Kleine Geschichten

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Aydee
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Mi 7. Dez 2005, 10:55 - Beitrag #1

Kleine Geschichten

Perfekt


Mulla Nasruddin saß in einem Teehaus, als ein guter Freund aufgeregt auf ihn zukam. "Ich werde heiraten Mulla", verkündete sein Freund, "und ich bin so aufgeregt. Mulla, hast du selber jemals ans Heiraten gedacht?"

Nasruddin antwortete: "Ich dachte in der Tat daran, zu heiraten. In meiner Jugend wünschte ich es mir sogar sehr stark. Ich wartete darauf, dass ich die perfekte Frau für mich finden würde. Ich reiste umher auf der Suche nach ihr, zuerst nach Damaskus. Dort traf ich eine schöne Frau, sie war anmutig, gütig und tiefst spirituell, aber sie besaß kein weltliches Wissen. Ich reiste weiter und ging nach Isfahan.

Dort traf ich eine Frau, die sowohl spirituell als auch weltlich und in vieler Hinsicht schön war, aber wir konnten uns nicht so gut verständigen. Schließlich ging ich nach Kairo, wo ich sie nach langem Suchen fand.

Sie war tief spirituell, anmutig und schön in jeder Hinsicht, zu Hause in der Welt und zu Hause in den Bereichen des jenseits. Ich fühlte, dass ich die perfekte Frau gefunden hatte." Sein Freund fragte weiter: "Und hast du sie nicht geheiratet, Mulla?"

"Leider nicht", sagte Nasruddin, während er den Kopf schüttelte, "denn unglücklicherweise wartete sie auf den perfekten Ehemann.

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Do 8. Dez 2005, 13:19 - Beitrag #2

Der Berater des Königs

Es war einmal ein König, der hatte einen Berater, welcher ihm manchmal durch seinen extremen Optimismus ganz schön auf die Nerven ging. Eines Tages zerkleinerte der König gerade mit einem riesigen Messer eine Kokosnuss, als neben ihm plötzlich geräuschvoll ein Vogel aufflog. Der König erschrak und hackte sich dabei mit dem Messer den großen Zeh des linken Fußes ab. Der König schrie vor Schmerz auf und humpelte in höchster Erregung zu seinem Berater, um ihm das Unglück zu zeigen.
"Das ist wunderbar!" rief der Berater.
"Wie bitte?" fragte der König vollkommen verdutzt.
"Na, ich sage, dass dieses Unglück ein Segen ist. Verlasst Euch auf mich, denn es wird sich zeigen, dass dieser Unfall sein Gutes hatte."

Dem König reichte es nun. Er ließ den Berater in einen trockenen Brunnen werfen und entschied, zurück zum Schloss zu gehen. Auf dem Weg dorthin überfiel ihn aber eine Bande von Kopfjägern, die auf der Suche nach einem Menschenopfer für ihren Gott waren. Ein König schien ihnen da genau richtig.
Als jedoch der Schamane der Kopfjäger sah, dass dem König ein Zeh fehlte, sprach er: "Nein, dich können wir als Opfer nicht gebrauchen. Unser Gott akzeptiert nur vollständig unversehrte Körper", und sie ließen den König laufen.

Der König war überglücklich. Da fiel ihm plötzlich ein, dass er ja seinem Berater bitter Unrecht getan hatte. Er lief zurück und ließ den Berater aus dem Brunnen holen.
"Bitte entschuldige, dass ich dich in den Brunnen werfen ließ", sagte er und erzählte ihm, was vorgefallen war.
"Kein Grund, Euch zu entschuldigen Euer Hoheit. Es war ein Segen, dass Ihr mich in diesen Brunnen geworfen habt!" "Aber wie kannst du denn auch darin wieder etwas Gutes sehen?" fragte der König. "Na, wäre ich hier nicht im Brunnen gesessen, hätten die Kopfjäger doch mich als Opfer genommen!"

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Fr 9. Dez 2005, 15:57 - Beitrag #3

