Das Parfüm

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
So 24. Sep 2006, 10:07 - Beitrag #21

Dann auch mal etwas zum Buch, nicht nur zum Film.

Der allgemeinen Begeisterung über das Werk kann ich mich nicht hundertprozentig anschließen. Die Idee ist genial, die erzählerische und sprachliche Umsetzung hervorragend. Besonders das Erzeugen der Atmosphäre von Handlungsort und -zeit gelingt nahezu perfekt.
Dann sind da aber auch zwei Mängel. Zum einen ist das Ausmaß, in dem die Geruchsidee durchgezogen wird, stellenweise einfach nicht mehr glaubwürdig - dass Grenouille selbst so anders ist, mag man akzeptieren, wie stark Gerüche auf andere Menschen wirken, widerspricht aber einfach der Erfahrung. Über diesen Mangel kann ich aber noch gut hinwegsehen, er wird von der erzählerischen Wucht überrollt und ließe sich ansonsten auch entkräften, indem man das Buch stärker als Parabel denn als Handlungsroman betrachtet.
Schwerwiegender ist für mich die Aufdringlichkeit des Autors. Ich kann es generell bei Büchern gar nicht leiden, wenn sie sich selbst interpretieren - und Süskind drängt einem andauernd durch den Erzähler Interpretationen, Deutungen und mythische Überhebungen der Ereignisse auf. Soetwas stört für mich nur den Erzählfluss und untergräbt die Überzeugungskraft des Werkes, da man plötzlich mehr über diese Aussagen als über den Inhalt selbst nachdenkt. Durch die dämliche Formulierung "der Zeck" wird dies sogar auch noch technisch hervorgehoben (auch ansonsten hätte Süskind bei einigen Wörtern ein hochdeutsch-versierterer Lektor nicht geschadet).

Den Status des Meisterwerks hat der Autor sich für mich durch diese unnötigen Elemente verdorben, daran, dass es sich um ein sehr gutes Buch handelt, ändern sie aber nichts. Originalität, atmosphärische Dichte und mitreißender Erzählfluss reichen dafür allemal.

Ach ja, noch ein paar Details: Etwas störend fand ich das Wegsterben der Nebenfiguren, sobald Grenouille weiterzog - billige Lacher, Verstärkung der Zeck-Metapher, Aufbau einer Schicksalsrolle des Protagonisten? In allen Fällen IMHO eine unnötige Zusatzbelastung der Glaubwürdigkeit. Am besten gefiel mir hingegen die Passage über die lethale Fluidaltheorie, eine herrliche Satire auf jene Zeit, als Aufklärung und Wissenschaftlichkeit keine Geisteshaltung, sondern eine Mode war. Auch ansonsten gab's einige herrliche Spitzen auf die Gesellschaft.

Vorherige

Zurück zu Literatur

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste