Wann ist ein Buch philosophisch?

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Maurice
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So 23. Okt 2005, 14:12 - Beitrag #1

Wann ist ein Buch philosophisch?

Ich habe vor ein paar Monaten angefangen, eine Liste mit den Bücher zu schreiben, die ich bisher gelesen habe. In dieser sortiere ich nach Philosophie, deutscher Literatur und sonstige Bücher. Unter letzteres ordne ich alle Bücher nicht-deutscher Autoren ein, die nicht in die Sparte Philosophie gehören und deutsche Autoren, die nicht von Bedeutung sind (z.B. Helge Schneider ^^).

Nun habe ich bisher "1984" und "Schöne neue Welt" unter "Sonstiges" vermerkt, überlege aber, ob man sie nicht besser unter "Philophie" einordnen sollte. Es handelt sich zwar um kein typisches philosophisches Buch, aber zählen die Romane von Satre und Camu auch als Philosophie. Die Philosophie wird in diesen Büchern eben implizit durch eine Geschichte vermittelt. Leider habe ich bisher weder Satre noch Camu gelesen und weiß daher nicht, ob ihre Werke mit den von mir genannten Büchern vergleichbar ist.

Ich würde hier gerne diskutieren, ob man "1984" und "Schöne neue Welt" in die Sparte Philosophie einordnen sollte oder nicht. Außerdem sollen hier gemeinsam Kriterien überlegt werden, ab wann ein Buch philosophisch ist.

Traitor
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So 23. Okt 2005, 15:32 - Beitrag #2

Sartre und Camus ;)

Eingangs sei erwähnt, dass ich von einer derartigen Einteilung sowieso nichts halte. Zum einen: wo genau verläuft die Grenze zwischen "deutscher Literatur" und "deutschem Sonstigen"? Goethe ist sicher ersteres und Helge Schneider letzteres, aber warum genau ist z.B. Dürrenmatts "Der Richter und sein Henker" Literatur, ein derzeitiger Krimi-Bestseller aber nur Sonstiges? (Ich kann natürlich nicht wissen, ob du die Grenze in diesem Beispiel so ziehen würdest, aber es wäre grob die, die "das Literatur-Establishment" zieht) Und zum anderen:: was unterscheidet deutsche und ausländische Literatur so fundamental, warum ist letztere gar eher mit deutschen Banalitäten als mit deutscher Literatur vergleichbar?

Aber dein System steht nunmal, also versuche ich, innerhalb dessen zu argumentieren. Unter welche Kategorie, Literatur oder Philosophie, fielen bei dir denn z.B. "Maria Stuart" und "Faust"? Wenn sie Literatur sind, dann sollten 1984, Brave New World und die Romane und Theaterstücke von Camus und Sartre ebenfalls Literatur sein, denn expliziter ist die Philosophie dort auch nicht.
Generell denke ich, dass du eher nach Form als nach Inhalt differenzieren solltest. "Philosophie" sind Sachbücher, Abhandlungen und Essays, Literatur sind Romane, Novellen, Dramen etc.

Maurice
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So 23. Okt 2005, 15:44 - Beitrag #3

Sartres und Camus' Geschichten gelten doch im Allgemeinen als philosophische Romane und werden wohl in einer Universität auch unter Philosophie zu finden sein. Ich finde nicht, dass man die Einteilung auf Grund der Form machen sollte, denn dann wäre auch "Sophies Welt" nicht unter "Philosophie" einzuordnen, was aber wohl (fast) jeder machen wird, da es sich um eine Einführung in die Philosphie handelt.

aber warum genau ist z.B. Dürrenmatts "Der Richter und sein Henker" Literatur, ein derzeitiger Krimi-Bestseller aber nur Sonstiges

Also ich habe es nicht unter Sonstiges, sondern unter deutsche Literatur in meine Liste aufgeschrieben. Dass ich nicht der Einzige bin, der so vorgeht, zeigt die Literaturliste für die Germanisten meiner Uni, wo auch unter anderem dieses Buch zu finden ist.

was unterscheidet deutsche und ausländische Literatur so fundamental, warum ist letztere gar eher mit deutschen Banalitäten als mit deutscher Literatur vergleichbar?

Habe ich das irgendwo behauptet? Ich mache meine wie beschriebene Einteilung nicht, weil ich ausländische Literatur für generell schlechter als deutsche halte, sondern weil ich nun mal Germanistik und Philosphie studiere und ich einen Überblick haben will, welche Bücher ich für welches Fach bereits (und welche ansonsten) ich gelesen habe.


