kleines ethisch-juristisches Denkspiel

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Sa 25. Dez 2010, 13:11 - Beitrag #1

kleines ethisch-juristisches Denkspiel

nehmen wir folgende zwei Aussagen als Axiome

1) zwei junge Männer kommen überein, einen Mord an einer konkreten, spezifischen Person zu begehen. Beide Männer sind gleichermaßen bereit, diesen Mord zu begehen.

die Gründe für den Mord sollen keine Rolle spielen, auch steht es nicht zur Debatte, ob es Mord ist oder "nur" Totschlag. Beide Männer haben identische Motive.

2) nachdem die grundlegende Bereitschaft beider Männer zu diesem Mord geklärt ist, würfeln beide aus, wer von ihnen den Mord begehen soll.

Der Gedanke dahinter ist, wenn beide gleichermaßen zu dem Mord bereit sind, ist es nicht notwendig, dass beide ihr Leben ruinieren. Indem einer der beiden, als Verlierer des Würfelns, den Mord alleinverantwortlich ausführt und auf sich nimmt, erfüllt er den Willen beider Männer, aber einer der beiden, der Gewinner des Würfelns, kann sein Leben unbeeinträchtigt zu Ende leben.

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Erst nachdem durch das Würfeln geklärt ist, wer den Mord ausführen wird, beginnt dieser mit der Planung und führt ihn letztlich auch aus. Der zweite Mann ist im weiteren nicht mehr involviert.

Frage: Wie sind die Schuldverhältnisse, juristisch oder ethisch betrachtet, bis zu diesem Punkt?

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Weiter. Der Mörder wird verhaftet, verurteilt und verbringt 17 Jahre im Gefängnis. Er hält sich die ganze Zeit an die Absprache, nimmt also den Mord auf sich, sitzt seine Strafe ab.

Nun aber kommt die eigentliche Pointe.

Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wird, erfährt er, dass der andere Mann mittlerweile gestorben ist. Ihm wird testamentarisch ein Briefumschlag übergeben, der ein Würfelspiel und ein Blatt Papier enthält. Mehr aus Neugierde denn aus einem Verdacht heraus würfelt der Mann einige Male - es fallen in allen Würfen hintereinander jedesmal die eins und die sechs. Auf dem Blatt Papier steht ein Satz: "Ich bin vor Scham gestorben."

Die Würfel und damit die damalige Würfelentscheidung waren manipuliert.

Wie sehen die Schuldverhältnisse aus. Wer hat welche Schuld auf sich geladen?

Milena
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Sa 25. Dez 2010, 13:50 - Beitrag #2

...auf den ersten blick würde ich sagen:
shit happens oder aber:
dumm gelaufen....^^
auf den zweiten:
jeder ist für sich selbst verantwortlich...dh...es trifft keinen der beiden eine schuld oder aber gleichermassen, wenn denn überhaupt....

Lykurg
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Sa 25. Dez 2010, 14:55 - Beitrag #3

Habe eben zur juristischen Bewertung eine Staatsanwältin fragen können^^

Wenn die Würfel gezinkt sind, ist das Anstiftung (§26 StGB), was genauso schwer bestraft wird wie Straftat selbst (also vermutlich Mord).
Wären die Würfel nicht gezinkt, wäre es Versuch der Beteiligung (§30 StGB), was zwar ebenfalls wie das Verbrechen selbst behandelt, aber nach §49 gemildert wird. Die Konstellation fand sie aber interessanter, will sagen, da hängt evtl. noch was davon ab, wie genau sie sich absprechen.

Technisch fände ich aber interessant, wie ein Würfel zu zwei verschiedenen Ergebnissen in bestimmter Reihenfolge manipuliert werden könnte (unabhängig davon, wer wie würfelt, ansonsten ginge es vielleicht schon mit einem beweglichen Gewicht in einer Röhre).

Seeker
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Sa 25. Dez 2010, 18:53 - Beitrag #4

Ich hoffe, Du betreibst keine Recherche ...

Morbides Geschichtchen. Wer Schuld hat?
Manche sagen, allein der ernsthafte Gedanke lädt Schuld auf ...

