Gödels Gottesbeweis am Computer formal verifiziert

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Di 27. Aug 2013, 08:04 - Beitrag #1

Gödels Gottesbeweis am Computer formal verifiziert

Diesen Telepolis-Artikel fand ich recht interessant, was die technischen Möglichkeiten angeht - und weil ich von Gödels Religiosität nichts wußte, was allerdings auch mit meinem relativ geringen Wissen über ihn zusammenhängen mag (mal eine Ausstellung zum Wiener Kreis besucht, und ich hatte 'das Buch' mal in der Hand. ;) ) -

Mit dem wiedergegebenen Gottesbeweis habe ich aber so meine Schwierigkeiten, insbesondere mit dem zweiten Axiom "A property necessarily implied by a positive property is positive" - oder in der deutschen Wiedergabe: "Das zweite Axiom sagt, dass Eigenschaften, die notwendigerweise aus einer positiven Eigenschaften folgen, ebenfalls positiv sein müssen." - ist das nicht schon von der Kausalität her das Gegenteil? Wenn es stimmt, kommt es aufs Gleiche heraus, aber ich sehe sowohl die Möglichkeit negativer oder zumindest Eigenschaften, die aufbauen auf positiven - etwa Rücksichtslosigkeit/Herablassung als Folge von Leistungswillen/Sendungsbewußtsein als auch negative, die positive Folgen haben, etwa Unordnung und Kreativität/Improvisationstalent.

Sind das gültige Einwände, oder sind sie dadurch ungültig, daß sie nicht zwingend daraus folgen und nicht zwingend dies voraussetzen?

Traitor
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Di 27. Aug 2013, 09:32 - Beitrag #2

Zuallererst frage ich mich, ob es in dem Artikel um den Beweis an sich oder die Methoden geht - da der Beweis zwar nichttrivial, aber auch nicht äußerst komplex zu sein scheint, verstehe ich es eher so, dass er als Beispiel zum Testen der Methodik genutzt wird. Aber Padreic kann da vielleicht mehr zu sagen, wie sicher auch zum Rest des Themas.

Dann wäre zu fragen, was unter "positiver Eigenschaft" verstanden wird. Im Interview sagt Benzmüller "Auf eine Diskussion von Instanzen "positiver Eigenschaften" lässt er sich aber beispielsweise nicht ein.", und die Axiome erzwingen auch tatsächlich keine allzu anschauliche Interpretation.
Womit dem theistischen Lieblingstrick, in einer Sackgasse einfach zu behaupten, Menschen seien halt nicht in der Lage, "positives" wirklich zu beurteilen, Tür und Tor geöffnet sind. Nicht, dass ich das Gödel selbst unbedingt unterstellen möchte, aber es fügt sich sehr gut in die weitere Klasse solcher Gottesbeweise ein.

Zu deiner konkreten Frage: es ist halt ein Axiom, auch wenn es wie eine Folgerung klingt, und somit eine Aussage über die dahinterstehende Definition, nicht über das Verhalten etwas schon definierten. Wenn du Gegenbeispiele findest, bei denen du dir sicher genug sind, dass sie notwendige Folgen sind, dann ist damit (zumindest für dich) gezeigt, dass die "positiven Eigenschaften", die Gödel annimmt, nicht deckungsgleich sein können mit dem, was du für positiv hältst.
Deine konkreten Beispiele sind tatsächlich nicht sehr zwingend, aber vielleicht nur, weil sie nicht konkret genug sind. Formuliert man es etwa als positive Eigenschaft einer Person, in ganz bestimmten Umständen helfend tätig zu werden, will es aber nicht als ebenfalls positive Eigenschaft akzeptieren, dass sie dabei notwendigerweise auch Schaden anrichtet, wäre das wohl geeigneter.

Zudem darf man nicht vergessen, dass logische "Existenz" nichts über physikalische oder anschauliche Existenz aussagt. Zig mathematische Strukturen oder alternative Gesetze "existieren", ohne in unserer Natur von Relevanz zu sein.

Ipsissimus
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Di 27. Aug 2013, 10:19 - Beitrag #3

Es scheitert m.E. bereits daran, das "Positivität" eine Differenzierung ist, keine Eigenschaft. Positivität und Negativität sind nur in der Relation zueinander trennbar, und welches davon welches ist, bleibt belanglos.

Ein tatsächliches Axiom von Gödels Beweis lautet daher in etwa: Die Welt ist in Polaritäten angelegt. Ich bezweifele allerdings, dass damit der Beweis noch funktioniert, der übrigens schon 200 Jahre vor seiner Entstehung von Kant widerlegt wurde: Ontologische Ebenen sind nicht voneinander ableitbar.

Von daher erachte ich Gödels Beweis zwar als faszinierendes Objekt logischer l´art pour l´art, für Existenzfragen sind ontologische Beweise aber nach wie vor gegenstandslos, es sei denn, sie würden vorher die ontologische Ebene angeben, für die sie Gültigkeit beanspruchen. Von daher empfinde ich Benzmüllers Aussage
Akzeptieren wir aber all diese Punkte (Herangehensweise, Logikformalismus und Grundannahmen), so sollte man sich wohl auch mit der Konsequenz, der notwendigen Existenz Gottes, auseinandersetzten.
als merkwürdig naiv.

Lykurg
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Di 27. Aug 2013, 10:34 - Beitrag #4

Nein, Ipsissimus, der Satz ist (unter Vorbehalt des ontologischen Bezugs, zugegebenermaßen) nicht naiv - denn "akzeptieren wir ... [seine] Grundannahmen..." - Und ja, eben, die Polarität ist das tatsächliche Problem, das ja übrigens letztlich auch mit dem biblischen Gott eher nicht in Einklang zu bringen ist, zumindest nicht ohne eine erhebliche Verbiegung moralischer Maßstäbe unter Zuhilfenahme von Unerfindlichkeit, wie auch von Traitor angesprochen.

Traitor, mir scheint auch eher, daß es um eine (öffentlichkeitswirksame) Demonstration der Einsatzmöglichkeiten formallogischer Informatik ging als um den Beweis selbst.

Ipsissimus
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Di 27. Aug 2013, 10:37 - Beitrag #5

/edit hmm, es könnte natürlich sein, dass Gödel unter "Positivität" ein Synonym für "Realexistenz" versteht. Etwas, das "positiv" existiert, existiert "tatsächlich", also auf der ontologischen Ebene erster Ordnung, der gemeinen Realität (wie ein Stein oder eine Fliege). Dann sollte er das allerdings an irgendeiner Stelle auch zum Ausdruck bringen.

