Selbstbestimmung

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Thod
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Di 11. Sep 2001, 19:58 - Beitrag #21

Hallo Padreic,

ich halte deine Sichtweise da nicht für Konsequent. Was ist Persönlichkeit, und wo kann sowas in die Kasalitätskette eingreifen?
Ich wollte dir auch keinen Atheismus vorwerfen, sondern nur darauf Hinweisen, daß dieser eigentlich Grundlage für den Determinismus ist, den du zu vertreten scheinst.

Außerdem widerspricht er jeglicher menschlichen Grundmotivation, und auf diese Weise endet eigentlich alles direkt in einem Fatalismus, den ich bei dir nicht feststellen kann.

(Das ganze nennt man übrigends 'Widerspruch im Vollzug' ;) )

Gruß,
Orald

Padreic
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Di 11. Sep 2001, 20:30 - Beitrag #22

@Orald
Persönlichkeit ist je nach Weltbild definiert, dein Körper, deine Erinnerugen und vielleicht auch deine nichtstoffliche Seele.

Dein Persönlichkeit gehört jeweils zu dem Ausgangszustand, aus dem mit den Naturgesetzen, ein neuer Zustand gebildet wird.

Fatalismus bringt nichts. Ich hatte solche Momente, aber es besteht ja immer noch die Gefahr (bzw. Hoffnung), dass ich mich irre, und so wäre es ziemlich blöd, sich dem Schicksal zu ergeben. Und wenn meine Theorie stimmt, kann ich genauso gut einfach weitermachen, wie ich mich meinem Schicksal ergeben kann. Es ist dann determiniert und so ist es vorbestimmt, wie ich mich verhalte und so kann ich mich nicht dagegen wehren. Also ist Fatalismus Schwachsinn.

Padreic

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Di 11. Sep 2001, 20:39 - Beitrag #23

Hi Padreic,

das erklärt ja dann zumindest dein Posting im Zufriedenheits-Thread.
Daß Persönlichkeit überall anders definiert ist, das ist mir schon klar ;) . Deshalb hab ich ja nach deiner Definition gefragt.
Dein Persönlichkeit gehört jeweils zu dem Ausgangszustand, aus dem mit den Naturgesetzen, ein neuer Zustand gebildet wird.

Dieser Satz sagt mir nichts. Wenn aus einem Zustand mit Naturgesetzen ein anderer werden soll, dann meinst du damit warscheinlich das Kausalitätsprinzip, oder?
Bewegung wird ansonsten klassisch durch die Akt-Potenz-Lehre wiedergegeben, aber ich unterstelle dir jetzt mal, daß du die nicht kennst :cool:
Wenn meine Persönlichkeit immer zum Anfanszustand gehört, dann gab es sie schon immer, und wenn kraft Kausalität mir ihr ein neuer gebildet wird, dann sind wir ja beim Determinismus, wie du ja zugibst. Was Persönlichkeit aber ist, daß erklärst du nicht. Impliziert ist allerdings, daß es keine Ethik geben kann. Die Sicht enspricht somit der von Traitor, im Thread über Religion, Rassissmus u.a.

Was verstehst du nun unter Persönlichkeit, und gibt es nun sowas wie Freiheit, oder nicht?

Gruß,
Orald

Padreic
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Di 11. Sep 2001, 20:59 - Beitrag #24

@Orald
Nach 9 Minuten eine solche Antwort gepostet? Wie oft gehst du eigentlich so durch die Foren durch?

Ich definiere Persönlichkeit über das, was man aus einer bestimmten Situation heraus denkt und tut. Genauer ist mein Weltbild hier leider nicht.

Was ist Freiheit?

Und ich frage dich, worauf deine Entscheidungen basieren, wenn nicht auf dem, was ist und was war. Ich persönlich könnte mir nur Zufall denken, aber ich denke nicht, dass du von ihm redest.

Wenn du mit dem Zufriedenheitsthread, den Seelenfriedenthread meinst, will ich dazu noch anmerken, dass ich das vor einem Monat gepostet habe (lange her *g*) und das meine damalige Unzufriedenheit nicht auf Ohnmachtsgefühlen gegenüber dem Schicksal basierte.

