Gott, Religion, Spiritualität - Lösungen für das Problem des Todes?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Do 10. Mär 2011, 14:25 - Beitrag #1

Gott, Religion, Spiritualität - Lösungen für das Problem des Todes?

mich beschäftigt seit dem Tod eines meiner besten Freunde und dem absehbaren Tod anderer mir tief verbundener Menschen etwas, das ich so nicht erwartet hätte. Ich nenne es "die vollständige Abwesenheit". Es ist nicht der Gedanke an das Todsein als solches, sondern die Konsequenzen, die das Todsein anderer Menschen auf mich hat. Sie sind nicht mehr da. Ich kann über sie in meiner Erinnerung verfügen, aber sie fügen dieser Erinnerung keine neuen Aspekte mehr hinzu; ihre Kommentare in meinen Gedanken sind Reproduktionen oder sogar Projektionen, nicht originäres mehr.

Ich merke, dass ich diesen Umstand in seiner absoluten Endgültigkeit nicht annähernd so gut ertrage, wie ich das angenommen hatte.

Ich benötige eine Hoffnung, Hoffnung auf die Möglichkeit eines Wiedersehens, Hoffnung darauf, dass genügend Substanz übrig bleibt, um ein Wiedererkennen, eine Wiedervereinigung zu ermöglichen, und auch Hoffnung auf eine Perspektive für ein zeitlich unendliches oder zumindest verdammt langes Bewusstsein ohne Agonie aus Einsamkeit, Selbstisolation, Zirkularität und Qual.

Was ich nicht sehe: worauf diese Hoffnung und diese Perspektive aufbauen können.

Um es klar zu stellen, ich erachte es nicht als Option, hinter meine Zeit zurück zu fallen. Jede Antwort muss einem kritischen Bewusstsein standhalten, das unter gar keinen Umständen bereit ist, zu Glaubenswahrheiten zurück zu kehren. Es geht nicht um die Rückgewinnung des Ideals mittelalterlicher Gewissheit, es geht um die Frage, worauf kann ein Mensch des 21ten Jahrhunderts eine spirituelle Orientierung bauen, ohne das Sacrificio intellectu zu begehen. Und wenn die letztliche Antwort lautet, dass Hoffnung nicht zu erhalten ist ohne das Opfer, nun, dann muss es eben ohne Hoffnung gehen.

Im Zentrum einer spirituellen Orientierung müsste also die klare Bewusstheit des Umstandes stehen, dass wir kein Wissen über spirituelle Dinge haben sondern nur Mutmaßungen, dass alle Aussagen über spirituelle Dinge unter dem Vorbehalt der hohen Wahrscheinlichkeit inhaltlicher Leere stehen.

e-noon
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Do 10. Mär 2011, 14:47 - Beitrag #2

Diese "vollständige Abwesenheit" ist genau das, was auch mich am Tod schreckt. Nicht so sehr, dass jemand nicht mehr da ist, sondern, dass ein Mensch, den man liebt, nicht mehr ist; nicht einmal mehr der Schatten seines Bewusstseins existiert, alles ausgelöscht wurde, wie auch meine Erinnerung an ihn das sein wird; die einzige Möglichkeit, das zu ertragen, ist die tröstliche Vorstellung, dass mir das gleiche geschehen wird, sodass kein Hauch dieser Gewissheit, kein Funke des Schmerzes und kein Wissen um den Verlust meinen eigenen Tod überdauert. Somit ist der Tod das Problem und zugleich die Lösung des Problems.

Eine andere Lösung besteht darin, mir bewusst zu machen, dass auch jetzt schon nur das jetzt und das Ich existiert; alles, was ich wahrnehme, jeder meiner Freunde ist im Grunde nur für mich und in mir so, wie ich ihn wahrnehme, für alle anderen anders und somit sein Sosein für mich viel mehr von mir abhängig als von ihm. In einem egoistischen Sinne macht daher der Tod für mich weit weniger einen Unterschied als für den anderen; das löst nicht den "altruistischen Schmerz" über den Verlust, den der Freund durch seinen eigenen Tod erleidet, aber es erlaubt einem doch, die Erinnerung oder gar die Projektion zu genießen; so wie man das auch tat, als derjenige noch lebte und schlicht nicht anwesend war, oder häufig sogar dann, wenn er anwesend ist.

