Lyrik: Welche Gedichte findet ihr schön?

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Mi 26. Jan 2005, 23:25 - Beitrag #81

Menschen getroffen (Gottfried Benn)

"Ich habe Menschen getroffen, die,
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern – als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benennung zu haben –
„Fräulein Christian“ antworteten und dann:
„wie der Vorname“ – sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie „Popiol“ oder „Badendererde“ –
„wie der Vorname“ – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht

Ich habe Menschen getroffen, die
Mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
Aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
Am Küchenherde lernten,
Hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen -
Und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
Die reine Stirn der Engel trugen.

Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
Woher das Sanfte und das Gute kommt,
Weiß es auch heute nicht und muss nun gehen."


Wundervoll....

Padreic

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 27. Jan 2005, 17:19 - Beitrag #82

Das von dir reingestellte Gedicht sagt mir hingegen eher wenig. Inhaltlich besitzt es eine gewisse Stoßkraft, da hast du recht, aber sprachlich gibt es, finde ich, nicht viel her, weder besonders kraftvoll noch besonders lyrisch. [...] Bei einem Gedicht wie 'Menschen getroffen' habe ich fast das Gefühl, man hätte es in Prosa besser sagen können.
;)

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Do 27. Jan 2005, 17:38 - Beitrag #83

Schön angewendet, aber leider hier nicht passend ;). Es ist moderne Lyrik, gewiss, deshalb ist sie nicht im klassischen Sinne lyrisch. Aber in einem modernen, den ich hier wesentlich schöner verwirklicht finde als ein klassischer in so manchem älteren Gedicht. Es ist einfach ungeheuer stimmig und die Zeilenwechsel, so willkürlich sie auch am Anfang scheinen mögen, passen einfach.
Und die ganze Fassunglosigkeit des lyrischen Ichs ließe sich so nicht in Prosa verwirklichen.

Padreic

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 27. Jan 2005, 17:55 - Beitrag #84

Ich finde es bei derartigen Gedichten nahezu unmöglich, sie mit den Zeilenumbrüchen zu lesen. Da ist für mich keinerlei Melodie, kein Rhythmus mehr drin. Deshalb lese ich sie im Endeffekt als schlecht formatierte Prosa über die Umbrüche hinweg, und dann bleibt nicht viel übrig.
Die Kunst des Dichtens ist für mich gerade, Sätze so auszumeißeln, dass sie sich in eine Struktur einfügen, ohne unnatürlich zu wirken.

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Do 27. Jan 2005, 18:10 - Beitrag #85

Japanisches Gedicht..

...oh schillernder Mond...
ich ging auf dich zu..
und ging und ging..
und kam doch niemals an.................

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 29. Jun 2005, 11:10 - Beitrag #86

anderer Leute Gedichte

weil mir gerade danach ist, und weil ich keinen anderen Thread gefunden habe, der erlaubt, Gedichte einzustellen, die nicht selbstverfaßt sind, einen aber trotzdem beeindruckt oder beschäftigt haben, dieser Thread


Das letzte Kapitel

Am zwölften Juli des Jahres zweitausenddrei
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,
daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen läßt,
als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck,
nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck,
man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am dreizehnten Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehn,
keiner entging dem Tod und die Welt wurde leer.
Das Gift war überall, es schlich wie auf Zehn.
Es lief die Wüsten entlang, und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.
Andere hingen wie Puppen zum Fenster heraus.
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.
Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.
Die Flugzeuge irrten mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.
Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte
völlig beruhigt ihre bekannte elliptische Bahn.

