Siddhartha Mukherjee Der König aller Krankheiten Krebs - eine Biografie Scribner, New York 2010 (Originaltitel: The Emperor of All Maladies: A Biography of Cancer) gelesene Ausgabe Dumont Buchverlag, 1. deutsche Auflage (16. Februar 2012) Barbara Schaden (Übersetzerin) Pulitzer-Preisträger 2011 Die einfache, wichtige und unbeantwortete Frage einer todkranken Leukämie-Patientin - Wogegen soll ich denn kämpfen? - bringt den blutjungen amerikanisch-indischen Onkologen Siddhartha Mukherjee so aus der Fassung, dass er 2002, mitten in seiner Immersionsausbildung, beginnt, sich als historischer Detektiv zu betätigen und nach Indizien für eine Antwort zu suchen. Er beendet die Suche 2010 mit diesem Buch, in dem er in einer für Laien verständlichen Sprache die Geschichte einer Erkrankung nachzeichnet, die uns Heutigen als "moderne" Krankheit vorkommt, tatsächlich aber schon in 2½Millionen Jahre alten menschlichen Knochenfunden nachgewiesen werden konnte. Das Buch erzählt Geschichten von Patienten und Medizinern, von der Entwicklung von Therapien und dem Ende von Hoffnungen. Von kleinen Wundern und großen Enttäuschungen, die es notwendig machten, die Forschung ganz neu aufzuziehen. Von Paradigmenwechseln und immer und immer wieder vom Scheitern. Krebs, der König der Krankheiten - aber auch deren Chamäleon, das Mutationswunder, das sich immer wieder neu erfindet, sobald ein Therapieansatz halbwegs vorzeigbare Ergebnisse vorzuweisen scheint. Es gibt sehr wenige wirklich gesicherte Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Ursachen von Krebs. Drei Einsichten, basierend auf eine Unmenge an Beobachtungen, lassen sich formulieren: 1) Krebs ist als Teil des menschlichen Genoms dem Menschsein inhärent. Wenn Krebs eine Krankheit ist, dann ist es eine Krankheit, die Teil der Definition des Menschseins ist. 2) Eine Krebszelle ist eine verbesserte Form einer Zelle, auf Zellebene eine positive Mutation (die also erst auf Gewebeebene zur Fehlfunktion führt). Das macht es so unglaublich schwierig, Krebszellen zu töten, ohne die gesunden Zellen mit zu töten. 3) Die Zellmechanismen, die für das normale menschliche Wachstum zuständig sind, sind dieselben, die das Wachstum einer Krebszelle steuern. Das macht es extrem schwierig, Therapiestrategien zu entwerfen, die auf das Wachstum von Krebszellen einwirken, das Wachstum gesunder Zellen aber unbehelligt lassen sollen. Mukherjee lässt offen, ob Krebs irgendwann einmal geheilt werden kann. Bei bestimmten Formen - bei denen es heute schon möglich ist - hält er es für möglich, bei den meisten eher nicht. Trotzdem gibt es eine Art Hoffnung: der Krebstherapie geht es im Wesentlichen nicht mehr um den Versuch der Heilung dieser Krankheit, es geht nur noch um den Versuch der Lebensverlängerung. Wenn diese Lebensverlängerung so weit vorangetrieben werden kann, dass sie die normale Lebenserwartung einholt, wird man es Heilung nennen. Ein atemberaubendes Buch, aber heftige Kost.
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