/edit edit na doch, nun, zumindest mir kommt der Satz merkwürdig vor, denn wenn ich einmal verstanden habe, dass Ontologien nicht voneinander ableitbar sind, mutet es schon fraglich an, diesen Umstand zwecks Beweiskraft wieder zu vergessen. Es ist, als ob jemand, der behauptet, den ersten Hauptsatz der Thermodynamik verstanden zu haben, ein Perpetuum Mobile baut.

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Di 27. Aug 2013, 10:38 - Beitrag #6

So hatte ich ihn verstanden, ja - nur dann kann er das auch als Gottesbeweis nutzen, nur wenn Existenz zugleich eine positive Eigenschaft ist. Oder ist das gerade zirkulär?

Ipsissimus
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Di 27. Aug 2013, 10:46 - Beitrag #7

na ja, dann wäre Gödels Beweisführung aber nicht mehr als eine aufgeblähte Fassung von Anselms Beweis und ist mit diesem erledigt. Konkret ist dann A3 der Knackpunkt, eine direkte Zirkularität: "The property of being God-like is positive" heißt dann nichts anderes als T3: "Necessarily, God exists".

Traitor
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Mi 28. Aug 2013, 20:05 - Beitrag #8

Erstmal muss ich eine meiner eigenen Aussagen relativieren:
Zitat von Traitor:Zudem darf man nicht vergessen, dass logische "Existenz" nichts über physikalische oder anschauliche Existenz aussagt. Zig mathematische Strukturen oder alternative Gesetze "existieren", ohne in unserer Natur von Relevanz zu sein.
Ausnahme: Wenn eine logische Existenzaussage zwingend aus dem selben Axiomensystem, das wir für unsere bevorzugte Naturbeschreibung benutzen, folgt, dann wird sie eben doch zur Aussage über Existenz "auf der ontologischen Ebene erster Ordnung", in Ipsis Sprache. Zumindest im gleichen Ausmaß und Sinne, wie alle anderen unserer evidenzbasierten Existenzaussagen.

Dann zu Dingen, die meines Erachtens Missverständnisse sind:
Zitat von Ipsissimus:Es scheitert m.E. bereits daran, das "Positivität" eine Differenzierung ist, keine Eigenschaft. Positivität und Negativität sind nur in der Relation zueinander trennbar, und welches davon welches ist, bleibt belanglos.
An sich erstmal ja, und so könnte man meinen, der gleiche Beweis könnte auch für ein allmächtiges negatives Wesen benutzt werden. Würde man einfach überall die Worte positiv und negativ austauschen, würde auch alles genauso funktionieren, wäre nur sprachlich weniger intuitiv. Aber inhaltlich gebrochen wird die Symmetrie wohl durch A5, "necessary existence is a positive property". Würde man die Worte belassen und eine zu A5 ähnliche Verbindung von Nichtexistenz und Negativität ansetzen, käme dann kein zwingender Teufel heraus.

Zitat von Ipsissimus: Ein tatsächliches Axiom von Gödels Beweis lautet daher in etwa: Die Welt ist in Polaritäten angelegt.
Ein grundlegendes Polaritätsaxiom liefert natürlich schon die zugrundeliegende Logik mit. (Wobei ja davon die Rede ist, der Beweis funktioniere mit unterschiedlich "starken" Logiken - da kanne ich mich nicht gut genug aus, um zu wissen, ob auch non-binäre darunter fallen.) Moralische Polarität dagegen wird hier gar nicht behandelt]gut[/I] ist.

Zirkulär ist da nichts, und dass T3 nicht aus A3 allein (oder A1,A2,A3) folgt, liegt an den Feinheiten von "essences" und "necessary existence". Mit A1+A2->T1, T1+A3 hat man erstmal nur die Möglichkeit einer Gottesexistenz ("C"), für die Notwendigkeit braucht man noch die restlichen Schritte.

Aber einen wesentlichen Unterschied zu Anselm sehe ich auch nicht, aber mag sein, dass mir da auch noch eine Feinheit entgeht.

Die Frage mit den ontologischen Ebenen würde sich übrigens so überhaupt nur stellen, wenn wir eine sichere und unmittelbare Möglichkeit hätten, "die Realität" zu erfahren. Da wir aber immer den Umweg über Modellbildung nehmen müssen, ist jede sinnvolle Existenzaussage immer nur eine in einem Axiomensystem.
Die spannende Frage ist also, ob eines der Gottesbeweis-Axiome dem Axiomensystem der Physik widerspricht, und wenn nicht, ob ihre Hinzunahme irgendetwas zu dessen Tauglichkeit beisteuert. Ich würde mal auf "nein, völlig unabhängig" und "nein, da auch unabhängig von allen beobachtbaren Daten" tippen.
Womit man beim gleichen Urteil "in sich konsistent, aber irrelevant" wäre - aber als Schlussfolgerung, nicht als Vorurteil.

Padreic
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Do 29. Aug 2013, 02:50 - Beitrag #9

Wenn Traitor meinen Namen schon erwähnt, will ich doch mal ein paar Zeilen hinwerfen.

Beweisprüfer an sich sind natürlich ein alter Hut [ihr Einsatz in der Mathematik an sich ganz interessant, aber für dieses Thema gerade nicht von Belang]. Die Neuheit scheint es zu sein, einen Beweisprüfer zu bauen, der auch Modallogik beherrscht; die Schwierigkeit davon kann ich nicht beurteilen. Aber wie vorher hier schon bemerkt: Zu behaupten, dass damit nun die formallogische Korrektheit endlich feststeht, ist mehr ein Werbegag. Das Argument ist überschaubar genug, um per Hand geprüft zu werden. Und eben das haben vermutlich schon hunderte Leute getan. Unter anderem habe ich das selbst getan, als ich mich vor Jahren mal intensiver mit dem Thema beschäftigt habe. Festhalten will ich allerdings, dass es eines der ganz wenigen logisch formalisierten philosophischen Argumente ist, die mir bisher begegnet sind, wo der Beweis keineswegs offensichtlich ist und es auch nicht intuitiv klar ist, dass die Konklusio aus den Prämissen folgt.

Für den Vergleich mit den klassischen ontologischen Gottesbeweisen will ich diese noch einmal kurz rekapitulieren:

Anselm [naive Form]: Gott ist ein Wesen wie es nicht höher gedacht werden kann. Existenz ist eine positive Eigenschaft. Daher muss Gott sie haben.

