Lyrik: Welche Gedichte findet ihr schön?

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Traitor
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Fr 23. Jul 2004, 23:25 - Beitrag #61

Bei genauerem Hinsehen kommt mir Strophe 6 mit den Gesetzen etwas seltsam vor... Das typische Problem, das ich mit Goethe in seiner klassischen Zeit habe: einerseits verehrt er die Größe und Unabhängigkeit des menschlichen Geistes, zum anderen redet er aber auch immer von Regeln der Welt und des Seins. Die ganze "Weltgeist"-Idee der Klassiker finde ich etwas schwer nachzuvollziehen.

Noriko
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Fr 23. Jul 2004, 23:33 - Beitrag #62

Die beschribenen gesetze sind die unbarmherzigen Gesetze der natur.
Konkret meinst er das Allgemeinste von allen, nämlich das Jeder einmal sterben muss, und das war schon immer so (ewig, ehrn,groß)

Traitor
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Fr 23. Jul 2004, 23:47 - Beitrag #63

Tja, der Tod... ein immer wiederkehrendes Thema in solchen Gedichten...
Mit "er kann dem Augenblick Dauer verleihen." deutet Goethe ja an, dass der Mensch auch über den Tod hinausgehendes schaffen kann. Aber mit der starken Betonung der Gesetze zuvor und Formulierungen wie "was der Beste im kleinen" klingt das ganze doch recht relativierend.
Ich finde die Ansichten aus der Sturm&Drang-Zeit konsequenter. Sie sind nicht so elaboriert, aber bei der Klassik habe ich immer ein bisschen das Gefühl, dass Goethe sich selbst bewusst etwas mehr zurücknimmt, als nötig wäre.

Noriko
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Fr 23. Jul 2004, 23:51 - Beitrag #64

5000!

"er kann dem Augenblick Dauer verleihen"
Ich denke das kann man am besten mit dem zweiten Postulat von kant erklären
"Unsrerblichkeit des Sittlich Handelden"

"was der Beste im kleinen tut oder möchte"
Nun was diese Passage bedeutet haeb ich erhlich gesagt Vergesen.


@Sturm udn drang
Wahrlich ist dieser sehr konsequent,(man denke an prometheus) jedoch fidne ich die Kalssik reifer

nanana
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Sa 24. Jul 2004, 00:01 - Beitrag #65

E.A.Poe

Als um Mitternacht ermüdet ich das düstre Haus gehütet über manchem Buch voll Weisheit, alter, fast vergess'ner Lehr, Als ich schon mehr schlief als wachte, war mir, eh' ich's noch bedachte, So, als klopfte jemand sachte, sachte an die Zimmertür. "Irgend ein Besucher", murrt ich, "klopft an meine Zimmertür,
Das wird's sein, nichts weiter mehr."

Ach, im Flammenschein der roten Kohlen tanzten Unglücksboten Aus dem kalten Land der Toten, im Dezember, öd und leer. Und wie ungeduldig sehnte ich mich nach dem Tag, als fände Mit ihm meine Qual ein Ende um Lenor, die weit von hier, Um Lenor, das Mädchen, das nun Engel preisen, weit von hier.
Ungenannter Name hier nunmehr.

Schreckensbilder ließ mich sehen eines Purpurvorhangs Wehen, Es umhüllte und erfüllte mich mit Furcht wie keiner je vorher. Und um meines Herzens Schläge abzuschwächen, sprach ich träge: "Nur ein Fremder, der vom Wege abkam, steht an meiner Tür, Nur ein später Gast sucht dringend Einlaß hier an meiner Tür.
Das ist alles, sonst nichts mehr."

Und sogleich verging mein Zagen, und ich hört' mich plötzlich sagen: "Wer's auch sei, Herr oder Dame, um Vergebung bitt' ich sehr, Denn Ihr Klopfen war so sachte, daß ich kaum davon erwachte Und an alles andre dachte als daran, daß an die Tür Ein Besucher klopfen könnte. Und ich öffnete die Tür: Dunkel dort, nichts weiter mehr.

Und in dieses Dunkel spähend, stand ich, angstvoll um mich sehend, Zweifelnd, Träume träumend, wie sie noch kein Mensch geträumt bisher. Ungebrochen war das Schweigen, und die Stille gab kein Zeichen, Nur ein Wort ließ mich erbleichen, das geflüstert drang zu mir, Dieses Wort Lenorì, das selber ich gesprochen, raunte mir
Jetzt ein Echo zu, nichts mehr.