Erich Kästner


eine hübsche Ergänzung zu dem "Kinderbuchautor" Erich Kästner, der in Wirklichkeit kein einziges Buch für Kinder geschrieben hat

Samafra
Very Good Newbie
Very Good Newbie

 
Beiträge: 44
Registriert: 15.11.2003
Mi 29. Jun 2005, 13:12 - Beitrag #87

Es gibt glaub schon so einen Thread: http://www.the-web-matrix.de/showthread.php?t=5162

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 29. Jun 2005, 13:24 - Beitrag #88

danke :-)


möge ein Mod bitte das Gedicht an den von Samafra genannte Thread anhängen und diesen hier löschen^^

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
Mi 29. Jun 2005, 13:49 - Beitrag #89

Welche Frage, sich mir dort spontan stellt: Wurde vor oder nach dem Atomzeitalter verfaßt?
Erich Kästner lebte ja quasi auch der Schwelle zum wahnsinnigen Zeitalter.
Im Grunde ist es so ähnlich wie jener Text, in dem die Tiere zum mars flüchten. Der Rahmen des Gedichts wurde im Grunde gebrochen, es handelt sich in beiden Fällen gewissermaßen um eine Erzählung in Reimform.

MfG Maglor

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Mi 29. Jun 2005, 20:03 - Beitrag #90

@Ipsi:
eine hübsche Ergänzung zu dem "Kinderbuchautor" Erich Kästner, der in Wirklichkeit kein einziges Buch für Kinder geschrieben hat

Kannst du die Aussage erläutern? Ich habe zwar einige Bücher von ihm gelesen (sowohl "Kinderbücher" als auch den Fabian) und auch so manches Gedicht, aber mit einer genaueren Auseinandersetzung mit dem Hintergrund seines literarischen Schaffens bin ich leider noch nicht gekommmen...

Und Kästner ist vielleicht der einzige Autor, der Gedichte schrieb, die man politisch nennen kann, und sie doch zu Lyrik werden ließ, die mich anspricht, interessiert und zum Nachdenken bewegt, obwohl ich im Allgemeinen dem Politischen in der Literatur zumindest kritisch gegenüber stehe.


Bei der Gelegenheit will ich auch ein Gedicht hier hineinschreiben, auf das ich in einem Buch gestoßen bin, das sich eigentlich um Mathematik dreht, aber eine sehr obskure Themenauswahl beinhaltet ;). Es ist von Hugo von Hoffmansthal (das Gedicht, nicht das Buch):

Über Vergänglichkeit

Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, dass diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?

Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als dass man klage:
Dass alles gleitet und vorüberrint.

Und dass mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
Herüberglitt aus einem kleinen Kind
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.

Dann: dass ich auch vor hundert Jahren war
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar.

So eins mit mir als wie mein eignes Haar.


Vergänglichkeit ist ein wundervolles Topos für die Lyrik, wie schon bei Gryphius, so auch hier bei Hoffmansthal, wenn auch aus völlig anderem Blickwinkel, einem, der mir sehr gefällt: der des nicht-Fassen-Könnens (wie auch bei dem Gedicht von Benn, das ich weiter oben zitiert habe, wenn dort auch über ein anderes Thema).

judithschl
Very Good Newbie
Very Good Newbie

 
Beiträge: 48
Registriert: 15.07.2004
Mi 13. Jul 2005, 18:24 - Beitrag #91

Momentan mag ich Ulla Hahn ja ganz gern ...


Bildlich gesprochen

Wär ich ein Baum ich wüchse
dir in die hohle Hand
und wärst du das Meer ich baute
dir weiße Burgen aus Sand.

Wärst du eine Blume ich grübe
dich mit allen Wurzeln aus
wär ich ein Feuer ich legte
in sanfte Asche dein Haus.

Wär ich eine Nixe ich saugte
dich auf den Grund hinab
und wärst du ein Stern ich knallte
dich vom Himmel ab.



Leises Licht

Ganz leise leise leise geht das Licht
den ich nicht kenne geht an meiner Seite
wir gehen wie ein Paar auf schöne Art
und scheu schau ich ihm manchmal ins Gesicht
Das neben meinem liegen wird wenn alles Licht
gegangen ist wird er an meiner Seite
mich Lieben wie ein Mann auf schöne Art
und treu und bleiben und es gibt ihn nicht.