Leibniz [das mag ahistorisch sein; ich schreibe sie ihm aber mal zu, obgleich man denselben Beweis schon in Anselm hineinlesen kann]: Zwei Prämissen: 1) Es ist möglich, dass Gott existiert. 2) Wenn Gott existiert, dann existiert Gott notwendigerweise. Konklusio: Gott existiert (notwendigerweise). Das Argument ist nicht ganz offensichtlich, aber modallogisch korrekt, wenn man folgendes Schlussprinzip akzeptiert:

Modallogisches Axiom: Wenn es möglich ist, dass eine bestimmte Aussage p gilt, dann ist auch notwendigerweise möglich, dass p gilt.

Ich denke, dieses Prinzip ist mittelgradig problematisch. Um das zu erläutern, sollte man ersteinmal klären, was man mit 'möglich' und 'notwendig' meint. Die wohl beste Herangehensweise ist die sogenannte (von Leibniz inspirierte) Kripke-Semantik. Man stelle sich die Gesamtheit aller möglichen Welten vor (Multiversen-Fetischisten mögen meinen, dass diese alle real existieren; das ist aber gerade ohne Belang). Bei manchen Welten ist es möglich von einer zu anderen zu gelangen, bei anderen nicht. Wir nennen nun eine Aussage möglich, wenn sie in irgendeiner von dieser Welt erreichbaren möglichen Welt wahr ist. Wir nennen sie notwendig, wenn sie in allen von dieser Welt erreichbaren möglichen Welten wahr ist.
Das genannten modallogische Axiom ist nun mehr oder minder äquivalent dazu, dass man sagt, dass
1) Jede Welt von sich selbst erreichbar ist. [hochplausibel]
2) Wenn Welt B von Welt A erreichbar ist, ist auch Welt C von Welt B erreichbar. [hochplausibel] [Edit: Wie Traitor schon sagte, meinte ich in Wirklichkeit: Wenn Welt B von Welt A erreichbar ist und Welt C von Welt B erreichbar ist, dann ist auch Welt C von Welt A erreichbar. Also Transitivität.]
3) Wenn Welt A von Welt B erreichbar ist, dann ist auch Welt B von Welt A erreichbar.

Wenn man "Welt A ist von Welt B erreichbar" als "A ist eine mögliche Zukunft von B" interpretiert, ist (3) zumindest problematisch. Nun gut, die Newtonsche Gesetze sind zeitsymmetrisch und die Entropiezunahme ist nur stochastisch; trotzdem bleibt es problematisch. Tatsächlich benutzt man den Begriff 'möglich' aber häufig auch anders. Beispielsweise kann man sagen: Wenn Grouchy rechtzeitig zu Napoleons Armee zurückgestoßen wäre, hätten Napoleon die Schlacht bei Waterloo gewinnen können. Insbesondere: Es wäre möglich gewesen, dass Napoleon die Schlacht bei Waterloo gewinnt. Hier benutzt man wohl die Interpretation von "Welt A ist von Welt B erreichbar" als "A ist eine mögliche Zukunft von einer Vergangenheit von B". Dann ist auf einmal (3) tautologisch erfüllt.
Wenn es um Gott als einem vielleicht außerhalb der Zeit existierenden Wesen gehen soll, ist auch diese Interpretation von "erreichbar" wohl nicht geeignet. Manche benutzen die Erreichbarkeitsrelation der Vorstellbarkeit. Das wäre mir aber zu psychologisch.
Die genaue Interpretation des Erreichbarkeits- und damit des Möglichkeits- und Notwendigkeitsbegriffs ist eine subtile Angelegenheit. Auf jeden Fall muss man konsistent bei einer bleiben. So mancher mag den Prämisses von Leibnizens Argument aufgrund wechselnder Begrifflichkeiten zustimmen: "Natürlich ist es irgendwie vorstellbar, dass Gott existiert. Und wenn etwas wirklich ist, dann ist es immer notwendigerweise wirklich wegen Determinismus." So geht's nicht.

Kant hat sicherlich zutreffend die naive Form von Anselms Argument kritisiert: Existenz ist keine Eigenschaft. Ich glaube, Leibniz hat Anselms Gedankengang als zutreffende Argumentation für eine zweite Prämisse (Gottes Existenz impliziert seine notwendige Existenz) gesehen, aber die erste Prämisse (Gottes Existenz ist möglich) nicht als von Anselm belegt zu sehen. Nach Kants Kritik muss damit dieses Argument als gleich doppelt gescheitert angesehen werden.

Kommen wir nun zu Gödels Argument. Ich denke, es stellt sich allen diesen Kritikpunkten auf clevere und subtile Weise. Um nochmal die Axiome in Umgangssprachlicher Form zu wiederholen:
1) Wenn eine Eigenschaft F positiv ist, ist es nicht positiv, F nicht zu haben.
2) Jede Eigenschaft, die von einer positiven Eigenschaft notwendig nach sich gezogen wird, ist positiv.
3) Gottartig zu sein ist positiv.
4) Wenn eine Eigenschaft positiv ist, ist sie notwendigerweise positiv.
5) Notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft.
6) Wenn eine Eigenschaft F zu haben, positiv ist, ist F notwendigerweise zu haben, auch positiv.

Hier ist es wichtig zu beachten, dass 'gottartig' und 'notwendig existent' genau definierte Begriffe sind (wenn man den Begriff der Positivität voraussetzt). Ein Wesen heißt gottartig, wenn jede essentielle Eigenschaft dieses Wesens positiv ist und dieses Wesen jede positive Eigenschaft essentiell hat. [Eine Eigenschaft essentiell haben heißt hier, dass jede Eigenschaft, die man notwendig hat, von diesen essentiellen Eigenschaften impliziert wird.] Die Definition von notwendiger Existenz ist besonders clever, weil Gödel natürlich Kants Kritik bewusst ist. Deswegen definiert er sie wie folgt: Ein Wesen A existiert notwendig, wenn es ein Wesen gibt, dass alle essentiellen Eigenschaften von A besitzt. Dadurch, dass man hier nicht über die Existenz A selbst spricht, ist das plötzlich eine Eigenschaft.

Modallogisch vollkommen korrekt argumentiert nun Gödel von diesen 6 Axiomen für die Existenz eines gottartigen Wesens. Der einzige Kritikpunkt an dem Argument selbst wäre die Verwendung des obigen modallogischen Axioms. Das sei für den Moment geschenkt, da es plausible Interpretationen von möglich und notwendig gibt, die es wahr machen.
Nun gibt es noch zwei Möglichkeiten der Kritik: Man kritisiert die Prämissen oder man kritisiert die Interpretation des Ergebnis. Zu letzterem: Ist wirklich ein gottartiges Wesen in Gödels Sinne ein Gott? Das kommt wohl sehr darauf an, was man unter 'positiv' versteht. Ich wäre aber versucht zu sagen: Bei halbwegs üblichen Interpretationen von positiv, ja.