Als ich mich ins Zimmer wandte und in mir die Seele brannte, Hörte ich erneut das Pochen, etwas lauter als vorher. "Sicher, sagt ich qualbeladen, etwas mit dem Fensterladen, Will doch seh'n, ob ohne Schaden das Geheimnis ich mir klär', Schweig, mein Herz, daß ohne Schaden das Geheimnis ich mir klär'"
's ist der Wind, nichts weiter mehr."

Auf warf ich den Fensterladen; flatternd und mit Flügelschlagen Trat ein Rabe ein, als ob er aus den Tagen Noahs wär. Und nicht einen Diener macht' er, nicht an eine Pause dacht' er, Stolz setzt' er sich wie ein Pachtherr über meine Zimmertür. Setzt' sich auf die Pallas-Büste über meiner Zimmertür. Saß dort und nichts weiter mehr.

Doch das schwarze Tier verführte, weil es sich so eitel zierte, Meine Kümmernis zum Lächeln, und ich sagte ungefähr: "Ist dein Helmbusch auch geschoren, scheinst du doch als Held geboren, Von der Düsternis erkoren, flogst Du weit vom Nachtland her, Sag, welch ist dein edler Name von des Pluto Nachtland her?"
Sprach der Rabe: "Nimmermehr."

Und mein Staunen war unendlich, denn das Tier, es sprach verständlich, Schien die Antwort auch ein wenig dunkel und etwas verquer; Denn wir müssen eingestehen, daß kein Lebender gesehen Je solchen Vogel spähen oben von der Zimmertür, Einen Vogel von der Büste über seiner Zimmertür, Der sich nannte "Nimmermehr".

Doch der Rabe, wie erhoben auf der Büste sitzend oben, Sprach aus tiefster Seele dieses eine Wort bedeutungsschwer. Und kein andres gab er von sich, seine Federn unbeweglich, Da, kaum hörbar, sprach ich kläglich: "Gleich den andern wird auch er Mich verlassen, so wie meine Hoffnung schwindet, geht auch er."
Sprach der Rabe: "Nimmermehr."

Als das Schweigen war gebrochen, weil so trefflich er gesprochen, Sagte ich zu mir erschrocken: "Zweifellos, dies Wort ist der Letzte Rest, der ihm geblieben von dem Herrn, der's einzuüben Niemals müde ward, getrieben von des Unglücks Wiederkehr, Der all seine Grabgesänge schloß in steter Wiederkehr Mit dem "Niemals-Nimmermehr".

Doch der Vogel führte weiter aus der Trauer mich, fast heiter Rollte ich mir einen Sessel stracks zur Tür, dorthin, wo er Hockte, und ich ließ mich nieder und vertraut mich dem Gebieter Phantasie an, um darüber nachzudenken, was das Tier, Was das schwarze ungeschickte, uralt-ominöse Tier
Wohl gemeint mit "Nimmermehr".

Dieses zu erraten saß ich, doch mit keiner Silbe maß ich Diesen Vogel, dessen Augen mich durchdrangen wie ein Speer; Dies und mehr noch wollt' ich wissen, dabei lehnt' ich mich auf's Kissen, Dessen Samt im ungewissen Schein der Lampe glänzte schwer, Aber, ach, den violetten Samt im Schein der Lampe schwer
Wird sie drücken nimmermehr!

Dann, so schien es mir, als schwenkte jemand Weihrauch, dabei lenkte Klingelnd ein Seraph die Schritte durch das Zimmer kreuz und quer. "Ärmster", rief ich, "dein Gott sendet einen Engel dir und spendet Linderung, und er beendet um Lenor die Qualen schwer, Trink dies gütige Nephentes und vergiß die Qualen schwer!"
Sprach der Rabe: "Nimmermehr."

Und ich sprach: "Prophet des Teufels, Kreatur des bösen Zweifels, Ob ein Sturm dich hierher sandte oder dich der Luzifer Hier in diesem Haus voll Schrecken hat geheißen, mich zu wecken, Um sein Urteil zu vollstrecken - ich beschwör dich, sag es mir, Wird man mich in Gilead trösten, ich beschwr dich, sag es mir!"
Sprach der Rabe: "Nimmermehr."

"Ob du Vogel oder Teufel", sagte ich, "nimm mir die Zweifel, Bei dem Himmel, der sich über uns erhebt, bei Gottes Ehr', Sag der Seele, ob zu Eden sie dereinst noch wird genesen, Wenn ich küß' das keusche Wesen, ob Lenor mir wiederkehr - Daß das wunderbare Wesen, daß Lenor mir wiederkehr!" Sprach der Rabe: "Nimmermehr."