Hilfen, nicht Lösungen, können andere Freunde sein, sicher auch, so makaber das klingt, jüngere Freunde; sich ein nicht geringer Trost für jene, die Kinder und ein gutes Verhältnis zu ihnen haben. Ich denke, der Gedanke, in den Kindern und Enkeln weiterzuleben, kann trösten; wie auch die Kinder oder (jüngeren) Freunde selbst. Geteilte Erinnerungen zeigen einem neue Aspekte des geliebten Verstorbenen auch nach seinem Tod.

Ein gutes hat ja der Tod: Man kann das Leben genießen, solange man es hat, und vermisst es danach nicht. Es könnte also gut sein, wenn es überhaupt die Möglichkeit gibt, das zu beeinflussen, die Zuneigung zu seinen Freunden in gewisser Weise zu generalisieren, nicht nur den Freund zu lieben, sondern auch die Welt, in der er lebt, den Tag, an dem er geboren wurde, die Luft, die er atmet, und das Leben selbst, das ein Teil von ihm war und in dem er weiterlebt; im Leben selbst den einstmals Lebenden sehen und lieben.

janw
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Do 10. Mär 2011, 16:56 - Beitrag #3

Zitat von Ipsissimus:Was ich nicht sehe: worauf diese Hoffnung und diese Perspektive aufbauen können.

Ich für meinen Teil versuche einen Hoffnungszustand aufrecht zu erhalten, gegründet auf den Gedanken, daß ein paar 10tausend Jahre Erfahrung von Schamanen nicht ganz falsch sein kann.
Wenn es denn doch anders sein sollte, hat mir die Hoffnung immerhin durchs Leben geholfen.

Milena
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Do 10. Mär 2011, 17:02 - Beitrag #4

..kopfmensch sieht nichts und spürt nichts...
bauchmensch fühlt sich getragen durch seine intuition und seinen instinkt....

kann mich Janw nur anschliessen....Bild

janw
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Do 10. Mär 2011, 19:17 - Beitrag #5

Naja, für ihn ist die Antwort aber wahrscheinlich zu einfach...zu hoffen ist ja auch irgendwie gegen jede Vernunft^^

Milena
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Fr 11. Mär 2011, 00:35 - Beitrag #6

...jo, ich meinte generell die kopfmenschen, nicht ihn speziell jetzt....ipsischatz beschreibt ja selbst eine gewisse veränderung, die ein hoffen dbzgl beeinhaltet....
aber so recht will es mir nicht gelingen, einen letzten stoss bis ´dahin´ ihm zu versetzen...^^

e-noon
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Fr 11. Mär 2011, 01:31 - Beitrag #7

Es ist nicht ganz so einfach, seine Meinung bezüglich grundsätzlichen Fragen zu ändern, und wenn man es tut, will man wohl schon gerne einen guten Grund haben. Wenn ich sehe, wie sich die Inder und Muslime hier schon über Ernährungsfragen definieren (Inder dürfen kein Fleisch, kein Ei, aber Milch und Alkohol in Maßen, Muslime kein Schweinefleisch, dafür aber anderes Fleisch, jedoch auf gar keinen Fall Alkohol usw.), dann kann ich das schon nicht nachvollziehen, aber noch schwerer als von dem einen zum anderen Ernährungsset zu wechseln ist es wohl, die Grundsatzfrage zu klären - und das ist nicht einmal "Gott oder nicht Gott", noch nicht einmal "übernatürliches oder natürliches", sondern Fakten/Logik/Wahrscheinlichkeiten auf der einen und Hoffnung/Erziehung/Wunschdenken auf der anderen.

