Sind Feindschaft und Hass lebenswichtig?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Thod
Harfner des Erhabenen
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Di 18. Feb 2003, 17:37 - Beitrag #21

Ja, das kenne ich schon auch. aber bei genauerer Betrachtung liegt es doch meist an unserem Blick und nicht (nur) an der anderen Person.

Gruss,
Thod

e-noon
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Di 25. Dez 2012, 23:45 - Beitrag #22

Hass ist für mich in erster Linie etwas, das mit Selbstzerstörung zu tun hat. Indem ich jemanden hasse, räume ich einem erklärten Feind die Macht ein, mein Denken zu bestimmen. Selbsthass ist die logische Konsequenz und vielleicht auch oft die Voraussetzung für den Hass auf einen anderen.

Dem Hass vorausgegangen ist in der Regel eine tiefe, nicht heilende Verletzung. Es ist natürlich, jemanden zu hassen, der beispielsweise eine geliebte Person getötet hat. Schwierig wird es, wenn die Tötung nicht absichtlich war, beispielsweise ein Unfall. Noch schwieriger wird es vielleicht (oder auch einfacher, je nach Konstellation), wenn der Verursacher jemand ist, den man mag oder mochte. Ich könnte mir vorstellen, dass wenn man jemanden hasst, der eine nicht heilende Wunde zugefügt hat, man auch die Tatsache hasst, dass man durch den Hass an denjenigen gebunden ist und das solange, wie man verletzt ist. Andererseits ist Hass so selbstverletzend - es sei denn, man übt Rache, und das kann man nie -, dass die Verletzung nicht heilen wird.
Ein Teufelskreis.

Ipsissimus
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Mi 26. Dez 2012, 14:14 - Beitrag #23

es muss nicht die eine, tiefgreifende Verletzung sein, die zum Hass führt. Genau so effektiv, in bestimmten Szenarios sogar sehr viel effektiver, ist die Serie kleiner Zumutungen, Zermürbungen, Ungerechtigkeiten, die das Leben manchen Menschen zumutet, das Leben, oder doch zumindest gesellschaftliche Strukturen. Allein schon der Umstand, sich auf der armen Seite des Lebens aufzuhalten, weit weg vom Licht des Reichtums, kann (!=muss) zu Hass führen, vor allem dann, wenn so ein armes Schwein versteht, dass diese Situation nicht deus lo vult ist, sondern menschengemacht, in einer Weise, bei der die andere Seite alle Trümpfe und Joker, und die eigene Seite nur Scheiße in der Hand hat.

Anaeyon
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Mi 26. Dez 2012, 15:44 - Beitrag #24

Ich habe Hass in meiner Jugend immer genutzt um zu definieren, wer ich nicht sein/werden möchte. Das war anfangs leichter, als gleich mit eigenen Überzeugungen aufzukommen. Mit 13-14 war es die Kirche, die ich hasste, das hat mir dann im Umkehrschluss schonmal gezeigt, dass ich das Gegenteil von dem, was in mir diesen Hass auslöst, eventuell in meine Charakterbildung integrieren sollte. Dann habe ich etwas später "das menschliche Wesen" gehasst weil mir durch zunehmenden Nachrichtenkonsum klar wurde, wie machtlos ich selbst gegen die Probleme der Welt bin, zu denen mir Lösungen bekannt sind. Das hat mich dazu gebracht eben über das menschliche Wesen nachzudenken und Fragen zu stellen wie "Sind meine Werte/Wertungen real?", was zu meinem Interesse an Philosophie führte.

Ich sehe den Begriff Hass immer als Ausdruck einer Seite der Medaille, bei der die andere Seite mir zeigt, was mir fehlt. Insofern ist für mich Hass eine Emotion, die ich interessiert wahrneme, mich teilweise auch bewusst für einige Zeit drauf einlasse um rauszufinden, ob - und falls ja, wo ich an mir oder anderen versuchen sollte, etwas zu ändern.

Dauerhafter Hass, den man nicht instrumentalisiert sondern nur fortbestehen lässt, hat mir bisher meines Wissens nach noch nie geholfen.

"Feindschaften" halte ich für weniger hilfreich. In Feindschaft mag zwar Hass enthalten sein, aber falls dieser Hass mich dazu bringt, das Negative nur in meinem Feind zu sehen, dann habe ich in den meisten Fällen eine falsche Perspektive auf das Problem. Feindschaft klingt für mich nach Vorurteilen und fehlender Reflexion bzw. nach Unfähigkeit, die unfreiwilligen Unfähigkeiten anderer zu beachten.

Traitor
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Fr 28. Dez 2012, 00:53 - Beitrag #25

Sephiroth, Maurice, Thod oder Erdwolf zu antworten, lohnt sich wohl nicht mehr, also lasse ich das einfach. ;)

@e-noon: Die Selbsthass-Verbindung trifft sicher in vielen Fällen zu, aber nicht generell. Hass kann auch ohne Verletzung entstehen, man kann sich über das Vorhandensein eines Hassobjektes freuen, da es einem Sinn und Ziel gibt, vielleicht sogar Stärke, und man kann Hass so fokussieren, dass er das Denken nicht bestimmt. Alles im besten Fall labil und im schlechtesten genau so ungesund wie die von dir beschriebene direkte Selbstzerstörung, aber reale Alternativen.

@Ipsissimus: Und dummerweise entsteht der Hass auch in die Gegenrichtung, wohl meistens aus Angst vor einer Umkehr der Verhältnisse.

@Anaeyon: Interessante Perspektive. Zu echtem Hass auf Kirche, Institutionen, Menschheitswesen hat es bei mir nie gereicht, simple Ablehnung kann aber einen ähnlichen Zweck erfüllen. Wenn auch weniger zwingend, sodass die eigene Weiterentwicklung eher aus Interesse denn aus echtem Drang kommt. Wie ich auch das völlige, eben existenzielle Verzweifeln der Existenzialisten nie nachvollziehen konnte, nur aus Überlegung heraus einen ähnlichen Weg gehe.

Ipsissimus
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Fr 28. Dez 2012, 12:34 - Beitrag #26

Und dummerweise entsteht der Hass auch in die Gegenrichtung, wohl meistens aus Angst vor einer Umkehr der Verhältnisse.
eigentlich ein bitterer Kommentar zur Lage des Menschlichen

009
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So 30. Dez 2012, 19:32 - Beitrag #27

Zitat von e-noon:Indem ich jemanden hasse, räume ich einem erklärten Feind die Macht ein, mein Denken zu bestimmen. Selbsthass ist die logische Konsequenz und vielleicht auch oft die Voraussetzung für den Hass auf einen anderen.


Zu hassen, oder in diese Richtung zu empfinden,scheint mir nicht immer eine freie Entscheidung zu sein. Möglich ist es auch als - wohl verständlich menschliche - Reaktion darauf, wenn zB einem besonders nahe sich besonders schadend/verletztend/ausnutzend/quälend/whatever verhalten.

Maglor
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Mi 2. Jan 2013, 22:40 - Beitrag #28

Irgendwo habe ich mal aufgeschnappt, dass Hass genauso stark verbindet wie Liebe. Naja, zumindest ist unerfüllter Hass ein noch ärgeres Gefühl als unerfüllte Liebe. :rolleyes:

In Umkehrung von e-noons Worten "Es ist natürlich, jemanden zu hassen, der beispielsweise eine geliebte Person getötet hat.":
Es ist natürlich jemanden den Tod zu wünschen, wenn man ihn hasst.
Der Wunsch zu töten, ist natürlich, wenn man hasst.

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