Das wirft einen aber wieder zum wirklich trickigen Punkt zurück: Was heißt positiv eigentlich? Gödel gibt wohl zwei Möglichkeiten an: Einerseits die moralisch-ästhetische, d.h. im wesentlichen: positiv ist, was man so üblicherweise so als positiv bezeichnen würde. Die andere setzt positive als 'reine Zuschreibungen'. Eine Eigenschaft ist eine reine Zuschreibung, wenn sie zu haben, nicht gleichzeitig ein Mangel ist. Beispielsweise, am 28.8.2013, um 20:17 in Charlottesville zu sein bringt für einen Menschen einen Mangel mit: Er ist nirgendwo anders zur selben Zeit. Dagegen bringt beispielsweie die Hauptstädte aller Bundesstaaten der USA zu kennen, nicht direkt einen Mangel mit sich. Daraus würde folgen, dass Gott, wenn er denn an einem Ort ist, wohl an allen Orten zugleich ist; und dass er die Hauptstädte von allen Bundesstaaten der USA kennt. Beides wäre wohl vom klassischen christlichen Gott exemplifiziert. Ich finde das ein ziemlich cleveres und tiefsinniges Konzept, auch wenn es sehr schwierig sein sollte, präzise zu machen, was man hier genau mit Mangel meint. Wenn man voraussetzt, dass man hier eine konsistente Theorie von entwerfen kann, finde ich alle von Gödels Axiomen zumindest plausibel (wenn auch nicht vollkommen zwingend).
Man beachte, dass es gewissermaßen ein Wiederaufgriff des naiven Anselm-Arguments ist, da es das Gute mit 'Sein im höchstem Maße' in Verbindung oder sogar Identität setzt. Es ist auch konsistent mit den üblichen mittelalterlichen Metaphysiken von Thomas von Aquin, Duns Scotus etc. Es ist interessant zu beobachten, dass von diesen metaphysischen Grundsätzen, die doch recht weitgehend platonisch-aristotelischen Ursprungs sind, der Gottesgedanken sich fast zwingend ergibt.

Diese Arten von Metaphysiken sind sicherlich aber heute nicht mehr so en vogue. Fast genausowenig wie alle, die das Gute als objektiv betrachten. Und das scheint mir geradezu zwingend zu sein für Gödels Argument; Axiom 4 ist beispielsweise sehr zweifelhaft, geht man von einem subjektiven Begriff des Guten aus. Auch ziehe ich mit Lykurg in Zweifel, dass die üblich moralisch-ästhetischen Begriffe des Guten rein genug sind, damit beispielsweise alles von etwas positivem notwendig nach sich gezogene auch positiv ist oder damit, wenn F positiv ist, auch notwendigerweise F zu haben positiv ist. Obgleich der Begriff des Notwendig-Nach-Sich-Ziehens (d.h. in jeder möglichen Zukunft oder sogar in jeder für uns vorstellbaren Welt) so stark ist, dass Axiom 2 vielleicht doch unproblematisch wäre.

Alles in allem ist natürlich vollkommen klar, dass es sich hier nicht um einen zwingenden, für jeden einleuchtenden Beweis handeln kann. Dann hätte Gödel ihn wohl auch veröffentlicht ;). Was bleibt, ist ein Argument dafür, dass jemand, der eine objektive Theorie des Guten vertritt, schon sehr nah daran ist, einen Gott annehmen zu müssen. Und ich finde, dieses Argument ist erstaunlich subtil und schwer zu widerlegen.

Edit: @Ipsi: Eine starke Polarität setzt Gödel aber nicht voraus. Es ist nicht jede Eigenschaft positiv oder ihre Negation positiv. D.h. er teilt nicht alles in gut und böse ein. Aber wie gesagt: eine "objektive" Theorie des Positiven muss m. E. schon reingesteckt werden, damit das Argument richtig läuft.

Traitor
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Do 29. Aug 2013, 09:10 - Beitrag #10

Danke, so anschaulich und gleichzeitig bewertend habe ich Modallogik noch nie erklärt gesehen. Die "mögliche Zukunft der Vergangenheit von B" erinnert mich an "consistent histories" in der QM, aber vermutlich nur der Nomenklatur nach...

Aber:
2) Wenn Welt B von Welt A erreichbar ist, ist auch Welt C von Welt B erreichbar. [hochplausibel]
Meinst du da nicht eher Transititivät, also "Wenn Welt B von Welt A erreichbar ist und Welt C von Welt B erreichbar ist, ist auch Welt C von Welt A erreichbar." ?

"nicht mehr als eine aufgeblähte Fassung von Anselms Beweis" (Ipsissimus) und deine Interpretation, Gödel habe Anselm geschickt aufgegriffen und verbesser, sind wohl letztlich dieselbe Aussage, nur mit unterschiedlichem Sympathiegrad. ;)

Haarig wird es auch für mich bei der Interpretation von "positiv". Die moralische Interpretation ist meines Erachtens viel zu stark. Wollte man die formalisieren, käme man wohl nicht um zusätzliche Axiome und Definitionsanpassungen herum, die dann den Möglichkeitsbeweis deutlich erschweren. Klingt auf den ersten Blick unsinnig - wie kann eine Hinzunahme unabhängiger Annahmen einen bereits mit dem kleineren Satz Annahmen funktionierenden Beweis schädigen? - aber, wenn auch nur intuitiv und nicht durchanalysiert, behaupte ich mal, dass so eine starke Interpretation eben nicht ohne nichtunabhängige Annahmenmodifikation tragen kann. Ich vermute, das ist derselbe Vorbehalt, den du mit "nicht rein genug" meinst, da damit eben (mindestens) eines der Axiome fragwürdig wird.