Makeda
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Fr 11. Mär 2011, 10:07 - Beitrag #8

Wahrscheinlich ist es so, dass der Mensch mit allem verbunden ist.
Erklärung: alles was er sieht ist in ihm, auch wenn er es außerhalb sieht.
Und wenn alles was ich sehe Teil von mir ist, wieso sollte ich dann eine Grenze ziehen? Ok, Wissenschaftler machen das nur zu gerne. Aber etwas bei sich abschneiden oder sich selber beschneiden bringt nur schmerz.

Und um zu sagen, alles ist irgendwie mit mir verbunden, dafür braucht man keinen Gott. Denn nur durch sehen sehe ich es. Und wenn ich mit all dem Verbunden bin, wer sagt mir dann, dass ich nach meinen Tod aus dem Kreislauf verschwinde?
Vorallem dieser Vorgang des sehens, ist reihn pysikalisch erklärbar und nicht abschreitbar, dass die Dinke außerhalb in dir (den Gehirn) drin sind. Das Luftschlöschen ist dann nur, dass ich sage ich bin mit ihm verbunden und ich ziehe keine Grenze.
Wie mit dem Arm, denn ich in Gedanken hebe, der sich dann in meinem Gehirn hebt (meßbar) aber mein Arm hebt sich nicht, deswegen ist es aber für dein Gehirn kein Fakt, dass du den Arm nicht gehoben hast.
Zu der Blindenbevolkerung habe ich mir zwar schon gedanken gemacht, aber ich glaube, dass läuft da einfach über andere Funktionen.

Ipsissimus
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Fr 11. Mär 2011, 11:54 - Beitrag #9

Schatzel, in dem Sinne, wie du es meinst, bin ich meiner Ansicht nach kein Kopfmensch. Ein solcher würde "Firlefanz" sagen, und gut wäre.

Vielleicht ist das nicht so ersichtlich, aber mein Problem besteht darin, dass ich die Gottesfrage ernster nehme als jeder Gläubige. Gerade weil ich sie so ernst nehme, bin ich mit den meisten Antworten gläubiger Menschen nicht zufrieden, weil diese Antworten nicht standhalten, egal, ob das den betreffenden Menschen bewusst ist oder nicht. MIR ist es bewusst. Es ist nicht gänzlich falsch, mich als einen Apologeten einer immanenten Gottheit aufzufassen, der daran verzweifelt, dass die Apologetik mangels Objekt an den gleichen Problemen scheitert wie bei einer transzendenten Gottheit.

Lebensweise (e-noon), Schamanismus (Jan) und Panpsychismus (Milena und Makeda) wurden bisher als Möglichkeiten angeführt; wenn ich Schamanismus als eine Form von Panpsychismus auffasse, nur Lebensweise und Panpsychismus. Ich bin erfreut, dass diese Vorstellungen genannt wurden, denn im Wesentlichen sind das die beiden Bereiche, in denen ich mögliche standhaltende Antworten vermute, ergänzt um Mystik, nicht religiös gebundene Mystik allerdings.

e-noon
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Fr 11. Mär 2011, 12:31 - Beitrag #10

Vielleicht ist das nicht so ersichtlich, aber mein Problem besteht darin, dass ich die Gottesfrage ernster nehme als jeder Gläubige.

Das ist sehr ersichtlich und vermutlich auch das "Problem" vieler Atheisten.

Es geht ja vielleicht auch ohne Hoffnung (auf ein Wiedersehen). Vielleicht helfen auch Krankheiten, Schwierigkeiten oder andere Dinge, die einen so müde werden lassen, dass man im Grunde froh ist, sich höchstens noch 60, 70 Jahre durch die Gegend schleppen zu müssen.

Vielleicht hilft es auch, sich darüber klarzuwerden, woher der Wunsch nach Unsterblichkeit kommt. Auf den ersten Blick scheint es uns einfach plausibel, dass der Tod, insbesondere der Tod eines geliebten Menschen, etwas schreckliches ist. Und temporär ist es das auch. Aber was wäre die Alternative? Du hast ja Simone de Beauvoir gelesen. Würden wir die anderen überhaupt so schätzen, wie wir es tun, wenn wir ewig lebten? Kann man irgendeinen anderen Menschen für die Ewigkeit aushalten, und kann irgendein Mensch uns für die Ewigkeit aushalten? (keine rhetorische Frage, ich weiß es nicht). Könnten wir so verzweifelt lieben, wie wir es tun, wenn wir nicht wüssten, dass wir nur eine begrenzte Zeit mit dem anderen haben?

