Der Kurzgeschichten-Thread

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
silent
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So 22. Mai 2005, 21:35 - Beitrag #21

Ich schreibe sehr sehr gerne Kurzgeschichten, vorallem jedoch schreibe ich Fanfiction.
Habe jedoch vor etwa 1 Jahr damit angefangen auch selbst Charaktere zu kreeiren, was mir zum Teil mehr Spaß macht^^

Hier mal eine Kurzstory:

Ein Bild von dir

Ich sehe in deine Goldbraunen Augen und versinke in ihnen…
Sie sind wunderschön, genau wie dein Lächeln…
Als ob du mich genau anblicken würdest…
doch was würde dein Lächeln aussagen, wenn du mich wirklich anschauen würdest?
Nicht mit deinem normalen Grinsen…
Würdest du mir ein freundliches oder ein verächtliches Lächeln entgegen bringen?
Bei diesem Gedanken schauert es mir…
Ich möchte für ewig dein bester Freund sein…
Vielleicht sogar irgendwann mehr…
Ich betrachte dein Gesicht mit größter Neugier…
Du hast ein wunderschönes spitzes Gesicht…
Ein leichter Bartansatz ist zu sehen…
Desto länger ich mir dein Bild betrachte,
desto mehr könnte ich mich in dich verlieben…
Doch du wirst mich nie lieben können….
Dennoch strahlen mich deine Augen so sanft an,
als wollten sie mir sagen,
dass wir ewig Freunde sein können….

Ende

Bauer-Ranger
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Fr 27. Mai 2005, 03:44 - Beitrag #22

Gerade geschrieben. Ist noch nicht ausgereift, aber was solls:

Ich bin schon lang unterwegs. Anfangs fuhr ich bei meinen Eltern mit, aber seit etwa einem Jahr bin ich schon alleine unterwegs. Ich trau mich auch immer schneller zu fahren. Im Moment bin ich gerade in einer Zeit, wo ich sehr viel überholen muss, die Autobahn ist komplett voll. Sie ist dreispurig auf dieser Höhe. Es ist die Höhe 19. Eine entscheidende Höhe, keine Raststätten für eine Auszeit, keine Ausfahrten für einen Ausstieg. Alle müssen hier durch. Deswegen will auch jeder schnell vorankommen, aber im Endeffekt staut sich alles und jeder kommt gleich langsam voran. Insgesamt werden wir sogar immer langsamer. Die LKWs auf der rechten Seite sind genauso schnell wie die Porsches und BMWs auf der linken Spur. Es entsteht ein Stau. Der erste Stau in meinem Leben. Ich bin auf der linken Spur in meinem VW Polo, rotfarbig. Vor mir hat sich ein schwarzer Porsche 911 verirrt. Er stand sicher auf vier Räder, an umstürzen konnte man nicht denken, aber er kam auch nicht voran. Wie wir alle. Aus meiner Sicht sieht es so aus, als ob er mir den Weg versperrt, als ob er mich am Vorwärtskommen hindert. Durch Nachdenken kommt man darauf, dass aber alle gleichermaßen daran schuld sind. Viele scheinen diesen Mechanismus jedoch nicht verstanden zu haben, denn das Hupkonzert übertönte meinen rauschenden Radio. Das Klima spannt sich an, die Leute scheinen nervös zu werden, bekommen Angst. Die nahe geglaubte Zukunft rückt in immer weitere Ferne. Nachdem ich einige Minuten gestanden war konnte ich wieder ein paar Meter fahren, bis wieder kollektiver Stillstand einkehrte. Auf einmal sah ich auf der rechten Seite jemand auf dem Standstreifen, wie er alle überholte. Einer, der aus der Masse ausgebrochen ist und schneller vorankommt. Neid macht sich unter der Masse breit. Sie sind alle gegen ihn. Ich dachte mir‚’wenigstens einer, der schnell vorankommt’. Für kurze Zeit halten alle zusammen, bis der Schnelle vorbei ist. Es entstehen wieder die gleichen Rivalitäten, es wird um Belanglosigkeiten gestritten. Dort sieht man das wahre Gesicht der Menschen. Der Grund: der Stillstand.
Die Sonne verschwindet und es beginnt zu regnen. Jeder macht den Scheibenwischer an, obwohl er gar nicht fahren kann. Jeder will den Durchblick im Stillstand, ein sinnloses Unterfangen.
Langsam scheint sich der Verkehr zu erholen, durch Stop and Go kam man wieder etwas voran. Die Zeit kam mir ewig vor als ich das Schild mit der Höhe 19,5 erblicke. Es scheint das Ende der Durststrecke zu sein. Rechts sah ich eine Ausfahrt, die auch schon von einigen genutzt wird. Sie haben die Hoffnung aufgegeben, noch irgendwo anzukommen. Bei 19,5 schon auszusteigen zeugt von keinem Optimismus.
Viel mehr nutzen jedoch den Rasthof, der nach der Ausfahrt auch auf der Höhe 19,5 seine Pracht entfaltete. Viele verlockende Angebote, demnach gönnen sich dort auch viele eine Auszeit. Die meisten werden erst dann wieder weiterfahren, wenn ich bei 20,5 bin.
Bei mir ging es wieder vorwärts. Die Sonne fing wieder an zu scheinen. Bis 19,8 war die Autobahn wirklich leer, alles ging schnell. Ich hab schon viele hinter mir gelassen. Ich fuhr mal ganz rechts, mal in der Mitte und auch mal links. Alles hat sich harmonisch verstanden, alle Regeln waren klar und einfach zu befolgen. Die Autobahn führt komplett gerade aus.
Doch die freie Fahrt ging nicht ewig so weiter. Der Verkehr schien sich wieder zu verdichten, wir wurden wieder alle langsamer. Wir waren gerade bei 20,2. Sollte sich etwa wieder ein Stau bilden? Ich bekam Angst, warum soll ich denn immer anhalten, nur weil die anderen so drängeln? Warum bekommen nicht die Vorfahrt, die vorankommen müssen? Warum baut man keine breiteren Straßen? Ich bin erst bei 20,2, mein Ziel ist eigentlich etwas zwischen 80 und 90. Sollte ich die meiste Zeit bis dahin im quälenden Stau verbringen?
Ich hörte Radio, es war anscheinend ein Unfall bei 20,5, ein Massenunfall. Viele waren darin verwickelt, keine Spuren waren mehr befahrbar. Da kam plötzlich eine Eilmeldung im Radio. Auf der Autobahn kommt mir etwa bei 20,3 ein Geisterfahrer entgegen. Ein Geisterfahrer, einer der keine Lust hat, im Stau zu stehen, einer, der einfach umdreht und der Masse den Rücken zukehrt, einer, der rückwärts fährt, jedoch mit normaler Geschwindigkeit. Einer, vor dem alle Angst haben, aber auch einer, vor dem alle ausweichen und dem damit alle den Weg freimachen. Keiner will ihn aufhalten. Ich sah ihn schon vor mir kommen, es kam immer näher. Die linke Spur wurde freigemacht, dadurch stauten wir uns noch mehr. Der Moment, in dem er an mir vorbeifuhr verging langsam, sehr langsam, fast wie Zeitlupe. Ich konnte in sein Gesicht sehen. Er war wild entschlossen, er lachte. Er hatte Spaß, er zeigt allen anderen den Mittelfinger. Ich war begeistert von dem Geisterfahrer. Ich nahm mein Lenkrad, drehte es nach links und fuhr auf die linke Spur, so dass ich dem Geisterfahrer folgen konnte. Wir waren zu zweit. Wir waren schnell. Wir waren nicht alleine. Andere folgten unserem Beispiel und drehten auch um. Ich dachte mir, wenn ich nicht mehr will, dann fahr ich wieder normal weiter, aber im Moment macht das einfach zu viel Spaß.
Wir waren mittlerweile schon fünf Geisterfahrer, waren schon länger unterwegs. Alles verging so schnell, ich war wie in Trance. Alles ging von alleine. Da sah ich vor mir einen Stau, auf den wir direkt zufahren. Ich bekam Angst, wachte aus meinem Trancezustand auf. Meine Augen waren weit geöffnet, Schweiß lief mir den Rücken hinunter. Sollte das das Ende meines Ausfluges werden? Es schien so. Ich musste umdrehen, wieder dem Strom folgen. Mit Adrenalin voll gepumpt wollte ich bremsen, doch die Bremsen funktionierten nicht mehr. Auch bei den anderen gingen die Bremsen nicht mehr. Der Fahrer vor mir lenkte einfach nach links und rammte einen anderen. Als ich an ihm vorbeifuhr schien er es überlebt zu haben. Er blutete zwar arg, wird wohl auch Narben davontragen, aber er hat überlebt. Ich erkannte, dass das nun schon der einzige Ausweg sein wird, es gibt keine andere Lösung mehr. Ob ich überlebe weis keiner. Ich war hoffnungslos verloren. Das Ende meiner freien Spur kam immer näher. Ich schaute nach links, in die Gesichter der anderen. Sie schauten so anders auf mich, als ob ich ein Außenseiter bin. Ich wurde immer schneller. Keiner von ihnen schien mich auffangen zu wollen, keiner wollte mich retten. Sie hupten, als ob mir das was nützte. Deswegen kann ich auch nicht anhalten. Ich bin nun kurz vor dem Ende meiner Spur, sehr kurz. Ich bin komplett nass geschwitzt. Ich begann langsam zu schreien, immer lauter. Alles schien nun wieder langsamer zu vergehen, so wie damals, als mir der Geisterfahrer begegnet ist. Die Zeit verging immer langsamer, doch ich wurde immer schneller, die Situation wurde immer hoffnungsloser. Ich war nun vor dem Aufprall, versuchte das Lenkrad nach links zu reisen, doch es lies sich nicht mehr bewegen. Ich riss heftiger daran, bekam Panik, doch das Lenkrad bewegte sich nicht. Ich war am Ende. Ich riss noch die Arme vor mein Gesicht um zu retten, was eh nicht mehr zu retten war. Es krachte…
Nass geschwitzt riss ich meinen Oberkörper hoch, sah in den Spiegel gegenüber von meinem Bett. Durch meine rote Gesichtsfarbe schienen die Schweißperlen Blut zu sein. Ich atmete tief durch, alles nur ein Traum.