Ipsissimus
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So 26. Dez 2010, 01:48 - Beitrag #5

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
hmm, ich halte das für schwierig. Der Verlierer des Würfelns hätte nach dem Würfeln immer noch aus eigenem Antrieb den Mord unterlassen können

Lykurg
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So 26. Dez 2010, 03:00 - Beitrag #6

Hätte er zwar, wenn er es aber getan hat, sind in dieser Konstellation beide Bedingungen erfüllt. Durch das Zinken der Würfel war es ja keine Verabredung mehr, sondern eine eindeutige Bestimmung des anderen dazu.

Padreic
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So 26. Dez 2010, 18:41 - Beitrag #7

Das mit der Anstiftung ist nicht so eindeutig, vorausgesetzt, dass der Mörder den Mord auch ohne das Würfelspiel begangen hätte, denke ich.

Die Schuldfrage hängt natürlich sehr davon ab, als wie moralisch verwerflich man den Mord in der gegebenen Situation ansehen würde. Wenn der Mord als moralisch nur begrenzt verwerflich (oder vielleicht sogar unverwerflich) einzuordnen ist, z. B. ein Tyrannenmord oder ähnliches ist, sähe ich die größere Verwerflichkeit beim Zinker; ansonsten beim Täter - denn bei diesem Projekt zu bleiben, wenn man den Finger am Abzug hat, verrät eine wesentlich größere Entschlusskraft, als den Würfel zu zinken. Und nach gängigen Vorstellungen ist eine mit größerer Entschlusskraft vollzogene verwerfliche Handlung als verwerflicher einzustufen als eine solche mit einer weniger großen.

Lykurg
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So 26. Dez 2010, 18:59 - Beitrag #8

Padreic, das wird sich kaum nachweisen lassen, selbst dann nicht, wenn sich eine schriftliche Aussage von ihm fände, daß er es in jedem Fall vorhat (oder das nachträglich behauptet), denn daß er es wirklich bis zum Letzten hätte kommen lassen, läßt sich eben nicht nachweisen, entsprechend der Einfluß des gezinkten Würfels auf die Entscheidung sich nicht ausschließen.

Die Überlegung zum Tyrannenmord ist eine interessante Weiterung, um das ethische Spektrum zu erfassen, auch wenn rechtlich unwirksam. (?)

Maglor
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So 26. Dez 2010, 20:49 - Beitrag #9

Beide sind Mörder oder Totschläger.
[INDENT]§ 25 StGB Täterschaft
(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.
(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).[/INDENT]
Es spielt gänzlich keine Rolle, ob man die Tat selbst begeht oder jemand anders für einen die schmutzige Arbeit macht.

Treffen sich zwei Männer und beschließen, dass ein Dritter sterben muss.
Eine Anstiftung fand hier nicht statt, beide waren ja bereits zu Mord und Totschlag bereit. Wer hat denn wen angestiftet? Sie waren ja gleicher Meinung, haben sich aber dafür entschieden, dass nur einer seinen Dolch mit Blut besudeln soll. Dann würfeln sie aus, wer es denn machen muss. Unter dem beiden Männern scheint es keine Hierarchie zu geben, die den einen als Bandenchef auszeichnen.
Vielleicht ist ja der Würfel Haupttäter und die Männer sind nur die Nebentäter? Oder ist der Würfel Anstifter? :crazy:
Der eine begeht, den Mord durch den anderen, der andere durch sich selbst, d. h. zwei Mörder oder vielleicht auch Totschläger.

Wegen des Würfels:
Hier liegt offenbar ein Vertrag vor: Der Würfel soll entscheiden, welcher Vertragspartner das Opfer umbringt.
Ob der Würfel gezinkt wurde ... Völlig egal, denn der Vertrag ist nach § 134 BGB wegen gesetzeswidrigen Inhalts, z. B. verbotenes Glücksspiel, nichtig.

Lykurg
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Mo 27. Dez 2010, 12:25 - Beitrag #10

Maglor, ich vermute, daß "durch einen anderen begehen" in §25 eher bedeutet, daß der andere nicht weiß, was er tut (z.B. 'drück mal auf den Knopf da'). Bei unserem Würfelspielchen liegt aber grundsätzlich Wissen und Entscheidungsfähigkeit des Handelnden vor.
Wäre der Würfel fair, würde ich eine solche Gemeinschaftlichkeit eher erkennen können, durch das Zinken des Würfels verfügt der Zinker aber über ein höheres Wissen, was ihn zum Anstifter macht.