Vielleicht hilft es manchen auch, zu kämpfen; als Arzt, in der Forschung... zumindest gegen Krankheiten, die heute noch zum Tode führen können, gibt es vielleicht irgendwann Mittel.

Lykurg
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Fr 11. Mär 2011, 13:42 - Beitrag #11

Zitat von Ipsissimus:im Wesentlichen sind das die beiden Bereiche, in denen ich mögliche standhaltende Antworten vermute, ergänzt um Mystik, nicht religiös gebundene Mystik allerdings.
Verzeih mir, wenn ich trotzdem eine Perspektive von letzterem dazustelle...^^
Zitat von e-noon:Würden wir die anderen überhaupt so schätzen, wie wir es tun, wenn wir ewig lebten? Kann man irgendeinen anderen Menschen für die Ewigkeit aushalten, und kann irgendein Mensch uns für die Ewigkeit aushalten? (keine rhetorische Frage, ich weiß es nicht). Könnten wir so verzweifelt lieben, wie wir es tun, wenn wir nicht wüssten, dass wir nur eine begrenzte Zeit mit dem anderen haben?
Sind es wir, wenn es diese Ewigkeit gibt? Auch die Antworten der großen Religionen bleiben darin weitgehend unbestimmt. Die fehlende Frage wäre für mich: Kann man (irgendjemand) sich selbst für die Ewigkeit aushalten? Vermutlich nein, weshalb ein solches Weiterexistieren ein ganz anderes sein müßte, mit einer viel fraglicheren Bewußtheit. Auch die Verknüpfung mit der irdischen Existenz für ein der Einfachheit halber weiterhin Seele genanntes Rest-Ich wäre schon aus den schier unfaßlichen Verhältnismäßigkeiten eine sehr schwierige.

Um einen griechisch-orthodoxen Ritus zu zitieren: "Do they call to mind their own people, as we do them? / Or have they forgotten all those who mourn them": Was wären sind die paar Jahre des irdischen Lebens verglichen mit einem ewigen (schon vereinfacht verbildlicht unfaßbar: ) Jahrmillionen währenden Fortbestand? Wie sollten miteinander wechselwirkende Seelen eine Ähnlichkeit mit dem behalten, was sie waren? Es könnte mit nichts vergleichbar sein, das wir kennen. Entsprechend unbestimmt - oder aber sehr bildhaft vereinfacht, in Texten, deren Zeugnishaftigkeit gesondert zu hinterfragen wäre - sind die Darstellungen der großen Religionen. Wenn also deren Stifter klare Einsichten in ein Tatsächliches hatten, waren diese nicht vermittelbar?

Ob es sich dabei wirklich um einen Rückfall hinter die eigene Zeit handelt, bezweifle ich. Es ist keine Gewißheit darin, die Perspektive ist vielfach gebrochen. Trotzdem liegt darin - ähnlich wie bei schamanischen und okkulten Sichtweisen - jahrtausendelange menschliche Praxis der Erfahrung aus dem als übersinnlich wahrgenommenen, manifestiert in Einzelpersonen, die aber je nach Sichtweite auch einfach das kultische Wissen ihrer Zeit bündelten und neu formten.

e-noon
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Fr 11. Mär 2011, 14:25 - Beitrag #12

Sind es wir, wenn es diese Ewigkeit gibt? Auch die Antworten der großen Religionen bleiben darin weitgehend unbestimmt. Die fehlende Frage wäre für mich: Kann man (irgendjemand) sich selbst für die Ewigkeit aushalten? Vermutlich nein, weshalb ein solches Weiterexistieren ein ganz anderes sein müßte, mit einer viel fraglicheren Bewußtheit. Auch die Verknüpfung mit der irdischen Existenz für ein der Einfachheit halber weiterhin Seele genanntes Rest-Ich wäre schon aus den schier unfaßlichen Verhältnismäßigkeiten eine sehr schwierige.