mfg Mich!

Feuerkopf
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Fr 27. Mai 2005, 10:08 - Beitrag #23

Bauer-Ranger,
könntest du dich dazu durchringen, auf die letzten beiden Zeilen zu verzichten?
Sie nehmen den ganzen surrealen Ansatz wieder weg.

Von mir gibt's was Sommerliches. ;)

Dingerchen

Finde ich klasse, dass der Martini im Sonderangebot war, da konnte ich gleich zwei Flaschen kaufen und von dem gesparten Geld ein paar von diesen leckeren Grissinis.
Gibt es was Schöneres, als abends auf der Terrasse zu sitzen, in der Hollywoodschaukel sanft zu schwingen, den Abendvögeln zuzuhören und einen gepflegten Martini zu schlürfen? Der Tag vergeht im Sommer wundervoll langsam, er lässt einem Zeit, über ihn nachzudenken und ihn gebührend zu verabschieden. Ich mag es, wenn es lange dämmrig ist.
Mir fehlt aber noch eine Zutat, damit mein Cocktail perfekt ist, vielleicht sollte ich einen Abstecher zum Schlosspark machen, dort gibt es einfach die schönsten und leckersten Dingerchen. Ich pack mir ein Kühltäschchen ein; leicht geeist schmecken sie am allerbesten.
Letztens hatte ich braune, die sehen hübsch aus, aber sie waren nicht anständig gekühlt. Irgendwie schmeckten sie muffig.
Ich mag den Schlosspark. Dort sind viele Jogger unterwegs, oft allein, ganz in ihren Rhythmus versunken. Ich bewundere sie, sie sind so tüchtig und zielstrebig. Sie bleiben gern an der Spitzkehre des Rundwegs stehen und gucken auf ihre Armbanduhren. Dann kann ich sie richtig glühen sehen, vor allem die, die nicht nur Spaziergehtempo draufhaben.
Auf dem alten Baumstamm beim Rhododendronhain sitze ich und warte. Natürlich warte ich manchmal auch anderswo und auch nicht immer im Schlosspark.
Ich mag die Jogger am liebsten. Wenn ich sie mir schnappe, dann ist das ein wenig wie jagen. Ich kneble sie und dann erkläre ich ihnen, was ich vorhabe. Schade, dass sie nicht verstehen, was einen perfekten Cocktail aussmacht. Deshalb musste ich auch bisher jeden von ihnen töten. Aber natürlich erst hinterher, sonst würden die Dingerchen schlecht werden. Die schönen braunen, oder die leuchtenden blauen oder die seltenen grünen.

