Mal wieder ganz grundlegende Gedanken ;)

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
[EaR]Termy
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Sa 27. Aug 2011, 05:05 - Beitrag #1

Mal wieder ganz grundlegende Gedanken ;)

wie aus angehängtem Text, der eigentlich nur für mein "persönliches Archiv" gedacht war hervorgeht, bin ich heute etwas auf dem "Vergangenheitstrip"...und dabei blieb natürlich TWM nicht aus ;)

ich dachte mir, dass das Ganze vielleicht für den ein oder andern von Interesse sein könnte, daher einfach mal kommentarlos der Quote:

______

kennt ihr das?
das Bedürfnis haben zu schreiben...nur ohne Plan über was, wegen was oder für wen?

dieses Bedürfnis habe ich grade...vor 4 Stunden hatte ich den Gedanken ins Bett zu gehen...und habe dann angefangen, in Erinnerungen zu schwelgen...
sehr alte Backups sind was tolles...und verhängnisvolles...alte chatlogs, alte Bookmarks...
dabei denke ich mir gerade: wer kann sich heutzutage noch vorstellen, eine Festplatte mit nur 1GB zu besitzen? oder gar noch weniger? darauf würde sich ein aktuelles Betriebssystem nicht mal installieren lassen...und doch schlummern in solch "geringen" Größen doch Unmengen von Erinnerungen.
ich finde es immer wieder erstaunlich, erschreckend, faszinierend, wie sehr meine Jugend doch vom Internet geprägt war...und wie wenig von diesem "Internet", das ich damals kannte doch übrig geblieben ist...
Doch muss ich mich deswegen schlecht fühlen, deswegen trauern?
wenn man recht überlegt stellt sich zwangsweise die Frage, wieviel von meinem damaligen "ich" überhaupt übrig geblieben ist?
Klar, der Mensch entwickelt sich fortlaufend weiter...aber heißt das nicht, dass über kurz oder lang der Mensch aus deiner Vergangenheit wird sterben müssen?
Sind wir alles nur "schon quasi-tote" Seelen mit den Erinnerungen und Erfahrungen der Menschen die wir vorher waren?
Und wenn nicht - was unterscheidet und von dieser hypothetischen Daseinsform?
Klar weiß ich noch wie es damals war...doch kommt es mir heute so herrlich naiv vor...
So wie sich die haut erneuert erneuert sich unser Geist immer wieder? Ein ziemlich deprimierender Gedanke, wie ich finde...vor allem im Angesicht der Tatsache, dass der Mensch von Natur aus ja immer nach Dauerhaftigkeit strebt...
Ich für meinen Teil habe auf jeden Fall keine Lust, einen Großteil der Erlebnisse und Begebenheiten, die ich für das halte, was mich zu dem gemacht hat was ich bin, als Erfahrungen eines anderen anzusehen.

Doch welch andere Deutungsweise bleibt uns?
Die naheliegende Antwort "wir verändern uns halt" greift denke ich zu kurz und läuft im Endeffekt ja auf o.g. hinaus.
Was also mach uns aus?
Das wiederum ist eine sehr deprimierende Frage, denn je länger ich mir diese Frage stelle, desto weniger Antworten habe ich darauf bzw. desto mehr laufen alle meine Antworten wieder auf o.g. hinaus.
Die logische Konsequenz wäre ja eine ungezügelte Maßlosigkeit, da mich das was ich mache ja über kurz oder lange sowieso nicht mehr betrifft...
Greift hier wieder der drang nach Dauerhaftigkeit?
Das was sich oberflächlich im Drang nach Fortpflanzung etc. äußert?
Haben wir ein latentes Verlangen, unser zukünftiges "Ich" - bzw. den, der aus uns entstehen wird - zu schützen?

Ich dachte zeitweise, dass ich philosophisch recht bewandert bin...habe ich das nur vergessen, verdrängt...habe ich diese Problematik nur nie wahrgenommen - oder hat sich dessen wirklich noch niemand angenommen?

Alle Flucht in alternative Realitäten hätte damit einen Sinn - diese Realitäten müssten gar nicht dauerhaft sein...sondern nur so lange in sich konsistent, bis das "Ich" sich vollständig erneuert hat.
Eine einfache und zugleich erschreckende Erklärung für "Persönlichkeitsstörungen"...das Fehlen des Drangs, das zukünftige "Ich" zu schützen...

