Bauer-RangerGood Member
Beiträge: 439Registriert: 11.11.2004
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Gerade geschrieben. Ist noch nicht ausgereift, aber was solls:
Ich bin schon lang unterwegs. Anfangs fuhr ich bei meinen Eltern mit, aber seit etwa einem Jahr bin ich schon alleine unterwegs. Ich trau mich auch immer schneller zu fahren. Im Moment bin ich gerade in einer Zeit, wo ich sehr viel überholen muss, die Autobahn ist komplett voll. Sie ist dreispurig auf dieser Höhe. Es ist die Höhe 19. Eine entscheidende Höhe, keine Raststätten für eine Auszeit, keine Ausfahrten für einen Ausstieg. Alle müssen hier durch. Deswegen will auch jeder schnell vorankommen, aber im Endeffekt staut sich alles und jeder kommt gleich langsam voran. Insgesamt werden wir sogar immer langsamer. Die LKWs auf der rechten Seite sind genauso schnell wie die Porsches und BMWs auf der linken Spur. Es entsteht ein Stau. Der erste Stau in meinem Leben. Ich bin auf der linken Spur in meinem VW Polo, rotfarbig. Vor mir hat sich ein schwarzer Porsche 911 verirrt. Er stand sicher auf vier Räder, an umstürzen konnte man nicht denken, aber er kam auch nicht voran. Wie wir alle. Aus meiner Sicht sieht es so aus, als ob er mir den Weg versperrt, als ob er mich am Vorwärtskommen hindert. Durch Nachdenken kommt man darauf, dass aber alle gleichermaßen daran schuld sind. Viele scheinen diesen Mechanismus jedoch nicht verstanden zu haben, denn das Hupkonzert übertönte meinen rauschenden Radio. Das Klima spannt sich an, die Leute scheinen nervös zu werden, bekommen Angst. Die nahe geglaubte Zukunft rückt in immer weitere Ferne. Nachdem ich einige Minuten gestanden war konnte ich wieder ein paar Meter fahren, bis wieder kollektiver Stillstand einkehrte. Auf einmal sah ich auf der rechten Seite jemand auf dem Standstreifen, wie er alle überholte. Einer, der aus der Masse ausgebrochen ist und schneller vorankommt. Neid macht sich unter der Masse breit. Sie sind alle gegen ihn. Ich dachte mir‚’wenigstens einer, der schnell vorankommt’. Für kurze Zeit halten alle zusammen, bis der Schnelle vorbei ist. Es entstehen wieder die gleichen Rivalitäten, es wird um Belanglosigkeiten gestritten. Dort sieht man das wahre Gesicht der Menschen. Der Grund: der Stillstand.
Die Sonne verschwindet und es beginnt zu regnen. Jeder macht den Scheibenwischer an, obwohl er gar nicht fahren kann. Jeder will den Durchblick im Stillstand, ein sinnloses Unterfangen.
Langsam scheint sich der Verkehr zu erholen, durch Stop and Go kam man wieder etwas voran. Die Zeit kam mir ewig vor als ich das Schild mit der Höhe 19,5 erblicke. Es scheint das Ende der Durststrecke zu sein. Rechts sah ich eine Ausfahrt, die auch schon von einigen genutzt wird. Sie haben die Hoffnung aufgegeben, noch irgendwo anzukommen. Bei 19,5 schon auszusteigen zeugt von keinem Optimismus.
Viel mehr nutzen jedoch den Rasthof, der nach der Ausfahrt auch auf der Höhe 19,5 seine Pracht entfaltete. Viele verlockende Angebote, demnach gönnen sich dort auch viele eine Auszeit. Die meisten werden erst dann wieder weiterfahren, wenn ich bei 20,5 bin.
Bei mir ging es wieder vorwärts. Die Sonne fing wieder an zu scheinen. Bis 19,8 war die Autobahn wirklich leer, alles ging schnell. Ich hab schon viele hinter mir gelassen. Ich fuhr mal ganz rechts, mal in der Mitte und auch mal links. Alles hat sich harmonisch verstanden, alle Regeln waren klar und einfach zu befolgen. Die Autobahn führt komplett gerade aus.
Doch die freie Fahrt ging nicht ewig so weiter. Der Verkehr schien sich wieder zu verdichten, wir wurden wieder alle langsamer. Wir waren gerade bei 20,2. Sollte sich etwa wieder ein Stau bilden? Ich bekam Angst, warum soll ich denn immer anhalten, nur weil die anderen so drängeln? Warum bekommen nicht die Vorfahrt, die vorankommen müssen? Warum baut man keine breiteren Straßen? Ich bin erst bei 20,2, mein Ziel ist eigentlich etwas zwischen 80 und 90. Sollte ich die meiste Zeit bis dahin im quälenden Stau verbringen?