Elbereth
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Mo 27. Jun 2005, 22:27 - Beitrag #24

@Feuerkopf: Das ist aber böse :boah:

Ich habe gerade eine sehr kurze Sci-Fi-Kurzgeschichte geschrieben:

Die rote Abendsonne schien durch die verzweigten Äste der Bäume auf ein Paar, dass Händchen haltend einen Parkweg entlang schritt.


- Habe ich dir schon erzählt, - fing sie an, - dass ich vorgestern auf der Androidenausstellung war? Es ist unglaublich, es gibt Roboter die wirklich haargenau wie wir aussehen, ihre Haut wirkt absolut echt, und die Gesichter...

Er lächelte:
- Ich hoffe, du hast da nicht zufällig Menschen mit Androiden verwechselt?

- Ach, ich meine es ernst, manche waren wirklich verdammt menschlich.


- Ich habe gehört, - sprach sie etwas beunruhigt weiter, - dass sie schon einige Androiden heimlich in unsere Gesellschaft integrieren, um zu sehen, ob wir das merken.

Er lachte:
- Du hast Angst, dass du einen echten Menschen nicht von einem Roboter unterscheiden kannst?

Er blieb ihr gegenüber stehen. Seine Finger glitten langsam über ihre Wange und mit der anderen Hand drückte er sie sanft aber fest an sich.

- Denkst du ein Roboter kann das auch?

Sie lächelte:
- Ach Schatz, dich werde ich nie mit einem Roboter verwechseln...

Und ihre Lippen vereinigten sich in einem innigen Kuss, während sein metallisches Herz weiterhin schlug und künstliches rotes Blut durch seine Plastikadern pumpte.

nils.ri
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Mo 27. Jun 2005, 23:22 - Beitrag #25

Naja ... ich weiß nicht, solche Sci-Fi-Storys gibt's irgendwie schon zu viele.
Ich finde das immer auf eine sehr komische Art kitschig; das dürfte aber an meiner Einstellung und nicht an deiner Story liegen. ;)

Elbereth
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Di 28. Jun 2005, 17:29 - Beitrag #26

Ich weiss, aber ich liebe solche Sci-Fi Stories, und ich liebe kitschige Geschichten :D . Ausserdem gibt es eigentlich schon so viele Sci-Fi Bücher, dass eigentlich alles was einem so einfällt, schon irgendwann mal von irgendwem geschrieben wurde, zumindest die Ideen im ganzen. Die Geschichte hab ich aus Spass für so einen wettbewerb geschrieben, eine Sci-Fi Geschichte in 200 Wörtern, und eigentlich war eher diese Begrenzung von 200 Wörtern die Herausforderung :D

nils.ri
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Di 28. Jun 2005, 17:38 - Beitrag #27

Zitat von Elbereth:eine Sci-Fi Geschichte in 200 Wörtern, und eigentlich war eher diese Begrenzung von 200 Wörtern die Herausforderung :D


Also dafür finde ich sie doch schon ganz gut. :)

The_Secret
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Do 7. Jul 2005, 17:53 - Beitrag #28

Meine erste Kurzgeschichte... Romane kann ich besser alles ein bisschen depri, aber hey... für den Anfang gar nicht so übel...

Irgendwie ist es mir zu laut, der kleine Wasserfall an unserem Teich. Sonst ist er mir nie zu laut. Ich sitze gerne auf der kleinen, roten Brücke und sehe zu, wie das Wasser über die Steine in die Tiefe jagt, doch heute erscheint mir das Rauschen wie ein Dröhnen. Ich werde unruhig und fühle mich nicht so besonders, doch das ist auch verständlich, oder? Ich lasse meinen Blick zur Seite wandern, nicht das erste Mal an diesem Abend.
Wie schon so oft in den letzten drei Jahren sitzt er neben mir, die Füße im kalten Wasser, doch diesmal lächelt er mich nicht aufmunternd an, wuschelt mir durchs Haar und zwinkert. Diesmal rege ich mich nicht über seine Scherze auf und zwicke ihm in die Seite. Heute sind wir nicht glücklich. Er sieht mich nicht mal an. Sein Blick geht starr gerade aus zum Wasserfall. Er hat ein schlechtes Gewissen, man sieht es ihm deutlich an und er sollte auch eines haben. Warum jetzt? Und warum hat er mir das nicht früher gesagt. Die Stille zwischen uns ist erdrückend. Auch wenn das dröhnen des Wasser bis tief in mein innerstes hallt, so fühle ich mich doch so leer und in einer beklemmenden Stille gefangen.
„Und morgen fliegst du also, ja?“
Endlich sieht er mich an. In seinen grauen Augen spiegelt sich Trauer und Schuldgefühl. Er schweigt, natürlich schweigt er, was soll er mir schon sagen? Er nickt nach einer Weile langsam und streicht sich eine Strähne seines braunen Haares zurück.
Ich wende mich ab. Ich merke schon, wie meine Wangen zu glühen beginnen und meine Hände zu zittern beginnen.
Ich weiß, dass er etwas sagen will, doch er kann nicht, was sollte er mir schon sagen. Seit drei Monaten weiß er, dass er morgen ins Ausland ziehen wird, doch er hat mir nichts gesagt. Gerstern waren wir noch zusammen unterwegs, und er hat nichts gesagt. Ich habe es von meiner Mutter erfahren, als sie heute Morgen mit unseren Nachbarn geredet hat und diese wissen wollten, wo es hingeht, wir wussten davon nichts. Als ich das gehört habe bin ich sofort aufs Fahrrad und hin zu seinem Haus. Ich habe die Möbelpacker gesehen, seine Mutter im Stress und ihn, wie er sich von seinen Freunden verabschiedet hat, dann hat er mich gesehen und sein Lächeln war verschwunden. Ich habe sofort wieder kehrt gemacht und bin nach Hause. Es dauerte eine Weile, doch am Nachmittag kam er dann und wollte mich sehen und seitdem sitzen wir hier und schweigen… Seid zwei Stunden…
„Ich… ich muss jetzt wieder los“, flüsterte er, „ morgen geht der Flug sehr früh….“
Ich nicke nur und spüre sein Zögern, als er aufsteht, spüre seine Hand, wie sie sich mir nähert und mich doch nicht berührt. Trotz des Wasserfalls höre ich wie sich seine Schritte entfernen. Ich springe auf und sehe ihn mit Tränen in den Augen an.
„HAST DU MIR DENN GAR NICHTS ZU SAGEN?“
Er dreht sich zu mir um, in seinen Augen glitzern Tränen, Tränen, die schon längst in kleinen Bächen über meine Wange rinnen, Tränen der Trauer.
„Doch, aber das, was ich dir aus tiefsten Herzen sagen will, würde alles nur noch schlimmer machen.“
„Wieso? Wieso hast du mir nichts gesagt? Wieso?“
„Ich wollte nicht, dass du weinst.“
„LÜGE!“
„… ich… ich wollte nicht, dass du dich mir gegenüber anders verhältst... ich hatte Angst, das deine Fröhlichkeit unecht werden würde und du dich distanzierst… ich… ich wollte dich nicht früher verlieren, als ich gehen muss, bitte glaube mir...“
Meine Knie geben nach und ich breche zusammen. Der Wasserfall hat aufgehört zu plätschern und die Pumpe hat sich abgeschaltet.
„Wir können uns ja schreiben und… ich komme dich in den Ferien besuchen und du mich auch mal…“
Ein letzter Strohhalm an den wir uns klammern können, obwohl wir genau wissen, dass wir uns nie wieder sehen. Etwas, mit dem wir versuchen können unseren Schmerz zu verdrängen, etwas, an das wir uns klammern können, jetzt, wo wir wieder alleine sind.

