Ehre

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Padreic
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Do 29. Mai 2003, 15:47 - Beitrag #1

Ehre

Ich hab mich neulich mal gefragt, wie das Verhältnis von Ehre und Ethik liegt. Ist ehrenvolles Handeln auch immer ethisches und umgekehrt? Ich denke, so einfach liegt der Fall da nicht, aber ich bin mir darüber auch nicht ganz im Klaren, weswegen ich die Frage auch hier stelle.

Padreic

Maurice
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Do 29. Mai 2003, 15:57 - Beitrag #2

Sowohl Ethik als auch Ehre sind an gesellschaftliche Vorstellungen oder die von einer gewissen Gruppe definiert, also subjektiv. Man könnte also nur eine Ehrenvorstellung mit einer Vorstellung von Ethik vergleichen, aber nicht "die Ehre" und "die Ethik" an sich.
Was für den eienn ehrenvoll sein könnte, könnte für den anderen unethisch sein, z.B. einem schwerkranken Menschen einen "ehrenvollen" Tod ermöglichen.

Erdwolf
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Do 29. Mai 2003, 16:00 - Beitrag #3

Ehre ist in meinen Augen eine Bezeichnung für Selbstbewußtsein/-wertgefühl, die eng an den Begriff der Ethik/Moral geknüpft ist und immer etwas mit "richtigem" Handeln zu tun hat. Man spricht ja auch von einem Ehrenkodex.

Padreic
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Do 29. Mai 2003, 16:25 - Beitrag #4

@Maurice
Zumindest sind sie das auch. Aber trotzdem kann man ergründen, welche Vorstellungen man an diese Begriffe normalerweise knüpft.

Vielleicht hilft es auch, ein Beispiel zu betrachten:
Im Allgemeinen wird es als unehrenhaft betrachtet, sein Wort zu brechen. Was ist aber, wenn ich jemand anders nur helfen kann, wenn ich mein Wort breche? Eine Ethik geht normalerweise mehr vom Helfen aus. Da könnten Ehre und Ethik in einen Konflikt geraten.

Allgemein könnte man vielleicht sagen, dass zwar beide Wege sind, auf denen man versucht, das Richtige zu tun, aber die Ehre mehr von der handelnden Person und die Ethik mehr vom Wohl anderer ausgeht.

Padreic

Maurice
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Do 29. Mai 2003, 16:34 - Beitrag #5

Die Überlegung die du geäußert hast erinnert mich stark an deontologischer (prinzipiengerichter) und teleologischer (zielgerichter) Moral, wobei hier die Ehre den deontologischen Part und die Moral den teleologischen Part einzunehmen scheinen.

Padreic
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Do 29. Mai 2003, 16:37 - Beitrag #6

Es hat Ähnlichkeit, doch es ist nicht das gleiche. Das Gebot der Nächstenliebe begründet auch ganz klar eine deontologische Ethik, doch trotzdem schneidet es sich in manchen Fällen mit den gebräuchlichen Konzepten der Ehre. Vielleicht liegt der Unterschied darin, dass Ehre mehr mit Stolz, Ethik mehr mit Demut zu tun hat.

Padreic

Erdwolf
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Do 29. Mai 2003, 16:38 - Beitrag #7

z.B. einem schwerkranken Menschen einen "ehrenvollen" Tod ermöglichen.

In diesem Fall hast du jedoch deine Ethik, aber seine Ehre.

Ethik ist im Normalfall ein Wort, was man eher auf einen übergeordeten Standpunkt bezieht, Ehre ist höchst subjektiv. Eigentlich geht es um dasselbe, wenn man von Ethik spricht, das frei von subj. Empfindungen ist.

Traitor
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Do 29. Mai 2003, 17:17 - Beitrag #8

Ehre ist für mich ein ziemlich leerer Begriff. Wie schon gesagt wurde, ist sie rein subjektiv. Und es ist auch ganz schwer, festzulegen, was nun dazu gehört. Was definiert zb den "ehrenhaften Tod"? Dass man ihn im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte erleidet, warum sollte dies besonders ehrenvoll sein - es bringt einem selbst keine Vorteile, anderen Menschen auch nicht. Man ist auch keinen religiösen Regeln nachgekommen oder ähnliches. Was soll diese Ehre sein?

Maurice
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Do 29. Mai 2003, 17:39 - Beitrag #9

Ich glaube uns fällt heute schwer von "Ehre" zu reden, weil dieser Begriff in unserer Gesellschaft nur so eine kleine Rolle spielt. Würden wir einen Samurai aus dem Mittelalter befragen könnte er uns stundenlang darüber erzählen. Heute fehlt uns der Bezug zu diesem Begriff.