Ich hörte Radio, es war anscheinend ein Unfall bei 20,5, ein Massenunfall. Viele waren darin verwickelt, keine Spuren waren mehr befahrbar. Da kam plötzlich eine Eilmeldung im Radio. Auf der Autobahn kommt mir etwa bei 20,3 ein Geisterfahrer entgegen. Ein Geisterfahrer, einer der keine Lust hat, im Stau zu stehen, einer, der einfach umdreht und der Masse den Rücken zukehrt, einer, der rückwärts fährt, jedoch mit normaler Geschwindigkeit. Einer, vor dem alle Angst haben, aber auch einer, vor dem alle ausweichen und dem damit alle den Weg freimachen. Keiner will ihn aufhalten. Ich sah ihn schon vor mir kommen, es kam immer näher. Die linke Spur wurde freigemacht, dadurch stauten wir uns noch mehr. Der Moment, in dem er an mir vorbeifuhr verging langsam, sehr langsam, fast wie Zeitlupe. Ich konnte in sein Gesicht sehen. Er war wild entschlossen, er lachte. Er hatte Spaß, er zeigt allen anderen den Mittelfinger. Ich war begeistert von dem Geisterfahrer. Ich nahm mein Lenkrad, drehte es nach links und fuhr auf die linke Spur, so dass ich dem Geisterfahrer folgen konnte. Wir waren zu zweit. Wir waren schnell. Wir waren nicht alleine. Andere folgten unserem Beispiel und drehten auch um. Ich dachte mir, wenn ich nicht mehr will, dann fahr ich wieder normal weiter, aber im Moment macht das einfach zu viel Spaß.
Wir waren mittlerweile schon fünf Geisterfahrer, waren schon länger unterwegs. Alles verging so schnell, ich war wie in Trance. Alles ging von alleine. Da sah ich vor mir einen Stau, auf den wir direkt zufahren. Ich bekam Angst, wachte aus meinem Trancezustand auf. Meine Augen waren weit geöffnet, Schweiß lief mir den Rücken hinunter. Sollte das das Ende meines Ausfluges werden? Es schien so. Ich musste umdrehen, wieder dem Strom folgen. Mit Adrenalin voll gepumpt wollte ich bremsen, doch die Bremsen funktionierten nicht mehr. Auch bei den anderen gingen die Bremsen nicht mehr. Der Fahrer vor mir lenkte einfach nach links und rammte einen anderen. Als ich an ihm vorbeifuhr schien er es überlebt zu haben. Er blutete zwar arg, wird wohl auch Narben davontragen, aber er hat überlebt. Ich erkannte, dass das nun schon der einzige Ausweg sein wird, es gibt keine andere Lösung mehr. Ob ich überlebe weis keiner. Ich war hoffnungslos verloren. Das Ende meiner freien Spur kam immer näher. Ich schaute nach links, in die Gesichter der anderen. Sie schauten so anders auf mich, als ob ich ein Außenseiter bin. Ich wurde immer schneller. Keiner von ihnen schien mich auffangen zu wollen, keiner wollte mich retten. Sie hupten, als ob mir das was nützte. Deswegen kann ich auch nicht anhalten. Ich bin nun kurz vor dem Ende meiner Spur, sehr kurz. Ich bin komplett nass geschwitzt. Ich begann langsam zu schreien, immer lauter. Alles schien nun wieder langsamer zu vergehen, so wie damals, als mir der Geisterfahrer begegnet ist. Die Zeit verging immer langsamer, doch ich wurde immer schneller, die Situation wurde immer hoffnungsloser. Ich war nun vor dem Aufprall, versuchte das Lenkrad nach links zu reisen, doch es lies sich nicht mehr bewegen. Ich riss heftiger daran, bekam Panik, doch das Lenkrad bewegte sich nicht. Ich war am Ende. Ich riss noch die Arme vor mein Gesicht um zu retten, was eh nicht mehr zu retten war. Es krachte…
Nass geschwitzt riss ich meinen Oberkörper hoch, sah in den Spiegel gegenüber von meinem Bett. Durch meine rote Gesichtsfarbe schienen die Schweißperlen Blut zu sein. Ich atmete tief durch, alles nur ein Traum.
mfg Mich!
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