Mitleid

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Shockk
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Do 10. Jul 2003, 22:34 - Beitrag #1

Mitleid

Moinsen...

Ich hatte vor kurzem wieder eine dieser Situationen die ich irgendwie meistens versuche zu vermeiden... ich saß mit meiner Freundin in einem Eiscafé, und nach einer Weile kam plötzlich ein Mann vorbei, legte uns ein ein Kärtchen auf den Tisch, auf dem zu lesen war, das er taubstumm sei, und er durch Geld - was sonst - unterstützt werden könne. Fazit ist nun, das ich um ein Feuerzeug (zugegebenermassen praktisch, man kann es herausziehen und hat dann im Prinzip einen prima Anzünder für Kerzen etc, freut meine Mum) reicher und um 4 € ärmer bin.

Irgendwie...naja. Ich kann grundsätzlich in solchen Situationen nie nein sagen. Das geht wahrscheinlich den meisten so. Wenn zB an der Straße ein Bettler sitzt, dann schütze ich mich selbst durch die Anonymität in der Masse an Menschen, die gerade vorbeilaufen, und ignoriere ihn. Aber in so einer direkten Konfrontation sage ich im Prinzip immer ja - was ja auch Sinn und Zweck der Aktion ist. Ist das nun eine Schwäche? Natürlich oder anerzogen? Ich weiss nicht genau worauf ich hinauswill, da mir gerade eben einfach spontan der Gedanke kam und ich ihn aufschreiben wollte ;) also wenn ihr Meinung habt, nur her damit!

Noriko
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Do 10. Jul 2003, 22:39 - Beitrag #2

Hmm wie soll ich es sagen?
Ich empfinde irgendwie kein Mitleid, ich kann solche Leute ignorieren, und habe kein schlechtes Gewissen dabei.
Wobei ich allgemein recht Gefühlskalt bin und ich auch nchct weiss wiso...

Erdwolf
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Do 10. Jul 2003, 22:45 - Beitrag #3

Das Problem ist, daß da ein Haufen Betrüger dabei ist und man auch nicht JEDEM helfen kann. Ich gehe auch immer einfach vorbei, keine Ahnung, was ich machen würde, wenn mich jemand direkt ansprechen würde...

MagicMagor
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Fr 11. Jul 2003, 00:05 - Beitrag #4

Was soll man machen?

Wenn ich Mitleid zeige und in einer solchen Situation Geld gebe, dann gestehe ich mir selber Mitleid mit anderen Menschen ein.
Das muss nicht unbedingt schlecht sein.
Aber warum habe ich mit einem solchen Menschen Mitleid, den ich nicht persönlich kenne, der immerhin in einem recht sozialen System lebt, und mit den vielen tausenden leidenen Kindern in Afrika nicht?
Denen geht es eindeutig schlechter als einem Taubstummen in Deutschland.
Ich kann nicht das Leid der Welt auf meine Schultern laden, daher bin ich dazu übergangen Mitleid nur mit denen zu haben, die ich persönlich gut kenne. (Verwandte, Freunde..)
Auch wenn sich dies nach einer mehr rationalen Entscheidung anhört (was sie auch ist), so habe ich auch fremden Menschen gegenüber kein Mitleid. Das wurde besonders am 11. September deutlich.
Ich bin zufrieden mit dieser Einstellung, auch wenn sie nicht jedermans Sache ist. Aber wenigstens kann ich mir nicht vorwerfen lassen inkonsequent zu sein.

Shockk
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Fr 11. Jul 2003, 22:35 - Beitrag #5

Ich bin zufrieden mit dieser Einstellung, auch wenn sie nicht jedermans Sache ist.


Ich glaube das gerade diese Einstellung jedermanns Sache ist. Gerade uns, denen es doch im Regelfall sehr gut geht, wird uns immer wieder, mehr oder weniger, bewusst, wie schlecht Milliarden anderer Menschen es weltweit haben. Während wir uns um Autozubehör, Hardwarekomponenten, die Größe unserer zukünftigen Wohnung sorgen, haben andere weder Nahrung noch Obdach. Und anders als du es beschrieben hast, kann man es ja nicht machen, sonst würde man aufhören für sich zu leben und sich nur noch aufopfern...