Bauer-Ranger
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Mi 20. Jul 2005, 14:04 - Beitrag #29

noch längst nicht ausformuliert, aber ich poste es trotzdem mal:

Sie drehte sich zu mir und entdeckte mich. Ich hatte versucht, mich so klein als nur möglich zu machen, aber sie hatte mich entdeckt. Ich schaute ihr in die Augen, sie schaute mir in die Augen. Ich musste nach unten sehen, als Zeichen meiner Unterwürfigkeit. Leider merkt man erst nachdem man seinen Blick nach unten richtet, dass man damit sein Nachsehen demonstriert, sonst hätte ich das nicht getan. Ich fing an zu zittern, verlieren war nicht in meinem Programm, ein Neuanfang war unmöglich. Nun schaute mich auch die andere an. Bald war ich der Mittelpunkt, alle schauten mich an. Der Mittelpunkt zu sein in der Rolle des Versteckten, es war ein schreckliches Gefüh. Ich wurde rot, schämte mich, bekam Angst. Mein Herz klang wie der Hammer eines Richters. Verurteilt vom eigenen Herzen. Ich starrte den Fußboden an, traute mich nicht mehr nach oben zu sehen. Der Wind, der durch das offene Fenster kam, wurde stärker. Ich hörte, wie eine Dame in ihrer Tasche herumsucht. Was hat sie vor? Fest entschlossen, jede Schuld zu büßen, stand ich auf, schrie laut „Ja, ich bin's!“ und sprang aus dem Fenster.

mfg Michi

The_Secret
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Fr 22. Jul 2005, 17:46 - Beitrag #30

Ich finde die Geschichte ein wenig abstrus, doch zugleich auch interessant. Ich mag ein paar der Formulierungen, wirklich... Den Herzschlag mit dem Hammer eines Richters zu vergleichen finde ich sehr gut, gerade auch, wenn man die Situation bedenkt... das einzige, was man vielleicht noch ein bisschen überarbeiten könnte, wäre das Ende... Es ist zu knapp, zumindest finde ich das... "Ja ich bin's" schreien und aus dem Fenster springen... es geht nicht darum, was es war, sondern warum es das Fenster sein musste, warum er springen musste... Alles ist so auf das Gefühl, auf den Augenblick in der Menge gerichtet, das man es meiner Meinung nach nicht mit einem einfachen Satz beenden kann... Die Stimmung geht dabei verloren... zumindest für mich... aber na ja... nur ein Vorschlag...^^ Trotzdem ist die Geschichte gut...

The_Secret
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Mi 31. Aug 2005, 17:41 - Beitrag #31

Wenn man sie fragt, was sie suchte, so war die Antwort immer die gleiche.
„Ich suche nicht, ich warte.“
Auf was wartet sie, nun, ich denke sie weiß es nicht mal selbst, aber immer, wenn sie etwas von dem begegnet ist, auf das sie gewartet hat, so spürte sie es tief in ihrem Inneren. Dieses tiefe, alles verzehrende Verlangen, welches sie zu verdrängen versuchte brach dann immer hervor. Ja, sie war kaltherzig, zumindest augenscheinlich. Sie besaß diese seltsame Fähigkeit alles an Gefühlen aus ihren Gedanken und ihrem Leben zu verbannen, wenn sie nur lang genug und ohne jegliche Leidenschaft über sie nachdachte und sie dachte viel. Leute wie sie hatten viel zeit. Sie beobachteten alles und jeden und nur, wenn die Angst, die unkontrollierbare, unbezwingbare Angst über sie kam, sprach sie mit jemandem und dann hielt man sie für stark, selbstbewusst und kaltherzig. Doch eigentlich war sie leer. Eine Leere, die sie zu verschlingen drohte, doch dann gab es diese Momente. Diese Leidenschaft erfasste sie, ließ ihr Innerstes erbeben. Wenn es kribbelte, sie lächeln musste oder einfach nur fasziniert war, wenn ihre Hände unruhig wurden und sie sich bewegen mussten, ihre Gedanken unkontrolliert und frei waren, dann, dann lebte sie und war nicht leer.
„Wo ist das Glitzern in deinen Augen, wo ist dieses geheime Lächeln geblieben, welches dich so bezaubernd gemacht hat? Dieses Etwas, dass dich zu Licht machte?“
Sie sah ihr Gegenüber an, aus kalten, leeren Augen.
„Magst du mich nicht mehr? Ich dachte du liebst mich? Zumindest hatte ich das gehofft.“
Ihr Blick blieb eisig und sie schloss für einen Moment die Augen um ihn nicht noch mehr zum Zittern zu bringen. Noch einmal rief sie sich die letzten Tage in Erinnerung. Was geschehen war, was sie bewegt hatte. Dann musterte sie ihn noch einmal.
//Es ist besser so… Ihr würdet beide nur unglücklich werden.//
„Ich habe nachgedacht…“

Padreic
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Mi 31. Aug 2005, 19:34 - Beitrag #32

Noir Infini

Die Nacht war unendlich schwarz. Neumond, kein Stern zu sehen. Zwei Augen versuchten dieses Dunkel zu durchdringen. Und scheiterten. Hier gab es kein Licht.
Angst durchdrang ihn, dem die beiden Augen gehörten, so wie die Kälte. Gern hätte er geraucht. Doch Licht war zu gefährlich. Whisky hatte er nicht dabei.

