Interesse am Alten vom Berge

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So 26. Mai 2002, 15:32 - Beitrag #1

Interesse am Alten vom Berge

Hy!
Ich habe die Diskussion um die Illuminaten verfolgt und bin dabei auf einen Beitrag von Monoceros gestoßen, indem die Rede von einem "Alten vom Berge" ist.
Neugier ist erwacht und ich werde ihr fröhnen, solange es geht...
Wer oder was war/ist der Alte vom Berg?
Aus welchem Kulturkreis kommt die Sage/Legende/Geschichte?
Hat er was mit dem Grafen von St. Germain zu tun?
Oder mit "Also sprach Zarathustra"? (vielleicht hat auch Zarathustra was vom Alten... schließlich ließ Nietsche Z. vom Berge steigen... gelesen hab ich ihn allerdings noch nicht).

Monoceros
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So 26. Mai 2002, 16:00 - Beitrag #2

Hassan i Sabbah

Hallo Seeker,

der Alte vom Berge ist keine Legende, man ist sich ziemlich sicher, dass es ihn wirklich gegeben hat. Er war der Anführer der berühmten Assassinen und Gründer der Festung Alamut. Man kann ihn als einen der ersten großen islamischen Fundamentalisten bezeichnen, der vor allem gegen Ende des 11.Jh. n.Chr. versuchte, die unterschiedlichen Strömungen des Islam (Suniten und Schiiten) wieder in dem einzig wahren Islam zu vereinigen. Die Assassinen bildeten einen Geheimbund von Mördern, aus Aufzeichnungen von Marco Polo (von dem wir das meiste Wissen über die Assassinen haben) geht hervor, dass es sich dabei wahrscheinlich um religiös motivierte Selbstmordkommandos (bzw. -attentäter) gehandelt hat. Der Bund der Assassinen überlebte Hassan i Sabbah noch einige Zeit und sorgte auch im Lager der Kreuzfahrer unter Richard Löwenherz für Aufruhr.
Ich habe auch noch einen Literaturhinweis dazu gefunden, "Die Assassinen - Zur Tradition des religiösen Mords im Islam" von Bernhard Lewis, kenne das Buch allerdings bislang nicht aus eigener Anschauung.

Monoceros

Fry
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So 26. Mai 2002, 20:07 - Beitrag #3

Ich kann dir etwas aus dem Buch "Marco Polo" von Rudolf Harms anbieten. Grundlage für den Roman waren verschiedene Übersetzungen aus den letzten Jahrhunderten.

In dem Abschnitt erzählt Marco in einem Brief an seinen Vater wie er dem Khna die Geschichte vom "Alten vom Berge" erzählt.

Er hieß Aloeddin und seine Religion war die des Mohammeds. In einem lieblichen, von zwei Bergeneingeschlossenen Tale hatte er einen überaus herlichen Garten anlegen lassen [...]

Paläste von mannigacher Größe und Form waren auf verschiedenen Terrassen überienander gebaut [...]

An anderen Orten flossen ganze Bäche von Wein, Milch und Honig.
In den Palästen hielten sich die allerschönsten Mädchen des Landes auf [...]

Diesen Garten hatte Aloeddin nicht ohne Nebenabsichten anlegen lassen. Mohammed hatte nämlich denen, die seinen Geboten folgten, die Freuden des Paradieses versprochen [...]

Nun wollte Aloeddin bei seinen Anhängern verbreiten, daß auch er eiin Prophet sei, Mohammed ähnlich, und daß er die Macht habe , seinen Günstlingen Einlaß ins Paradies zu verschaffen. [...]

An seinem Hof hielt er auch eine Anzahl Jünglinge zwischen zwölf und zwanzig Jahren [...] die kriegerische Fähigkeiten zeigten und besonders kühn waren. Ihnen schilderte er täglich das vom Propheten verkündete Paradies und sprach von seinem Willen sie darin einzuführen.

Zu gewissen Zeiten ließ er eine Reihe von Jünglingen Haschisch geben und sie, sobald sie in todesähnlichen Schlaf versanken, in verschiedene Zimmer der Paläste schaffen [...]

Nach vier oder fünf Tagen wurden die Jünglinge erneut in Schlaf versenkt und heimlich aus dem Garten geschafft. Nach ihrem Wiedererwachen kamen sie vor Aloeddin. Auf seine Frage wo sie gewesen seien, sagten sie: >Im Paradies. Dank eurer Gnade< [...]