Traitor
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Do 29. Mai 2003, 17:58 - Beitrag #10

Aber könnte dieser Samurai uns wirklich erklären, was er mit Ehre meint? Ich denke, es ist im Endeffekt keine elementare Eigenschaft, sondern eine seltsame Mischung aus Ethik, Stolz und Sitten.

Maurice
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Do 29. Mai 2003, 18:09 - Beitrag #11

Da widerspreche ich dir auch nicht, nur er könnte uns viel über seine Vorstellung von Ehre erzählen, wir dagegen können mit dme Begriff fast nichts anfangen.

Padreic
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Do 29. Mai 2003, 21:38 - Beitrag #12

@Traitor
Ehre hat nichts mit Vorteil zu tun, das macht sie gerade aus, höchstens vielleicht noch, dass sie Vertrauen schafft (einem "Mann von Ehre" kann man eben trauen). Sie ist eher Selbstzweck. Auch nach dem Motto "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.", egal ob es irgendjemandem nützt. Rache geschieht auch oft aus Ehrenmotiven. Sie hat natürlich den Nutzen der Abschreckung, aber im Allgemeinen nützt sie auch nicht.
Ich habe mal in einem Film den Satz "Man kann einem Mann alles nehmen, außer seine Ehre." gehört und der hat mich recht beeindruckt. Man hat selbst die volle Entscheidungsgewalt über seine Ehre. Man besitzt sie, doch kein anderer kann sie einem nehmen oder einem geben.
Der Begriff der Ehre ist vielleicht auch recht stark mit dem der Würde verwandt, vielleicht die Würde als Voraussetzung zur Ehre. Wenn ich statt einen ehrenvollen Tod zu sterben, langsam körperlich und geistig dahinsiche, verliere ich meine Würde und damit auch meine Ehre.

Für mich ist die Ehre kein so leerer Begriff, wie sie es für dich sein mag. Nehmen wir einmal als Beispiel, dass du einen Schwur getätigt hast (im Allgemeinen eine törichte Sache, aber sagen wir mal, du hast es getan.). Die Unbedingtheit und Absolutheit des Haltens des Schwurs leitet sich, denke ich, aus der Ehre und nicht aus der Ethik ab. Hier ist die Ehre IMHO kein leerer Begriff mehr.

Padreic

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Fr 30. Mai 2003, 00:10 - Beitrag #13

So, wie Ehre jetzt hier beschrieben wird, hat sie viel mit dem persönlichen Stolz zu tun, der wiederum offenbar identisch ist mit der Würde des Einzelnen.
Ehre wäre also etwas persönliches. Meine Ehre (Stolz, Würde) beziehe ich aus meinen moralischen Vorstellungen, aus dem, was ich für lebenswert halte. Ehre/Stolz/Würde kann mir aber genommen werden, in dem man meine persönliche Integrität missachtet oder mich dazu bringt, gegen meinen Ehren-Kodex zu handeln. Dann bin ich keine "Frau von Ehre" mehr.

Ehre ist also m. E. die persönliche Dimension, Ethik/Moral die gesellschaftliche, die ich für mich adaptiere.

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Fr 30. Mai 2003, 06:25 - Beitrag #14

@ Feuerkopf Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Darf ich die Formulierung auch als Mann übernehmen ;-)) !?

Padreic
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Fr 30. Mai 2003, 15:15 - Beitrag #15

Es ist ein interessanter Ansatz, Feuerkopf, nur vielleicht machst du es dir etwas zu einfach.

Man kann nicht unbedingt Stolz mit Würde gleichsetzen. (Echter) Stolz setzt die Würde voraus, doch die Würde impliziert nicht unbedingt Stolz. Der demütige Mönch hat auch seine Würde, doch ist er nicht stolz und wahrscheinlich wäre ihm die Ehre auch nicht wichtig. Vielleicht kann man sagen, dass Ehre Stolz und Stolz Würde impliziert.
Ich denke, gerade das Wort 'lebenswert' muss noch etwas ausdifferenziert werden. Ein Mensch, der viel auf Ehre setzt, wird wohl sein Leben ohne die Ehre nicht als lebenswert betrachten. Ein nicht lebenswertes Leben kann aber trotzdem ehrenvoll sein. Z. B. ist ein Leben unter Folter wohl nicht lebenswert (so würde ich es jedenfalls sehen), aber man kann es trotzdem ehrenvoll leben, indem man nichts verrät (oder es wenigstens möglichst lange herauszögert).
Das leitet direkt zur nächsten Frage über. Kann einem die Ehre genommen werden? Nach meinem Begriff von Ehre hat diese nur mit meinen eigenen Entscheidungen zu tun. Und man kann mich höchstens zu bestimmten Entscheidungen drängen, mich aber zu keinen zwingen, denn dann wären es keine Entscheidungen mehr. Man kann es mir also leicht machen, meine Ehre aufzugeben, aber man kann mich nicht dazu zwingen.