Er ging ein paar Schritte, auf und ab, blieb wieder stehen. Eben hatte er noch an der Wand gelehnt. Seine rechte Hand fuhr langsam über sein Gesicht.
Er hätte nicht hier sein sollen.

Sehnsuchtsvoll blickte sein Auge zum Himmel. Er suchte Sterne, suchte den Großen Wagen, suchte Halt. Die blasse Mattheit des Firmaments machte ihn beklommen.

There was nothing to do but wait.

Er erinnerte sich eines kleinen Fisches. Er hatte ihn in einem Aquarium gesehen. Er war wunderschön gewesen. Sein Vater war vorübergegangen.

Es war kalt, er fror. Er hörte sein Herz schlagen, zitterte.
Es würde noch lange dauern, bis sie hier sein würden.

Ob er eine Zigarette wagen dürfte? Seine Hand streichelte die Schachtel.

Timeo Danaos et dona ferentes: Fürchte die Zigarette, auch wenn du sie dir wünschst.

Seine Hand streichelte weiter. Sein Herz begann zu hoffen. Er zog die Schachtel aus seiner Manteltasche, öffnete sie, schloss sie wieder.
Er hielt einen Moment inne. Es war immer noch kein Stern zu sehen.
Wieder öffnete er die Schachtel, zog nun eine Zigarette heraus. Mit der rechten Hand hielt er die Zigarette, mit der linken die Schachtel. Die linke Hand glitt zurück in die Manteltasche und kam mit einem Feuerzeug wieder empor. Jetzt hatte er beides, Feuerzeug und Zigarette.
Er näherte sich ihr vorsichtig mit der Flamme, sie fing Feuer. Langsam zog er. Einmal, zweimal, dreimal. Er schwelgte im Genuss.

Bis er von einem Kopfschuss erlöst wurde.

Lykurg
[ohne Titel]
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Sa 3. Sep 2005, 20:00 - Beitrag #33

Der Weg

Er verlagerte sein Gewicht auf seinen linken Fuß, hob den rechten langsam, fast unmerklich an, schob ihn nach vorn, setzte ihn wieder hin - erst den Ballen, dann mit dem wieder zur Mitte pendelnden Gewicht seines Körpers auch Ferse und Zehen belastend. Tastend hob er nun die Ferse des rechten Fußes, verlagerte den Schwerpunkt nach vorn, zog das Bein nach vorne. Und noch ein Schritt. Kurzes Zögern. Und noch einer. Der Boden war hart, die Unebenheiten des Pflasters noch durch die dünnen Schuhsohlen wahrzunehmen. Noch ein langsamer, tastender Schritt. Er spürte den leichten abendlichen Hauch auf der Haut seiner nackten Unterarme - nicht mehr die volle Hitze des Augusttages, dachte er, ja, man konnte es schon Abend nennen, oder Spätnachmittag, etwas dazwischen, entscheiden wollte er sich nicht. Die Sonne, die den Tag über gebrannt hatte, war ihm jetzt nur noch angenehm, sie wärmte ihn, als wäre sie ihm eine Vertraute, und als ob sie ihn über die vergangene Glut des Mittags hinwegtrösten wollte. Er ging weiter, etwas stolpernd zuerst, er hatte eine Stufe nicht bemerkt, fing sich aber wieder. Hier ging es sich angenehmer.

Seine Gedanken beruhigten sich. Das schrille Gellen in seinen Ohren ließ nach, die Stimme, die er einst geliebt hatte, und die nun so unkenntlich grausam in ihm wiederhallte, wurde leiser, und er konnte nun wie durch einen Schleier ein stetiges Rauschen vor sich hören. Er öffnete langsam die Augen - nur einen Spalt breit. Er sah verschwommene, schnell bewegte Formen und Farben. Irgendwie schön, dachte er, und vertraut. Dorthin? Ein paar weitere Schritte. Ihre Bilder sind es gewesen, dachte er, diesen Zauber, der von ihr ausging, hatte er sich immer nur eingebildet. Es sind ihre Bilder gewesen. Wohin? Da hörte er plötzlich ein scharfes, quäkendes Geräusch, das seine Gedanken störte, einen mißtönenden Klang, dazu ein Kreischen wie von Metall auf Metall. Er fühlte einen dumpfen Schlag gegen sein Knie, erhob sich, flog... fiel zu Boden.

Milena
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Mo 6. Mär 2006, 16:24 - Beitrag #34

Gekehrte Strassen
oder einfach nur darauf gespuckt


Sie drückt auf Abschicken, starrt auf den Bildschirm,drückt die Taste E-mail öffnen und beginnt seine Worte zu lesen:
Meine Liebe,ich wusste eines Tages würde dieser Tag kommen, nun ist er gekommen.
Du gehst aus meinem Leben, wirst für immer verschwunden sein, sowie du eineTaste gedrückt hast.
Was kann ich dir wünschen, dir auf deinen weiteren Lebensweg mitgeben?Nichts im besonderen.Nichts im eigentlichen Sinne, ausser einen letzten Dank, dass ich dir begegnen durfte und meine Hoffnung, der Herrgott möge dich niemals verlassen
und ich frage mich, ob ich dich gehen lassen soll und ich werde dich gehen lassen, weil ich dich liebe.Dein Engel.
Svetlana drückt auf die Taste und betrachtet kurz den schwarzen Monitor, der eine vage Silhouette ihres entschlossenen Ichs widerspiegelt.
Sie geht aus dem Zimmer und schliesst die Tür und lässt ihr Leben in dem Land zurück, um ein neues in einem anderen Land zu beginnen.
Er blickt auf das stumme Gerät vor sich, öffnet wehmütig eine Mail nach der anderen, die sich hilflos laut und verzweifelt leise über sein genügsames Leben hinweg angesammelt haben.
Und die erste Mail beginnt vor seinen Augen lebendig zu werden und sie fängt anmit ihm liebevoll zu reden und ihm grausame Dinge zu erzählen.

