Ich wollte hiermit mal einen Thread zu einem meiner Lieblingsautoren aufmachen, dem großen russischen Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881). Er ist vor allem durch seine fünf "großen" Romane bekannt, 'Schuld und Sühne', 'Der Jüngling', 'Der Idiot', 'Die Dämonen' und 'Die Brüder Karamsow', hat aber auch zahlreiche kürzere Prosa geschrieben. Sein Leben war recht bewegt: er war zuerst revolutionärer Sozialist und wurde wegen solche Umtriebe auch zu Zuchthaus verurteilt...später wandelte er sich dann zum eher konserativen Christen, was seine großen Romane auch belegen. Viel Zeit verbrachte er auch mit großen Spielschulden (wovon auch sein Roman 'der Spieler' zeugt), aber schließlich konnte er seine Spielsucht besiegen.
Ich persönliche habe bisher von Dostojevski nur 'Schuld und Sühne', 'Die Brüder Karamsow' und 'Helle Nächte' (eine kürzere Erzählung) gelesen; aber da mich diese drei Werke tief beeindruckt haben und ich mir eine Gesamtausgabe zugelegt habe, werden wohl weitere folgen.
'Schuld und Sühne' handelt vom ehemaligen Studenten Raskolnikow, der eine Pfandleiherin umbringt und sie beraubt, einerseits, weil er eben Geld braucht, andererseit auch, weil er die Theorie entwickelt hat, dass sich die Menschen in die Großen, die Gesetze übertreten bzw. selbst machen dürfen, und das Material einteilen lassen und er sich selbst beweisen will, dass er zu ersterer Sorte gehört, besonders aber, weil sich ihm plötzlich die Gelegenheit bietet. Eigentlich könnte man fragen, wo die Spannung bleibt (und es ist einer der spannensten Romane, die ich bisher las), wenn der Mörder gleich, wenn die Tat begangen ist, bekannt ist, und dann noch 700 Seiten folgen. Das spannenste ist hierbei nicht die Aufklärung des Verbrechens, die man ohnehin oftmals nur mittelbar mitbekommt, sondern vielmehr das Psychogramms Raskolnikows und auch das der Menschen, denen er begegnet. Dabei hat der Roman zusätzlich auch durchaus philosophisch zu nennende Züge, auch die Auseinandersetzung mit den revolutionären Ideen, die hier in mehreren Gestalten exemplifiziert oder auch geradezu karikiert werden.
Die Handlung von 'Die Brüder Karamsow' oder die Kerngedanken wiederzugeben, ist auf so geringem Platz wie hier unmöglich, aber zentral steht der Mordfall an dem Vater der drei dem Roman den Namen gebenden Brüder, aber das ist mehr der Aufhänger, um die Charaktere zu porträtieren (was auf beeindruckende Weise geschieht) und auch die philosophischen und religiösen Gedanken darzustellen, was beispielsweise in der Episode des Großinquisitors (wohl der bekannteste Teil des Buches) oder auch in den Aufzeichnungen der Reden des Staretz (die ich persönlich am beeindruckensten finde) geschieht. Ein Motiv, das sich durch das ganze Buch zieht, ist der Satz "Wenn Gott nicht existiert, ist alles erlaubt." Das Buch ist recht lang, aber trotzdem wirkt es nicht ganz fertig, was daran liegen könnte, dass im Buch eine Fortsetzung zwar explizit angedeutet wird, aber der Autor nicht lange nach Vollendung des Romans gestorben ist. Er mag nicht ganz so fesselnd sein, wie 'Schuld und Sühne', aber er ist auch alles andere als langweilig, insbesondere eben auch wegen der großen Gedankenfülle und der toll dargestellen Charaktere in Extremsituationen.
'Helle Nächte' ist eigentlich gänzlich anders als die beiden eben beschriebenen Werke. Ein Träumer begegnet einem Mädchen, dass auf ihren Verlobten wartet, der aber nicht kommt...und das fast vier Nächte lang, in denen der Träumer dem Mädchen Gesellschaft leistet und sich in sie verliebt. as ganze Buch durchzieht eine gewisse Süße der Sprache und Stimmung und es kommen auch leicht humoreske Elemente ins Spiel (z. B. wenn der Träumer erzählt, dass in den acht Jahren, die er jetzt in Petersburg lebt, die engste Beziehung, die er geführt hat, die mit einem Mann gewesen ist, dem er fast täglich auf der Straße begegnete und den er sogar einmal fast gegrüßt habe). Die beiden Hauptcharakter haben etwas wunderbar leicht absurdes, sind aber auf der anderen Seite mit Dostojevskis typischer Menschenkenntnis gezeichnet. Auf jeden Fall fehlt hier das Dramatische, das ständige Nah-Am-Nervenzusammenbruch-Sein aus den beiden anderen eben beschriebenen Werken.
Kennt und schätzt auch ihr Dostojewskis Werke? Ich würde mich freuen, eure Meinung über diesen Autor zu lesen.
Padreic