Ich bin nicht sicher, ob ich das verstehe. Ich bin zunächst von einem ewigen (oder und zumindest ewig erscheinendem, ein paar zehntausend Jahre würden sicher schon genügen, um uns den Eindruck von "ewig" zu vermitteln) irdischen Leben ausgegangen. Dies ist meiner Meinung nach keine schöne Alternative, denn ich glaube nicht, dass unsere Körper, die unseren Geist ja sehr wesentlich formen, es so lange aushalten würden. Nicht in dem Sinne, dass sie biologisch endlich sind, sondern dass wir einfach nicht dazu geschaffen sind, ewig zu leben, unsere Ungeduld oder Reizbarkeit könnte uns eine solche Ewigkeit unangenehm werden lassen.

Die andere Alternative, ein Weiterleben in immaterieller und weniger bewusster Form, ein diffuses Wir-gefühl oder Einswerden mit dem Universum, erscheint mir wenig interessant; angenehm vielleicht, sich nicht ganz ausgelöscht zu wissen, das schon, aber das hier angesprochene Problem des Verlusts der Persönlichkeit eines Freundes ist damit nicht behoben. Ein kleiner Lichtball, der den ganzen Tag nichts tut und keinen anderen Wunsch hat, als sich eins mit dem Kosmos zu fühlen, mag ein schönes Leben haben, aber er hat wohl nicht mehr viel mit der Person gemein, die man liebte und jetzt vermisst. Die Optionen sind aus meiner Sicht endgültiger Tod auf der einen Seite und Weiterleben in stark veränderter Form auf der anderen Seite; beides genügt meinen Ansprüchen nicht.

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Fr 11. Mär 2011, 15:18 - Beitrag #13

Zitat von Ipsissimus:Ich kann über sie in meiner Erinnerung verfügen, aber sie fügen dieser Erinnerung keine neuen Aspekte mehr hinzu] Na ein kleines bisschen aufweichen lässt sich das schon. Gerade bei/nach einem Trauerfall kann man durch gemeinsame Gespräche und Erzählungen im Kreis der Trauernden für sich neue Informationen über die verstorbene Person bekommen. Auch der Nachlass, so man denn Zugang hat, kann über halbpersönliche faktische Unterlagen wie (Arbeits-)Zeugnisse oder gar einem noch unbekannte geschriebene oder erhaltene Briefe von der Person, um den man trauert. Bestimmte Dinge aus deren besitz können sich auch zu wichtigen Andenken mit sehr hohem ideellen Wert entwickeln.


Zitat von Ipsissimus:Es geht nicht um die Rückgewinnung des Ideals mittelalterlicher Gewissheit, es geht um die Frage, worauf kann ein Mensch des 21ten Jahrhunderts eine spirituelle Orientierung bauen, ohne das Sacrificio intellectu zu begehen. Und wenn die letztliche Antwort lautet, dass Hoffnung nicht zu erhalten ist ohne das Opfer, nun, dann muss es eben ohne Hoffnung gehen.

Ich bin gewiss kein für zu spirituell oder im Kern esoterisches besonders empfänglicher, aber eben auch kein Naturwissenschaftler. Drum glaube ichnicht einfach so, nehme von anderen gesagtes tröstlicher Art nicht einfach so an, aber ich verlange auch keine harten allgemein widerspruchsfreien Beweise wie bei naturwissenschaftlichen Grundgesetzen. Darum bin ich zB von der Echtheit von Nahtoderlebnissen (ja, dazu recherchiere ich demnächst (tm) auch nochmal...), also der Existenz von irgendetwas nach dem Tod, einem Überstehen des irdischen Todes mindestens durch die Seele/Persönlichkeit/Bewusstsein überzeugt. Nicht so wie von der Gravitation von IIRC 9,8m/s², aber eben doch so, dass iche s nicht für eine bloße wodurch auch immer motivierte Spinnerei halten kann. Genauso wie wahrsagen, wo ich im persönlichen Umfeld erlebte, wie eine wahrsagerin mit absoluter Sicherheuit nicht durch Zufall, Menschenkenntnis oä. erklärbare "Treffer" bei dem was sie über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sah, landete,.Blos dumm nur, dass die gute eher nur 30% richtige Treffer hatte, veil einfachunscharf und manches flasch war - aber bei den auf Zukunft bezogenem man ebenerst durch abwarten feststellen konnte.

