kleine moralphilosophische Fragestellung

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maglor
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Mo 18. Jun 2012, 22:26 - Beitrag #21

Zitat von Lykurg:[...] jedenfalls ist nicht anzunehmen, daß die Selbsttötung als Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlers im Sinne einer Reaktion auf die Kindstötung erfolgt. Die geplante Selbsttötung wird zum Anlaß der Tötung der Kinder, nicht umgekehrt.

Das sehe auch so. Die Tötung der eigene Kinder ist quasi ein point of no return. Eine Grenze wurde unwideruflich überschritten.

Selbst wenn der gerettete Selbstmörder (im islamischen Kontext würde wohl Ehrenmord in Betracht kommen) später nach psychologischer Betreuung und benzodiazepinen Drogen doch klar wird, dass die Sache mit dem Kindsmord usw. die dümmste Idee seines Lebens war, würde er vielleichtl geistig normal handeld auf Motiv B zurückgreifen und in Eingeständnis der Schuld sein hiesiges Dasein beenden.

Milena
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Mo 18. Jun 2012, 22:56 - Beitrag #22

vielleichtl geistig normal handeld auf Motiv B zurückgreifen und in Eingeständnis der Schuld sein hiesiges Dasein beenden.


so möge er es dann tun.....

Lykurg
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Mo 18. Jun 2012, 23:05 - Beitrag #23

Zitat von Ipsissimus:mag sein, aber was bedeutet sein "Recht darauf, gerettet zu werden" angesichts des Umstands, dass er sterben wollte, dass er seine Rettung als Zwang erleben wird und dass dieser Zwang dazu führen wird, dass er sich für eine Tat verantworten muss, für die zu verantworten er nie die Absicht hatte?
Daß er nie die Absicht hatte, sich dafür verantworten zu müssen, entzieht ihn meines Erachtens nicht dieser Verantwortung. Das wäre viel zu leicht und könnte sonst auch auf alle möglichen Fälle angewandt werden. Welcher Verbrecher rechnet schon damit, geschnappt zu werden? Ist das dann nicht jeweils ein solcher Eingriff gegen seine beabsichtigte Nichtverantwortung?

Nein, in meinen Augen kann eine solche Rettung sogar einen (wenn auch minimalen*) präventiven Charakter haben. Man muß es dem Täter jedenfalls nicht künstlich erleichtern, sich der Verantwortung zu entziehen. Wer seine Kinder tötet, hat genau das nicht verdient.

______
*oder zumindest die Vermeidung einer indirekten Begünstigung von ähnlichen Taten

Ipsissimus
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Di 19. Jun 2012, 10:56 - Beitrag #24

diese Sichtweise entspricht zweifellos juristischen Standards. Ich frage mich halt nur, ob es nicht für den Mann selbst eine Frage selbstverständlich falsch verstandener Fürsorglichkeit war, nach dem Motto "Ich werde gehen, kann es aber meinen Kindern nicht zumuten, allein zurückzubleiben." Es wäre immer noch Mord, aber mit einer deutlich anderen Motivation als der unterstellten Heimtücke. Sind wir psychisch wirklich so anfällig, dass wir es uns nicht leisten können, wenigstens die Motive richtig zu verstehen und entsprechend anzurechnen? Muss zugunsten der Lebenden die Umdeutung der Motive der Toten oder in diesem Fall eines verhinderten Selbstmörders erfolgen?

Milena
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Di 19. Jun 2012, 11:09 - Beitrag #25

deutlich anderen Motivation als der unterstellten Heimtücke.


..ich glaube nicht, dass dies hier unterstellt wurde...
im gegenteil, es wurde auch die ´fürsorge´bereits beschrieben....

die Umdeutung der Motive der Toten


..wie kommst du denn darauf?

e-noon
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Di 19. Jun 2012, 11:44 - Beitrag #26

Die juristische Seite ist gut geregelt, denke ich, und es sollten auch keine Ausnahmen gestattet werden.

Auf persönlicher Ebene schließen sich Verständnis für eine verzweifelte, vielleicht auch wohlmeinende Psyche und Verurteilung einer Tat mit entsprechender (abschreckender) Strafe nicht aus. Die Gesellschaft zeigt durch das nicht-sterben lassen, dass der Tod der Kinder eben NICHT egal ist und NICHT akzeptiert wird, egal wie verzweifelt man ist.