Die Geschichte vom Indianer und der Grille

Ein Indianer, der in einem Reservat weit von der nächsten Stadt entfernt wohnte, besuchte das erste Mal seinen weißen Bruder in der großen Metropole. Er war sehr verwirrt vom vielen Lärm, von der Hektik und vom Gestank in den Straßenschluchten.
Als sie nun durch die Einkaufsstraße mit den großen Schaufenstern spazierten, blieb der Indianer plötzlich stehen und horchte auf. "Was hast du", fragte ihn sein Freund. "Ich höre irgendwo eine Grille zirpen", antwortete der Indianer. "Das ist unmöglich", lachte der Weiße. "Erstens gibt es hier in der Stadt keine Grillen und zweitens würde ihr Geräusch in diesem Lärm untergehen." Der Indianer ließ sich jedoch nicht beirren und folgte dem Zirpen. Sie kamen zu einem älteren Haus dessen Wand ganz mit Efeu überwachsen war. Der Indianer teilte die Blätter und tatsächlich: Da sass eine große Grille.
"Ihr Indianer habt eben einfach ein viel besseres Gehör", sagte der Weiße im Weitergehen. "Unsinn", erwiderte sein Freund vom Land. "Ich werde dir das Gegenteil beweisen". Er nahm eine kleine Münze aus seiner Tasche und warf sie auf den Boden. Ein leises "Pling" ließ sich vernehmen. Selbst einige Passanten, die mehr als zehn Meter entfernt standen, drehten sich augenblicklich um und schauten in die Richtung, aus der sie das Geräusch gehört hatten.
"Siehst Du mein Freund, es liegt nicht am Gehör. Was wir wahrnehmen können oder nicht liegt ausschließlich an der Richtung unserer Aufmerksamkeit...."

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Mi 28. Dez 2005, 10:58 - Beitrag #4

Mit Gott zu Mittag gegessen...

Es war einmal ein kleiner Junge, der unbedingt Gott treffen wollte. Er war sich darüber bewusst, dass der Weg zu dem Ort, an dem Gott lebte, ein sehr langer war. Also packte er sich einen Rucksack voll mit einigen Coladosen und mehreren Schokoladenriegeln und machte sich auf die Reise.

Er lief eine ganze Weile und kam in einen kleinen Park. Dort sah er eine alte Frau, die auf einer Bank saß und den Tauben zuschaute, die vor ihr nach Futter auf dem Boden suchten.

Der kleine Junge setzte sich zu der Frau auf die Bank und öffnete seinen Rucksack. Er wollte sich gerade eine Cola herausholen, als er den hungrigen Blick der alten Frau sah. Also griff er zu einem Schokoriegel und reichte ihn der Frau.

Dankbar nahm sie die Süßigkeit und lächelte ihn an. Und es war ein wundervolles Lächeln! Der kleine Junge wollte dieses Lächeln noch einmal sehen und bot ihr auch eine Cola an.
Und sie nahm die Cola und lächelte wieder - noch strahlender als zuvor. Der kleine Junge war selig.

Die beiden saßen den ganzen Nachmittag lang auf der Bank im Park, aßen Schokoriegel und tranken Cola - aber sprachen kein Wort.

Als es dunkel wurde, spürte der Junge, wie müde er war und er beschloss, zurück nach Hause zu gehen. Nach einigen Schritten hielt er inne und drehte sich um. Er ging zurück zu der Frau und umarmte sie.

Die alte Frau schenkte ihm dafür ihr allerschönstes Lächeln.

Zu Hause sah seine Mutter die Freude auf seinem Gesicht und fragte: "Was hast du denn heute Schönes gemacht, dass du so fröhlich aussiehst?"
Und der kleine Junge antwortete: "Ich habe mit Gott zu Mittag gegessen - und sie hat ein wundervolles Lächeln!"

Auch die alte Frau war nach Hause gegangen, wo ihr Sohn schon auf sie wartete. Auch er fragte sie, warum sie so fröhlich aussah.
Und sie antwortete: "Ich habe mit Gott zu Mittag gegessen - und er ist viel jünger, als ich gedacht habe."

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Do 29. Dez 2005, 13:38 - Beitrag #5

Das perfekte Herz


Eines Tages stand ein junger Mann mitten in der Stadt und erklärte, dass er das schönste Herz im ganzen Tal habe. Eine große Menschenmenge versammelte sich, und sie alle bewunderten sein Herz, denn es war perfekt. Es gab keinen Fleck oder Fehler in ihm. Ja, sie alle gaben ihm Recht, es war wirklich das schönste Herz, das sie je gesehen hatten. Der junge Mann war sehr stolz und prahlte noch lauter über sein schönes Herz.

Plötzlich tauchte ein alter Mann vor der Menge auf und sagte: "Nun, dein Herz ist nicht mal annähernd so schön, wie meines." Die Menschenmenge und der junge Mann schauten das Herz des alten Mannes an. Es schlug kräftig, aber es war voller Narben, es hatte Stellen, wo Stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren. Aber sie passten nicht richtig, und es gab einige ausgefranste Ecken. An einigen Stellen waren tiefe Furchen, wo ganze Teile fehlten. Die Leute starrten ihn an. Wie kann er behaupten, sein Herz sei schöner, dachten sie?

