Lyrik: Welche Gedichte findet ihr schön?

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Lykurg
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Sa 28. Okt 2006, 23:26 - Beitrag #121

Stefan George:
Der Herr der Insel

Die fischer überliefern dass im süden
Auf einer insel reich an zimmt und öl
Und edlen steinen die im sande glitzern
Ein vogel war der wenn am boden fussend
Mit seinem schnabel hoher stämme krone
Zerpflücken konnte · wenn er seine flügel
Gefärbt wie mit dem saft der Tyrer-schnecke
Zu schwerem niedrem flug erhoben: habe
Er einer dunklen wolke gleichgesehn.
Des tages sei er im gehölz verschwunden ·
Des abends aber an den strand gekommen ·
Im kühlen windeshauch von salz und tang
Die süsse stimme hebend dass delfine
Die freunde des gesanges näher schwammen
Im meer voll goldner federn goldner funken.
So habe er seit urbeginn gelebt ·
Gescheiterte nur hätten ihn erblickt.
Denn als zum erstenmal die weissen segel
Der menschen sich mit günstigem geleit
Dem eiland zugedreht sei er zum hügel
Die ganze teure stätte zu beschaun gestiegen ·
Verbreitet habe er die grossen schwingen
Verscheidend in gedämpften schmerzeslauten.



.

C.G.B. Spender
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Mi 23. Jan 2008, 01:09 - Beitrag #122

In The Quiet Land
(By Daw Aung San Suu Kyi)

In the Quiet Land, no one can tell
if there's someone who's listening
for secrets they can sell.
The informers are paid in the blood of the land
and no one dares speak what the tyrants won't stand.

In the quiet land of Burma,
no one laughs and no one thinks out loud.
In the quiet land of Burma,
you can hear it in the silence of the crowd

In the Quiet Land, no one can say
when the soldiers are coming
to carry them away.
The Chinese want a road; the French want the oil;
the Thais take the timber; and SLORC takes the spoils...

In the Quiet Land....
In the Quiet Land, no one can hear
what is silenced by murder
and covered up with fear.
But, despite what is forced, freedom's a sound
that liars can't fake and no shouting can drown.

Ipsissimus
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Mi 23. Jan 2008, 12:56 - Beitrag #123

ein tolles Gedicht von Suu Kyi, wenngleich durch den Hoffnungsschimmer am Ende nicht so gut, wie es wäre, wenn es ohne diesen Schimmer endete.

Mein Lieblingsgedicht ist derzeit immer noch das Bennsche "Nur zwei Dinge"


Nur zwei Dinge

Durch so viel Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewusst,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage -
dein fernbestimmtes: Du musst.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.

(Gottfried Benn)

C.G.B. Spender
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Mi 23. Jan 2008, 17:18 - Beitrag #124

Du nennst es einen Hoffnungsschimmer, ich nenne es ein Naturgesetz.

"... trotz aller Gewalt ist Freiheit ein Klang, den Lügner nicht fälschen können und den kein Geschrei ertränken kann."

Dein Lieblingsgedicht gefällt mir aber ebenfalls, Ipsissimus, muß ich sagen. Ohne Leere gäbe es kein Platz für Sein, also sollte man diese Leere nicht als negativ betrachten, selbst wenn sie oft so angesehen wird.

Und wenn man das Ich als einen kleinen Teil des aus der Leere gezeichneten und geformten Seins, also der Schöpfung, betrachtet, bekommt man es womöglich mit übereifrigen Psychologen zu tun. Vielleicht auch mit überfreundlichen Theologen... ;-)

Ich assoziiere nur. ;) ;)

abv
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Mi 23. Jan 2008, 17:35 - Beitrag #125

ipsi bei deinem gedicht fällt mir da eins von Hesse ein...

Gestutzte Eiche aus: Eigensinn macht Spaß

Wie haben sie Dich Baum verschnitten,
Wie stehst Du kahl und sonderbar!
Wie hast Du hundertmal gelitten,
Bis alles Dir Trotz und Wille war!
Ich bin wie Du.
Mit dem verschnittnen
gequälten Leben breche ich nicht
und recke täglich aus durchlittnen
Roheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt.
Geduldig neue Blätter treib ich
aus Ästen hundertmal zerspellt,
und allem Weh zum Trotz bleib ich
Verliebt in die verrrückte Welt.