Das Konzept der Positivität als "reine Zuschreibungen" ist interessant, erscheint mir aber als wenig plausibel, eben wegen der Schwierigkeit des "Mangel"-Begriffs. Ist das Wissen von Trivia nicht ein Mangel an "blissful ignorance"? Ist Existenz nicht ein Mangel an Nichtexistenz?
Der erste naheliegende Schritt ist wohl, zu sagen, dass "Mangel" immer nur ein Mangel an anderen positiven Eigenschaften ist, und da die Negation einer positiven Eigenschaft nicht positiv sein kann, wäre zumindest das Existenz-Nichtexistenz-Paar gerettet. Wenn man "Wissen" bis runter auf Neuronenzustände analysiert, ist zumindest dieses Beispiel aber meines Erachtens genauso eines einer Auswahl äquivalenter Möglichkeiten aus einer Klasse wie das der Lokalisation.
Und das ist keine reine Beispielkritik, sondern müsste für die allermeisten Eigenschaften, die wir intuitiv "positiv" nennen wollen, gelten: meist ist nur ihre wörtliche Negation als nicht-negative Eigenschaft eindeutig vom Mangel befreit, während sie gleichzeitig mehrere andere Eigenschaften ausschließt, die positiv sein könnten.
Als Interpretation für den Begriff "positiv" der Gödel-Beweis-Axiome taugt die Interpretation mit dieser Schärfung zwar, denn die Axiome erfordern ja gerade, dass es keine zwei sich ausschließenden positiven Eigenschaften geben kann. (Müsste da jetzt ein "notwendig" rein?) Aber gegenüber der intuitiven Verwendung von "positiv" zweier als positiv empfundener Eigenschaften scheint ja eine recht zentrale Eigenschaft der "harten Realität" zu sein...

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Do 29. Aug 2013, 11:18 - Beitrag #11

Zitat von Padreic:Kommen wir nun zu Gödels Argument. Ich denke, es stellt sich allen diesen Kritikpunkten auf clevere und subtile Weise. Um nochmal die Axiome in Umgangssprachlicher Form zu wiederholen:
1) Wenn eine Eigenschaft F positiv ist, ist es nicht positiv, F nicht zu haben.
2) Jede Eigenschaft, die von einer positiven Eigenschaft notwendig nach sich gezogen wird, ist positiv.
3) Gottartig zu sein ist positiv.
4) Wenn eine Eigenschaft positiv ist, ist sie notwendigerweise positiv.
5) Notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft.
6) Wenn eine Eigenschaft F zu haben, positiv ist, ist F notwendigerweise zu haben, auch positiv.

Das Problem ist, daß 2) nicht unbedingt zutrifft:
Die Eigenschaft, eine Sichelzell-Anämie zu haben, ist in einer Malaria-Region positiv.
Die mit einer Sichelzell-Anämie verbundene erheblich schlechtere Sauerstoff-Versorgung ist aber nicht positiv. Man könnte hier von einem notwendigen Übel sprechen.

Traitor
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Do 29. Aug 2013, 11:50 - Beitrag #12

"Nicht unbedingt zutrifft" heißt hier "nicht auf dein Verständnis von "positiv" zutrifft", das mit biologischer Überlebensvorteilhaftigkeit nochmal eine Alternative zu moralischen Kriterien aufstellt. Aus Sicht der Logik ist dein Verständnis nicht mit der in den Axiomen impliziten Definition von "positiv" kompatibel; aus Außensicht ist es ein weiteres Beispiel dafür, dass diese Definition nicht dem Alltagsgebrauch entspricht.

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Do 29. Aug 2013, 11:59 - Beitrag #13

2) Wenn Welt B von Welt A erreichbar ist, ist auch Welt C von Welt B erreichbar. [hochplausibel]


Die Traitorsche Korrektur macht den Satz tatsächlich plausibel. Sollte statt dessen aber die Aussage lauten: "Wenn die Welten B und C beide von Welt A aus erreichbar sind, dann sind auch die Welten B und C voneinander erreichbar" wäre der Satz nur wahr, wenn die "Reisewege" umkehrbar sind, was zumindest bei einer Deutung im Sinne von "x ist (mögliche) Zukunft|Vergangenheit von y" fraglich wäre


nach wie vor, meinem Verständnis zufolge steht und fällt sowohl der Beweis als auch die Schlussfolgerungen daraus mit dem angelegten Begriff der "Positivität". Wenn ich "Positivität" im Sinne von "existiert als gemeine Realität" interpretiere, sehe ich fast gar keine Möglichkeit mehr, die Zirkularität zu vermeiden. A3

"The property of being God-like is positive"

besagt dann, dass "Gottesartigkeit" eine real-existente Eigenschaft ist. Das kann man aber nur sinnvoll voraussetzen, wenn es tatsächlich eine real-existente Entität gibt, die diese Eigenschaft trägt. Und damit ist es zirkulär. Da steht eben nicht "Falls es einen Gott gäbe, wäre die Eigenschaft, gottartig zu sein, realexistent", sondern "Gottartigkeit ist eine realexistente Eigenschaft".

Interpretiere ich "Positivität" stattdessen im Sinne eines Poles der Polarität, frage ich mich, was damit überhaupt ausgedrückt ist. Ob ich sage "Gottartigkeit ist positiv" oder "Gottartigkeit ist negativ" sind dann einander gleichwertig, wenn ich nicht eine ganze Menge impliziten Weltwissens miteinbringe, das die axiomatische Basis des Beweises völlig ad absurdum führt, weil die Einflüsse dieser Elemente völlig ungefiltert in die Schlussfolgerungen einfließen.

Übersetzen wir "Positivität" im Sinne des vorigen Absatzes mit "wünschenswert", "moralisch begrüßenswert" oder einfach "gut", schlussfolgern wir vom Gewünschten auf das Existente, was seit Kant offensichtlich Blödsinn ist.


Für mich die überzeugendste Widerlegung des Beweises ist aber eine andere. Wie bei fast allen Behauptungen, die mit Zuweisungen arbeiten, sind bestimmte Begriffe durch andere, funktional adäquate Begriffe ersetzbar. Wir lassen den Beweis so wie er ist, alles bleibt exakt erhalten, nur ersetzen wir überall dort, wo "God" steht, egal ob allein oder in Verbindung mit "-like", "God" mit "fliegendes Spaghettimonster" oder mit "knatschrosa Einhorn mit zwei Hörnern". Der Beweis würde immer noch in genau der gleichen Weise funktionieren, sofern wir nur auf den Prämissen bestehen.

Der Beweis qualifiziert sich dadurch in meinen Augen als "All-Beweis" und ist damit gegenstandslos. Seine mutmaßliche formale Korrektheit besagt nichts.


Danke, Padreic, die Darlegung in Modallogik war auch für mich erhellend^^

Padreic
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Mi 4. Sep 2013, 03:54 - Beitrag #14

@Traitor:
Meinst du da nicht eher Transititivät, also "Wenn Welt B von Welt A erreichbar ist und Welt C von Welt B erreichbar ist, ist auch Welt C von Welt A erreichbar." ?
Doch, tatsächlich. Vielleicht hätte ich es nochmal Korrektur lesen sollen ;).