Jaja, das geliebte Deutschbuch

Aydee
Excellent Member
Excellent Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 637
Registriert: 17.12.2004
Fr 30. Sep 2005, 07:12 - Beitrag #92

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein.
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war,
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist einsam sein.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
So 1. Jan 2006, 16:49 - Beitrag #93

Dem Gedicht Hugo von Hofmannsthals sei ein ehrwürdiger und ähnlich negativistischer Gefährte zugesellt, den ich eben las und (besonders den Schluß) sehr beeindruckend fand:

Andreas Gryphius
:
Thränen in schwerer Kranckheit

M D CXL.
XLV.

MIr ist ich weiß nicht wie / ich seuffze für und für.
Ich weyne Tag und Nacht / ich sitz in tausend Schmertzen;
Vnd tausend fürcht ich noch / die Krafft in meinem Hertzen
Verschwindt / der Geist verschmacht / die Hände sincken mir.

Die Wangen werden bleich / der muntern Augen Zir
Vergeht / gleich als der Schein der schon verbrannten Kertzen
Die Seele wird bestürmt gleich wie die See im Mertzen.
Was ist diß Leben doch / was sind wir / ich und ihr?

Was bilden wir uns ein! was wündschen wir zu haben?
Itzt sind wir hoch und groß und morgen schon vergraben:
Itzt Blumen morgen Kot wir sind ein Wind / ein Schaum /

Ein Nebel / eine Bach / ein Reiff / ein Tau' ein Schaten
Itzt was und morgen nichts / und was sind unser Thaten?
Als ein mit herber Angst durchaus vermischter Traum.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 2. Jan 2006, 11:26 - Beitrag #94

mein Lieblingsgedicht seid vielen Jahren

Lady Lazarus

I have done it again. ________________ [size=-1]Ich habe es wieder getan.[/size]
One year in every ten _______________ [size=-1]Einmal in jedem Jahrzehnt[/size]
I manage it ________________________ [size=-1]- gelingt es mir -[/size]

A sort of walking miracle, my skin _____ [size=-1]Eine Art umherwandelndes Wunder, meine Haut,[/size]
bright as a Nazi lampshade, __________ [size=-1]strahlend wie ein Nazi-Lampenschirm,[/size]
my right foot ______________________ [size=-1]mein rechter Fuß[/size]

a paperweight, _____________________ [size=-1]Ein Briefbeschwerer,[/size]
my face a featureless, fine ___________ [size=-1]mein Gesicht ein ganz glattes, feines[/size]
Jew linen. _________________________ [size=-1]jüdisches Leinen.[/size]

Peel off the napkin _________________ [size=-1]Nimm das Mundtuch ab,[/size]
O my enemy. ______________________ [size=-1]O mein Feind[/size]
Do I terrify? _______________________ - [size=-1]Erschrecke ich? -[/size]

The nose, the eye pits, the full set of teeth? _ [size=-1]Nase, Augenhöhlen, der vollständige Satz Zähne?[/size]
The sour breath ____________________ [size=-1]Der saure Atem[/size]
will vanish in an day. ________________ [size=-1]wird nach einem Tag verschwunden sein.[/size]

Soon, soon the flesh ________________ [size=-1]Bald, bald wird das Fleisch,[/size]
the grave cave ate will be ___________ [size=-1]das die Grabhöhle verzehrte,[/size]
at home on me _____________________ [size=-1]zuhause sein auf mir[/size]

and I a smiling woman. ______________ [size=-1]und ich eine lächelnde Frau.[/size]
I am only thirty. ____________________ [size=-1]Ich bin erst dreißig.[/size]
And like the cat I have nine times to die. _ [size=-1]Und wie die Katze habe ich neun Versuche, um zu sterben.[/size]

This is Number Three. _______________ [size=-1]Dies ist Nummer Drei.[/size]
What a trash ______________________ [size=-1]Was für ein Müll[/size]
to annihilate each decade. ___________ [size=-1]jedes Jahrzehnt zu nichten.[/size]

What a million filaments. _____________ [size=-1]Welch Million Filamente.[/size]
The peanut-crunching crowd _________ [size=-1]Die erdnusskauende Menge[/size]
shoves it to see ____________________ [size=-1]drängt herein zu sehen[/size]

them unwrap me hands and foot ______ - [size=-1]wie sie mir Hand und Fuß auswickeln -[/size]
the big strip tease. _________________ [size=-1]den großen Striptease.[/size]
Gentlemen, ladies __________________ [size=-1]Gentlemen, Ladies[/size]