Hermann Hesse


irgendwie so ich^^ doch irgendwann stirbt jeder baum egal wie stark und groß er war... was übrig bleibt sind seine kinder, noch klein, doch bald so groß wie er... nur müssen sie schlechtes ertragen noch viel mehr. das gute geht immer unter... früher oder später^^ oh schöne kindheit... gib nicht auf und werde stärker bla bla bla

Ipsissimus
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Do 24. Jan 2008, 13:36 - Beitrag #126

mag schon sein, dass es ein Naturgesetz ist, Spender, aber eines, das schon viele Menschenleben gekostet hat, und zumindest der zweite Teil hat einige historische Belege gegen sich^^

abv, das Hesse-Gedicht gefällt mir auch, obwohl Hesse für meinen Geschmack insgesamt viel zu lebensbejahend eingestellt ist, zumindest in seinem Werk, mit Ausnahme von Klingsors letzter Sommer. In seiner eigenen Lebenspraxis stimmte das dann aber auch schon nicht mehr^^

Padreic
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Do 24. Jan 2008, 17:49 - Beitrag #127

Findest du beispielsweise "Unterm Rad" so lebensbejahend? Aber ich kann nicht sagen, dass mich seine lebensbejahende Seite stört, im Gegenteil. Sonst würde mir "Narziß und Goldmund" z. B. auch nicht so gefallen. Nur Hesses Lyrik mag ich zu weiten Teilen nicht, weil sie zu "romantisch-simpel" ist, zumeist....

Ipsissimus
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Do 24. Jan 2008, 18:20 - Beitrag #128

habsch nicht dran gedacht, sorry^^

C.G.B. Spender
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Sa 26. Jan 2008, 21:00 - Beitrag #129

Zitat von Ipsissimus:mag schon sein, dass es ein Naturgesetz ist, Spender, aber eines, das schon viele Menschenleben gekostet hat, und zumindest der zweite Teil hat einige historische Belege gegen sich^^
Dafür kann die Verfasserin aber nix. ;-) Wie das halt bei Gedichten oftmals ist, sie beinhalten idealisierte Gedanken und Gefühle. Der Klang solcher Worte mag bisweilen Dissonanzen bilden, im Sturm der rauhen Wirklichkeit.

Ipsissimus
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Mi 23. Apr 2008, 15:24 - Beitrag #130

Die Maulwürfe
oder Euer Wille geschehe

I
Als sie, krank von den letzten Kriegen,
tief in die Erde hinunterstiegen,
in die Kellerstädte, die drunten liegen,
war noch keinem der Völker klar,
daß es ein Abschied für immer war.

Sie stauten sich vor den Türen der Schächte
mit Nähmaschinen und Akten und Vieh,
daß man sie endlich nach unten brächte,
hinab in die künstlichen Tage und Nächte.
Und sie erbrachen, wenn einer schrie.

Ach, sie erschraken vor jeder Wolke!
War´s Hexerei oder war´s noch Natur?
Brachte sie Regen für Flüsse und Flur?
Oder hing Gift überm wartenden Volke,
das verstört in die Tiefe fuhr?

Sie flohen aus Gottes guter Stube.
Sie ließen die Wiesen, die Häuser, das Wehr,
den Hügelwind und den Wald und das Meer.
Sie fuhren mit Fahrstühlen in die Grube.
Und die Erde ward wüst und leer.

II
Drunten in den versunkenen Städten,
versunken, wie einst Vineta versank,
lebten sie weiter, hörten Motetten,
teilten Atome, lasen Gazetten,
lagen in Betten und hielten die Bank.

Ihre Neue Welt glich gekachelten Träumen.
Der Horizont war aus blauem Glas.
Die Angst schlief ein. Und die Menschheit vergaß.
Nur manchmal erzählten die Mütter von Bäumen
und die Märchen vom Veilchen, vom Mond und vom Gras.

Himmel und Erde wurden zur Fabel.
Das Gewesene klang wie ein altes Gedicht.
Man wußte nichts mehr vom Turmbau zu Babel.
man wußte nichts mehr von Kain und Abel.
Und auf die Gräber schien Neonlicht.

Fachleute saßen an blanken, bequemen
Geräten und trieben Spiegelmagie.
An Periskopen hantierten sie
und gaben acht, ob die anderen kämen.
Aber die anderen kamen nie.

III
Droben zerfielen inzwischen die Städte.
Brücken und Bahnhöfe stürzten ein.
Die Fabriken sahn aus wie verrenkte Skelette.
Die Menschheit hatte die große Wette
verloren, und Pan war wieder allein.

Der Wald rückte näher, überfiel die Ruinen,
stieg durch die Fenster, zertrat die Maschinen,
steckte sich Türme ins grüne Haar,
griff Lokomotiven, spielte mit ihnen
und holte Christus vom Hochaltar.