> Wenn ihr treu meinem Gebot nachkommt und meinen Befehlen gehorcht, wartet euch dieses glückliche los< sagte Aloeddin [...]

Erregte irgendein benachbarter Herrscher das Mißfallen Aloeddins, so war es unweigerlich um sein Leben geschehen. Aloeddin ließ ihn durch die von ihm dazu erzogenen Muchelmörder umbringen, die das Volk hashshashin, Haschischesser nannte( Das Wort erhielt sich im Französischen als assassin - feiger Totschläger) [...]

[...] es gab keinen noch so mächtigen Mann, der, wenn er sich einmal die Feindschaft des "Alten vom Berge" zugezogen hatte, dem Tod durch Meuchelmord hätte entgehen können.


Gestürzt wurde er laut Marco Polo dann von dem Bruder Kublai Khans. Mangu Khan (nach Belagerung hingerichtet, "Paradies" wurde zerstört:( :D )

Na ja danach wurden, laut Überlieferung, zwei seiner Jünger abtrünnig riefen sich selber zum Propheten aus. Einer in "Khusistan" heutiges Kurdistan und der andere in Damaskus.

Der in Damaskus hat dann alles nachgemacht und wurde dann der "Alte von Syria" und der hätte fast König Edward von Britanien kalt gemacht. Na ja und von dem gibts auch noch Storys. Er hat am meisten Verwirrung bei den Kreuzfahrern gestiften wurde aber auch selber von ihnen angeheuert um Machtkämpfe untereinander zu "beschleunigen".

Monoceros
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So 26. Mai 2002, 23:53 - Beitrag #4

Danke für die Auszüge aus Marco Polos Schriften. Anmerken sollte man an dieser Stelle vielleicht noch, dass die Forschung heute nicht mehr davon ausgeht, dass die Ausbildung zum Assassinen, wie Marco Polo sie beschreibt, sich so gestaltet hat. Vor allem die Zufuhr von anderen Drogen wie Haschisch ist umstritten: Zwar war diese Droge durchaus bekannt und wurde auch eingesetzt, aber wahrscheinlich nicht bei den Assassinen. Wie die Forscher zu diesem Urteil gelangt sind, kann ich allerdings nicht sagen.

Monoceros

Fry
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Mo 27. Mai 2002, 03:12 - Beitrag #5

Yep, da hast de völlig recht. Die ganze Geschichte mit Marco Polo is ja immer noch umstritten: hat er nun die Reise gemacht oder es sich alles ausgedacht oder wenigstens viel davon erfunden.

Ich denke er hat da ne menge dazugedichtet um das alles interesanter zu machen. Na ja is ja auch ein Kassenschlager geworden:D

Traitor
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Mo 27. Mai 2002, 10:06 - Beitrag #6

So viel ich weiß, gibt es doch sogar Vermutungen, dass Marco Polo gar nicht existiert hat, bzw nicht selber geschrieben hat, und seine "Bücher" von anderen Autoren ihm zugedichtet wurden?

syco23
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Di 28. Mai 2002, 00:43 - Beitrag #7

jedem, der siche für das thema interessiert, kann ich nur das buch "vom rausch im orient und okzident" von redolf gelpke empfehlen. da wird das thema assissinen zwar nur in einem kapitel (ca. 10-30 seiten) genau behndetl, doch das ganze wird dort unter dem aspekt des rausches, der rolle das rausches im orent, der kultur des orients, etc. behandelt. von der ersten bis zur letzten seite sehr lesenswert!!

zu den assassinen sagt rudolf gelpe etwa folgendes: der name assassinen kommt sicher nicht von ungefähr (assassinen bedeutet haschischleute). darüber, was damit genau gemeint war, kann man allerdings nur spekulieren. gelpke vermutet wie m. polo, dass mit hilfe haschisch, opium und wein junge männer beteubt wurden, und in einem schlafähnlichen zustand in das künstliche paradies des "alten" gebracht wurden. der "alte" machte sich somit zu einem gott, der seinen untertanen den weg ins paradies bringen kann - allerding nur unter der bedingung des uneingeschränkten gehorsams. zu diesem gehorsam gehörte auch das ausüben von attentaten. so wie heute war es den attentätern durchaus recht, dabei zu sterben, da der weg ins paradies ja offenstand... dass sich das ganze zumindest in etwa so abgespielt hat ist sehr wahrscheinlich...
.. gelpe stellt auch die vermutung auf, dass die droge haschisch selbst keine rolle im bund der "haschischleute" spielte, sondern .........
... ui, jetzt wirds kompliziert, ganz genau erinnern kann ich mich auch nicht. auf jeden fall war haschisch wie opium (im gegensatz zu wein) die droge der armen. somit konnte das wort haschisch auch einfach für die untere gesellschaftsschicht stellen, der die "haschischleute" anghörten. auch gewisse emotionen und gefühle wurden mit haschisch opium und wein verbunden, sodass nach gelpke in alten gedichten (wie zum beispiel von hafis) bei der nennung dieser drogen meist nur ebendiese gefühle gemeint sind. vielleicht war es einfach das verblendete wesen und die art der sekten-anhänger, was die menschen "haschischleute" in ihnen sehen ließ. diese metaphorische sprache dieser zeit ist es auch, die es uns heute so schwer macht, gewisse dinge aus dieser zeit zu rekonstruieren.