Milena
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Mo 6. Mär 2006, 19:24 - Beitrag #35

...Selbst Grossmutter war einmal jung.
Wie sie als Verkäuferin arbeitete,
nach Feierabend mit ihren Freunden ins Kino ging,
um anschliessend ein Lokal in Belgrad zu besuchen, in dem Zigeuner die Nacht lang auf Violinen spielten und es nicht mehr notwendig war zum Schlafen nach Hause zu gehen,sie in den Morgenstunden in dem kleinen Geschäft stand,
um rosa- und grünfarbene Strümpfe zu verkaufen,die Leute bediente und mit sechszehn Jahren vor den Traualtar schritt.
Das Nachtleben war aber zu verführerisch, um einem einzigen Mann die Treue zu halten und die Scheidung erfolgte kurzerhand.
Dieses Ereignis war wiederum Anlass genug ausgiebig befeiert zu werden und Grossmutter lud ihre Mutter, die elf Kinder in die Welt setzte da ein, wo gesungen und getanzt wurde und Zigeuner auf ihren Geigen spielten und die Tränen ganz leicht aus den Augen von Grossmutter und Mutter flossen, die des Abends an einem 10. April in einem Belgrader Lokal zusammen sassen.
Und Sonja nahm die runzelige Hand ihrer Mutter, blickte sie zärtlich an und konnte doch nicht darin lesen, nicht im geringsten ahnen,
dass dies der letzte Abend sein würde, den Mutter und Tochter zusammen verbrachten, als Violinen ihre traurigsten Lieder preisgaben und im klaren schwarzen Himmel über Jugoslawien kein einziger heller Stern zu erblicken gewesen wäre.
So wie man im Leben nicht immer eine Wahl hat, so kam für Grossmutter amnächsten Tag der endgültige Gedanke auf nach Deutschland auszuwandern.
Sonja wurde von ihrem Bruder Wasiljewitsch zum Bahnhof begleitet und als der Zug nahte, spürte Wasiljewitsch das untrügliche Gefühl seine Schwester für lange Zeit nicht zu sehen und Grossmutter blickte aus dem verdreckten Zugfenster und spürte das neue Leben in ihrem Bauch
und sie hörte wie der Schaffner in seine schrille Pfeife pfiff, aber sie konnte ihren Bruder, der ihr unermüdlich zuwinkte hinter dem Tränenschleier nicht mehr deutlich genug erkennen
und der Zug nahm auch keine Rücksicht darauf, ob ein Mensch etwas richtig erkannte oder nicht und fuhr energisch vorwärts,
wo es schon längst kein Zurück mehr gab und es fuhren Sonja und Svetlana, die noch nicht geboren war, fort aus ihrer Heimat in ein völlig unbekanntes Land, das sie niemals wieder in ihrem weiteren Leben als ihre Heimat benennen wollten.

Milena
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Mo 6. Mär 2006, 21:16 - Beitrag #36

[align=left]...Die Tochter von Sonja wurde auf den Namen Svetlana getauft, [/align]
[align=left]deswegen, weil Svetlana Licht und Erleuchtete bedeutete [/align]
[align=left]und trotzallem was ihr widerfahren war und ihr noch widerfahren sollte, [/align]
[align=left]hatte sie niemals den himmlischen Glauben verloren an diesen Jemanden, [/align]
[align=left]der über sie lenkt und richtet und so war sie die geborene Christin mit entsprechender Titulierung und Belastung.[/align]
[align=left]Svetlana hatte sich damit und inzwischen auch mit der Einsamkeit sehr gut angefreundet und ihre Träume und das Alleinsein verstanden sich ausgezeichnet und harmonierten bereits in der Schulzeit vorzüglich miteinander. [/align]
[align=left]Ein kleines Tief schlich sich in ihr Seelenheil ein, als ein unangekündigter Besuch einer Mitschülerin bei ihr zu Hause eintraf. Svetlana lebte eigentlich zufrieden in dem hundert Jahre alten Haus im zweiten Stock der Stadt Nürtingen. Es machte ihr nicht wirklich was aus, [/align]
[align=left]dass ihr kleines Zimmer auf dem breiten, langen Flur lag, zu dem man über eine laut knarrende Holztreppe hinaufgelangte und man zu keinem Badezimmer gelangen konnte, weil es im gesamten Haus kein Badezimmer gab, [/align]
[align=left]dafür aber eine Gemeinschaftstoilette für alle Mitbewohner. [/align]
[align=left]Sie machte bereitwillig Bekanntschaft mit ihresgleichen, mit Zigeunern und Ausgestossenen, weil auch sie bereitwillig die einzige Toilette und das Toilettenpapier mit ihresgleichen zu teilen bereit war. [/align]
[align=left]Als Svetlana wegen einer Grippe das Gymnasium nicht besuchen konnte, stand sie am späten Mittag im Nachthemd auf dem breiten Flur über dem eine Wäscheleine hing, die doppelt und dreifach gezogen war, [/align]
[align=left]an denen bunte Röcke, bunte Blusen und gelbliche Unterhosen hingen und beobachtete Fatima, die das Zimmer rechts von ihr bewohnte und auf dem breiten Flur sass und Teig knetete, diesen Teig zu mittelgrossen Kugeln formte, sie auf ein schwarzes Blech legte, [/align]
[align=left]mit ihren flinken Fingern mit warmen Öl bestrich und mit ölverschmierten Händen das Kopftuch noch tiefer über die dunkle Stirn zog und ihr dabei mit schwarzen Augen zuzwinkerte. [/align]
[align=left]Svetlana lächelte verlegen und bahnte sich einen Weg durch Röcke und Unterhosen zurück in ihr kleines Zimmer und vernahm dabei wohlwollend heimische Melodien, begleitet von angebratenen Zwiebel- und Fleischdüften. Plötzlich hörte sie aus einer anderen Welt kommend die Stimme ihrer Mitschülerin Marianne, die irritiert hinter einer trocknenden Unterhose stand und um Aufmerksamkeit rief. [/align]
[align=left]Marianne händigte ihr eiligst den Hausaufgabenzettel aus und Svetlana machte keine Anstalten der Schulkollegin weiterhin Einblick in ihrer Welt zu verschaffen und Marianne machte auch nicht den Eindruck darauf gewartet zu haben und so kam Marianne unversehrt unten auf der sauberen Strasse der Stadt Nürtingen wieder an.[/align]

Milena
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Mo 6. Mär 2006, 22:34 - Beitrag #37