Das Konzept der Positivität als "reine Zuschreibungen" ist interessant, erscheint mir aber als wenig plausibel, eben wegen der Schwierigkeit des "Mangel"-Begriffs. Ist das Wissen von Trivia nicht ein Mangel an "blissful ignorance"? Ist Existenz nicht ein Mangel an Nichtexistenz?
Ich halte das auch alles für schwierig. Auch wenn ich beispielsweise bei Existenz und nicht-Existenz durchaus eine Asymmetrie sehe, die es rechtfertigt, nicht-Existenz als "Mangel" und "Existenz" eben nicht als Mangel zu bezeichnen.

Der erste naheliegende Schritt ist wohl, zu sagen, dass "Mangel" immer nur ein Mangel an anderen positiven Eigenschaften ist, und da die Negation einer positiven Eigenschaft nicht positiv sein kann, wäre zumindest das Existenz-Nichtexistenz-Paar gerettet. Wenn man "Wissen" bis runter auf Neuronenzustände analysiert, ist zumindest dieses Beispiel aber meines Erachtens genauso eines einer Auswahl äquivalenter Möglichkeiten aus einer Klasse wie das der Lokalisation.
Dann ist Wissen für ein Wesen mit einer endlichen Anzahl von Neuronen wohl keine reine Zuschreibung. Für ein Wesen, das diesen Beschränkungen nicht unterliegt, vielleicht nicht. Genauso wie Lokalisation für uns keine reine Zuschreibung ist; für ein Wesen, das an allen Orten gleichzeitig sein kann, vielleicht aber schon.

Ich will das ganze nicht schönreden. Ich halte es aber auch nicht für unplausibler als manches, was ich schon aus dem Mund von analytischen Philosophen, die die ganze Welt als ein logisches System sehen, gehört habe.

@Ipsissimus: "Existiert als gemeine Realität" ist, soweit ich das sagen kann, keine Eigenschaft im engeren Sinne, kann daher also auch gar nicht gemeint sein. Zu sagen, dass eine Eigenschaft eine "reine Zuschreibung" ist, ist etwas ganz anderes als zu sagen, dass sie eine Instanz hat, dass es also eine Wesen/ein Objekt gibt, das diese Eigenschaft hat.

Für mich die überzeugendste Widerlegung des Beweises ist aber eine andere. Wie bei fast allen Behauptungen, die mit Zuweisungen arbeiten, sind bestimmte Begriffe durch andere, funktional adäquate Begriffe ersetzbar. Wir lassen den Beweis so wie er ist, alles bleibt exakt erhalten, nur ersetzen wir überall dort, wo "God" steht, egal ob allein oder in Verbindung mit "-like", "God" mit "fliegendes Spaghettimonster" oder mit "knatschrosa Einhorn mit zwei Hörnern". Der Beweis würde immer noch in genau der gleichen Weise funktionieren, sofern wir nur auf den Prämissen bestehen.
Ich teile diesen Einwand nicht und begegne ihm mit einer Analogie:
"In dem Schluss:
Alle Griechen sind Menschen und
alle Menschen sind sterblich,
also sind alle Griechen sterblich"
könnte man Griechen genauso gut durch Schweine und sterblich durch unsichtbar ersetzen und würde bekommen
Alle Schweine sind Menschen
und alle Menschen sind unsichtbar,
also sind alle Schweine unsichtbar.
Sofern wir nur auf den Prämissen bestehen, funktioniert der Beweis genauso; die Konklusion ist aber offenbar Unsinn."

Konkreter sehe ich sogar noch andere Probleme mit deiner Argumentation: God-like ist präzise definiert, setzt man die Begriffe der Positivität und die zugrundeliegende Modallogik voraus. Natürlich kannst du den Begriff "god-like" durch "fliegendes Spaghettimonster" ersetzen; das wäre allerdings ein sehr irreführender Begriff, denn ein fliegendes Spaghettimonster ist eben nicht dadurch gekennzeichnet, dass alle seine essentiellen Eigenschaft positiv sind und alle positiven Eigenschaften essentielle Eigenschaften von ihm sind, sondern, dass es fliegt und ein Spaghettimonster ist... und wenn du ein Set von Eigenschaften, die du als positiv bezeichnen willst, findest, das Gödels Axiome erfüllt und dann am Ende als god-like genaue ein fliegendes Spaghettimonster herausspuckt: viel Spaß.

Ich denke, das Problem bei Gödels Beweis ist gerade nicht die Beliebigkeit des Positivitätsbegriffs, sondern, dass er so stark eingeengt ist, dass es schwer möglich zu sein scheint, überhaupt einen zu finden.
Übrigens: Natürlich könnte man überall in Gödels Beweis "positiv" durch "negativ" und "god-like" durch "devil-like" ersetzen. Meines Erachtens fällt es aber dann sogar noch schwerer, dem eine plausible und mit den Axiomen kompatible Bedeutung zu geben.

Ipsissimus
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Mi 4. Sep 2013, 16:28 - Beitrag #15

Padreic, deine Analogiebildung krankt m.E. daran, dass sie erstens nicht mit Zuschreibungen arbeitet und zweitens die in der zweiten Version verwendeten Begriffe nicht funktional adäquat zu denen in der ersten Version sind. Mit "funktional adäquat" meine ich dabei nicht "formal adäquat", sondern "sachlich adäquat". So ist "sterblich" eine Allaussage über komplexere Lebensformen, "unsichtbar" hingegen eine spezielle Form von Tarnung, die in reiner Form nur wenigen Tiefseelebensformen möglich ist. Die beiden Begriffe können sich also gar nicht gegenseitig ersetzen. Darüber hinaus arbeitet bereits die erste Form mit falsifizierten - nicht: falsifizierbaren - Aussagen: es sind eben nicht alle Menschen unsichtbar. Wenn aber alle Menschen unsichtbar wären, dann wäre es auch eine völlig plausible Möglichkeit, dass auch alle Schweine unsichtbar wären, wenn es eben nicht wieder eine falsche Aussage wäre, dass alle Schweine Menschen sind. Wären die beiden Aussagen aber "wahr", würde die Conclusio stimmen.