Es handelt sich nicht um ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags (erst recht nicht, wenn gezinkt):
Zitat von GlüStV, §3: Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.
Außerdem geht es beim Glücksspielverbot um Geld- oder Sachgewinne, nicht um eine solche Entscheidung. - Daß der 'Vertrag' als solcher nichtig wäre, sehe ich genauso, deswegen ja Anstiftung o.ä.

Ipsissimus
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Mo 27. Dez 2010, 12:26 - Beitrag #11

Maglor, es wird sicherlich einen pragmatischen juristischen Zugang zu der Situation geben. Aber ob Absatz 1 wirklich greift, wage ich zu bezweifeln. Stellen wir uns eine beispielhafte Situation mal vor. Zwei junge Männer sind beim Bund. Beide machen völlig unabhängig voneinander irgendeinen Scheiss und werden dafür von einem soziopathischen Vorgetzten vor versammelter Mannschaft in Grund und Boden gedemütigt. Beide kommen unabhängig voneinander auf die Idee sich zu rächen, und beide kommen unabhängig voneinander auf die Idee, sich zu fragen, ob der andere die gleiche Idee hat und klären das ab. Danach würfeln sie. Ich sehe da mit meinem unbedarften Blick nicht, dass es in irgendeiner Weise eine Bestimmung des jeweils anderen gäbe, und wenn der Gewinner bei ungezinkten Würfeln sich für mein Empfinden in irgendeiner Hinsicht schuldig machen würde, dann bestenfalls der Mitwisserschaft und der Nichtvereitelung einer Straftat.

Was mich aber dezidiert interessieren würde, ist eure Einschätzung der ethischen Situation, und da weniger die ethische Verurteilung eines Mordes sondern die Situation zwischen den beiden Männern. Was ist zwischen den beiden los?

Lykurg
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Mo 27. Dez 2010, 12:48 - Beitrag #12

Naja, rechtlich griffe wohl noch die von mir angesprochene Verabredung nach §30,2 StGB, aber ob das wirklich so zum Tragen kommt, kann ich nicht abschätzen. Fraglich, wie das nachgewiesen würde etc., aber ich verstehe zu wenig davon.

Nach meinem moralischen Empfinden ist die Schuld des Zinkers die größere, da er wissentlich den anderen manipuliert. Es entsteht der Eindruck, er habe es von Anfang an darauf angelegt, schließlich stellt er den Würfel zur Verfügung, wahrscheinlich war es also auch seine Idee, das so zu klären. Damit entfällt aus seiner Sicht aber der gemeinsame Plan, eigentlich war es seiner. Aus der Sicht des anderen... dumm gelaufen, vielleicht fühlt er sich zu einer Handlung verpflichtet, die er sonst nicht bis in letzte Konsequenz gewagt hätte. Schuldig ist er aber trotzdem.

Maglor
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Mo 27. Dez 2010, 14:30 - Beitrag #13

Die Nichtigkeit des Vertrages wegen Glücksspiels war eigentlich nur ein Witz. Der Vertrag ist trotzdem nichtig, da solche gegenseitige Mordaufträge gesetzwidrig und obendrein auch noch sittenwidrig sind.
Niemand ist verpflichtet sich an nichtige Verträge halten, eher zum Gegenteil verpflichtet.

Was ist geschieht? Zwei Männer entwickeln unanbhängig von einander die Idee, einem Dritten das Leben zu nehmen.
Durch den entstandenden Vertrag beauftragen der Vertragspartner, jeweils den, den der Würfel bestimmt, mit Mord und Totschlag. Jeder Vertragspartner verspricht die Tat selbst auszuführen, sollte der Würfel entsprechend entscheiden. Es handelt sich also um einen Auftragsmordvertrag auf Gegenseitigkeit.
Der durch de Würfel bestimmte Mörder oder Totschläger handelt nicht nur für sich selbst sondern auch im Auftrag des anderen. Der eine wird zum Hintermann des anderen, hatte aber schon vorher sein eigenes Motiv, dass eben nicht erst durch den Hintermann gesetzt wird. Eine Kausalität zwischen Mord und Totschlag und der Verabredung zum Würfeln besteht nicht. Ohne die Verabredung wäre es trotzdem zur Tat gekommen, da hätte eben der frühe Vogel den Wurm gefangen. Manipuliert wurde also keiner, höchstens hereingelegt.
Eine Anstiftung liegt nicht vor, da das Motiv und der Tatentschluss bereits vor der Verabredung bestanden.