Daran will ich aber nicht glauben...allerdings will ich auch nicht an etwas übersinnliches wie eine "Seele" glauben...
Was bleibt also als Konsequenz?
Eine Frage zumindest - würde ich sagen ;)
Sind es nur Teile, die sich erneuern und es gibt doch einen "festen Kern"?
Ideale? Ich habe bisher nur noch kein Ideal getroffen, das eine entsprechende Gelegenheit überlebt hätte.
Und hier schlägt wieder meine wissenschaftliche Seite durch: klar würde ich bei so einem Satz gern entgegnen: "aber dies und das ist eines meiner eisernen Grundprinzipien"
Kannst du das beweisen? Oder schwächen wir es ab: fällt dir wirklich keine Situation ein, wo du deine Ideale verraten würdest?
Ich muss mit erschrecken feststellen: Zumindest kann ich mir vorstellen, das eine Ideal für das Andere zu verraten.
Und hier mit einer moralischen Abstufung zu kommen würde heißen, sich die ultimative Moral auf die Fahne zu schreiben...und so egozentrisch bin nicht einmal ich.

Bleibt also noch die Möglichkeit, Geist und Körper als Eins zu sehen.
Hier sprechen neben den deprimierenden Implikationen dieser Annahme noch 2 Punkte dagegen:
1. auch der Körper erneuert sich fortwährend.
2. Auch wenn ich an keine "Seele" glaube, so ist der Geist für mich doch eine eigene Entität, die zumindest in der Theorie auch ohne Körper - oder in einem anderen "Gefäß" - existieren könnte.

Erstreckt sich die Relativitätstheorie also auch auf den Geist? Ist alle Existenz relativ? Dafür spräche, dass - zumindest einige - Geister in der Lage sind, sich in alternative Realitäten bzw Bezugsrahmen einzudenken...
Dagegen spricht, dass wir über kurz oder lang doch immer wieder auf die Realität unseres Körpers zurückgegoholt werden...also doch keine Trennung zwischen Körper und Geist? Oder doch nur eine Schwäche unseres Geistes, sich nicht auf Dauer "frei" bewegen zu können?

Ich finde es immer wieder faszinierend...einst war ich voll gepolt auf die "harten" Wissenschaften...doch diese kommen mir immer mehr Makelbehaftet vor - zumindest solange man sich Selbst nicht erklären kann...
Wie will man einen Bezugsrahmen für Annahmen definieren, wenn man noch nicht einmal die Natur, den Bezugsrahmen des Geistes eingrenzen kann, der diesen "wissenschaftlichen Bezugsrahmen" aufstellt?
Das wäre, als würde man eine Rennstrecke entwerfen, ohne den Unterschied zwischen Straße und Feldweg zu kennen...
Wobei diese Überheblichkeit ja irgendwie auch wieder zur menschlichen Natur passen würde.

Abfinden kann ich mich deswegen trotzdem noch lange nich damit.

Aber nehmen wir nichtsdestotrotz einmal an, unser akuter Geisteszustand wäre ein absoluter.

Wie verarbeiten wir Erinnerung?
Dass unser Hirn ein Meister darin ist, "unnütze" (also ungenutze) Fähigkeiten auszusortieren - da besteh wohl kein Zweifel.
Erinnerungen können aber - im Gegensatz zu Fähigkeiten - auch jaherlang verschüttet bleieben und nur durch irgend einen Trigger mit voller Wucht zurückkommen...
Nun kann mna natürlich das Hirn als unglaublich leistungsfähigen Speicher mit einer erstaulichen Fähigkeit zur Filterung ansehen.

Unser Kopf also als Datenbank, die alte Fragmente aufgrund von Keywords aus dem Backup holt?
Was ist dann mit der nostalgischen Verklärung von Erinnerungen?
Und diese Verklärung ist abhängig von dem Stadium unserer Entwicklung?

Ein mächtiges Werkzeug unser Hirn...

oder aber, die Erinnerung wird von jeder unserer "Inkarnationen" aufgrund der aktuellen Datenlage neu interpretiert...