Der junge Mann schaute auf des alten Mannes Herz, sah dessen Zustand und lachte: "Du musst scherzen", sagte er, "dein Herz mit meinem zu vergleichen. Meines ist perfekt und deines ist ein Durcheinander aus Narben und Tränen."

"Ja", sagte der alte Mann, deines sieht perfekt aus, aber ich würde niemals mit dir tauschen. Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich meine Liebe gegeben habe. Ich reiße ein Stück meines Herzens heraus und reiche es ihnen, und oft geben sie mir ein Stück ihres Herzens, das in die leere Stelle meines Herzens passt. Aber weil die Stücke nicht genau sind, habe ich einige raue Kanten, die ich sehr schätze, denn sie erinnern mich an die Liebe, die wir teilten. Manchmal habe ich auch ein Stück meines Herzens gegeben, ohne dass mir der andere ein Stück seines Herzens zurückgegeben hat. Das sind die leeren Furchen. Liebe geben heißt manchmal auch ein Risiko einzugehen. Auch wenn diese Furchen schmerzhaft sind, bleiben sie offen und auch sie erinnern mich an die Liebe, die ich für diese Menschen empfinde... und ich hoffe, dass sie eines Tages zurückkehren und den Platz ausfüllen werden. Erkennst du jetzt, was wahre Schönheit ist?"

Der junge Mann stand still da und Tränen rannen über seine Wangen.
Er ging auf den alten Mann zu, griff nach seinem perfekten jungen und schönen Herzen und riss ein Stück heraus. Er bot es dem alten Mann mit zitternden Händen an. Der alte Mann nahm das Angebot an, setzte es in sein Herz. Er nahm dann ein Stück seines alten vernarbten Herzens und füllte damit die Wunde in des jungen Mannes Herzen. Es passte nicht perfekt, da es einige ausgefranste Ränder hatte.

Der junge Mann sah sein Herz an, nicht mehr perfekt, aber schöner als je zuvor, denn er spürte die Liebe des alten Mannes in sein Herz fließen.

Sie umarmten sich und gingen weg, Seite an Seite.


Narben auf dem Körper bedeuten, dass man gelebt hat....
Narben auf der Seele bedeuten, dass man gelebt und geliebt hat....

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Mo 2. Jan 2006, 12:25 - Beitrag #6

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!


(Hermann Hesse)

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Di 3. Jan 2006, 16:31 - Beitrag #7

seufz.....

Jede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden,
Ewiges ist nicht auf Erden
Als der Wandel, als die Flucht.

Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte Blatt, geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.

Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Lass es still geschehen.
Lass vom Winde, der dich bricht,
Dich nach Hause wehen.


(Hermann Hesse)

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Mi 4. Jan 2006, 14:35 - Beitrag #8

Es war einmal ein Herz......

....das schlug 100.000 Mal am Tag - nicht mehr und nicht weniger. Es schlug nun einmal so viel wie es nötig war. Das Herz war nicht von der gleichen feuerroten Farbe wie all die anderen Herzen, sondern besaß nur ein schwaches blassrosa. Und es verlor mit der Zeit immer mehr an Farbe, wurde blaßer und blasser. Der Lebenskampf hatte es geschwächt und obwohl es noch nicht sehr alt war, hatte es schon viele Falten.

Eines Tages kam es auf die Idee einen Verschlag um sich zu bauen. So suchte es den härtesten Stein für die Wände, das massivste Holz für das Dach und den stärksten Stahl für die Tür. Nur so, dachte das Herz, konnte niemand mehr hinein zu ihm und es verletzen - niemand konnte es mehr zerreißen. Endlich war es sicher.

Nun saß das kleine Herz in seinem Verschlag, lugte hinaus durch die Fugen im Stein und hörte über sich das Knacken des Holzes. Es ist ziemlich dunkel und kalt hier, dachte das Herz. Aber es schloß einfach die Augen und tat was es immer tat: schlagen. 100.000 Mal am Tag. Vor lauter Langeweile zählte das Herz jeden Schlag mit, bis es ihm überdrüssig wurde. So vergaß es manchmal einen Schlag zu tun. Und das Herz fragte sich, was es überhaupt noch für einen Sinn hatte zu schlagen.