Fritz
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Fr 11. Jul 2003, 22:47 - Beitrag #6

Also...
Ich hab mein Praktikum im Sozialamt gemacht.
Unser soziales Netz ist so eng gesponnen, das da nur jemand durchfällt, der nicht hängenbleiben möchte. Für Taubstumme gibts bezahlte Kurse (z.B. für Gebärdensprache o.ä.) und Extrasätze (d.h. mehr Geld). Und wenn dann jemand noch mehr aus den Menschen ziehen will, die immerhin diese Errungenschaften des Sozialstaates finanzieren, dann versteh ich das nicht. Das Arbeitsamt zahlt ja notfalls auch Kurse, wenn dadurch die Vermittelbarkeit steigt.
Ich würde nichts geben, wenn jemand zu stolz ist, um aufs Sozialamt zu gehen, dann hat er meiner Meinung nach keinen Anspruch auf anderweitige Unterstützung.

Padreic
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Sa 12. Jul 2003, 10:49 - Beitrag #7

Ich halte Mitleid für eine sehr wichtige Sache. Wer kein Mitleid mehr hat, der hat auch kein Herz mehr und das Herz (und damit meine ich nicht das biologische ;)) ist eines der essentiellen Sachen, die uns zum Menschen machen.
Damit will ich nicht sagen, dass man unbedingt jedem Bettler Geld geben muss. Ich denke, Freak hat da durchaus recht, dass das soziale Netz jeden auffängt, der davon aufgefangen werden will und kein Alkoholiker ist. Trotzdem kann man auch mit diesen Menschen Mitleid haben und ich denke, dass es auch nicht schlecht ist, ihnen Geld zu geben, wenn man will, es ist eben nur nicht unbedingt nötig. Darüberhinaus kann man sich auch fragen, ob den Leuten das Geld wirklich so hilft. Wenn man wirklich Mitleid mit ihnen hat, hilft es vielleicht mehr, wenn man sich einfach mal ein paar Minuten mit ihnen unterhält.

Bezüglich des Mitleids der wirklich Armen in der dritten Welt würde ich sagen, dass man ersteinmal im Nahbereich oft schon sehr viel erreichen kann, bevor man sich dem fernen Bereich, wie eben z. B. der dritten Welt zuwenden muss. In der dritten Welt zu helfen und darüber seine Familie zu vernachlässigen, halte ich z. B. für falsch. Und wenn man zu Freunden oder auch allgemein Arbeitskollegen/Klassenkameraden nett ist, kann das auch schon viel bringen. Man muss nicht arm sein, um zu leiden, obwohl sicher extreme Armut Leiden fördern kann. Geld ist gerade in solchen Fragen längst nicht alles, emotionale Zuwendung kann hier viel mehr bedeuten als jeder noch so große Geldbetrag. Und gerade die emotionale Zuwendung kann man eben besser den Leuten in seiner Umgebung geben.

Bezüglich des 11. Septembers und meinem persönlichen Mitleid kann ich sagen, dass ich erst kein (oder kaum) Mitleid verspürt habe, was wohl daran lagt, dass ich mich praktisch bewusst diesem verschlossen habe, weil Mitleid eben auch immer Leid bedeutet. In einer Schweigeminute (bzw. in einer Schweigehalbestunde) habe ich mich dann aber gezwungen, mich der Situation der Leute dort zu vergegenwärtigen und da spürte ich auch wirkliches Mitleid.

Padreic

blobbfish
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Sa 12. Jul 2003, 19:46 - Beitrag #8

Also, so eine Art Situation kenn ich auch. Ich meide sie auche gerne. Ich denke, dass das Problem in unserer Ethik liegt. Ich bin der Meinung, dass in einem solchen Moment 2 Ethiken aufeinanderstoßen. Eine bewusste, meine eigentliche Enínstellung, und eben die soziale Unterbewusste. Sie vertragen sich nicht miteinander. Mitleid hab ich dabei meist auch. Ich versuche halbwegs erflogreich zu unterdrücken, indem ich sage:"Er ist selbst Schuld" oder irgendwas in der Art. Woanders leiden auch Menschen, denen helfe ich nicht. Also helfe ich dem auch nicht. Ich hab dann aber meist Gewissensbisse die ich irgendwie beseitige. Meist mit: Ist jetzt zu spät.

Ich bin eigentlich nicht der Typ, der Fremden hilft. Kann ich dann meinen Freunden helfen? Das tue ich. Warum zögere ich also, wenn ich Fremden helfen soll/kann? Ist das nicht eigentlich Verrat an meiner eigenen Rasse?