Padreic

Thod
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Di 11. Sep 2001, 21:07 - Beitrag #25

Hallo Padreic,
Nach 9 Minuten eine solche Antwort gepostet? Wie oft gehst du eigentlich so durch die Foren durch?

nu, wenn du noch mit der Stopuhr daneben sitzen kannst, dann bin ich wohl immer noch zu langsam...:s10:
Und ich frage dich, worauf deine Entscheidungen basieren, wenn nicht auf dem, was ist und was war. Ich persönlich könnte mir nur Zufall denken, aber ich denke nicht, dass du von ihm redest.

Die meisten Handlungen sind meiner Meinung nach Kausal. Da hast du wohl recht, aber es gibt eine innere Einstellung, welche Motivation begründet. Hier kann ich mich in letzter Konsequenz für mich, oder für andere entscheiden. Darin liegt Freiheit für mich.
Ohne jedoch eine größere Umfelddiskussion, ist das aber wohl wirklich nicht einfach nachzuweisen. Ich gehe halt von der Grunderfahrung aus, und letztlich davon, daß all meinen Handlungen das Freiheitsgefühl zu grunde liegt. Über die Analogia Entis (hab sie mal beschrieben, ist aber gelöscht) finde ich es nur plausibel, daß dem, was ich so tief empfinde, auch Wirklichkeit zukommt. Alles andere scheint mir erklärungsbedürftiger.

Was den Seelenfrieden angeht, ja den meinte ich. Aber so außeinanderreissen kannst du dich nun auch nicht. Die Position, die du heute vertrittst, ist sicher in deiner Mentalität grundgelegt, und war unbewußt auch letzten Monat und auch viel früher schon prägend. Jetzt kommt sie durch Reflexion halt konkreter zum Verschein, ist aber sicher nicht neu. Ich hoffe, du wirst diese Frage noch eine ganze Weile mit der tragen, bevor du sie zu den Akten legst...

Gruß,
Orald

Padreic
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Di 11. Sep 2001, 21:29 - Beitrag #26

@Orald
Ich brauch keine Stoppuhr. Warum stehen wohl unter den Postings Zeiten *g*?

Deine Grunderfahrung ist aber doch auch eine Tatsache, aus der nachher wieder andere Tatsachen, wie z. B. deine Entscheidungen folgen.

Aber ich fürchte, dass wir in diesem Punkt nicht einig werden.

Meine Einstellung zu diesem Thema ist mir schon des längeren bewusst und auch oft reflektiert und habe es auch schon vor Monaten in die Matrix gepostet. Aber über das Thema hatte ich auch wirklcih längere Zeit nicht mehr nachgedacht. Vielleicht haben meine Reflexionen über meinen damaligen Seelenunfrieden auch nicht zum vollständig richtigem Ergebnis geführt.

Padreic

Thod
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Di 11. Sep 2001, 21:50 - Beitrag #27

Hi Padreic,
Deine Grunderfahrung ist aber doch auch eine Tatsache, aus der nachher wieder andere Tatsachen, wie z. B. deine Entscheidungen folgen.

Das bestreite ich ja nicht, aber da das die Kausalitätskette nicht druchbricht, ist diese Erfahrung in bezug auf Freiheit wertlos.

Gruß,
Orald

Traitor
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Do 13. Sep 2001, 15:23 - Beitrag #28

Was ist Determinismus? Erklärt mir das bitte mal, damit ich besser mitreden kann!:s11:

Also, Orald, ich erkenne keinen Bruch in meiner Ansicht. Mit "freiem Willen" meine ich folgendes:
Alles was wir tun wird durch die bereits aus vorherigen Entscheidungen gebildete Persönlichkeit und die aktuellen Umstände bestimmt. Aber ich sehe es nicht so, dass wie Padreic am Anfang zu sagen schien, alles von Anfang an vorherbestimmt ist. Unser "freier Wille" ist nicht wirklich frei, nur sind die biologischen Gehirnaktivitäten so komplex, dass es sich so auswirkt, und da der HAuptfaktor unsere Persönlichkeit ist, bestimmen wir im Endeffekt auch selber.

Padreic
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Do 13. Sep 2001, 17:58 - Beitrag #29

@Traitor
Determinismus: Lehre von der kausalen (Vor)Bestimmtheit állen Geschehens und der Unfreiheit

Wenn alles was wir tun über unsere vorherigen Entscheidungen und die aktuellen Umstände bestimmt ist, kann man über vollständige Induktion (ja, ja, wir Mathematiker *g*) sagen, dass alles, was wir tun, determiniert ist.