"Vogel, Teufel!", schrie ich bleichen Angesichts, "dies Wort als Zeichen Unsrer Trennung! Scher dich wieder in die Nacht, flieh übers Meer! Laß als Lügenzeugnis keine Feder hier! Stör mir nicht meine Einsamkeit! Und nie erscheine wieder über meiner Tür!" Aus dem Herz mir nimm den Schnabel und entfern' dich von der Tür!"
Sprach der Rabe: "Nimmermehr."

Und der Rabe, unbeweglich, sitzt noch täglich, sitzt alltäglich Auf der bleichen Pallas-Büste über meiner Zimmertür; Und in seinen Augen wohnen alle Träume von Dämonen, Seinen Schatten wie geronnen wirft die Lampe schwarz und schwer Auf den Boden; doch erheben wird sich aus dem Schatten schwer
Meine Seele nimmermehr.




Ich weiß, es ist nur eine übersetzte Fassung, aber ich finde sie gut gelungen.

Traitor
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Sa 24. Jul 2004, 00:01 - Beitrag #66

Wenn man die "Unsterblichkeit" so erklären will, greift man ja eben doch wieder auf Weltgeist, Gott oder ähnliches zurück...

Reifer ist die Klassik, ja. Aber man stelle sich einen Goethe vor, der seine gedankliche und handwerkliche Reife erreicht hätte und dabei noch die Konsequenz des Sturm&Drangs besäße! Aber vermutlich ist die Abmilderung der Positionen untrennbar mit der Gelehrten-Reifung verbunden.

Noriko
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Sa 24. Jul 2004, 00:08 - Beitrag #67

Die deutsche Klassik, ist ja gepärgt con der Gleichgewichtsvorstellung und der harmonie.

Wenn ich mir einen werther in der Klassik vorstellen müsste würde es mir schaudern.

blackwoelfin
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Sa 24. Jul 2004, 02:01 - Beitrag #68

Nie wieder

Nie wieder öffne ich mein Herz,
sagte ich damals ~
vor lauter traurigem Schmerz.
Nie lasse ich mehr Gefühle zu,
die mir doch nur rauben den Mut.
Werde der Liebe wiederstehn,
alleine meiner Wege gehn.
Einsamkeit umnachtet mich,
doch nur ein einziger Blick auf Dich
und ich dachte nie wieder,
doch verliebte ich mich.

Immer noch denke ich nie wieder,

nie wieder möchte ich ohne Dich sein,
nie wieder im Herzen allein.
Nie wieder möcht ich Dich missen,
nie wieder,jetzt sollst Du es wissen.

~ Ich liebe Dich ~

-----------------------------------------------------


Weil ich Deine Freundin bin

(geschrieben für Celine)

... Alles was ich Dir geben kann ...
... gebe ich Dir von Herzen gerne ...

... und wenn es Trost ist weil ...
... Du gerade traurig bist ...

... und wenn es ein Lachen ist ...
... das Dich ansteckt selbst zu lachen ...

... und wenn es eine Träne ist ...
... um mit Dir traurig zu sein ...

... und wenn es eine Umarmung ist ...
... um Dir zu zeigen ...
... wie gern ich Dich hab ...

... Dir alles geben möchte ...
... was Du gerade brauchst ...

... weil ich Deine Freundin bin ...

-----------------------------------------------
Heb die Scherben mit mir auf

Wenn sich liebevolle Gedanken
immer wieder umeinander ranken,
so sterben die Gefühle nicht.
~ Sie wandeln höchstens sich.~

Aus Freundschaft wird Liebe,
die Liebe verteilt oft Hiebe.
Aus Liebe wird Gleichgültigkeit
oder gar Kummer, Hass und Streit.

Nur mit ganz viel Hoffnung und Glück
wandelt sie sich in Freundschaft zurück.
Doch Freundschaft ist nicht nur ein Wort
drum lebe sie und sieh nicht fort.

Sag was soll ich denn noch tun?
Dich einfach vergessen, warum?
Zu schön war unsere Zeit,
Ist nur Erinnerung was bleibt?

Bin ich Dir wirklich so egal?
Mein Anblick nur noch Qual?
Spricht mein Herz nicht mehr zu Dir?
Mich in Traurigkeit verlier.