Zitat von e-noon:Nicht so sehr, dass jemand nicht mehr da ist, sondern, dass ein Mensch, den man liebt, nicht mehr ist]Ich sehe da gewisse, wenn aich vielleicht eher schwache, Gegenargumente. Das sich Erinnerungen an einem bedeutende Personen ganz verlieren können, will wie kann ich nicht glauben. Und selbst wenn dem so sein sollte, sehe ich - weil es hier um Menschen geht, die einem nahe und wichtig waren - noch dem Umweg, dass man selbst zumindest in Teilen auch durch die Begegnungen mit diesena nderen geprägt wurde. Sein es nun übernommene Lieblingsvokabeln/Sprachabweichungen, typische Elemente der Handschrift oder durch diese nun verlorenen erst entdeckte Lieblingsorte, -speisen, -musiken usw..


Zitat von e-noon:Ich denke, der Gedanke, in den Kindern und Enkeln weiterzuleben, kann trösten] Der letzte Satz ist auf bessere Weise das, was ich oben auch auszudrücken versuchte. Zum ersten mag ich eine, wiederum eher kleine, nebensächliche, aber doch existente Gefahr, sozusagen die Folge eines übertreibens von bzw. versteifens auf diesen Gedanken. Nämlich die, als bald dahinscheidender zu sehr auch dasw eiterleben in den einem nahen sehen zu wollen - oder umgedreht, aus Sicht der Trauernden, ein zu sehr den Verstorbenen weiterleben lassen wollen. Das kann in extremeren Fällen zu zunehmender Ignoranz bis aktiver Leugnung der eigenen Persönlichkeit mit ihren Wünshen und Bedürfnissen und überfokussieren auf die bekannten (oder mutmaßlichen) Wünsche desjenigen führen, der als Lebender nicht mehr verfügbar ist.

Zitat von e-noon:Würden wir die anderen überhaupt so schätzen, wie wir es tun, wenn wir ewig lebten? Kann man irgendeinen anderen Menschen für die Ewigkeit aushalten, und kann irgendein Mensch uns für die Ewigkeit aushalten? (keine rhetorische Frage, ich weiß es nicht). Könnten wir so verzweifelt lieben, wie wir es tun, wenn wir nicht wüssten, dass wir nur eine begrenzte Zeit mit dem anderen haben?


Vielleicht denke ich da zu platt-unphilosophisch, aber es sollten dich außer mir auch veile andere, auchhöherer Altersstufen, zwar rational wissen, dass menschliches Leben, somit auch andere zu haben/erleben/, begrenzt ist, dies emotional/vom gelebten Bewusstsein aber ausblenden, so daß in gewisser Weise schon von einem ewigen Leben und Kontakt mit dem anderen ausgegangen wird.

Und die Formulierung vom verzweifelt lieben erschreckt mich einfach. Durch Gegenseitigkeit erfüllte Liebe sollte, dürfte, wohl auch ist doch nicht verzweifelt. Mit Liebe bringe ich Verzweiflung eher nur bei unerwiderter, schlicht vielen lliebeskummerigen Aspekten ins Spiel.