Und kommt mir jetzt nicht mit "der irrationalen Seite" ;)

Wenn man wirklich wissenschaftlich vorgehen möchte, so muss man ernsthaft versuchen sich von o.g. "Bezugssystembefangenheit" zu lösen...und dann hat auch ein Begriff wie "Irrationalität" nur noch den faden Beigeschmack des "ich kann es mir nicht erklären"...


Je mehr ich darüber nachdenke, desto deprimierender wird das Thema...

janw
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Sa 27. Aug 2011, 11:18 - Beitrag #2

Hm, also zunächst stimmt es sehr optimistisch, solch Urgestein wie Dich hier auftauchen zu sehen, und dann mit solch tiefschürfenden Gedanken :)

Mir sind einige Deiner Überlegungen auch mal gekommen, bevorzugt beim aufstöbern alten Geschreibsels - so hab ich damals denktechnisch agiert?! Wiesoweshalbwodurch heute anders?
Was war damals anders an mir...?

Ich denke, es ist ganz natürlich, daß wir uns entwickeln im Laufe der Zeit - wobei das IMHO sprachlich nicht ganz den Punkt trifft, eher, es ändert sich etwas an uns, oder als hypothetische Kausalaussage, die Welt, unsere Erfahrungen, auch einzelne eigene Änderungsimpulse, wesentlich aber auch Änderungen unserer Verschaltungsstruktur im Hirn, führen zu mehr oder weniger ausgeprägten Änderung unserer Persönlichkeitsmerkmale.
Mich deprimiert das nicht besonders, denn bei mir war das überwiegend eine neutrale bis positive Entwicklung, verbunden auch mit tieferen Einblicken in eben diese Persönlichkeitsstruktur - was sind die bleibenden Kerne? Letztlich kann ich dabei auch meist feststellen, daß ich eben so war, wie es meinem Alter und meinen Erfahrungen entsprach.

Wird mensch dadurch ein anderer Mensch? Mir ist derjenige, der mir in Erinnerungen und anderen alten Dingen zutrage tritt, jedenfalls nicht fremd, da sind genug Ähnlichkeiten geblieben, es liegen die gleichen Vorerfahrungen zugrunde, deren Nachwirkungen bis heute nachvollziehbar sind, es liegen die gleichen Ideale zugrunde, und das innere Aufbegehren gegen notgedrungene Verletzungen derselben ist das Gleiche geblieben.
Was etwas ägert ist, daß einige der alten Liederlichkeiten auch immer noch da sind^^

Bezogen auf Deinen Anfang noch eine kleine Begebenheit, die mir das Internet etwas suspekt gemacht hat:
Ich habe eine Sammlung Reader's Digest Jugendbüchern aus den 80er Jahren, darin waren allerlei für Jugendliche spannende Geschichten und Berichte aus aller Welt, darunter auch etwas Science Fiction. Einge Geschichte ist mir dabei in Erinnerung geblieben, sie hieß "Jubilante (Oder war es doch Iolanthe?), meine Schwester vom Erdmond".
Sie ist scheinbar nirgends zu finden im Netz.
Was bedeutet das? Das Internet als großes Rasiermesser, das die Zeit davor zur grauen Vorzeit macht, aus der nur einzelne Brocken den digitalen Ereignishorizont übersprungen und den Weg ins digitale Gedächtnis gefunden haben? Was bedeutet der absehbare Verlust des im Analogen Verbliebenen?
Immerhin, Persönlichkeitsentwicklung verläuft langsamer normalerweise, diskret.

Anaeyon
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Sa 27. Aug 2011, 15:15 - Beitrag #3

Ich habe früher oft meiner Vergangenheit nachgetrauert, wollte "mich" nicht verlieren. Wollte wieder die Dinge tun, die ich früher getan habe, die Gedankenmuster nicht verlieren, die ich hatte. Wollte jederzeit so nachdenklich bleiben, wie ich es 3-4 Jahre früher war. Wollte jederzeit, so wie früher, ein Gedicht schreiben können. Die Motivation zum Meditieren haben. Wieder Lust auf Philosophie-Bücher haben.

Manchmal entdecke ich Foren-Einträge von mir, da weis ich schon gar nicht mehr, was ich damals im Kopf hatte, wer ich da war.