Wichtig ist Dein neues Glück.
Ich weiß Du kommst nicht mehr zurück.
Doch warum soll die Freundschaft sterben,
nur die Liebe liegt in Scherben.

Sind wir Freunde? Hast Du mich gefragt.
Und ich habe leis und traurig ja gesagt.
Sag weißt Du wie man Freundschaft lebt?
Sie lebt im Herzen und sie nie vergeht.

Raiden/Yuji
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Do 19. Aug 2004, 19:22 - Beitrag #69

Könnte ich nur....
1Wolfskoenigin © 09.07.2003


mein Freund
mein Geliebter
ich spüre deine Not
fühle deinen Schmerz
sehe dein Leid


könnte ich nur
für jeden km der zwischen uns liegt
ein Stück von deinem Schmerz nehmen
ich würde bis ans Ende der Welt reisen

könnte ich nur
mit jedem Sonnenstrahl
deine Dämonen in der Hölle verbannen
ich würde eigenhändig jede Wolke vom Himmel pflücken

könnte ich nur
mit ein paar kleinen Pinselstrichen
deine Dunkelheit vertreiben
ich würde alle Farbtöpfe der Welt aufkaufen

könnte ich nur
mit ein paar Noten
die Melodie deines Lebens von Moll in Dur umwandeln
ich würde alle Orchester zusammenrufen

doch
da steh ich nun
km von dir entfernt
mit all den Wolken in meiner Hand
inmitten bunter Farbtöpfe
umgeben von der schönsten Musik

und kann nur sagen
ich bin dir nah!
________________________________________________

Ans Ende der Welt

© Sanguis Draconis 07.07.03



Für dich ans Ende der Welt zu gehen
war mein Bestreben.
Tatsächlich ging ich darüber hinaus.

Ich fand mich in einer abgrundtiefen Welt
ohne Leben und Licht
hinter dem frostigen Tor des Schweigens.

Wo Dunkelheit ihre
schwarzen Tücher ausbreitet,
die meine Seele verhüllen
und das Herz schreien lassen.

Gefilde, in denen das Fieber
die dunklen Blumen der Einsamkeit
von filigraner Gestalt
zu Ungeheuern anwachsen lässt.

Ferne Ufer mit schwarzem Sand,
den verdammte Mitternachtsdämonen
in Uhrgläser des ungewissen Schicksals füllen.

Regionen, in denen der Pulsschlag stoppt,
Blut in den Adern gefriert
und das Leben sich vom Körper schält.

Tausendmal würde ich heute um deinetwillen
dieses frostige Tor durchschreiten,
wenn ich nur wüsste, es bringt dich zurück.

_________________________________________
Am Abgrund meiner Seele


© Sanguis Draconis 24.12.2003



Am Abgrund meiner Seele,
wo der blühende Garten deines Lebens einst endete
Ruhst du in deinem letzten Bett.
Ich war dein Engel des Todes.


Ein Nachtgewitter schlägt in die Erde,
Dunkelheit verschluckt den Regenbogen.
Ich steh vor deinem Grab
Und verfluche das verlorene Leben.
Dämonen flattern heran,
beschatten mit ihren breiten Flügeln
meinen Blick auf deine letzte Rast.


Ein wilder Klagelaut dringt von meinen Lippen
Erschrocken senke ich die Stimme
Deine letzte Ruhe nicht zu stören.
Der Abendstern steigt auf
Und weckt Erinnerungen an schönere Tage.
Wo sind die Rosen?
Wo sind die Schwäne?
Wo ist unser Glück?


Das Becken meiner Seele ist leer und schwarz.
Aus fahlen Bäumen tropft der Nebel in mein Herz.
Geisterhaft huscht ein Kind durch die Abgründe meiner Seele.
Schweigsam zieht es durch die Gedanken meiner Pein.
Es pflückt Todeslilien,
die tief in namenlosen Schluchten wachsen.


Bald breitet der Schnee seine weißen Tücher aus
dann bin ich namenlos allein,
ich bin so müde, krank und tot
Gefangener der Hölle meiner Schuld.
Ein warmer Frühlingsstrahl,
er scheint nur selten
durch alle Panzer in mein Herz,
legt Balsam auf die schlimmsten Wunden auf
und hat doch niemals mehr die Kraft zu heilen.

__________________________________________________

Und mein absolutes Lieblingsgedicht *schwärm*

Für Maggie
© Sanguis Draconis 30.03.03



In der Sackstraße des Lebens warst du mein Sonnenstrahl.
Seit du nicht mehr da bist, sind die Schatten lang geworden.