These are my hands ________________ [size=-1]dies sind meine Hände[/size]
my knees. ________________________ [size=-1]Meine Knie.[/size]
I may be skin and bone, _____________ [size=-1]Ich mag Haut und Knochen sein,[/size]

nevertheless, I am the same, identical woman. _ [size=-1]nichtsdestotrotz bin ich dieselbe, sich selbst gleiche Frau. [/size]
The first time it happened I was ten. ___ [size=-1]Als es zum erstenmal geschah, war ich zehn.[/size]
It was an accident. _________________ [size=-1]Es war ein Unfall.[/size]

The second time I meant ____________ [size=-1]Beim zweitenmal gedachte ich,[/size]
to last it out and not come back at all. _ [size=-1]durchzuhalten und nicht mehr zurückkommen. [/size]
I rocket shut ______________________ [size=-1]Ich schaukelte mich fest zu[/size]

As a seashell. ______________________ [size=-1]wie die Schale einer Seemuschel.[/size]
They had und call and call ___________ [size=-1]Sie mußten rufen und rufen[/size]
and pick the worms off me like sticky pearls. [size=-1]_ und die Würmer von mir abklauben wie klebrige Perlen. [/size]

Dying _____________________________ [size=-1]Sterben[/size]
is an art, like everything else. [size=-1]_[/size]________[size=-1] ist eine Kunst, wie alles.[/size]
I do it exceptionally well. _____________ [size=-1]Ich kann es besonders gut.[/size]

I do it so it feels like hell. [size=-1]_____[/size]_______[size=-1] Ich mache es so fühlt es sich wie die Hölle an.[/size]
I do it so it feels real. [size=-1]_______[/size]_______[size=-1]_ Ich mache es so fühlt es sich echt an.[/size]
I guess you could say I´ve a call. _____ [size=-1]Vermutlich kann man sagen, ich sei berufen dazu.[/size]

It´s easy enough to do it in a cell. [size=-1]____ Es ist einfach genug es in einer Zelle zu tun.[/size]
It´s easy enough to do it and stay put. _ [size=-1]Es ist einfach genug es zu tun und zu verharren.[/size]
It´s the theatrical __________________ [size=-1]Es ist die theatralische[/size]

comeback in broad day ______________ [size=-1]Wiederkehr am hellen Tage,[/size]
to the same place, the same face, the same brute _ [size=-1]zum selben Ort, zum selben Gesicht, zum selben rohen[/size]
amused shout: _____________________ [size=-1]amüsierten Ruf:[/size]

'A miracle!' ________________________ [size=-1]»Ein Wunder!«[/size]
that knocks me out _________________ [size=-1]was mich dabei umhaut.[/size]
There is a charge __________________ [size=-1]Es ist ein Preis zu entrichten[/size]

for the eyeing of my scars, there is a charge [size=-1]_ für das Betrachten meiner Narben, ein Preis[/size]
for the hearing of my heart __________ - [size=-1]für das Abhorchen meines Herzens - [/size]
it really goes. _____________________ [size=-1]es schlägt tatsächlich.[/size]

And there is a charge, a very large charge _ [size=-1]Und es ist ein Preis zu entrichten, ein sehr hoher Preis[/size]
for a word or a touch ______________ [size=-1]für ein Wort oder eine Berührung[/size]
or a bit of blood ___________________ [size=-1]oder ein bißchen Blut[/size]

or a piece of my hair or my clothes. ___ [size=-1]oder eine Haarsträhne oder einen Fetzen von meinen Kleidern.[/size]
So, so, Herr Doktor. ________________ [size=-1]So, so, Herr Doktor.[/size]
So, so, Herr Enemy. ________________ [size=-1]So, so, Herr Feind.[/size]

I am your opus, ____________________ [size=-1]Ich bin Ihr Werk, [/size]
I am your valuable __________________ [size=-1]ich bin ihr bestes Stück,[/size]
the pure gold baby _________________ [size=-1]das Baby aus reinem Gold[/size]

