein Mensch ganz konkret davon betroffen ist. Befürchte ich, an Aids erkrankt zu sein, oder hat mir der Arzt gesagt, dass Western Blood / Elisa (die beiden Standard-Tests) ohne jeden Zweifel positiv ausgefallen sind? Ich denke, dass diese Frage für den Fluss der Gedanken und Gefühle entscheidend sein dürfte.

Die Frage, was mit anderen Menschen ist, halte ich für ein Durchgangsstadium; wenn das Vollbild sich entwickeln sollte, werden derartige Gedanken immer abstrakter und "ungefühlter" werden; stattdessen wird das eigene Sosein immer stärker ausschließliches Thema der Auseinandersetzung werden - ganz einfach deswegen, weil die Beschwerden, die dieses Sosein im Vollbild dir bereitet, kaum noch Raum für irgendetwas anderes lassen werden. Nicht bei dir selbst zu verweilen wird schlichtweg zu anstrengend werden, und jede Perspektive, die nicht deine Perspektive ist, wird dich nicht mehr erreichen, wird weggefegt werden vom Schmerz oder der Übelkeit.

Doch, wie e-noon auch schreibt, bis dahin ist es ein weiter Weg. Und dieser Weg will gelebt werden, und er kann zumindest in großen Teilen praktisch beschwerdefrei gelebt werden. Ganz konkret lässt sich dazu im Grunde nur mit konkreten Informationen über die konkrete Lebenssituation etwas sagen. Und die Strategien, die Menschen in dieser Situation entwickelt haben, sind äußerst vielfältig gestreut. Man kann vielleicht vorsichtig sagen, dass sich in dieser Situation, wenn die Information über die Krankheit nicht verschwiegen wird, die Spreu vom Weizen trennt; es werden dir nur noch die Menschen verbleiben, denen du ein wirkliches Anliegen bist. Leider kann es sich herausstellen, dass du selbst für die, die du liebst und die sagten, dass sie dich lieben, nicht immer ein wirkliches Anliegen warst. Schmerz steht an. Aber auch Leichtigkeit, sobald dieser Schmerz durchlebt wurde.

Als Guru-Guru starb, hat er davon berichtet, von dieser Leichtigkeit. Noch hier, war er schon ganz weit weg. Für die um ihn drumherum war das schwer zu ertragen, war es schwer, von den eigenen Empfindungen abzusehen. Doch wem das gelungen war, konnte etwas erkennen: den ungeheuren Frieden, der ihn umhüllte, als es unumkehrbar manifest wurde, dass er - obwohl noch am Leben und kommunikationsfähig - von nichts und niemandem mehr erreicht werden konnte, vom dem er nicht erreicht werden wollte.

Milena
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Do 2. Dez 2010, 11:15 - Beitrag #4

,,,bist du jetzt tatsächlich selbst betroffen Format, oder sind es nur gedanken, im falle wenn?
nichtsdestotrotz wünsche ich dir viel kraft und alles gute...das leben und du selbst werden ihr eigenes tun und schliesslich sind wir alle nicht unendlich...
Ipsi hat es sehr schön beschrieben....
auch ich konnte Guru-Guru nicht mehr erreichen...ich denke, Ipsi konnte es, denn er konnte sich selbst quasi ausblenden und für ihn nur da und somit tatsächlich erreichbar sein....

Ipsissimus
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Do 2. Dez 2010, 12:35 - Beitrag #5

ganz zum Schluss, bei der allerletzten Fahrt, habe ich ihn nicht mehr erreicht, Milly. Vorher schon noch, noch lange, aber ganz zum Schluss nicht mehr.

C.G.B. Spender
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Do 2. Dez 2010, 16:07 - Beitrag #6

The Void

Zitat von Ipsissimus:Als Guru-Guru starb, hat er davon berichtet, von dieser Leichtigkeit. Noch hier, war er schon ganz weit weg. Für die um ihn drumherum war das schwer zu ertragen, war es schwer, von den eigenen Empfindungen abzusehen. Doch wem das gelungen war, konnte etwas erkennen: den ungeheuren Frieden, der ihn umhüllte, als es unumkehrbar manifest wurde, dass er - obwohl noch am Leben und kommunikationsfähig - von nichts und niemandem mehr erreicht werden konnte, vom dem er nicht erreicht werden wollte.
Diesen ungeheuren inneren Frieden per, ich nenne es einfach mal so, "Weltabgewandtheit", kann man auch ohne tödliche Krankheit erlangen. Denn im Grunde sind wir alle dazu verdammt, zu sterben, früher oder später. Man muß nur lange ganug in sich gehen, vielleicht dabei in der Welt mit offenen Augen und offenem Herzen umher reisen, damit diese Erkenntnis vom Verstand in die Seele wandert. Überall herrscht Zerfall und Sterben und danach gibt es immer wieder einen Neuanfang, nichts geht jemals verloren, in unserem Universum. Es ist eine höhere Ordnung, die zerfällt und neu aufgebaut wird.