Noriko
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Sa 12. Jul 2003, 19:51 - Beitrag #9

Der löwe frisst seine kinder nicht, aber die anderer löwen.
Ist jetzt ein komischer Vergleich, ich weiss, aber es ist was änliches.
Kein tier achtet seine gesamte Rasse, es kommt immer zu kämpfen zwischen Gruppen, aber weinger innerhalb einer Gruppe.

blobbfish
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Sa 12. Jul 2003, 19:59 - Beitrag #10

Passt dann aber eigentlich nicht so ganz in unsere Sozialkultur/ethik

schleimer
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So 13. Jul 2003, 04:35 - Beitrag #11

also wenn mich einer anbettelt,hab ich immer den selben spruch
drauf"seh ich aus wie ein automat?"
wer hilft mir wenn ich in not gerate?
und wenn ich in der gosse liege,es würde höchstens noch einer drauf spucken:o

Thod
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So 13. Jul 2003, 15:01 - Beitrag #12

es gibt eine form von mitleit, die sehr nah an der verachtung ist, bzw. am hassen.

diese drückt sich in ihrer extremform in so floskeln wie "xy tut mit nur noch leid..." aus.

imho sollte man bei mitleid immer darauf achten, ob man wirklich mit dem anderen leidet, oder ob einen das leid des anderen letztlich abstösst. und man nur froh ist, selber nicht betroffen zu sein.

gruss,
thod

Shockk
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So 13. Jul 2003, 21:11 - Beitrag #13

Hmm...bist du dir sicher, das es sich dabei um eine Form von Mitleid handelt? Du sagst doch selber, dass es nur eine Floskel ist, also nur ein Sprach-Konstrukt...und mit dem wirklichen Mitleid hat das doch nicht viel zu tun, es ist ja eher der Widerspruch, für den es "missbraucht" wird, und der die Floskel wirksam macht...

Erdwolf
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So 13. Jul 2003, 21:45 - Beitrag #14

Es gibt wohl einen Unterschied zwischen Mitleid und Bemitleidung... wobei letzteres die unproduktive Variante ist.

@Thod: Das, wovon du sprichst, würde ich nicht mehr Mitleid nennen.

Thod
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So 13. Jul 2003, 22:05 - Beitrag #15

es hat die selben wurzeln, und wird im klassischen sinne auch oftmals so bezeichnet.
ich denke, bei genauer betrachtung hängen die aspekte näher beisamen, als den meisten mitleidigen gutmenschen lieb ist.

gruss,
thod

Erdwolf
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Mo 14. Jul 2003, 03:32 - Beitrag #16

Auch, wenn es die selben Wurzeln hat, die Frage ist, was ich daraus mache. Wenn ich einen Menschen sehe, dem es nicht gut geht, kann man von Mitleid sprechen. Aber ob man etwas tut oder nicht, ist ein elementarer Unterschied.

Thod
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Mo 14. Jul 2003, 10:19 - Beitrag #17

nö, darauf kommt es imho eben nicht an, sondern darauf, was man empfindet, und wie man es dann nennt.

letztllich ists mir aber doch eher egal. sehts halt wie ihr wollt.

gruss,
thod

MaryAngel
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Do 31. Jul 2003, 04:47 - Beitrag #18

Ich will nicht egoistisch erscheinen, aber man hört ja immer wieder von Bettlern die ihr Geld sammeln und dann Abends mit dem Benz nach Hause fahren. Ehrlich gesagt möchte ich am liebsten das diese Menschen nicht da wären - das es ihnenn besser ginge. Aber unsere Gesellschaft erfordert nunmal solche Schicksale ... KLar hilft man auch gern.
Aber wir hatten selber nie viel (Ich weiss, diese Ossis) - aber ehrlich gesagt spendet für mich auch niemand mein Büchergeld (Schule) oder wenn das Geld mal extrem knapp wird. Ich helf mir selber, mit den besten Noten die ich bekommen kann.

JaY
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Di 12. Aug 2003, 21:38 - Beitrag #19

Ich sage erstmal:

Sei selbst das Wunder!

Dann es muß nicht unbedingt immer um einen Menschen gehen. Man kann auch mit Tieren Mitleid haben und ihnen z.B. ein Zuhause bieten.

oder nicht?

Mitleid ist nicht schlecht! Solange es sich in Grenzen hält, man sollte immer daran daenken jeder ist sich selbst der nächste und gerade deshalb nicht über seine Grenzen hinaus gehen.

Thod
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Mi 13. Aug 2003, 11:58 - Beitrag #20

leid ist prinzipiell nicht gut. und beim mit-leiden ist wenn überhaupt, das "mit" also die zusage an andere(s) das positive.

wie aber schon gesagt: oftmals ist mitleid auch einfach nur eine form des hasses. der satz "du tust mir leid" kann sehr agressiv gedacht werden. hier ist ihmo nicht die spur eines ansatzes von positiver zuwendung zu spüren.

gruss,
thod


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