Es moralischer Sicht, gebührt die Ehre des Mörders den Betrüger zu bestrafen. Da Mann mit dem gezinkten Würfel bereits tot ist, sollte er den Weg der Blutrache wählen und entsprechend die nächsten Verwandten mit Vergeltungsmaßnahmen behandeln. Wenn er sofort im Zorn handelt, sobald er von den gezinkten Würfeln erfahren, kann er immerhin mit einem geringerem Strafmaß nach § 213 StGB (Minder schwerer Fall des Totschlages) rechnen.

Der Nachweis ist das eigentliche Problem. Der Fehlende Nachweis ermöglicht ja auch erst, dass nur der Unglückliche hinter Gittern endet.

blobbfish
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Di 28. Dez 2010, 23:18 - Beitrag #14

Ich habe natürlich keine Lösung, dafür bin ich nicht klug genug und um meine Dummheit noch unnötig unter die Leute zu bringen werde ich das Ganze verkomplizieren.

Zum rechtlichen bzw. juristischen kann ich wenig sagen, intuitiv sind aber beide Täter und zu belangen. Was das ethische angeht: Das Würfeln selbst finde ich da als dreiste Raffinesse. Grundsätzlich aber, im Fall, dass der Würfel gezinkt war, ist ja nicht mehr nur die Frage, wie sich das zum Mord verhält, also ob wer dann hier nun mehr Schuld hat, denn was ihn betrifft, so ist es eben der gezielte Ruin eines anderen, bzw. die Inkaufnahme dessen, also eine ganz andere Sache. Ob hier dann ein Plan vorliegt, oder eher ad hoc die Entscheidung bei der Einigung zu zinken ist dann natürlich auch nochmal ein Unterschied.

Traitor
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Mi 29. Dez 2010, 02:06 - Beitrag #15

Bei Frage 1 (also ohne Wissen über Zinkung) würde ich ethisch dazu tendieren, den Mann, der den Mord nicht selbst ausführt, schwächer zu verurteilen, gemäß Padreics Entschlusskraftsargument. Während der Absprache und des Würfelns entsteht ersteinmal nur die Schuld des Mordgedankens. Die Schuld des Mordes entsteht erst, wenn der Mord wirklich ausgeführt wird, sofern der Mordende bei vollem Tat- und Folgenbewusstsein ist. Sofern der zweite Mann die Tat noch mehr oder weniger direkt beobachtend verfolgt, lädt er dann noch die Schuld der Nichtverhinderung und Begünstigung auf sich.

Sympathisch erschiene mir, den zweiten Mann für diese moralische Schuldkonstellation juristisch mit dem Strafmaß für versuchten Mord zu belangen, da er die Intention zeigte, aber die Durchführung "scheiterte". Angemessener wäre aber eine Kombination aus Absprache, Verschwörung und Anstiftung (ja, auch schon ohne Zinkung, in der Form von Bestätigung und Nichtabbringung) für den ersten Teil und Nichtverhinderung bis Beihilfe für den zweiten.

Moralisch sähe ich das übrigens auch für den Fall eines Auftragsmordes recht ähnlich, der Auftraggeber lädt für mich weniger Schuld auf sich als der Mörder, da letzterer immer noch die Tat verweigern könnte. Juristisch muss da aber ganz klar auf gleiche Schuld entschieden werden, da Strafrecht ja nicht nur moralisch beurteilen, sondern auch abschreckend wirken soll.

Womit ich fast schon bei Frage 2, der Variante mit Zinkung, bin. Wird der Zinker also zum Auftraggeber und eindeutigen Anstifter im vollen Sinne? Für mich nicht, da die Handlungsfreiheit des ersten Mannes noch größer ist als beim Auftragskiller, da er ja nichtmal Geldanreiz oder Drohkulisse als externe Antriebe hat. Somit vermehrt sich die Schuld des zweiten Mannes in Hinblick auf die Tat des Mordes für mich nicht wesentlich. Seine Gesamtschuld erhöht sich dennoch deutlich, und nicht nur um den kleinen Schuldbetrag eines Würfelspielbetrugs, sondern um den nahe an der Schuld eines Mordes anzusiedelnden Schuldbetrag, einem Menschen (den Mörder) sein Leben zu zerstören, wo er unter Berücksichtigung seiner Intentionen ebenso sein eigenes hätte opfern können. Ja, der erste Mann hat immer noch die Möglichkeit, sich dagegen zu entscheiden, also könnte man genauso sagen, dass hier den zweiten wenig Schuld trifft. Aber Definitivität der Anfangsintention beider Männer vorausgesetzt, muss der Zinker in diesem Moment davon ausgehen, dass das Opfer auf jeden Fall stirbt, während die Mordschuld des einen oder des anderen Mannes in diesem Moment primär von seinem Zinken oder Nichtzinken abhängt. Also lädt der Zinker in diesem Moment große Schuld auf sich, wenn auch immer noch nicht ganz so große wie der Mörder durch den Mord.