@Orald
Ich will ja nur darlegen, dass alles determiniert ist.

Padreic

Traitor
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Do 13. Sep 2001, 19:17 - Beitrag #30

Wenn alles was wir tun über unsere vorherigen Entscheidungen und die aktuellen Umstände bestimmt ist, kann man über vollständige Induktion (ja, ja, wir Mathematiker *g*) sagen, dass alles, was wir tun, determiniert ist.


Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Was hat da Induktion mit zu tun? Der Determinismus sagt ja anscheinend aus, dass alles von Anfang an vorherbestimmt und zwangsläufig ist. Wie du das aus meiner Aussage herausbeweisen willst, sehe ich nicht. Erkläre das doch bitte noch etwas genauer.

Padreic
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Do 13. Sep 2001, 19:36 - Beitrag #31

@Traitor
Machen wir das ganze mal mathematisch. Sprache ist so beschränkt.

Entscheidung n: Momentane Situation
Aus k-1 (letzte Entscheidung) folgt k: Entscheidung eines Zeitpunktes folgt aus dem momentanen Zustand und den letzten Entscheidungen. Gilt also, wenn man annimmt, dass sich die Änderung des kompletten Zustands auf Grund der gleichen Verhältnisse verhält wie die Entscheidungen (oder bestreitest du das? Das würde das ganze etwas anders machen).

Daraus folgt: Alle Entscheidungen sind nach der ersten zwangsläufig.

Padreic

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Fr 14. Sep 2001, 15:51 - Beitrag #32

Hallo zusammen,

was ich zum Determinisums eigentlich nur sagen möchte ist, daß selbst wenn er vorhanden wäre, kein Mensch in der Lage ist, ihn in seinem aktiven Lebensvollzug zur Grundmaxime zu machen wir alle sind so (von mir aus auch determiniert) daß wir uns mit jeder Phase unseres Körpers letztlich gegen in wenden.

Das schein mir schon Grund genug zu sein, davon auszugehen, daß wir mit aller Macht auf ein weiterführendes Modell verwiesen sind. Ganz im Gegensatz z.B. zu Pflanzen.

Gruß,
Orald

Ipsissimus
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Do 19. Sep 2013, 12:39 - Beitrag #33

interessant, dass dieses Thema schon früher die Gemüter erhitzt hat^^ wobei ich immer noch nicht nachvollziehen kann, wie ein logisch denkender Mensch auf der Vereinbarkeit von Determinismus und persönlicher Schuld beharren kann. Determinismus behauptet, dass jede einzelne Entscheidung alternativlos ist, wir also keinerlei Wahl haben, und Schuld ist die Folge falscher Wahl. Wie geht das zusammen?

Traitor
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Do 19. Sep 2013, 13:31 - Beitrag #34