Ipsissimus
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Di 19. Jun 2012, 11:59 - Beitrag #27

das waren die Worte des leitenden Staatsanwalts, Schatz, der von Heimtücke und niederen Motiven sprach. Ich unterstelle das hier niemandem^^

Milena
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Di 19. Jun 2012, 12:09 - Beitrag #28

...ach so^^....ich dachte das wäre deine persönliche meinung schnuufi^^

wie stehst du denn selbst dazu?

stimme da e-noon bzgl der juristischen seite zu....

Ipsissimus
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Di 19. Jun 2012, 12:38 - Beitrag #29

meine persönliche Meinung ist die, dass ich auf Grundlage eigener genereller Werte-Ungewissheit beide und weitere mögliche Argumentationsstränge verstehen und nachvollziehen kann. Da ich nicht der Meinung bin, dass Strafe wo möglich unter allen Umständen erzwungen werden muss, sympathisiere ich allerdings mit der Mitleidslösung, die in diesem Fall darin bestünde, ihn sterben zu lassen. Wenn er ohne ärztliche Intervention überleben und sich bis zu einem verhandlungsfähigen Zustand erholen würde, plädiere ich natürlich auch für ein Verfahren gegen ihn.

Was das Juristische angeht, bin ich völlig sicher, dass die Korrektheit unter allen Umständen gewahrt werden wird^^

Ipsissimus
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Mo 8. Apr 2013, 15:43 - Beitrag #30

der Vater ist mittlerweile wiederhergestellt und hat gestanden. Er befindet sich in psychatrischer Sicherheitsverwahrung

http://www.news.de/gesellschaft/855332020/ilsede-tragoedie-vater-gesteht-mord-an-seinen-vier-kindern/1/

wenn ich mir die Bilder von den Kindern ansehe, fällt es mir schwer, meine Mitleidsoption aufrecht zu erhalten

janw
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So 21. Apr 2013, 12:29 - Beitrag #31

Vielleicht wären da aber zwei Mitleids-Belange zu berücksichtigen - neben dem Täter auch jener der Frau, der Mutter der Kinder.
Sie wird zunächst von Trauer überwältigt sein, ihn überallhin aus der Welt wünschen, aber irgendwann mag die Frage kommen, warum das alles, warum ihr, was ist zwischen ihr und ihm passiert, daß es so weit kommen konnte?
Fragen, die, wenn Antworten gesucht werden sollten, nur mit ihm zusammen gesucht werden können.
Diese Möglichkeit sollte gewahrt bleiben, und wäre versperrt geblieben, hätte man ihn sterben lassen.

Ipsissimus
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So 21. Apr 2013, 16:47 - Beitrag #32

Fragen, die, wenn Antworten gesucht werden sollten ...
Mag sein, aber wohin könnten die Antworten führen? Nicht aus allen Gründen ergibt sich Vergebung, und nicht aus jeder Erklärung entsteht erneuerte Lebenskraft. Ich meine, wir sprechen von vier Kindern, die ermordet wurden. "Ach so, Schatz, deswegen hast du das gemacht. Dann ist ja alles gut." Das klappt so nicht und wäre auch völlig unangemessen.

Im Grunde kann man ihm nur noch wünschen, dass er den gesamten Rest seines Lebens von möglichst wenigen Menschen angesprochen wird, und ihr ... ich weiß nicht, was man ihr überhaupt wünschen kann. Irgendwie darüber hinweg zu kommen. Aber sprich mal mit einer Mutter, wie die über den Tod auch nur eines Kindes hinweg kommen.

janw
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So 21. Apr 2013, 20:14 - Beitrag #33

Zitat von Ipsissimus:Mag sein, aber wohin könnten die Antworten führen? Nicht aus allen Gründen ergibt sich Vergebung, und nicht aus jeder Erklärung entsteht erneuerte Lebenskraft. Ich meine, wir sprechen von vier Kindern, die ermordet wurden. "Ach so, Schatz, deswegen hast du das gemacht. Dann ist ja alles gut." Das klappt so nicht und wäre auch völlig unangemessen.