That melts to a shriek. ______________ [size=-1]das zu einem Schrei schmilzt.[/size]
I turn and burn. ____________________ [size=-1]Ich drehe mich und brenne.[/size]
Do not think I underestimate your great concern. [size=-1]_ Denken Sie nicht, daß ich Ihre große Anteilnahme verkenne.[/size]

Ash, ash __________________________ - [size=-1]Asche, Asche - [/size]
you poke and stir. __________________ [size=-1]Sie rühren und stochern.[/size]
Flesh, bone, there is nothing there ____ - [size=-1]Fleisch, Knochen, da ist nichts da -[/size]

a cake of soap, ____________________ [size=-1]ein Seifenwürfel,[/size]
a wedding ring, ____________________ [size=-1]ein Ehering,[/size]
a gold filling. ______________________ [size=-1]eine Goldfüllung.[/size]

Herr God, Herr Lucifer _______________ [size=-1]Herr Gott, Herr Luzifer[/size]
Beware ___________________________ [size=-1]Vorsicht[/size]
Beware. __________________________ [size=-1]Vorsicht.[/size]

Out of the ash _____________________ [size=-1]Mit meinem roten Haar[/size]
I rise with my red hair _______________ [size=-1]entsteige ich aus Asche und Gruft[/size]
and I eat men like air. _______________ [size=-1]und ich esse Männer wie Luft.
[/size]

[size=-2]Sylvia Plath Ariel
Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1974, Seite 18-25[/size]
die dort ebenfalls angegebene deutsche Übersetzung von mir korrigiert

Windsbraut
Good Member
Good Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 413
Registriert: 11.08.2001
Mo 2. Jan 2006, 11:47 - Beitrag #95

@Ipsissimus: Ist 'n bisschen schwer, das Gedicht zu lesen, bzw. auf sich wirken zu lassen, wenn Originalversion und Übersetzung so ineinander verwischen.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 2. Jan 2006, 15:10 - Beitrag #96

für die lesefreundliche Form danke ich Lykurg, der sie erstellte und mir freundlicherweise zur Verfügung stellte^^

Windsbraut
Good Member
Good Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 413
Registriert: 11.08.2001
Mo 2. Jan 2006, 15:24 - Beitrag #97

Ah, viel besser! - Ein interessantes Gedicht fürwahr...

Windsbraut
Good Member
Good Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 413
Registriert: 11.08.2001
Mi 4. Jan 2006, 11:47 - Beitrag #98

Ich trau' mich fast nicht, dieses Gedicht hier einzustellen, weil es weder schön, noch ergreifend noch tiefsinnig ist. Aber ich muss jedesmal so lachen, wenn ich's lese, dass ich es euch nicht vorenthalten wollte:

[align=center]Materialien zu einer Kritik der bekanntesten
Gedichtform italienischen Ursprungs

Robert Gernhardt

Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgenwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut

hat, heute noch so'n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut

darüber, daß so'n abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichserein blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.

Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.[/align]

C.G.B. Spender
Elite Member
Elite Member

 
Beiträge: 1105
Registriert: 21.10.2004
Mi 4. Jan 2006, 13:49 - Beitrag #99

*Uga uga* *auf die Brust hau*

Hier ist eines, das ich ganz besonders liebe. Von Erich Kästner.


Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Do 5. Jan 2006, 18:14 - Beitrag #100

Willst du dein Herz mir schenken,
so fang es heimlich an,
dass unser beider Denken
niemand erraten kann.
Die Liebe muss bei beiden
allzeit verschwiegen sein.
Drum schliess die grössten Freuden
in deinem Herzen ein.

Begehre keine Blicke
von meiner Liebe nicht.
Der Neid hat viele Tücke
auf unsern Bund gericht´.
Du musst die Brust verschliessen,
halt deine Neigung ein.
Die Lust, die wir geniessen,
muss ein Geheimnis sein.

VorherigeNächste

Zurück zu Literatur

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 28 Gäste