Nach einiger Zeit fing das Herz an nachzudenken. Es merkte, dass es einen fatalen Fehler begangen hatte, denn das Böse konnte zwar nicht mehr zu ihm dringen, aber das Lachen auch nicht mehr. Mit aller Kraft versuchte es die Stahltür aufzudrücken, doch sie war zu schwer, als dass sie sich bewegen ließ. So begann es gegen die Steinwände zu hämmern, doch außer das sich ein paar Brocken lösten, passierte nichts. Der Stein war zu gewaltig. Als es sich am Dach zu schaffen machte, zog es sich nur einen dicken Splitter zu.
Panikartig saß das kleine Herz in seinem selbstgebauten Gefängnis und schlug mindestens doppelt so schnell wie sonst. Wie konnte es nur den Schlüssel in all seiner Trauer vergessen? Das Herz verfluchte sich für sein elendes Selbstmitleid. Wie gern würde es sich jetzt den Stürmen des Lebens hingeben, sich vor Angst zusammenkrampfen, vor Freude hüpfen, wenn es nur könnte.

Es schaute durch das Schlüsselloch hinaus in die Welt und sah die anderen Herzen. Einige waren blaß so wie es selbst. Sie schlichen durchs Leben geduckt und allein. Andere wiederrum sprangen in leuchtendem Rot - Hand in Hand über Stock und Stein, unerschrocken und gestärkt vom anderen.
Doch was das Herz dann sah, ließ es staunen und es konnte seine Tränen nicht verbergen. Da lagen Herzen im Staub mit Füßen getreten. Sie waren fast weiß und regten sich kaum noch. Sie schlugen vielleicht noch 20 Mal am Tag. Niemand kümmerte sich um sie, denn auch sie hatten einmal den Schlüssel ihres Gefängnises so gut versteckt, daß niemand ihn fand.
Da fühlte das Herz zum ersten Mal, dass es ihm doch gar nicht so schlecht ging. Noch war es rosa und noch fühlte es etwas. Es musste nur diesen Schlüssel zu seiner Stahltür finden.
So machte es sich auf der Suche...

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Do 5. Jan 2006, 14:49 - Beitrag #9

Nur das Beste...

Es war einmal ein älteres Ehepaar, das sich ein Lebenlang innigst ein Kind gewünscht hatte. Jeden Sonntag gingen sie in die Kirche und flehten zu Gott, er möge ihren Wunsch erfüllen.

Eines Tages kehrten sie von der Kirche heim und fanden in der Stube ein zartes, hübsches, kleines Mädchen. "Gott hat unsere Gebete erhört", sagten sich die Bauersleute und waren überglücklich. Es war ein liebes Kind, und die Eltern lasen ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Es war Winter, und das Kind spielte gern draußen mit anderen Kindern. In der Stube weigerte es sich, auf der Ofenbank zu sitzen und hielt sich möglichst am kühlsten Ort im Zimmer auf.

Als der Frühling kam, wurde das Kind immer unglücklicher und wollte das Haus nicht mehr verlassen. "Du musst mit den andern Kindern spielen", meinten die Eltern. Sie wollten ja nur das Beste für das Kind und zerrten das sich sträubende Mädchen an die Frühlingssonne und da geschah es: Das Mädchen zerfloss unter ihren Augen an der Sonne. "Ich bin eine Schneeflocke", sagte es noch und verschwand...

Aydee
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Mi 18. Jan 2006, 10:17 - Beitrag #10

Morning has broken
Like the first morning
Blackbird has spoken
Like the first bird
Praise for the singing
Praise for the morning
Praise for them springing
Fresh from the world

Sweet the rains new fall
Sunlit from heaven
Like the first dew fall
On the first grass
Praise for the sweetness
Of the wet garden
Sprung in completeness
Where his feet pass
Mine is the sunlight
Mine is the morning
Born of the one light
Eden so play
Praise with elation
Praise every morning
God' s recreation
Of the new day

Morning has broken
Like the first morning
Blackbird has spoken
Like the first bird
Praise for the singing
Praise for the morning
Praise for them springing
Fresh from the world


:kiss:

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Mo 23. Jan 2006, 19:26 - Beitrag #11

das hätte ich schon viel früher machen sollen:
Nichts hiervon ist von mir, nur von mir gefunden. Im internet. Ich hoffe es ist den Autoren dieser "kleinen Geschichten" recht, dass ich sie mir borgte um sie hier zu zeigen.....
Bitte verzeiht.





Edit.
@Baloth. Das mit den Quellen ist eine Unaufmerksamkeit von meiner Seite: ich habe mir nie notiert, wo ich diese Geschichten fand. Ich will versuchen, es in Zukunft zu notieren..... (meist habe ich sie er-google-t...)

Aydee
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Mo 23. Jan 2006, 19:33 - Beitrag #12

ErSie


Am Anfang war Nichts. Dann kam die Kollision im Nichts. ErSie ward. Klein. Sehr klein. ErSie war neu. Und klein. Doch ErSie wuchs. SeineIhre Größe verdoppelte sich, verdreifachte sich, vervierfachte sich ErSie wurde noch größer. Das Größte im Nichts. ErSie veränderte sich. Während ErSie wuchs. Bald wußte ErSie , wo ErSie war. Im Nichts.