Zitat von Ipsissimus:interessant, dass dieses Thema schon früher die Gemüter erhitzt hat^^
Mindestens seit den alten Griechen. ;) Aber matrixintern sind da einige weniger alte Threads deutlich ergiebiger, u.a. der, der und der. (Den meinem Gefühl nach "klassischsten" Freiheits-Thread habe ich noch nicht wiedergefunden.)
Zitat von Ipsissimus:wobei ich immer noch nicht nachvollziehen kann, wie ein logisch denkender Mensch auf der Vereinbarkeit von Determinismus und persönlicher Schuld beharren kann.
Beides sind Konzepte mit deutlich verschiedenem Bezug: Die Frage nach Determinismus oder nicht, Willensfreiheit oder nicht ist eine über die Verfasstheit der Welt an sich. Es geht darum, die Begriffe so zu definieren, dass sie zutreffen. Schuld dagegen ist ein soziales Konstrukt, es geht nur darum, sie so zu definieren, dass sie nützlich ist.
Zitat von Ipsissimus:Determinismus behauptet, dass jede einzelne Entscheidung alternativlos ist, wir also keinerlei Wahl haben
Diesen Begriffskomplex muss man auf jeden Fall detaillierter aufdröseln, als ich das mit 15 gewillt oder (peinlicherweise auch nur vokabulartechnisch) in der Lage war. In langen Diskussionen mit Maurice und e-noon (u.a. der oben verlinkten, aber es muss noch mindestens eine frühere gegeben haben) hat sich ja die Trennung von starker Willensfreiheit und "Handlungsfreiheit" herauskristallisiert; außerdem muss man zwischen starkem und schwachem Determinismus, aka Mechanismus vs. Kausalismus, aka beidseitige Kausalkettenverfolgbarkeit vs. nur rückwärtsgewandte, aka kein Zufall vs. Zufall, unterscheiden.
Zitat von Ipsissimus:und Schuld ist die Folge falscher Wahl.
Definiere "falsch". Für einen Theisten oder anderen moralischen Absolutisten ist das einfach; für Utilitaristen oder sonstige Konstruktivisten ein komplexes Feld. In einem kausalistischen oder gar deterministischen Weltbild können Schuld und "Falschheit" nicht als "dem gottgewollten/richtigen/vorherbestimmten Verlauf entgegen" definiert werden, sondern nur als "einem gegebenen Nutzenkalkül nach nicht die beste Möglichkeit". Die spannenden Fragen sind dann, ob man nur die beschränkte Perspektive des Individuums für seine Schuldbemessung gelten lässt, oder ihm auch Schuld an Dingen, die er nicht überblicken konnte, zuschreibt, und ob man in einer Situation, die nur schlechte Optionen zulässt, immer noch absolute Schuld verhängt, oder die beste schlechte Option als schuldfrei zulässt. An keiner Stelle aber erfordert ein derartiger Schuldbegriff starke Willensfreiheit; schwache nur je nach Beantwortung der Detailfragen in unterschiedlichem Grade.
Zitat von Ipsissimus:Wie geht das zusammen?
Logisch kombinierbar sind wie ausgeführt fast alle Varianten dieser zwei Konzepte. Meine Meinung von 2001 kann ich leider selbst nicht mehr 100%ig rekonstruieren - in den ersten Beiträgen scheine ich noch starke Willensfreiheit zu vertreten, in den späteren dann nur noch schwache. Irgendwann in dieser Zeit habe ich meine Meinung auch tatsächlich derart geändert, da mir erstere immer unplausibler erschien (vor allem durch das "frei wovon eigentlich?"-Argument), also kann das vielleicht sogar genau während dieses Threads gewesen sein...
Heute vertrete ich ein kausalistisches, aber nicht deterministisches Weltbild und einen sehr stark konstruierten Schuldbegriff, von dem ich aber weiß, dass er schwer kommunizierbar ist und die übliche Bedeutung des Wortes arg dehnt; da ich Verantwortung aber gleichzeitig als eng damit verbundenen, aber klar unabgängigen Begriff nutze und kein weiteres geeignetes Halb-Synonym kenne, muss ich bisher bei "Schuld" bleiben.

Ipsissimus
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Do 19. Sep 2013, 15:02 - Beitrag #35

ja, das waren teilweise noch heiße Diskussionen^^

Definiere "falsch"
Jene Wahl, die Beobachter dazu bringt, mir Schuld zuzuweisen^^

ich empfinde übrigens eine Aufdröselung entlang philosophischer Konzepte als gegenstandslos, sofern durch diese Aufdröselung die Grundaxiome verschleiert werden. Der strenge Determinismus behauptet die apriori- Unmöglichkeit von Variantenbildung im Gesamt-Ereignisbaum. Jedes Konzept von Freiheit oder Entscheidung und deren Konsequenzen, das sich diesem Grundaxiom nicht vollinhaltlich stellt, spricht über was auch immer, aber nicht über den strengen Determinismus.

Traitor
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Do 19. Sep 2013, 21:08 - Beitrag #36

Definiere "falsch"
Jene Wahl, die Beobachter dazu bringt, mir Schuld zuzuweisen^^
Eigentlich eine schöne Definition - aber ich fürchte, wenn man sie ernst nimmt, führt sie zu wirklich heißen Diskussionen. ;)

Eine Aufdröselung (Aufschlüsselung, genauere Betrachtung, Analyse) kann ja wohl zu keiner Verschleierung führen. Höchstens eine fehlgeschlagene.

Starker Determinismus ist ausschließlich mit Interpretationen von "Freiheit" kompatibel, die diese als geeignete effektive Beschreibung letztlich im Kleinen doch determinierter Prozesse auffassen, oder von Teilbereichen der Freiheit von anderen Dingen als der Determiniertheit an sich, beispielsweise und insbesondere der Freiheit von äußeren Zwängen.