Das ist bei Begriffen wie "Gott" und "Spaghettimonster", die nur - ausschließlich - über Zuschreibungen und nicht über reale Eigenidentität definiert sind, anders, weil du adäquate Zuschreibungen vornehmen kannst, ohne jemals irgendwelche realen, "positiven" Eigenschaften damit verknüpfen zu müssen, die sich ausschließen könnten:

Gott hat die Welt erschaffen -> Spaghettimonster hat die Welt erschaffen
Gott ist gut -> Spaghettimonster ist gut
Gottartigkeit ist positiv -> Spaghettimonsterartigkeit ist positiv
Gottartigkeit ist eine positive Eigenschaft -> Spaghettimonsterartigkeit ist ein positive Eigenschaft
usw.

im Prinzip läuft das auf die alte Einsicht hinaus, dass formale Korrektheit einer logischen Beweisführung keinerlei Beleg für den Realitätsgehalt des Bewiesenen bietet, wenn nicht sichergestellt ist, dass es sich bei den Prämissen um wahre Aussagen über realexistente Sachverhalte handelt. Es handelt sich bei einem solchen Beweis dann nur um eine wohlgeformte Ableitung eines Axiomensystems ohne Bezug zur Realexistenz. Die Setzung von Positivität macht noch keine Positivität, hauptsächlich deswegen, weil es sowas gar nicht gibt.

Ontologische Ebenen können nicht voneinander abgeleitet werden^^

Padreic
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Do 5. Sep 2013, 16:43 - Beitrag #16

@Ipsissimus: Wie bereits geschrieben: "gottartigkeit" ist in Gödels Argument ein abgeleiteter Begriff, dessen Bedeutung vollständig von der gewählten Bedeutung von "positiven" und der hintergründigen Modallogik abhängt. Diesen Begriff einfach durch "fliegendes Spaghettimonster" zu ersetzen, würde nichts an der Bedeutung des Begriffs ändern, nur an dessen Konnotationen. Inwieweit die Konnotationen berechtigt sind, hängt natürlich in der Tat von dem Begriff der Positivität ab.

Wie bereits erwähnt: Damit Gödels Argument wirklich Sinn macht, muss man davon ausgehen, dass "positiv" nicht einfach eine Zuschreibung ist, die wir machen, sondern wirklich einen objektiven Grund hat. Natürlich könnten wir es dann immer noch "negativ" oder "seltsam" oder was auch immer nennen - genauso wie wir in der Physik wir Energie stattdessen "Wurst" nennen könnten und damit das Prinzip der Wursterhaltung bekämen. Wenn es am Ende dasselbe bedeutet: fein. Nur die Konnotationen wären vielleicht nicht treffend.
Du sagst, dass es keine objektive Positivität gibt - ich sehe das im Prinzip ähnlich. Genauso aber, wie wenn man als Solipsist mit jemanden mit einer "üblichen" Meinung spricht, man für einen Moment, um seinen Argumenten zu folgen, methodisch dessen Grundposition einnehmen kann, so halte ich es hier für angemessen, methodisch anzunehmen, dass es eine objektive Positivität gibt, die wir in gewissen Grenzen sogar erfassen können. Dann fallen einige deiner Gegenargumente weg.

Und natürlich kann man nicht vom gedachten Sein auf reales Sein schließen. Oder ist es wirklich so natürlich? Die Physik macht es andauernd. Sie hat Modelle gebaut, also sich Grundsätze gedacht, von denen manche mehr, manche weniger empirisch belegt sind. Der Physiker beobachtet dann irgendwas, schmeißt das in sein gedachtes Modell hinein, hat dann irgendwelche Prinzipien, wie er innerhalb des Modells von einem aufs andere schließen kann, und sagt dann: "In der Realität passiert das und das." Vielleicht mag es übersteigert sein, dass er wirklich auf die Realität schließt; in der Praxis hat es sich aber als nützlich und recht angemessen erwiesen.
Analog würde ich Gödels Gottesbeweis sehen: Er sagt: Wenn man diese und diese Annahmen in ein Modell reinschmeißt, kann man innerhalb des Modells diese und diese Folgerung ziehen. Ich sehe es in dieser Funktion als ein berechtigtes logisch-ontologisches Argument an in dem Sinne, das es formallogisch valide ist und auf einige Modelle, die Leute betrachten können, anwendbar sein mag. Genauso wie ein Satz der Analysis berechtigt und gültig ist, auch wenn es kein von mir vertretenes physikalisches System gibt, wo ich ihn gerade anwenden kann. Wenn man nicht zu viel von Gödels Argument erwartet, kann man es durchaus ohne Feindseligkeit genießen, finde ich.

Ipsissimus
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Fr 6. Sep 2013, 10:57 - Beitrag #17

Padreic, als l´art pour l´art-Objekt habe ich gegen diesen Gottesbeweis gar nichts einzuwenden; es macht ja - zumindest mir - Spaß, sich damit auseinander zu setzen. Die formale modallogische Korrektheit der Beweisführung stelle ich bei einem Logiker wie Gödel auch nicht in Frage; es ist eher der Aspekt der Reichweite logischer Aussagen, die formal korrekt bewiesen sind.

Alle Menschen sind sterblich --------- Alle Menschen haben blaue Haut
Alle Deutschen sind Menschen ---------- Alle Deutschen sind Menschen
Alle Deutschen sind sterblich ------------- Alle Deutschen haben blaue Haut

Der Unterschied zwischen der linken und der rechten Seite besteht nicht darin, dass die rechte Seite formal falsch aufgebaut ist, sie folgt demselben gültigen Syllogismus wie die linke Seite. Nur ist ihre Ausgangsprämisse falsch und damit auch die Conclusio.

Beim Beweis von Gödel ist die Problematik der Ausgangsprämisse(n) nicht so offensichtlich, was hauptsächlich daran liegt, dass die Begriffe eben nicht definiert werden, wenn man "definiert werden" als "mit Inhalt gefüllt werden" liest. "Ein gottartiges Wesen verfügt über alle positiven Eigenschaften" tut nur so, als sei es eine Aussage, tatsächlich ist es eine Leerformel, bei der sowohl "gottartig" als auch "positiv" freie Variablen sind.

Das ist formal abgesichert durch den Trick in A1, der ja nichts als eine Anwendung des Gegensatzverbots der Grundaxiome der klassischen Logik ist. Dieser Trick funktioniert (sachlich) aber nur bei Gottheiten auf Grundlage von Polarität, wenn die Gottheit also als "gut" gedacht wird. Sofern die Gottheit als Einheit der Gegensätze aufgefasst wird - z.B. im Hinduismus - sticht der Trick schon nicht mehr. Das heißt, hier fließen schon Annahmen über das Wesen der Gottheit mit ein, die für die Beweisführung entscheidend sind, und das heißt, die Beweisführung hängt nicht mehr von der Logik allein ab. (Ob in diesem Absatz Unsinn steht oder nicht, hängt natürlich auch wieder davon ab, welcher Gehalt dem "positiv" im Kontext des Beweises zukommt.)