Ich habe gelernt ohne dich zu leben
aber meinen Weg zu mir immer noch nicht gefunden.
In der Menge der fremden Menschen sehe ich
dein Gesicht in jeder, die an mir vorüber geht.

Ja, ich habe durchaus gelernt, ohne dich zu leben
aber soll ich es Leben nennen?
Ich gehe durch die Straßen unserer Stadt.
Es dämmert, tausend Lichter gehen an.
Leblose Schaufenster erwachen zu schillerndem Leben
doch die Dunkelheit meines Herzens bleibt.

Lachende Pärchen flanieren vorbei.
Ein schwarzer Haarschopf, vom Wind zerzaust,
huscht an mir vorüber.
Ich möchte ihr nachrufen:
Bleib doch stehen, bitte warte auf mich!
Da dreht sie sich um, leider bist es nicht du.
Die Worte bleiben in meiner Kehle stecken,
mir ist plötzlich eine Fliege ins Auge gekommen.
Verschämt wische ich sie heraus.

Ja, ich habe lernen müssen, ohne dich zu leben,
es wäre leichter gewesen, den Mond vom Himmel zu holen.
Mittlerweile ist es Nacht geworden,
das Leben pulsiert hier in dieser Großstadtstraße.
Wie kann man so einsam sein inmitten dieser fröhlichen Menschen?

Die Pizzeria ist brechend voll.
Wie oft haben wir hier unsere Spaghetti aufgerollt
und wenn gar nichts mehr geholfen hat, einfach in den Mund geschlürft.
Chianti mochte ich nie besonders, aber dir zuliebe
hab` ich fleißig mitgetrunken.

Ja, ich habe lernen müssen,
unseren Weg nach Hause alleine zu gehen.
Wirklich lang sind sie geworden,
die Schatten der Laternenpfähle.
___________________________________________________

Quellen:
Alle Gedichte von sanguis draconis
Gedicht der Wolfskönigin aus der Lyrikecke

lg
Yuji

Padreic
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Do 19. Aug 2004, 19:29 - Beitrag #70

Ein sehr schönes Sonnet von Gryphius ist mir neulich in die Hände gefallen, das neben der genannten Form inhaltlich und sprachlich auch recht bemerkenswert und für ein Sonnet außergewöhnlich emotional ist.

Alles ist eitel
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:

Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!


Wenn man so ein Gedicht sieht, dann merkt man erst, wie mickrig und albern die eigenen dichterischen Versuche sind...

Padreic

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Mo 23. Aug 2004, 13:29 - Beitrag #71

Hey Padreic! Willst du hier jedem den Schneid nehmen, was Eigengestampftes zum Besten zu geben, oder bezieht sich das nur auf dein eigenes Schaffen?! :boah:

Padreic
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Mo 23. Aug 2004, 17:28 - Beitrag #72

So lange man sich nicht einbildet, man würde etwas großartiges schaffen, spricht nichts dagegen, seine eigenen Versuche ins Internet oder meinetwegen auch in eine Gedichtanthologie zu stellen. Dass man es mit den großen Dichtern nicht aufnehmen kann, heißt ja nicht, dass die Gedichte an sich nicht durchaus mit Genuss gelesen werden.
In erster Linie sprach ich aber sowieso auch von mir selbst; manche andere in diesem Forum schaffen weitaus besseres als ich. Nichtsdestotrotz werd selbst ich dadurch nicht völlig vom Dichten abgehalten ;).

Padreic

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Mo 23. Aug 2004, 19:33 - Beitrag #73

Wer und was schafft Kriterien für literarische Größe? Millionen lesen mit Genuss Mittelmaß. Viel, viel weniger können nur mal Mittelmaß schreiben...
Ich kenne Arbeiten von (von Kritikern) anerkannten Autoren, die mir keinen Genuss bereiten.
Schon gut - ich wollte nur mal etwas gegenwichten!
Ich weiß um die Güte der Weltliteratur, keine Bange! ;)

Padreic
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Sa 25. Sep 2004, 14:12 - Beitrag #74

Georg Heym - Der Krieg I

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.
Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
In der Ferne <wimmert> ein Geläute dünn
Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an
Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.
Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,
Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

Über runder Mauern blauem Flammenschwall
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein
Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend roten Zipfelmützen weit
Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,
Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,
Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
In die Bäume, daß das Feuer brause recht.