Betrachtet man zudem den Planeten Erde von einem kosmologischen Standpunkt aus, so wird einem ziemlich schnell bewußt, wie unbedeutend wir Menschen tatsächlich sind. Wie sinnlos unsere Streitigkeiten, unsere Kriege, sind. Und wie wunderbar einzigartig unsere Liebe ist, auf einem blauen Staubkorn, einer winzigen Spur des Urknalls, gefangen in der schwarzen alles verschlingenden Unendlichkeit.

Die große Leere im Kosmos macht die wenigen Flecken auf denen Leben existiert so ungeheuer wertvoll. Diese große schwarze Leere hat zudem etwas sehr friedliches, sie bedeutet vielleicht die einzige wahre Freiheit, im Fehlen jeglichen Lebens. Das endlose Nichts in unserem Innern findet seine Entsprechung. Ohne seine schwarze Leinwand könnte der nächtliche Sternenhimmel nie so wunderbar wirken.

Als ich etwa 10 Jahre alt war, vertieft in Bücher über unser Planetensystem, wurde mir klar, wie unbedeutend wir im Hinblick auf den Kosmos sind, und es ist nur allzu leicht, dies bei unseren vielen Alltagproblemen zu vergessen. Eine schöne Art, sich daran zu erinnern, besteht darin, dieses Video zu schauen (mit deutschen Untertiteln):
"Great Minds: Carl Sagan - Pale Blue Dot"

Maglor
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Do 2. Dez 2010, 20:13 - Beitrag #7

"Etwas besseres als den Tod, findest du überall", sagte der Esel zur Katze und ging nach Bremen um Musikant zu werden ... er trottete, schlürfte, wieherte, schreckte, atmete ..., doch nach Bremen gelangte er nie und fand den Tod.

Das Leben ist kein Märchen, schon gar Spielfilm. Auch ein Esel ist sterblich ..., aber ist das wirklich so? Hast du schon einmal einen Esel sterben sehen?

Zum Ernst der Lage: Ob hypochondrische Reaktion oder ernstzunehmendes Symptom, für den Betroffenen spielt es keine Rolle, es betrifft in ja beides in gleicher Härte.

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Do 2. Dez 2010, 23:37 - Beitrag #8

@Noon

Man muss sich nicht heute vom Leben verabschieden, wenn man noch Jahre oder Jahrzehnte vor sich hat.

In der tat, aber ein alltägliches leben ist doch immer noch ein himmelweiter unterschied zu einem leben mit HIV. Warum ? Naja man muss um einiges aufmerksamer sein was man macht und wie man es macht. Beispiel wäre, sportarten mit leichtem verletzungsrisiko. Dann die ungewissheit wie lange man denn nun noch wirklich hat, das bleibt einfach im hinterkopf, man weiss nicht wann es wirklich ausbricht, ein faktor im eigenen leben der denke ich stets präsent ist.

Es ist auf jeden Fall eine gute und mutige Idee, die Menschen zu informieren, die infiziert sein könnten.

Ich denke das sollte eines jeden pflicht sein auch wenn man damit einige leute in den abgrund stürzt. Denken wir nur an das unwissentliche weitergeben.

@Ipsi
es dürfte einen ziemlichen Unterschied ausmachen, je nachdem, ob dieser Fragenkomplex abstrakt durchdacht wird oder ob ein Mensch ganz konkret davon betroffen ist. Befürchte ich, an Aids erkrankt zu sein, oder hat mir der Arzt gesagt, dass Western Blood / Elisa (die beiden Standard-Tests) ohne jeden Zweifel positiv ausgefallen sind? Ich denke, dass diese Frage für den Fluss der Gedanken und Gefühle entscheidend sein dürfte.

Ich denke mein szenario war eindeutig. HIV infektion ? Definitiv ja.

Die Frage, was mit anderen .... und niemandem mehr erreicht werden konnte, vom dem er nicht erreicht werden wollte.

Interessante gedanken und feststellungen, da gibt es in der tat ein defizit in meinem denken zwischen der jetzigen welt und der welt mit HIV.

@Milena
,,,bist du jetzt tatsächlich selbst betroffen Format, oder sind es nur gedanken, im falle wenn?

Nein ich bin nicht betroffen und habe auch im meinem umwelt keinen mir bekannten fall der so oder ähnlich geartet ist.
Aber danke trotzdem.

Ipsissimus
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Fr 3. Dez 2010, 14:05 - Beitrag #9

Ich denke mein szenario war eindeutig. HIV infektion ? Definitiv ja.
das war mir schon klar. Meine Frage war in Analogie zu Milenas Äußerungen die, ob wir hier einen abstrakten Fall oder einen konkreten Fall aus deinem Umfeld diskutieren. Da hast du aber mittlerweile schon beantwortet


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