Juristisch würde ich den Zinker auf dieselbe Stufe wie den Auftragsmordauftragsgeber stellen, also gleich bestrafen, da er aus einer Machtposition heraus einen Mord begünstigt.

Meine moralischen Abwägungen basieren, das wurde hoffentlich klar, auf einer Art Pfadintegralmethode. ;) Abwägen sämtlicher möglichen Ausgänge der Kausalketten, abschätzen aller relevanten Entscheidungspunkte und gewichten mit den jeweiligen individuellen Einflusspotentialen. Dabei freien Willen voraussetzend in meinem, nicht in mauriceschem Sinne, also als Möglichkeit, mit Überwiegen der inneren gegenüber den äußeren Einflussfaktoren rationale Entscheidungen zu treffen.

Ipsissimus
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Mo 3. Jan 2011, 11:22 - Beitrag #16

die abschreckende Wirkung des Strafrechts darf bezweifelt werden, aber ansonsten siehst du die Situation recht ähnlich wie ich, Traitor. Wenn man von der Unhinterfragbarkeit des Mordes selbst für beide Personen ausgeht, dann läuft das Szenario, etwas pathetisch formuliert, auf eine Art Gottesurteil hinaus, auf eine schicksalhafte Zuspitzung in Gestalt eines einmaligen Würfelaktes. Unter welcher Bedingung lässt sich ein Mensch auf so etwas ein? Als absolutes Minimum scheint mir da die Anforderung der "gleiche Chance" durchaus plausibel. Der Zinker bricht also die Voraussetzung des Gottesurteils. Das ist aus meiner Sicht unabhängig von allen sonstigen gegebenen juristischen Implikationen und Bewertungen seine eigentliche ethische Verwerflichkeit, die aus meiner Sicht die ethische Verwerflichkeit des Mordes selbst bei weitem übersteigt.

fanvarion
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Mo 3. Jan 2011, 12:10 - Beitrag #17

Zu Frage 1:
Beide sind schuldig, es wird nur unterschiedliches Recht (aktuelles Recht 2010) angewendet
a) der Mörder wird nach §211 verurteilt
b) der zweite ist Mitwisser und wird nach den entsprechenden Pharagraphen verurteilt

Die Fragen die noch offen ist:
Werden sie von dem zu Tötenden erpresst, bedroht oder gefoltert? Dann sieht das Strafrecht anderes aus.
Wollen sie ihn zur persönlichen Bereicherung umbringen?
Wird der Ermorderte aus religiöser oder politischer Motivation umgebracht?
War der Ermordete ein Verbrecher und es ist Rache?

zu Frage 2:
Es ist grundlegend ein geplanter Mord und es wird nur noch der ausführende ausgesucht.
Daher sind wieder beide im Boot.

e-noon
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Mo 3. Jan 2011, 14:52 - Beitrag #18

Für mich hängt die Schuld ganz klar davon ab, wen sie wie töten.
Zwei Menschen wollen einen Mord begehen. Beide sind dazu bereit, beide würden es tun. Wie sie selbst dazu stehen, wissen wir nicht, dabei hängt vieles davon ab. Ist ihnen der Mord selbst zuwider, scheint ihnen aber als die einzige Chance auf Weiterleben, gar Weiterleben ihrer Familie oder ihrer Nation? Bringen zwei Mafiosi einen verfeindeten Mafiaboss um? Handelt es sich um Mord aus Habgier, Rache, Eifersucht, oder edleren Motiven?