Wir haben uns jetzt schon in mehrere Diskussionen verfangen, was von mir nicht geplant war. Was deine Frage zu der Qualität von deutscher und ausländischen Literatur angeht, so schlage ich vor, dazu einen eigenen Thread aufzumachen. Ebenso was die Frage angeht, wo die Grenze zwischen ernsthafter und trivialer Literatur ist. Es handelt sich hierbei imo um zwei interessante Themen, die einen eigenen Thread verdient haben. :)

Traitor
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So 23. Okt 2005, 15:53 - Beitrag #4

"Sophies Welt" ist ein schwieriger Grenzfall: ein recht eindeutiges Sachbuch in recht eindeutiger Romanform. In solchen Fällen würde ich danach gehen, wie zu übermittelnder Inhalt und Rahmenhandlung gegeneinander gewichtet sind. Diese Grenzfälle sind jedoch relativ selten (spontan würde ich in meiner Sammlung nur Douglas Adams' "Die letzten ihrer Art" zu ihnen zählen), sodass man mit dem Formkriterium für den Großteil der Werke doch eine recht scharfe Grenze einhalten kann (eine schärfere als über die Frage "wieviele philosophische Gedanken kommen vor" allemal).

Zu Dürrenmatt:
Also ich habe es nicht unter Sonstiges, sondern unter deutsche Literatur in meine Liste aufgeschrieben. Dass ich nicht der Einzige bin, der so vorgeht, zeigt die Literaturliste für die Germanisten meiner Uni, wo auch unter anderem dieses Buch zu finden ist.

Ich sagte doch gerade, dass Dürrenmatt zur Literatur zählt, "niedere" Krimis nicht.

Habe ich das irgendwo behauptet? Ich mache meine wie beschriebene Einteilung nicht, weil ich ausländische Literatur für generell schlechter als deutsche halte, sondern weil ich nun mal Germanistik und Philosphie studiere und ich einen Überblick haben will, welche Bücher ich für welches Fach bereits (und welche ansonsten) ich gelesen habe.

Ein Qualitätsurteil wollte ich dir nicht unterstellen, sondern lediglich anmerken, dass ich für eine derartige Einteilung keinerlei Kriterium sehen konnte. Dass die Liste nach Studienfächern ausgerichtet ist, liefert allerdings nunmehr dieses Kriterium ;)

Einen Thread zu "ernsthafter und trivialer Literatur" gab es doch iirc erst vor kurzem, und die Frage nach der Qualitätsdifferenz deutscher und ausländischer Titel stellt sich für mich eigentlich nicht.

PS: Wie sieht es mit den erwähnten Schiller und Goethe aus?

Lykurg
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So 23. Okt 2005, 22:31 - Beitrag #5

OT: Ich habe mir zu diesem Zweck einen kleinen Karteikasten angelegt, der neben Autor - Titel - Erstveröffentlichung auch enthält, wann ich das Buch erstmals gelesen habe, sowie stichwortartige Notizen (Sachen, die mir bei der Lektüre aufgefallen sind). Das ist mE wesentlich nützlicher als eine Kategorisierung, das Problem taucht bei mir aber in der Frage auf, wann ich einen Text in die Kartei aufnehmen will und wann nicht (Umfang? Gattung? Literarizität?) - Ärgerlicherweise steht dieses Kästchen gerade jetzt zuhause, obwohl ich dieses Semester ziemlich viel lesen (darf und) muß... /OT

In meinen Augen ist die Frage, ob ein Buch "philosophische" Themen behandelt, also etwa Lebenskonzepte oder Glaubensfragen beinhaltet - in welcher Form auch immer - zugleich ein verlockendes Grundkriterium für Literarizität. Die üblichen Literaturbegriffe behagen mir wenig - der "weite" (jeder Text - jeder Bestandteil sprachlicher Überlieferung - oder sogar: jede [auch außersprachliche] Äußerung) ist letzlich aussagelos - unbrauchbar; der "enge" (Texte mit einer tieferen Bedeutung als künstlerisches Erzeugnis) fußt auf gleich zwei strittigen Bestandteilen. Daher lehne ich deine Trennung ab, Maurice, und würde lieber ein nichtphilosophisches Buch als nichtliterarisch bezeichnen als ein philosophisches. :)


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