Nun galten wieder die ewigen Regeln.
Die Gesetzestafeln zerbrach keiner mehr.
Es gehorchten die Rose, der Schnee und der Bär.
Der Himmel gehörte wieder den Vögeln
und den kleinen und großen Fischen das Meer.

Nur einmal, im Frühling, durchquerten das Schweigen
rollende Panzer, als ging´s in die Schlacht.
Sie kehrten, beladen mit Kirschblütenzweigen,
zurück, um sie drunten den Kindern zu zeigen.
Dann schlossen sich wieder die Türen zum Schacht.

Erich Kästner

Maglor
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Do 1. Mai 2008, 10:27 - Beitrag #131

Hier mal eines von Friedrich Nietzsche:

Ja, ich weiß, woher ich stamme:
Ungesättigt gleich der Flamme
glühe und verzehr ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle, alles, was ich lasse
- Flamme bin ich sicherlich.

Mir gefällt gerade die Kürze des Textes, verbunden mit der Größe des Inhaltes.
Im Grund fasst das Gedicht die Grundidee Nietsches vom subjektiven Ich als Zentrum von Sein und Welt zusammen.
Interessant finde ich auch, zu welch klaren Reimen und ordentlicher Metrik Philosophen vergangener Tage noch in der Lage waren. :rolleyes:

C.G.B. Spender
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Fr 4. Jul 2008, 15:22 - Beitrag #132

[size=134]Eine verliebte Ballade für ein Mädchen namens Yssabeau
[/size]Autor: François Villon

Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weissen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal.
Dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiss ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hats auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart,
für mich so tief im Haar verwahrt...
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Und habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

C.G.B. Spender
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Mi 6. Aug 2008, 17:38 - Beitrag #133

Send Your Love

von Sting


Finding the world in the smallness of a grain of sand
And holding infinities in the palm of your hand
And Heaven's realms in the seedlings of this tiny flower
And eternities in the space of a single hour

Send your love into the future
Send your love into the distant dawn

Inside your mind is a relay station
A mission probe into the unknowing
We send a seed to a distant future
Then we can watch the galaxies growing

This ain't no time for doubting your power
This ain't no time for hiding your care
You're climbing down from an ivory tower
You've got a stake in the world we ought to share

You see the stars are moving so slowly
But still the earth is moving so fast
Can't you see the moon is so lonely
She's still trapped in the pain of the past

This is the time of the worlds colliding
This is the time of kingdoms falling
This is the time of the worlds dividing
Time to heed your call

Send your love into the future
Send your precious love into some distant time
And fix that wounded planet with the love of your healing
Send your love
Send your love

There's no religion but sex and music
There's no religion but sound and dancing
There's no religion but line and color
There's no religion but sacred trance

There's no religion but the endless ocean
There's no religion but the moon and stars
There's no religion but time and motion
There's no religion, just tribal scars

Throw a pebble in and watch the ocean
See the ripples vanish in the distance
It's just the same with all the emotions
It's just the same in every instance

There's no religion but the joys of rhythm
There's no religion but the rites of Spring
There's no religion in the path of hate
No prayer but the one I sing

Send your love into the future
Send your precious love into some distant time
And fix that wounded planet with the love of your healing
Send your love
Send your love

There's no religion but sex and music
There's no religion that's right or winning
There's no religion in the path of hatred
Ain't no prayer but the one I'm singing

Send your love
Send your love

Milena
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Do 7. Aug 2008, 12:21 - Beitrag #134

...sehr schönes lied von Sting....^^
erst neulich wieder gehört...^^Bild

Aydee
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Do 7. Aug 2008, 12:41 - Beitrag #135

apropo Sting (den fand ich schon immer gut):
ist zwar kein Gedicht, dennoch....


I don't drink coffee I take tea my dear
I like my toast done on one side
as you can hear it in my accent when I talk
I'm an Englishman in New York

See me walking down 5th Avenue
walking cane here at my side
take it everywhere I walk
I'm an Englishman in New York

Oh oh I'm an alien
I'm a legal alien
I'm an Englishman in New York
oh oh I'm an alien
I'm a legal alien
I'm an Englishman in New York

If manner's make of man as someone said
he's the hero of the day
it takes a man to suffer ignorance and smile
be yourself no matter what they say

Oh oh I'm an alien
I'm a legal alien
I'm an Englishman in New York
oh oh I'm an alien
I'm a legal alien
I'm an Englishman in New York

Modesty propriety can lead to notoriety
you could end up as the only one
gentleness sobriety rare in this society
at night a candle's brigther than the sun

Takes more than combat gear to make a man
takes more than a license for a gun
confront your enemies avoid them when you can
a gentleman will walk but never run

If manner's make of man as someone say
he's the hero of the day
takes a man to suffer ignorance and smile
be yourself no matter what they say
be yourself no matter what they say
.....