...Grossmutter fasste daraufhin den Entschluss ihre Tochter besser in diesem Land zu integrieren und anzupassen und sassen so eines Tages im Stuttgarter Konsulat.
An diesem nasskalten Oktobertag wurde ihnen beiden die deutsche Staatsbürgerschaft überreicht und ein Stück mehr der Heimat und der Identität beraubt.
Grossmutter sass verklemmt auf ihrem Stuhl gegenüber eines wuchtigen Schreibtisches, mit einem entschlossenen Mann dahinter, der ihr viele Formulare vor die Nase legte und ihr befahl alles zu unterschreiben, dabei keine Miene verzog und ihnen verkündete, dass sie nun aus der serbischen Zugehörigkeit ausgetreten seien und von nun an dem deutschen Vaterlande angehören würden und über dem Kopf des dunkelhaarigen Beamten hing ein Bild von Tito,
dasselbe Bild, das im Hause von Grossmutter in Beograd hing, ihrer abgelegten Heimat. Grossmutter verzog nun auch keine Miene und ging neben ihrer Tochter aus dem riesigen Gebäude, um in den nasskalten Oktobertag einzutauchen, den endlichen Bahnhof anzusteuern und es liefen auch bereitwillig die Tränen über ihr Gesicht
und sie erinnerte sich daran, wie sie vor vielen Jahren, nach einem mehrwöchigen Urlaub am Belgrader Bahnhof stand mit einem kleinen Koffer in der linken Hand und ihrer kleinen Tochter zur Rechten
und gegenüber verweilte diesmal ihr zweitjüngster Bruder Baja, der noch alle Finger hatte und mit dicken roten Backen und zersaustem schwarzen Haar vergeblich versuchte sie anzulächeln,
die Tränen über seine Backen liefen und Sonja erst gar nicht versuchte diesem Abschied von ihrer Familie, ihrer Heimat und ihrem Bruder etwas Sinnvolles abzugewinnen, denn hinter einem Tränenschleier konnte sie wieder nichts Wirkliches erkennen und als der Zug in die riesige Bahnhofshalle einfuhr und Svetlana zu schreien anfing und in die Arme ihres Onkel lief, wäre es ein Leichtes gewesen dem gröllenden Zug den Rücken zu kehren, wäre da nicht der Lokführer gewesen, der die missliche Lage zu erkennen glaubte und sich als behilflich erwies
und Sonja den Koffer abnahm, ihn in den Waggon beförderte, das kreischende Mädchen aus den Klauen des dickbackigen Mannes befreite und sodann mit einem kräftigen Stoss in den Zug verhalf und die Fahrt hindurch nicht seine Augen von Sonja lassen konnte und sich die Strecke von Belgrad nach Nürtingen als Held und Beschützer verstand
und selbst als die grässliche schrille Pfeife pfiff und es klick und klack machte und alle Türen automatisch verriegelt wurden und nur noch Onkel Baja mit tiefroten Backen draussen stand und mit ihm die Hoffnung, dass er seine Schwester bald wieder sehen würde und als der Zug langsam verschwand,
aus seinem Blickfeld für immer verschwand und nur noch ein kleines schwarzes Pünktchen zu erkennen war,
so verschwand auch mit den Jahren die Hoffnung und so beeilte sich die Zeit, dass kein Hoffnungsschimmer mehr aufkommen konnte
und so sahen sich Sonja und ihr Bruder Baja nie wieder und nur ein Brief erreichte Grossmutter in den Wirren des Krieges. Ein kurzer Brief, in dem auch nur stand, dass es schrecklich dort zugehen würde und dass drei Brüder von Sonja einberufen wurden und dass Bruder Baja aber nicht einberufen werden wollte und mehrere Finger sich selbst abgehackt hatte, dass sämtliche Häuser durchlöchert seien, so auch ihr Elternhaus und die Donau aber als einzige Naturbegebenheit noch immer friedlich dahinfliesst.

Milena
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Mo 6. Mär 2006, 23:05 - Beitrag #38

...Und wie schön, dass es vor einer Grenze auch friedvoll zugehen kann
und so konnte Svetlana in Ruhe ihre Ausbildung in der Krankenschule in Tübingen absolvieren
und ihre Heimatgeschichte getrost hinter sich lassen. Nach der dreijährigen Ausbildung trafen sich die Kollegen regelmässig alle drei Monate, weil es noch viel zu erzählen gab.
Danach traf sich auch niemand mehr, weil es auch nichts mehr neues zu erzählen gab. So traf man sich ein letztes mal zur Weihnachtszeit auf dem Weihnachtsmarkt in Tübingen.
Svetlana stieg aus ihrem Auto, dachte an ihre beiden Kinder und an Grossmutter und lief Richtung Weihnachtsmarkt.
Sie lief an Menschen vorbei, die auf dem Boden sassen und ihre Hand aufhielten. Und diese auf dem sehr kalten Boden sitzenden Menschen blickten die Passanten nicht wirklich an, obwohl sie versuchten die Blicke der laufenden Kreaturen zu erhaschen und Svetlana versuchte in den Gesichtern der auf dem sehr kalten Boden sitzenden Menschen zu lesen, irgendetwas darin zu lesen, was sonst in keinem anderen Menschen zu lesen drin stand. Was schrieb das Buch des Lebens, wenn die Ärmsten der Armen die vorbeilaufenden Kreaturen mit einem mitleidsvollen Ausdruck einzufangen versuchen,
um sie ein wenig in ihrem vorhandenen Herzen anzustossen, sie ein wenig zu berühren, damit sie mit wenigen forschen Schritten zuerst an ihnen vorbeieilen, um dann doch mit einem besonderen Gewissen heraus stehen bleiben und mit einem nervösen Griff in ihre Jackentaschen fahren, ihr Portmonnaie ungeduldig öffnen, um dann mit befreienden Schritten und einem Seufzer der körperlichen Entlastung zurückeilen und dabei möglichst den Blick und die allwissenden Augen des auf dem sehr kalten Boden sitzenden Menschen geflissentlich zu meiden,
und mit einer knappen Kopfbewegung und eines hocherhobenen Hauptes seines Weges weiter zu marschieren. Svetlana bleibt mit der Frage allein, wie es sein kann, dass es Menschen gibt, die auf einem deutschen graukalten Boden sitzen und ihre eigentliche Analyse gilt den Menschen, die den geraden Marsch auf deutschen grauen Böden praktizieren und weder nach rechts noch nach links zu blicken in der Lage sind.
Sie ist angekommen auf dem christlichen Weihnachtsmarkt. Svetlana erblickte von weitem bereits Konstanze mit dem langgestrecktem Hals und dem darauf sitzenden Kopf, den ein auberginefarbener Pagenschnitt zierte.
Sie begrüssten einander überschwenglich und hielten sogleich einen Becher Glühwein in der Hand und Svetlana hoffte auf weitere Kollegen, da sie schon nicht mehr wusste, was sie mit Konstanze besprechen sollte und sie blickte sich hilfesuchend um
und war sich der wohlgekleideten gutgenährten Deutschen bewusst, die an sitzenden Menschen vorbeieilten, um nach einigen Metern plötzlich stehen zu bleiben und kopfschüttelnd auf diese Menschen zurückzublicken und mit einem impertinenten Ausdruck im Gesicht ihres Weges weiterzumarschieren.
Und in einem solchen Moment wäre es für Svetlana ein Leichtes nach Hause zu eilen, ihre Kinder am Kragen zu packen mitsamt Grossmutter und sie in einen Zug zu stossen, der sie für immer und endlich in ihr Heimatland zurückbringen würde,
und doch steigt man nicht in irgendeinen Zug nach irgendwohin, schon gar nicht, wenn tausend Hände einen zurückhalten und partout nicht loslassen wollen und sich wie zur Ernüchterung die Frage von Konstanze einstellt, was denn heute mit ihr los sei und wie auf Entzug Svetlana automatisch erwiderte, dass eigentlich alles wie immer sei und sie nur eine Träumerin
und sich daraufhin Konstanze zufrieden einen weiteren Becher Glühwein hinunterkippt, obwohl sich ihre zarten Äderchen an ihrer knolligen Nase verdächtig geweitet haben und das Blut verstärkt zu zirkulieren bereit war.
Die Stimmung stieg und der Tratsch erreichte seinen Höhepunkt dank Konstanze und Hildegard und Svetlana fragte sich, was wohl Aljoscha und Nadeschka gerade mit Grossmutter anstellten.
Die Weihnachtsmarktbuden wurden geschlossen und Konstanze schaute besorgt auf ihre Armbanduhr, kicherte verlegen und klammerte sich noch fester bei Hildegard ein.
Beide machten einen Abstecher zu einem gewaltigen Tannenbaum, übergaben sich dort ordentlich und Svetlana verabschiedete sich und beeilte sich zu ihrem Auto.
Auf der Fahrt nach Nürtingen lauschte sie den heimatlichen Klängen aus dem Recorder und ihr fiel plötzlich Onkel Baja ein, der sich seine Finger abhackte und sie sah Grossmutter am Tische sitzen mit dem Brief in der Hand und Nadeschka, die ihre kleinen Hände vor den Augen hielt, um ihre Grossmutter nicht so traurig sehen zu müssen und selbst Aljoscha verkrümmelte sich leise ins Bad
und im Hintergrund lief energisch die Musik aus der Heimat und im Vordergrund sassen Grossmutter und Svetlana mit dem Brief in der Hand, geschrieben von der Schwägerin, weil Bruder Baja ohne Finger nicht mehr in der Lage war irgend etwas zu schreiben und Svetlana wischte sich mit der Hand über das Gesicht,
um bei der Finsternis die richtige Strasse zu erkennen und aus irgendeinem Grund heraus hatte sie nicht die richtige Strasse erkannt und sie bekam das Gefühl, das vielleicht auch andere Menschen haben, wenn sie sich fehl am Platze fühlen und zur falschen Zeit am falschen Ort oder auch nur ganz allein mit sich selbst.