Ipsissimus
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Fr 11. Mär 2011, 15:39 - Beitrag #14

Lykurg, bei diesem Aspekt der zeitlich unbegrenzten Bewusstheit hatte ich lange gezögert. In der Tat stimme ich dir zu, dass die zeitlich unbegrenzte Unveränderlichkeit ein Albtraum wäre; es müssten also noch Aspekte hinzutreten, die das auffangen. Denkbar wären eine immer weiterlaufende psychische Weiterentwicklung, oder die Integration einer Individualpsyche in eine Gemeinschaftspsyche, bei der die Individualität der Bewusstseinskerne aber nicht verloren geht (eine Art Schwarmgeist als Weltseele), sondern einer "sanften" Evolution unterliegt. Auch ist Zeitempfinden keine Konstante; wie aber auf Zeitlosigkeit basierende Veränderlichkeit aussehen kann, dazu habe ich keinerlei Vorstellung.


009, ich verlange keine naturwissenschaftlichen Beweise. Was ich im Grunde benötige, ist ein Weltbild, das die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften nicht übergeht, aber zugleich einen spirituellen "Background" von Existenz plausibel macht.

Das Weiterleben in Erinnerungen ist eben nicht dasselbe wie die Weiterexistenz eines kommunikablen Bewusstseinskerns

Padreic
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Fr 11. Mär 2011, 22:43 - Beitrag #15

Seneca sagte einmal, dass unser ganzes Leben aus einer Aneinanderreihung von kleinen Toden besteht, Dinge und Gelegenheiten, die unwiederbringlich verloren sind, manche größer, manche sehr klein. Das Dasein ist dreckig, endlich und beschränkt; manchmal stößt es uns diese Tatsache nur ins Gesicht, meist gehen wir über sie hinweg. Das klingt erstmal entmystifizierend; aber ich finde, nimmt man es nur an und sieht Kraft seiner unermesslichen Würde als kleiner, unbedeutender, fehlerbehafteter Mensch die Dinge in ihrem Wert und ihrer Singularität wie sie sind, verleiht das dem Leben, dem Universum, unserem Dasein seine ganz eigene Mystik und Spiritualität. Ein Griff in die Erde hat genauso seine Mystik wie eine Reflektion über Mathematik und Naturgesetze wie ein Kaffee mit einem Freund.

Hinterwelten, vielleicht gibt es sie, vielleicht nicht, was weiß ich...

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Sa 12. Mär 2011, 03:37 - Beitrag #16

Es hat auf mich etwas faszinierendes, dass alle Menschen (oder gar Lebewesen) die Antwort auf die Frage nach den Hinterwelten finden werden. Ohne extra Anstrengung und Lernprozeß, einfach durch das ihr Leben ganz durch leben; damit sich im Tod die letzte Frage des Lebens klärt.
Wobei, wenn die Antwort doch wider mein Erwarten tatsächlich Nein lauten würde, würde ich, eben mangels Hinterwelt, diesen wohl letzten Lebensirrtum selber nicht mehr erkennen. Und andernfalls vielleicht an Reich-Ranickis Worte zum Abschluß eines jeden literarischen Quartettes denken: Der Vorhang (des Lebens) zu - und alle Fragen (über diese mir dann einzig zugängliche Hinterwelt) offen.

@Ipsi: bei dem kommunikablen Apsekt gerate ich leicht ins schwimmen. Liegt der Eindruck des kaum/nicht kommunizierens daran, dass es keine Kommunikation (mind. im weiten Sinne) mit den bereits verstorbenen geben kann oder/und diese mir mir oder allg. uns, den noch lebenden, nicht kommunizieren wollen? Oder gibt es kommunikative Versuche öfter als wir vielleicht in unseren kühnsten Träumen ahnen, doch ahnen wir sie nicht, weil wir sie, da dann offensichtlich nicht in einer für uns leicht erkennbaren Sprache oder Kommunikationsart, letztlich nicht verstehen können, so wie wir auch die Sprachen der Gorillas, Delphine usw. nicht wirklich verstehen?