C.G.B. Spender
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Mo 11. Aug 2008, 19:50 - Beitrag #136

"it takes a man to suffer ignorance and smile" ist, glaube ich, meine Lieblingsstelle.

Well, I'll just keep on smiling until the end of time...

HaVE a GooD oNe
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Lykurg
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Mi 20. Aug 2008, 19:12 - Beitrag #137

Friedrich von Hagedorn:
Die verliebte Verzweiflung

Gewiß! der ist beklagenswerth,
Den seine Göttin nicht erhört;
Dem alle Seufzer nichts erwerben.
Er muß fast immer schlaflos sein,
Und weinen, girren, winseln, schrein,
Sich martern und dann sterben.

Grausame Laura! rief Pedrill,
Grausame! die mein Unglück will,
Für dich muß ich noch heut' erblassen.
Stracks rennet er in vollem Lauf
Bis an des Hauses Dach hinauf, -
Und guckt dort in die Gassen.

Bald, als er Essen sah und roch,
Befragt' er sich: Wie! leb' ich noch?
Und zog ein Messer aus der Scheiden.
O Liebe! sagt' er, deiner Wuth
Weih' ich den Mordstahl und mein Blut: -
Und fing an, Brod zu schneiden.

Nach glücklich eingenommnem Mahl
Erwägt er seine Liebesqual,
Und will nunmehr durch Gift erbleichen.
Er öffnet eine Flasche Wein,
Und läßt, des Giftes voll zu sein, -
Sich noch die zweite reichen.

Hernach verflucht er sein Geschick,
Und holet Schemel, Nagel, Strick,
Und schwört, nun soll die That geschehen.
Doch, ach! was kann betrübter sein!
Der Strick ist schwach, der Nagel klein,
Der Schemel will nicht stehen.

Er wählt noch eine Todesart,
Und denkt: Wer sich erstickt, der spart,
Und darf für Gift und Strick nicht sorgen.
Drauf gähnt er, seufzet, eilt zur Ruh,
Kriecht in sein Bett und deckt sich zu, -
Und schläft bis an den Morgen.

Ipsissimus
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Fr 9. Apr 2010, 14:12 - Beitrag #138

DAS UNGLAUBENSBEKENNTNIS

Von Theodor Lessing

Es gibt keinen Weihnachtsmann.
Es gibt keinen Osterhasen.
Es gibt keinen Gott.
Der Klapperstorch bringt auch keine Kinder
und Maria hat gefickt,
sonst wäre sie nicht dick geworden.
Jesus Christus ist nicht auferstanden von den Toten
und all euer christliches Zeugnis ist eitel.

Gott ist nur eine Maske die der Teufel trägt.
Den Teufel aber gibt es wirklich,
denn der Teufel, der bist Du!

Der Teufel,
das ist die Erbschaft des Neandertalers
in uns allen.
Der liebte seinen Nächsten
in guter Butter gebraten zum Frühstück.

Religion ist Reklame für den Tod,
Religion ist die raffinierteste Mordmethode,
mit der Menschen sich gegenseitig umbringen.

Die Jäger reden ihr Jägerlatein,
die Seeleute spinnen ihr Seemannsgarn,
und die Pfaffen predigen ihren Glauben.

Das es keinen Gott gibt wird schon dadurch bewiesen,
dass nicht jeder Pfaffe vom Blitz erschlagen ist.

"Pastor" heißt "Hirte".
Jeder Hirte hat zwei Gründe,
gut für seine Schäfchen zu sorgen:
erstens, er will sie scheren.
zweitens, er will sie fressen.

e-noon
Sterbliche
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Fr 9. Apr 2010, 15:03 - Beitrag #139

Die letzten beiden finde ich sehr schön :D
:pro:

Ipsissimus
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Fr 9. Dez 2011, 13:16 - Beitrag #140

They fuck you up, your mum and dad.
They may not mean to, but they do.
They fill you with the faults they had
And add some extra, just for you.

But they were fucked up in their turn
By fools in old-style hats and coats,
Who half the time were soppy-stern
And half at one another's throats.

Man hands on misery to man.
It deepens like a coastal shelf.
Get out as early as you can,
And don't have any kids yourself.

Philip Larkin

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