Milena
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Mo 6. Mär 2006, 23:21 - Beitrag #39

...Natürlich begegnete Svetlana auch der Liebe.
Zu Beginn einer Beziehung war sie sich dessen vielleicht nicht wirklich bewusst, zumindest aber hinterher.
Die liebevolle Freundschaft musste von Svetlana stets beendet werden, damit ihre Partner es nicht mehr tun konnten, und so war es für Svetlana auch nicht so schmerzhaft oder sie konnte sich diesen Schmerz wenigstens erklären. Dann begegnete sie einem Engel.
Er war sehr ruhig, sehr zuvorkommend und sie erlebte zum ersten mal in ihrem Leben eine sexuelle Erfüllung.
Aus Angst aber, sie könne ihn nicht für ein ganzes Leben lang behalten oder er würde aus irgendeinem Grund nicht mehr bei ihr bleiben wollen, beendete sie eines Tages diese Beziehung.
Als sie ihm mitteilte sie könne nicht mehr richtig mit seiner ruhigen Ausstrahlung und seiner Zuvorkommnis umgehen und es somit besser wäre, er würde sich eine entsprechend passendere Partnerin suchen, da ging er.
Und sie hoffte natürlich, er würde wieder zurückkommen, nach ihr greifen, sie bekehren, sie umarmen, um sie niemals wieder loszulassen, aber er ging und kam nie wieder.
Und Svetlana war zum ersten mal in ihrem Leben wirklich traurig um einen Mann, um so trauriger, weil ihr der Fehler bewusst geworden war, den fatalen Unsinn begangen zu haben, einem Engel begegnet zu sein, ihn weggestossen zu haben, um ihn niemals wiederzubekommen.
Vergeblich versuchte sie ihn telefonisch zu erreichen.
Er ging nicht mehr an das Telefon und sie begann seine liebliche Stimme zu vermissen und vergeblich versuchte sie ihm zu schreiben, aber er beantwortete ihre Briefe nicht und sie begann seine zärtlichen Worte zu vermissen und so nagte sich ein tiefer Schmerz in ihre verletzte Seele, ein unsagbarer Schmerz, den sie sich selbst zurechtgeschneidert hatte.
Und wenn ihr danach war, dann erinnerte sie sich daran, wie sie gemeinsam durch die Strassen schritten, gemeinsam Hand in Hand sich liebevoll anschauten und sie sich an seiner Seite sehr wohlgefühlt hatte und sie erinnerte sich daran, wie er Pläne schmiedete, wo sie ihren ersten gemeinsamen Urlaub verbringen würden und sie erinnerte sich daran, wie sich eine Träne aus seinem linken Auge löste, als sie ihm mitteilte, dass sie ihr Leben nicht mit ihm verbringen könne und er sich aus der gemeinsamen Umarmung löste, seine Jacke nahm und zur Türe schritt, sich zu ihr hindrehte und ein allerliebstes Lächeln sich zu der einzigen Träne gesellte.
Und Svetlana glaubte in ihrem Wahnsinn, ihn nun für immer für sich gewonnen zu haben, aber sie blieb für immer alleine in ihrem Herzen, und an vielen Tagen, egal ob es draussen schneit, ein wüster Sturm geht oder die Sonne um die Wette strahlt, will ihr die Frage nicht aus dem Sinn gehen, warum Engel so liebevoll sind und nur einmal im Leben eines Menschen erscheinen
und sie glaubt zu wissen, dass es nur an ihrem Wahnsinn liegen könne,
der ihr zuteil wurde,
als zuvor andere Männer versuchten ihr den Verstand aus dem Gehirn zu prügeln und sie ihn deshalb nicht auf ewig für sich behalten konnte.

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