Kind Wiedergeboren?
Eigentlich war sie nie ein normales Kind. Sie heißt Ha Thi Khuyen und ist mittlerweile 13 Jahre alt. Geboren und aufgewachsen ist sie im Dorf Buoc, in der Kommune Lam Phu, innerhalb der zentralen Provinz Thanh Hoa Vietnams. Bereits mit 8 Monaten konnte sie gehen und laufen. Mit rund 12 Monaten konnte sie sprechen.
Doch was für die Eltern, Ha Van Loi und seine Frau Lo Thi Son, am erstaunlichsten war, war die Tatsache, dass die kleine Khuyen stets erklärte, dass sie nicht ihre Tochter sei. Niemals nannte sie ihre Eltern Vater und Mutter, statt dessen rief sie beide mit Schwager und Schwägerin. Auch gab sie häufig Auskunft über ihre Herkunft. Nicht aus Buoc stamme sie, sondern aus einem Dorf namens Van.
Dieses Dorf, so der Bericht des japanischen Fernsehkorrespondenten Hong Van, konnte später als im selben Bezirk Lang Chanh liegend lokalisiert werden, in dem auch das Dorf Buoc ist. In Van hätte sie gelebt und - so unterbreitete Khuyen immer aufs Neue ihren erstaunten Eltern - dort sei sie auch durch einen Unfall ums Leben gekommen.
Die Recherche von Hong Van, einem Vietnam-Korrespondenten des japanischen Fernsehsenders NHK , ergab, dass beide Dörfer lediglich 10 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt liegen. Der Kontakt der beiden Dörfer untereinander ist jedoch äußerst eingeschränkt, da beide durch eine Bergkette getrennt sind. Die Straße, die Van und Buoc miteinander verbindet ist in einem schlechten Zustand weit über 100 Kilometer lang.
Doch als im letzten Sommer eine Bewohnerin aus Van in das Nachbardorf Buoc kam, erkannte die kleine Khuyen sie sofort. Sogleich, so Hong Van, lief sie auf die Frau zu und fragte sie, ob sie sie nicht erkennen würde. Doch die Frau verneinte. Khuyen aber blieb beharrlich und erzählte der Frau folgende Geschichte: »Ich bin Chuan, mein Vater heißt Liem und wohnt im Dorf Van. Vor 10 Jahren bin ich dort gestorben. Und nun bin ich hier wiedergeboren.«
Als die Frau in das Dorf Van zurückkehrte berichtete sie von der kleinen Khuyen. Tatsächlich konnten Dorfbewohner den Tod eines Mädchens bestätigen, der ungefähr 10 Jahre zurück lag. Als sich dann eine Tante des verstorbenen Mädchens in das Nachbardorf aufmachte, erlebte sie schier Unglaubliches. Khuyen erkannte sie schon von Weitem und lief ihr glücklich entgegen: »Tante Thuan? Warum sind Sie hier?« rief sie. Doch Thuan erkannte sie nicht. Das Mädchen aber insistierte: »Ich bin Chuan, Tochter von Liem. Ich starb, nachdem ich einen Pfirsichsamen verschluckt habe. Du versuchtest mich noch in ein Krankenhaus zu bringen. Doch ich verstarb auf dem Weg dorthin in deinen Armen.«
Am 18. August vergangenen Jahres besuchte Khuyen dann das Dorf ihrer alten Familie. Khuyen erkannte ihre komplette Familie, fiel auf einen Täuschungsversuch des Onkels nicht herein, indem sie das Elterhaus richtig identifizierte und wies von ihren Gesichtszügen eine deutliche Ähnlichkeit mit den »Alt-Verwandten« auf. Laut Hong Van ist der Glaube an die Reinkarnation in der vietnamesischen Provinz Thanh Hoa sehr ausgeprägt. Während seine Recherchen konnte er allein fünf ähnliche Fälle sammeln.
Aus Sicht von Khuyen spielte sich die Wiedergeburt folgendermaßen ab: Während ihres eigenen Begräbnisses sah sie ihre künftige Mutter stehen, die voll Trauer und Sympathie für das ihr unbekannte, tote Kind gewesen ist. In großer Hast sprang sie daraufhin in den Bauch der Frau, der sich ihr ähnlich wie ein Känguru-Beutel darstellte. »Seitdem«, so Khuyen »läuft mein zweites Leben.«