Naja, die Frage klingt ein wenig technisch, bemisst sich der Wert von Fragen daran, a priori bestimmen zu können, wohin die Antworten führen?
Zu wissen, warum er das getan hat, kann einen Unterschied machen gegenüber dem, es niemals wissen zu können, auch wenn am Ende keine Vergebung stehen wird, wohl auch nicht stehen kann.

Ipsissimus
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So 21. Apr 2013, 20:43 - Beitrag #34

aber worin besteht der Unterschied, außer im reinen Wissen?

janw
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So 21. Apr 2013, 21:30 - Beitrag #35

Vielleicht gibt es etwas zu verstehen, das für die Frau hilfreich sein kann...

Ipsissimus
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Mo 22. Apr 2013, 09:50 - Beitrag #36

Denkbar ist das, aber ist es auch wahrscheinlich? Wie notwendig ist es für die Mutter, zu erfahren, dass irgendeine ihrer Eigenschaften, irgendein empfundenes oder tatsächliches Fehlverhalten ihrerseits ihren Mann zu den Morden veranlasst hat, notwendig außer zur Perpetuierung der Selbstanklagen und Schuldgefühle?

Ich frage mich wirklich, welche Perspektive sie noch für sich sehen kann. Und welche der Mann für sich.

janw
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Mo 22. Apr 2013, 11:46 - Beitrag #37

Welche Perspektiven der Mann und die Frau für sich selbst sehen können, frage ich mich auch.

Wie notwendig...? Muss das nicht in ihrem Ermessen bleiben? Muss ihr nicht die Möglichkeit bestehen bleiben, sich stellenden Fragen nachzugehen oder es bleiben zu lassen?
Wäre es nicht etwas paternalistisch, sie daran zu hindern, um sie vor den möglichen Folgen zu bewahren?

Ipsissimus
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Mo 22. Apr 2013, 12:29 - Beitrag #38

Natürlich muss es in ihrem Ermessen bleiben. Ich hoffe nur für sie, dass sich keine Fragen stellen, weil es auf die einzige Frage, die sich m.E. wirklich stellt - "Wie konntest du?" - keine echte Antwort gibt. Solange sie versucht, ihn irgendwie zu retten - durch Erklärungen, die sein Vorgehen erträglicher oder nachvollziehbarer machen - wird sie keinen Frieden finden.

Wenn die Frau überhaupt weiterleben will, müssen ihr Perspektiven aufgewiesen werden. Damit aber überhaupt irgendwelche Perspektiven in Frage kommen können, muss sie soweit gesunden, dass sie imstande ist, Perspektiven als solche zu erkennen. Ich bezweifele, dass dies mit paternalen Zwängen zu tun hat. Das ist therapeutische Fürsorge.

Wenn sie nicht weiterleben will, erübrigt sich eh alles.

janw
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Mo 22. Apr 2013, 22:22 - Beitrag #39

Der Punkt ist doch aber eben, daß, wenn man ihn hätte sterben lassen, man diesem Ermessen Schranken gesetzt hätte. Das meinte ich mit paternaler Einwirkung.
Daß man im Rahmen einer therapeutischen Behandlung den Zugang zur Wahrheit steuern muss, ist natürlich klar. Aber sie ist eben prinzipiell zugänglich, wenn der Wunsch danach besteht.

Anders ergäbe sich ein weiter Raum für jede Form von Wahrheitsregie: Sie war im Urlaub, also warum nicht gleich eine story erfinden, nach der jemand Mann und Kinder überfallen hat, und den Mann plotgerecht sterben lassen?

Ipsissimus
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Di 23. Apr 2013, 12:28 - Beitrag #40

... und den Mann plotgerecht sterben lassen?
Solange kein Geheimdienst involviert ist, besteht dazu keine Veranlassung.

Der Punkt ist doch aber eben, daß, wenn man ihn hätte sterben lassen, man diesem Ermessen Schranken gesetzt hätte.
Ça depend. Wenn sie sich tatsächlich erholen sollte, ist es verantwortbar, es in ihrem Ermessen zu belassen. Wenn in der Therapie ersichtlich wird, dass es sich dabei um eine Form manischer Besessenheit, um eine Form des "nicht darüber Hinwegkommens" handelt, könnte es für sie selbst besser sein, wenn dieses Ermessen von außen begrenzt wird. Aber das sind natürlich heikle Abwägungsprozesse, bei denen ich froh bin, dass ich sie nicht zu verantworten habe.

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