Und andersrum, ist das, was wir als verstandene Sprache erkennen wirklich diese oder doch nur Zufall? Wo mag man den Zufall nicht mehr glauben? Wie wäre es z.B. einem nahe Verstorbene an ihrem Grab besuchen zu wollen, bei schlechtem Winterwetter und aus einem Bauchgefühl doch bis zum Friedhof zu fahren - mit der Ahnung, dort nur zu drehen, weil es bei dem Wetter wegen eine Gefällestrecke, die man laufen muss, beispielsweise zu unsicher wäre und man den Besuch verschieben muss. Und dann erlebt man ab kurz vor dem Friedhof einen Wetterwechsel, geht ans GRab, fühlt sich nahe, richtet am Grab, was zu richten ist - und just, als man, was die Verstorbenen zu Lebzeiten als unnötige Spielerei bezeichnet hätten, beginnt, vielleicht zugegeben etwas zu übertrieben auch noch die Kieselchen am weg vor dem Grab zu ordnen, fängt es zu winden und schneien an, so daß man seinen Rückzug antritt. Ist das Projektion, Zufall - oder doch ein großräumoiger beeonflusstes Geschehen, das vor allem dem einzelnen da am Grab etwas sagen oder ihm ein Zeichen sein sollte?

Ich belasse es mal bei diesem einen, vielleicht langen Beispiel; ich denke/ahne leider, dass dies eher etwas ist, wo jeder, der um wentrauert,nur für sich immer mal wieder schaauen und prüfen kann, ob da wohl eine Nachricht ist oder war. Die man manchmal erst auch mit etwas Abstand erkennen und dann als ggf. auch extrem treffend einstufen kann.

Zur plausiblen Existenz eines "srirituellen" Hintergrund oder einer Hinterwelt (klasse Wort, im Sinne von ganz andere Welt hinter (zeitlich in Bezug auf irdisches Leben) der Welt, die wir alle aus eigenen Lebensanschauung kennen) komme ich hoffentlich bald dazu, die Artikel zum Nahtod wiederzufinden, die für mich diese "Beweisschwelle" übersteigen.

janw
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Sa 12. Mär 2011, 18:44 - Beitrag #17

009, das von Dir beschriebene
Zitat von 009:Und selbst wenn dem so sein sollte, sehe ich - weil es hier um Menschen geht, die einem nahe und wichtig waren - noch dem Umweg, dass man selbst zumindest in Teilen auch durch die Begegnungen mit diesena nderen geprägt wurde.

trifft denke ich das Problem recht gut, bestimmte Menschen werden anderen Menschen zum Teil ihres Lebens, ihre Äußerungen sind wertvolle Hilfen im Leben.
All das, ihre physische Präsenz, ihre Aufmerksamkeit, ihre Äußerungen, auch ihr gelegentliches Schweigen, sind - weg, fehlen.

Ich bin mir ziemlich sicher, es gibt etwas und einen Verbleib danach, vielleicht in einer anderen Frequenz...?

Ipsissimus
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So 13. Mär 2011, 01:57 - Beitrag #18

was stellst du dir unter einen anderen Frequenz vor?

janw
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So 13. Mär 2011, 02:20 - Beitrag #19

Ein anderes Verhältnis der Existenz bzw. des Bewusstseins zur Zeit. Mir kam der Gedanke vor einigen Tagen, als mir das "vor Gott sind 10000 Jahre wie ein Tag" durch den Kopf ging.
Nicht, daß ich auf einen Gottesbezug hinaus wollte, ich könnte mir vorstellen, daß es sich bei dem Zitat um die Adaption einer vorbiblischen Vorstellung handelt.

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So 13. Mär 2011, 18:28 - Beitrag #20

Ein thematisch sehr eng verknüpfer Aspekt ist der, der sich als "beginnende Abwesenheit" betiteln liesse. Gemeint sind emenzielle Veränderungen, insbes. Alzheimer, die dazu führen, die betroffene Person zwar eigentlich schon noch real erleben zu können, aber andererseits auch das schwinden von Wesen, Persönlichkeit, Charakter, Alltagsfägigkeiten usw. mitzubekommen und aushalten zu müssen.
Gewiss etwas mit Potential für das eher unlustigste, was dem Mensch in seinem irdischen Leben blühen kann.

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