naja, ich hoffe es war einigermaßen verständlich. bei interesse einfach "rausch im orent und okzident" lesen!

syco

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Di 28. Mai 2002, 17:27 - Beitrag #8

Danke Leute!
Na, da lag ich ja wohl etwas daneben mit Zarathustra.
Über Marco Polo hat sich meine Freundin mal zwei "historische" Romane gekauft, aber bis jetzt noch nicht gelesen. Vielleicht fange ich damit einmal an.

Gruss,
Seeker

Ipsissimus
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Mi 30. Okt 2013, 15:36 - Beitrag #9

der "Alte vom Berge" ist neben den angesprochen Bezügen zu den Hashishim (wörtlich "Haschischessser - "Assassinen" ist eine sehr moderne Wortschöpfung) auch ein Topos im Konfuzianismus und im Taoismus. Im Konfuzianismus besetzt er das Ideal eines Weisen, der sich in seinen letzten Lebensjahren als Einsiedler zurück zieht, aber von seinen Schülern aufgesucht werden kann und dann immer adäquaten Rat für ihre Probleme weiß. Im Taoismus ist er der Archetyp eines heiligen Mannes, der sich der heillosen Verworfenheit seiner Zeit durch inneres oder äußeres Exil vollkommen entzieht. Laotse selbst wurde später der Ehrentitel "Alter vom Berge" gegeben.

Traitor
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Mi 30. Okt 2013, 21:18 - Beitrag #10

Bestehen da denn irgendwelche intendierten Rückbezüge in der Benennung der islamischen Figur auf die ostasiatischen? Ich hätte rein zufälligen Parallelismus erwartet, wie er weltweit sicher bei zig Zweitworttiteln auftritt.

Maglor
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Mi 30. Okt 2013, 22:13 - Beitrag #11

Bei den Ismailiten handelt es sich um eine schiitische Splittergruppe mit einem äußerst schlechten Ruf. Das Abendland griff die bereits im Orient kursierenden Gerüchte um die angeblich so geheimnisvolle Gemeinschaft. Angeblich besteht ein Zusammenhang zur Gnosis.
Der aktuelle Immam der Assaninen Aga Khan IV. residiert in Frankreich.

Ipsissimus
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Mi 30. Okt 2013, 22:40 - Beitrag #12

das weiß ich nicht genau, Traitor; es ist aber ohne weiteres denkbar, dass über Handelsbeziehungen islamische gelehrte ziemlich gut über chinesische Philosophie Bescheid wussten.

Nun ja, Maglor, die Hashishim haben Haschisch geraucht. Zum einen hatte das praktische Bedeutung für den Stressabbau, zum anderen ist Haschisch ein seit Jahrtausenden in religiösen Riten gebrauchtes Rauschkraut. Es ist denkbar, dass ihre Visionen Ähnlichkeiten zu gnostischen Lehren aufwiesen.

Maglor
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So 10. Nov 2013, 13:06 - Beitrag #13

Es ist keineswegs gesichert, dass die Nizari Ismailiten Haschisch konsumierten. Vielmehr handelt es sich um ein Vorurteil der Sunniten, dass später durch Marco Polo ins Abendland gebracht wurden. Da sie den Nizaris unterstellten, keine echten Muslime zu sein, war es nur folgerichtig, dass sie insgeheim Sex- und Drogenorgien abhielten. Der theologische Hintergrund ist, dass sie einen anderen für den Imam hielten und sie daher natürlich keine Muslime waren.

Tatsächlich war der Konsum von Haschisch, ebenso wie der von Wein in der mittelalterlichen islamischen Welt (oder noch bis in die jüngste Zeit) weit verbreitet, obwohl bekanntlich ein religiöses Verbot bestand.


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