Bei A2 handelt es sich um eine Art "anthropisches Prinzip" - wenn eine Sache real ist, dann müssen es auch alle notwendigen physikalischen Voraussetzungen ihrer Existenz und alle naturgesetzlichen Folgen ihrer Existenz sein. Das ist physikalisch unbefriedigend, aber nach Stand der Dinge okay, wenn es sich um Realexistenzen handelt, man kann damit bestimmte fragliche Voraussetzungen klären, weil diese Voraussetzungen kompatibel zur Existenz dieser Sache gewesen sein müssen. Bei Begriffen, die einem variablen Term entsprechen, muss man aber aufpassen. Es ist ein Unterschied, ob ich in diesen Term eine wahre Aussage einsetze, oder ob die Aussage inhaltsleer bleibt, weil der zentrale Begriff inhaltsleer bleibt. In Analogie zu oben

Alle Menschen sind positiv
Alle Deutschen sind Menschen
Alle Deutschen sind positiv

bildet eine formal korrekte Schlussfolgerung, bei der sogar der Begriff der Positivität durch den gleichen Trick wie bei Gödels A1 abgesichert werden könnte. Selbst in diesem Fall bliebe die Conclusio inhaltsleer, solange nicht der variable Term "positiv" mit konkretem Inhalt belegt wird, der dann erst entscheidbar macht, ob da Blödsinn steht oder nicht.

D1 ist natürlich der Kern der Gödelschen Beweisführung, sticht aber nicht, denn selbst dann, wenn ich die Definition akzeptiere, ist damit nicht sichergestellt, dass es überhaupt ein einziges Wesen gibt, dass über diese Eigenart verfügt. Nur dann aber wären A3, C und A4 korrekt. Interessant auch der terminologische Sprung von A3 nach C und später nochmal von T2 nach T3: in A3/T2 ist es noch "gottartig", in C/T3 ist es plötzlich "Gott". Noch nicht mal "ein Gott", sondern "Gott". Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das hinsichtlich formaler Korrektheit formal zu bewerten ist, bin mir aber völlig sicher, dass Gödels private - christlich/monotheistische - Glaubensüberzeugungen sich hier unkontrolliert Bahn gebrochen haben.

Wie gesagt, ich habe nichts gegen Gödels Beweis, wie ich gegen keinen Gottesbeweis etwas habe - amüsant sind sie alle. Sie sind nur nicht das, was zu sein sie suggerieren, Beweise für die Existenz "Gottes", noch nicht mal für die Existenz eines Gottes, vielmehr: logische Fingerübungen ohne Bezug zu Existenzfragen. Damit argumentiere ich eigentlich nicht gegen den Beweis selbst, sondern gegen Benzmüllers Folgerung
Akzeptieren wir aber all diese Punkte (Herangehensweise, Logikformalismus und Grundannahmen), so sollte man sich wohl auch mit der Konsequenz, der notwendigen Existenz Gottes, auseinandersetzten.

Ipsissimus
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Fr 6. Sep 2013, 13:28 - Beitrag #18

Und natürlich kann man nicht vom gedachten Sein auf reales Sein schließen. Oder ist es wirklich so natürlich? Die Physik macht es andauernd. Sie hat Modelle gebaut, also sich Grundsätze gedacht, von denen manche mehr, manche weniger empirisch belegt sind. Der Physiker beobachtet dann irgendwas, schmeißt das in sein gedachtes Modell hinein, hat dann irgendwelche Prinzipien, wie er innerhalb des Modells von einem aufs andere schließen kann, und sagt dann: "In der Realität passiert das und das." Vielleicht mag es übersteigert sein, dass er wirklich auf die Realität schließt; in der Praxis hat es sich aber als nützlich und recht angemessen erwiesen.


meiner Ansicht nach muss das ein sehr naiver Physiker sein, wenn er einfach so vom Modell auf die Wirklichkeit schließt. Im Modell sind es z.B. Atome, Elementarteilchen und Kräfte, tatsächlich sind es Felder. Und selbst hinsichtlich der Felder müsste gefragt werden, ob sie schon das Ende der Dekonstruktion sind. Kants Erkenntnis, wonach die Dinge an sich nicht erreichbar sind, ist so simpel, genau wie die neuere Einsicht, dass unser Gehirn sich nicht mit den Dingen, sondern mit seinen Wahrnehmungen beschäftigt, dass man meinen sollte, jeder Erwachsene des 21ten Jahrhunderts würde verstehen, dass Modelle nicht die Dinge sind, die sie beschreiben. Das ändert nichts an ihrer Brauchbarkeit im Rahmen von Applikationen, bei denen sie nur näherungsweise stimmen müssen. Es reduziert aber ihre Fähigkeit zur exakten isomorphen Beschreibung und Erklärung der Wirklichkeit auf Null.

Aber ein wesentlicherer Einwand: die Modelle der Physiker wurden konstruiert in Anlehnung an die reale Wirklichkeit; sie schließen also nicht von einer frei - aka ohne Rücksicht auf reale Vorbilder - erdachten Idee auf deren Realexistenz, sondern sind eher als eine Art technische Zeichnung von einem bereits existenten Vorbild aufzufassen. Das trifft auf das Konzept einer transzendenten Gottheit nicht zu. Da, wo Physiker versuchen, mit Modellen abgekoppelt von der physikalischen Realität umzugehen, geraten sie sehr schnell in arge Schwierigkeiten, wie die Stringtheorie zeigt.

Padreic
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So 8. Sep 2013, 02:31 - Beitrag #19

Ich will die inhaltlichen Aspekte gar nicht mehr groß kommentieren: Erstens haben wir beide unsere Ansichten klar gemacht und zweitens glaube ich, dass sie sich nicht groß unterscheiden. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass das, was du vor dir hast, nicht Gödels eigene Version seines Beweises ist. Wie man in http://io9.com/5805775/proof-of-the-existence-of-god-set-down-on-pape sehen kann, sind in Gödels Notizbuch nur logische Formeln. Die Interpretation dürfte nur mündlich erfolgt sein. Es ist davon auszugehen, dass Gödel die nicht-Behandlung der Eindeutigkeit durchaus bewusst war.


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