Ipsissimus
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Do 19. Sep 2013, 22:48 - Beitrag #37

Eine Aufdröselung (Aufschlüsselung, genauere Betrachtung, Analyse) kann ja wohl zu keiner Verschleierung führen. Höchstens eine fehlgeschlagene.
hast du in Diskussionen noch nie das Gefühl gehabt, dass es eine Flucht in die Komplexität gibt, deren vornehmste Aufgabe darin besteht, sich der unerwünschten Einsicht in eigentlich einfache Sachverhalte zu verschließen?

Traitor
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Fr 20. Sep 2013, 13:15 - Beitrag #38

Doch, natürlich. (Sans les nommer... ;)) Wobei ich das dann eher als Flucht in die Komplexifizierung bezeichnen würde. Denn wo echte Komplexität bereits vorliegt, gibt es eben keine einfachen Einsichten, sondern man muss die Komplexität abarbeiten.
Im vorliegenden Fall muss man genau hinschauen, welche Relationen logisch ausgeschlossen sind, und welche annehmbare oder ablehnbare, nur auf Plausibilitäts- und Nützlichkeitsebene bewertbare Glaubenssätze. Und dafür muss man erstmal alle Axiome und Hypothesen klassifizieren.
Macht man das genau genug, ist man wohl bei Maurices geliebter "analytischer Philosophie" (auch, wenn ich deren Definition nie ganz erfasst habe). Aber ganz so weit muss man vielleicht nichtmal gehen, eine halbwegs in Alltagssprache bleibende "aufdröselnde Philosophie" mag zumindest für eine Schärfung der Debatte ausreichen. ;)

Ipsissimus
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Fr 20. Sep 2013, 14:04 - Beitrag #39

Vielleicht tue ich Maurice Unrecht. Aber ich hatte (und habe immer noch, auch nach Neulektüre) bei seinen Statements allzuoft den Eindruck, dass die Art, in der er (und viele, viele andere Philosophen, einschließlich der bedeutendsten) Philosophie treibt, eine Flucht vor der unsauberen Wirklichkeit darstellt. Scharfe Definitionen führen im Rahmen modellhafter Rekonstruktionen zu Eindeutigkeit, aber wenn dafür die unendlich vielfältig verwobenen Schatten, unscharfen Kanten und ineinander fließenden Übergänge der Realität geopfert werden, kann ich das Modell nicht mehr als Werkzeug zur Beschreibung der Wirklichkeit ernst nehmen. Menschliche Lebenswirklichkeit ist nicht eindeutig.

Traitor
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Sa 21. Sep 2013, 10:45 - Beitrag #40

Über Maurice möchte ich in Abwesenheit keine weiteren Analysen anstellen. ;)

Dass Philosophie oft nur eine Flucht ist, aus Ausreden besteht, das unterschreibe ich sofort. Und anscheinend können wir uns plötzlich sogar auf eine Art Nützlichkeitskriterium für philosophische Konzepte einigen? Das wäre ja mal was.

Die analytische Zerlegung eines Problemfeldes in seine klar abgrenzbaren Aspekte kann immer nur der erste Schritt sein. Hat man die vollzogen, und zusätzlich einen groben Überblick über die nichterfassten Restbereiche (wichtig), muss man anfangen zu überlegen, wieviel man davon mit einer tragfähigen und in sich schlüssigen Erklärung abdecken kann, und ob die Vernachlässigung des Restes akzeptabel ist. Ist man damit nicht zufrieden, hat man das Problem falsch analysiert und/oder die falschen Schlüsse gezogen. Ist man zufrieden, heißt das aber noch lange nicht, dass Andere einen nicht auf grobe Versäumnisse aufmerksam machen werden.

Allerdings ist auch zu beachten, dass viele Themen der Philosophie gar nichts mit der "menschlichen Lebenswirklichkeit" zu tun haben und sich deshalb auch nicht allzu genau um deren Komplexitäten scheren müssen. Viele Fragen, etwa die nach Ende und Anfang, Gott, freiem Willen, haben letztlich nichts mit der Lebenswirklichkeit zu tun, da die Lebenswirklichkeit immer nach einem "als ob" funktioniert. Relevant ist also nur, ob die philosophischen Konzepte "an sich" schlüssig und weltkompatibel sind, und welche Auswirkungen ihre Publikation und Adaption auf das zukünftig geführte "als ob"-Leben haben kann. Nicht, ob sie das bisherige "als ob" getreu modellieren.

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