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

norialis
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Sa 25. Sep 2004, 14:22 - Beitrag #75

Eduard Mörike

Septembermorgen

Im Nebel ruhet noch die Welt
noch träumen Wald und Wiesen
Bald siehst du wenn der Schleier fällt
herbstkräftig die gedämpfte Welt
im warmen Golde fließen


frei aus dem Kopf, hoffe ich hanb keine Zeile vergessen, das passiert mir immer wieder.

Eigentlich bin ich lyrisch eher novalis behaftet, aber dieses eine Gedicht von Eduard ist klasse

Traitor
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Sa 25. Sep 2004, 18:03 - Beitrag #76

@Padreic: Für expressionistische (richtig zugeordnet?) Verhältnisse gefällt mir das Gedicht überrraschend gut. Zwar stellenweise arg metaphorisch überfrachtet und auch gelegentlich etwas reim-dich-oder-ich-fress-dich, aber insgesamt doch atmosphärisch sehr dicht.

Einer der großen englischen Klassiker:
Percy Bysshe Shelley - Ozymandias

I met a traveller from an antique land,
Who said — "two vast and trunkless legs of stone
Stand in the desert ... near them, on the sand,
Half sunk a shattered visage lies, whose frown,
And wrinkled lips, and sneer of cold command,
Tell that its sculptor well those passions read
Which yet survive, stamped on these lifeless things,
The hand that mocked them, and the heart that fed;
And on the pedestal these words appear:
My name is Ozymandias, King of Kings,
Look on my Works ye Mighty, and despair!
Nothing beside remains. Round the decay
Of that colossal Wreck, boundless and bare
The lone and level sands stretch far away."


Die zentrale Doppelzeile, die Podestinschrift, ist in ihrer doppelten Ironie einfach brilliant und erschütternd.

Padreic
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Sa 25. Sep 2004, 23:04 - Beitrag #77

@Traitor
Mit Expressionismus liegst du durchaus richtig. Das Reim-dich-oder-ich-fress-dich sehe ich teilweise ähnlich; allgemein macht es einen fast ein wenig dilletantischen Eindruck. Dabei hat es aber eine solche Atmosphäre und vor allem Kraft, dass ihm nur wenige, vielleicht sprachlich und formal gelungere Gedichte darin gleichkommen.
Das von dir reingestellte Gedicht sagt mir hingegen eher wenig. Inhaltlich besitzt es eine gewisse Stoßkraft, da hast du recht, aber sprachlich gibt es, finde ich, nicht viel her, weder besonders kraftvoll noch besonders lyrisch. Und was soll diese komische Einleitung der ersten 1,5 Zeilen?
Bei einem Gedicht wie 'Ozymandias' habe ich fast das Gefühl, man hätte es in Prosa besser sagen können. Das ist das, was ich an expressionistischen Gedichten, besonderes auch an Trakl so schätze: sie unterscheiden sich klar von einem Prosa-Text, sie bekennen sich zur Lyrik nicht nur in Sprache und Aufbau, sondern in der ganzen Art, etwas zu sagen. Sie schaffen es, Sprache zu benutzen, um die Begrenztheit der Sprache zu überflügeln.

@norialis
Das Gedicht finde ich auch sehr schön. Die sehr lyrische Sprache passt wirklich gut zum Beschriebenen.

Padreic

Traitor
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Sa 25. Sep 2004, 23:45 - Beitrag #78

Ja, dieses Gedicht ist recht nahe am Prosastil. Aber dennoch profitiert es von einem der Hauptvorteile der Gedichtform - die Sprache in ein melodisches Gerüst zu bringen. Dieses Element finde ich persönlich wichtiger als den Effekt exotischen Sprachstils, weshalb ich auch im allgemeinen klassische Gedichtsformen den modernen vorziehe.

fogel
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Di 28. Sep 2004, 16:26 - Beitrag #79

Erich Kästner (1929)
Sachliche Romanze
Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden,
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wußten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie noch immer dort.
Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

Padreic
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Di 28. Sep 2004, 20:39 - Beitrag #80

Das Gedicht kenne und mag ich auch. Es ist auf den ersten Blick so unscheinbar, besonders weil es auf allzu lyrische Sprache verzichtet, aber wenn man genauer hinschaut, steckt doch inhaltlich (auch symbolisch) einiges dahinter. Irgendwo in den Untiefen des Forums hab ich im entsprechenden Thread auch mal eine Analyse des Gedichts (größtenteils in einer Deutsch-Klausur entstanden) gepostet...

Padreic

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