Gehen wir einmal davon aus, der Mord wird ohne Not (Bedrohung des eigenen Lebens oder Angehöriger) begangen, und er wird aus niederen Motiven begangen (Rache, Habgier, Machtstreben). Dann ist für mich der eigentliche Mörder derjenige, der am meisten Schuld auf sich lädt; knapp dahinter folgt der zweite Mann, ob er nun den Würfel gezinkt hat oder nicht. Das Zinken eines Würfels, das Betrügen und Hintergehen eines Menschen halte ich zwar für hinterhältiger oder gemeiner, aber einem Menschen das Leben zu nehmen ist definitiv schlimmer, als jemanden zu betrügen, dem ja dadurch nichts angetan wurde; dem Mörder wurde eine falsche Hoffnung eingepflanzt, aber auch nach dem Würfelwurf hätte er noch problemlos, ohne sich ein Haar zu krümmen oder auch nur juristisch belangt werden zu können, auf den Mord verzichten können. Er hätte sogar den anderen eventuell anzeigen und so den Mord gänzlich verhindern können, damit wäre er nicht nur nicht moralisch verwerflich, sondern unter Umständen sogar zu loben.

Anders sieht es aus, wenn zwei Attentäter beschließen, Hitler zu töten. Hier sind das Motiv und die Tat hehr, die Konsequenzen bei Nichtgelingen vermutlich der Tod. In so einer Situation zu betrügen ist natürlich viel verwerflicher als der Mord an Hitler; das eine ist eine lobenswerte Tat, das andere schlicht Feigheit, die durch Betrug an einem guten Menschen den eigenen Vorteil sucht.

die abschreckende Wirkung des Strafrechts darf bezweifelt werden

Wenn das Strafrecht keine abschreckende Wirkung hat - warum wird dann der Würfel gezinkt? :rolleyes:
Und anders gefragt: Wer würde NICHT bedenkenlos Musik aus allen möglichen Quellen hoch- und hinunterladen, wenn es überhaupt keine Gesetze mehr dagegen gäbe? Wer würde FREIWILLIG Geld in den Parkautomaten werfen, wenn es keine Strafe bei Nichtbezahlen gäbe?

009
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Mo 3. Jan 2011, 17:34 - Beitrag #19

In Grenzen funktioniert das freiwillig Nachteile in Kauf nehmen schon, bei manchen Veranstaltungen z.B. kann man die Frage ob und wieviel "Eintritt" man gibt selber entscheiden. Hängt dann wohl mit persönlichen Werten und der Frage, ob man sich beobachtet fühlt zusammen.

Zum parken: habe im Urlaub jemanden nicht ausreden können, ihm Geld zu wechseln - er brauchte es für einen Parkscheinautomaten. Ich stand da auch, ohne zu zahlen, weil die Ausschilderung eindeutig unzureichend und der neuangelegte Parkplatz eher eine Geröllwüste war.

Andererseits: würde das Strafrecht (und die Bußen für Ordnungswidrigkeiten) stärker abschrecken, gäbe es weniger Raser, Falschparker und Straftäter.

Oder schreckt es schon ab, bloss unterligen die Regelbrecher einer Kontrollillusion (mir kann nix passieren) oder kalkulieren sie so, dass (vor allem bei Ordnungswidrigkeiten) ihnen gelegentliche Bußen "billiger" erscheinen, als immer regelkonform zu handeln und dadurch zb. Zeit (langsamer fahren) oder eben Geld (Gebühren) zu verbrauchen?

Maglor
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Mo 3. Jan 2011, 20:39 - Beitrag #20

Zitat von fanvarion:Die Fragen die noch offen ist:
Werden sie von dem zu Tötenden erpresst, bedroht oder gefoltert? Dann sieht das Strafrecht anderes aus.

Sicher für die Entscheidung von Mord oder Totschlag, ist dies entscheidend. Aber muss den unbedingt das Opfer sein, dass hier erpresst, bedroht ...?
Ich würde hier viel eher den Mitwisser, Anstifter, Mitverschwörer, Mitmörder ... Glückspilz oder Trickbetrüger als Quelle dunkler Bedrohung vermuten.

Leider hat uns Ipsissimus etwaige Klauseln der Verschwörung nicht mitgeteilt.
Muss z. B. der Verlierer bei Gott und Teufel inklusive Selbstverfluchung schwören, das Opfer zu erledigen? Gibt es eine von vornherein bestehende Drohung des Gewinners gegenüber dem Verlierer, möglicherweise sogar bevor die Würfel fallen und die Rollen bestimmen? z. B. nach Art der Yakuza könnte der nun auch noch feige Pechvogel dazu gezwungen sein, sich den kleinen Finger zu abzuschneiden.
Der vom Würfel bestimmte Ausführer der Tat würde sich dann in einer Zwangslage befinden, in die er sich allerdings selbst hineingeritten hat.

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