Glätte

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
Dämmerung
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Di 9. Sep 2014, 09:38 - Beitrag #1

Glätte

Ich nehme einen Zusammenhang wahr zwischen verschiedenen Dingen, die heute stattfinden oder die heute beliebt sind. Zum Beispiel Brazilian Waxing, die Skulpturen von Jeff Koons und das iPhone.

http://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/05/ ... beralismus

Ein Interview mit dem Berliner Philosophen Byung-Chul Han im Zeit-Magazin. Han ist sowas wie ein Shootingstar der Zunft, und das Interview zeigt ziemlich gut, warum das so ist.

Lykurg
[ohne Titel]
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Di 9. Sep 2014, 10:25 - Beitrag #2

Stimmt. Spannend - klingt in vielem sympathisch, liefert viel, was ich ähnlich sehe oder womit ich mich gut anfreunden kann. So weich, wie er vieles davon ausdrückt, dürfte er zugleich massentauglich sein.

Traitor
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Di 9. Sep 2014, 23:13 - Beitrag #3

Von diesem Interview und seinen Buchtiteln her sehe ich erstmal noch nicht, was ihn zum echten Philosophen qualifiziert, und nicht nur zum eloquenten Alltagsplauderer, der von einem Allgemeinplatz zu einem Thema munter zu einem Allgemeinplatz zu einem anderen Thema springt...

Außerdem kann er gar kein Shootingstar mehr sein, egal ob er Seinfeld guckt oder Veganer ist, denn er ist schon 55. ;)

Das meiste Alltagsgeplaudere ist dann halt auch wahr, aber für einen gebildeten Leser keineswegs überraschend oder gar verletztend. Und kommt er zu halbwegs schwierigen philosophischen Problemen, beschränkt er sich auf begründungslose Ein-Satz-Glaubenssätze:
Denken besteht darin, Ähnlichkeiten wahrzunehmen.
Das mag ein wichtiger Aspekt sein, als Allaussage ist es aber offenkundig Unsinn.
Im Absurden kann man nicht glücklich sein.
Warum nicht, obwohl Camus dazu durchaus Möglichkeiten dargelegt hat?
Intelligenz kann kein neues System, keine neue Sprache entwickeln.
Aha, warum nicht?
Der Geist ist etwas ganz anderes als Intelligenz.
Aha, aber was ist er dann?

Natürlich ist das Medium Interview beschränkt, aber dann hätte man sich halt lieber auf wenige Teilthemen beschränken und deren Tiefe zumindest andeuten sollen.

Zur als Threadtitel herausgegriffenen "Glätte": Designvorlieben sind zyklisch, die für Glätte insbesondere. War in den 50ern/60ern schonmal in, dann kam die naturalistische Hippie-Gegenbewegung. Dann in den 70ern wieder Glätte, danach die "gritty"-Phase der 80er, dann wieder Plastik-Glätte, dann Realismus-Unglätte, dann Apple-Glätte, bald wieder was anderes... Merkelsche Politikglätte ist wohl das relevantere Phänomen, aber auch keine Neuigkeit. Und könnte mit dem aktuellen Populismusaufschwung durchaus auch schon vor der Ablösung stehen.

Ipsissimus
Dämmerung
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Mi 10. Sep 2014, 09:59 - Beitrag #4

Was qualifiziert denn einen echten Philosophen? Abgehobenheit der Darstellungsweise?^^

Das mag ein wichtiger Aspekt sein, als Allaussage ist es aber offenkundig Unsinn.
das ist ein Interview^^

Warum nicht, obwohl Camus dazu durchaus Möglichkeiten dargelegt hat?
Der war ja auch eher Künstler^^

Aha, warum nicht?
Das kommt darauf an, was du unter neu verstehst. Vermutlich meint er mit so einer Aussage, dass die Intelligenz nicht ihre eigenen Voraussetzungen überschreiten kann. Intelligenz kann neue menschliche Sprachen schaffen, aber sie kann keine Sprachen schaffen, die ernsthaft auf nichtmenschlichen Voraussetzungen basieren, einfach weil wir uns solche Voraussetzungen nur in menschlicher Vorstellung vorstellen können. Wir können nicht soweit aus uns heraus, dass wir die Welt wie ein Nicht-Wir sehen.

Aha, aber was ist er dann?
Eine tödliche Frage^^ mit ungefähr einer Milliarden Antworten, oder wieviel Leute, meinst du, denken über so was nach?^^ jedenfalls halte ich die Aussage selbst für richtig

außerdem kann ein 55jähriger durchaus ein Shootingstar sein^^ wenn ich jetzt plötzlich ein erfolgreicher Schriftstller würde, wäre ich sogar ein noch älterer Shooting Star^^

Traitor
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Mi 10. Sep 2014, 20:55 - Beitrag #5

Zitat von Ipsissimus:Was qualifiziert denn einen echten Philosophen? Abgehobenheit der Darstellungsweise?^^
In die Richtung gibt er sich sporadisch ja durchaus Mühe ("das Bannoptikum ist dagegen ein Dispositiv"), mir fehlt es aber eher an Abgehobenheit der Inhalte. Sein "Ähnlichkeiten wahrnehmen" beschränkt sich zumindest in der 5-Seiten-Interview-Fassung auf reines Detailaspektaufzählen, erreicht nicht die Stufe erkenntnisschaffender Abstraktionen. Das schaffen andere durchaus auf ähnlich knappem Raum. Gerade auch für Allaussagen ist die Form keine Entschuldigung, "Zum Denken gehört es, Ähnlichkeiten wahrzunehmen." wäre auch nicht länger gewesen.

Egal, was Camus war, wenn man sich seiner Sprache bedient, kann man nicht ernsthaft hoffen, damit davon zu kommen, ihm plakativ zu widersprechen, ohne ihn auch argumentativ zu widerlegen.

Bei Intelligenz und Geist behauptet er halt einfach, ohne dass eine Argumentation auch nur implizit eindeutig enthalten wäre. Wenn er sich so todsicher ist, dass Geist != Intelligenz, dann muss er ja wohl eine Vorstellung davon haben, was Geist stattdessen ist. Diese wenigstens ganz grob zu umreißen, wäre sehr viel spannender, als nur weiter aufzuzählen, was aus dieser angeblichen Ungleichheit folgen würde.

Zitat von Ipsissimus:außerdem kann ein 55jähriger durchaus ein Shootingstar sein^^ wenn ich jetzt plötzlich ein erfolgreicher Schriftstller würde, wäre ich sogar ein noch älterer Shooting Star^^

Das war eine Anspielung auf die Acxiom-Geschichte: ;)
Zitat von Han:Konsumenten mit hohem Marktwert finden sich in der Gruppe "Shooting Stars". Sie sind zwischen 26 und 45 Jahre alt, dynamisch, stehen zum Joggen früh auf, haben keine Kinder, sind aber vielleicht verheiratet und pflegen einen veganen Lebensstil, reisen gern, schauen die Fernsehserie Seinfeld.

Marika
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Sa 3. Jan 2015, 11:57 - Beitrag #6

Ich finde das Interview lesenswert.

Besonders zu denken gibt mir seine Meinung über Frau Merkel. Ich finde sie auch zu " glatt" und auch sehr oft opportunistisch und es beunruhigt mich ein wenig, dass ich sie weder direkt sympathisch noch unsympathisch finde.
Sie ist für mich nicht einzuordnen.


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