Ich formuliere es für mich mittlerweile so:
Ich stehe jeden morgen als neuer Mensch auf, der aber auf all den Erfahrungen aufbauen kann, die er mal gemacht hat.

Ich kann keine Gedichte mehr schreiben, weil ich nicht mehr so viele Dinge im Kopf habe, die ich schriftlich ausformulieren müsste. Ich blogge nicht mehr ganz so oft, weil ich weniger Probleme habe, die man dadurch lösen könnte. Ich lese keine Philosophie-Bücher mehr (oder weniger) weil ich mittlerweile so viele Gedanken gelesen und selbst gehabt habe, dass ich gar nicht mehr so viele neue brauche, ich muss eher aus dem Gelesenen etwas für mich gewinnen, und das braucht vielleicht einfach ein paar Jahre Zeit, in denen ich mich auch vermehrt auf das alltäglich Erlebte konzentriere, Gelerntes mal anwende usw.

Ich bin froh, dass ich nicht immer gleich bin. Dass ich mich ab und zu dazu aufraffen kann, von etwas loszulassen. Dass ich auch mal bewusst sagen kann "Ich will gar nicht mehr der Ana von vor 5 Jahren sein". Aber natürlich habe ich immernoch den Hang dazu, festhalten zu wollen. Ich muss mir das dann immer wieder bewusst machen. Dass das nicht immer sinnvoll ist.

Katinka3
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So 28. Aug 2011, 11:35 - Beitrag #4

Da wir Gewohnheitsmenschen sind, haben wir vieles gerne wie früher. Das gibt etwas mehr Sicherheit. Doch Veränderung ist nötig um Vorwärts zu kommen. Stillstand ist der Tot. Einiges hätte ich auch gerne wie früher. Bin mittlerweile aber auch froh über meine Veränderungen, weil es mir im endefekt weiter geholfen hat. Sie haben mich freier gemacht.

Ipsissimus
Dämmerung
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Di 30. Aug 2011, 10:38 - Beitrag #5

Menschen sind zunächst mal biologische Wesen; als solche arbeiten ihre Körper ihre evolutionär eingestellten Programme ab und schalten sich dann aus. Es ist aus dieser Sicht völlig belanglos, welche Gefühle du dabei hegst, welche Gedanken du dir dazu machst, ob du scheiterst oder nicht - die Programme laufen.

Interessant wird es erst, wenn kulturell erworbene Aspekte hinzutreten. Ab diesem Augenblick können individuelle Interessen mit den Programmen kollidieren. Ob du als Individuum deine Persönlichkeit weiter entwickelst, wohin du sie entwickelst, ob du stehenbleibst, das und vieles mehr ist ein individueller, aber über kulturelle Einflüsse erworbener Selbstzweck, das interessiert "die Natur" nicht. Sie hat nichts dagegen, solange du die Programme nicht behinderst; im Konfliktfall wird es dir sehr schwer fallen, dich dauerhaft gegen die Programme durchzusetzen.

Anders gesagt: als Mensch verfügst du über Freiheitsgrade, nicht aber über schrankenlose Freiheit zur Entwicklung. Wenn du von einem naiven Freiheits- und Entwicklungskonzept ausgehst, ist es sehr wahrscheinlich, dass du öfters mit einer blutigen Nase niederliegst, da das Leben bisweilen eine unangenehm harsche Art hat, dir zu zeigen, wo du auf Irrtümern beharrst^^ es ist möglich, die Möglichkeiten zu seiner eigenen Entwicklung zu verstehen und diese auszureizen. Aber es reicht eine menschliche Lebenszeit normalerweise nicht, um diese Möglichkeiten massiv auszuweiten. Du kannst Talente und Anlagen entfalten und einige wenige davon zur Meisterschaft vorantreiben, du kannst ein gewisses Maß innerer Unabhängigkeit von den Wechselfällen des Lebens erlangen - das war es. Aber wenn du deine Zeit damit verschwendest, dir z.B. Fertigkeiten anzueignen, für die du kein Talent hast, erreichst du noch nicht mal das.

Noch anders gesagt: erkenne dich selbst, dann siehst du, wo deine Möglichkeiten liegen^^


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