Padreic

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Fr 30. Mai 2003, 15:24 - Beitrag #16

Ich schreib hier mal, was mein Lexikon zu Ehre sagt:

Ehre : Wertschätzung und Achtung, die ein Mensch von seinen Mitmenschen beansprucht. Ehre kann zu einem rein sittlichen Begriff werden, wenn sie sich auf das Bewusstsein eigener Unbescholtenheit gründet. Meist bezieht sich die Ehre jedoch weniger auf die Person als auf ihre Stellung in der Gesellschaft. Der Umfang dessen, was mit der Ehre verträglich ist und was sie erfordert, variirt in den verschiedenen Sozialsystemen. Im Zuge der Demokratisierung wurden gegenüber besonderer Ehrenvorstellungen, die weiterhin bestehen, die allgemeine Menschenwürde und ihre Untastbarkeit besonders betont und gesetzlich verankert.

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Sa 31. Mai 2003, 14:37 - Beitrag #17

Vielleicht doch mal ein paar eigene Gedanken dazu. Ehre würde ich definieren als die Summe der Moral- und Ethikwerte die mich persönlich betreffen. Ich würde micht z.B. nicht persönlich in meiner Ehre verletzt fühlen wenn ein mir nahestehender Mensch als Lügner bezeichnet würde, auch wenn ich diesen Menschen dann verteidige. Mich selbst würde es aber verletzen so bezeichnet zu werden. Letzten Endes muß jeder diesen Begriff, seine Werte und Moralvorstellungen definieren.

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Erdwolf
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Sa 31. Mai 2003, 15:54 - Beitrag #18

Ich verstehe unter dem Begriff Ehre etwas persönliches, auf daß nur ich Einfluss habe, im Ggs. zur Würde. Man kann mir meine Würde nehmen, meine Ehre kann ich nur durch mich selbst verlieren.

Traitor
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So 1. Jun 2003, 15:33 - Beitrag #19

@Padreic: Genau deshalb sehe ich Ehre ja als etwas leeres an. Alle Definitionen hier laufen großenteils auf Würde und Stolz hinaus, aber was zeichnet die Ehre nun über diese hinausgehend aus? Wozu ist dieses Konzept nötig, worauf gründet es sich wirklich?
Mittelalterliche Ehrenkodizes zB gründeten sich auf Religion und hatten den Sinn, die kaum vorhandenen Gesetze zu unterstützen, indem sich vieles von selbst verbot. Aber welchen Sinn macht so eine Konzeption von Ehre heute noch? Und wenn man sagt, es ist etwas rein persönliches, wieso muss ich Ehre von Stolz und Würde unterscheiden?
ZUm nicht-genommen-werden-können: Bei einer Vergewaltigung spricht man zB teilweise von "Entehrung". Zumindest in den klassischen Erscheinungsformen ist Ehre für mich durchaus etwas, was von außen genommen werden kann.

Ipsissimus
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Do 31. Okt 2013, 14:11 - Beitrag #20

"Ehre" scheint im Wesentlichen auf eine Zuschreibung hinaus zu laufen, mit der persönlicher Wert begründet und/oder festgestellt wird. Umgekehrt, wenn "Ehrenhaftigkeit" abgesprochen wird, wird persönlicher Wert abgesprochen. Im Kontext stehen auch Begriffe/Konzepte wie "satisfaktionsfähig", "edel" oder selbst "jungfräulich".

Wesentlich daran ist, dass die Feststellung der Ehrenhaftigkeit aus sich selbst heraus funktioniert, das heißt, sie muss nicht begründet, sondern nur empfunden werden. Wenn doch begründet wird, sind die Gründe im allgemeinen prämissenhaft, also axiomatisch-sakrosankt. In einschlägigen Familien reicht es aus, festzustellen, dass die Ehre der Familie durch die Tochter infolge deren Einlassung auf einen Freund verletzt wurde. Ob der Grund valide ist und den Mord rechtfertigt, steht nicht zur Debatte, nur ob er vorliegt wird vielleicht noch geklärt.

Ein eigentlicher Gehalt scheint mir dem Begriff nicht innezuwohnen.

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