Dann prallte ErSie auf etwas. Den Rand des Nichts. ErSie prallte auf. ErSie tat sich nicht weh. ErSie spürte nichts. ErSie löste sich bald wieder. Doch blieb ein Faden zum Rand. Eine Verbindung zum Rand. Und sie bedeutete Leben.

ErSie war umgeben von Etwas. Etwas schützte IhnSie vor dem Nichts. Eine Haut. Nicht SeineIhre Haut. Eine Schutzhaut. ErSie war in der Schutzhaut. Die Schutzhaut war in dem Nichts.

ErSie wuchs weiter. Wurde noch größer. Veränderte sich. Es bildete sich etwas in IhmIhr. SeinIhr Körper bildete sich. Etwas begann zu schlagen. SeinIhr Herz. Es schlug. Langsam. Schneller. Unregelmäßig. Regelmäßiger.

An SeinemIihrem Oben bildeten sich zwei Dinge. Sie waren gleich. Sie sollten das gleiche tun. Mit ihnen sollte ErSie das etwas tun können. Etwas anderes können als Tasten. Doch erst in einer Unendlichkeit. Sehr viel Zeit.

Anderes bildete sich. Noch zwei Dinge. Wieder an SeinemIhrem Oben. Auch mit ihnen sollte ErSie etwas tun. Auch nicht tasten. Wieder etwas anderes. Doch erst in einer Unendlichkeit. Sehr viel Zeit.

Und ErSie wurde immer größer. Der Faden nährte IhnSie. Aus IhmIhr ernährte ErSie sich. SeinIhr Herz schlug. ErSie war glücklich. ErSie bewegte sich. ErSie schwamm im Nichts. Es gab keine Hindernisse für IhnIhr außer den Rand. Und das Ende des Nichts. Durch das Ende des Nichts mußte ErSie. Nicht jetzt. Erst in einer Unendlichkeit. Sehr viel Zeit.

Doch dann kam Es. Es sog. Wollte IhnSie aus dem Nichts saugen. ErSie wollte nicht. Blieb lieber im Nichts. Es sog stärker. ErSie verlor etwas. Nicht viel. Aber ErSie fühlte Schmerzen. Starke Schmerzen. SeinIhr Körper schmerzte. Es sog weiter. ErSie wurde zerrissen. Auseinandergezogen. Zerstückelt. SeinIhrletzter Gedanke: "Warum?" Dann konnte ErSie sich nicht mehr bewegen. ErSie war nicht mehr. ErSie war getötet. Von einem Wesen außerhalb des Nichts. ErSie war zerrissen. Zerstückelt.

Abgetrieben.


- Wo bin ich? -






// verändert, da es mir widerstrebt, eine solche Geschichte geschlechtlich zu trennen - bedauerlicherweise lässt sich im Deutschen das Neutrum nicht in verschiedenen Varianten ausdrücken //

Aydee
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Do 26. Jan 2006, 14:37 - Beitrag #13

Das Geschenk

Ein alter Mann saß in einem Bus. In seinem Arm hielt er einen wundervollen Blumenstrauß. Ihm gegenüber saß ein junges Mädchen und konnte ihren Blick nicht von der Blumenpracht lassen. Immer wieder schaute sie zu den bunten Blüten und lächelte scheu.

Kurz vor der nächsten Haltestelle stand der Mann auf und ging zu dem Mädchen. Er reichte ihr den Strauß und sagte: "Ich habe gesehen, dass du diese Blumen liebst. Sie sind eigentlich für meine Frau. Aber ich denke, meine Frau würde gerne, dass du sie bekommst. Ich gehe jetzt zu ihr und erzähle ihr, dass ich dir die Blumen geschenkt habe."

Das Mädchen nahm den Strauß mit einem nun strahlenden Lächeln.

Als der alte Mann ausstieg, sah sie ihm noch nach. Und er verschwand durch ein Tor, welches zu einem kleinen Friedhof gehörte.

Baloth
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Fr 27. Jan 2006, 14:22 - Beitrag #14

Wo findest du solche Geschichten? Ich habe solche Geschichten schon in der schule immer gern gelesen, bin aber seitdem davon abgekommen...

Wäre sehr nett, wenn du mir einige Quellen zum Nachlesen senden könntest, oder einfach Mehr schreiben :)

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Fr 27. Jan 2006, 18:54 - Beitrag #15

Das Leid der Oase

Es war einmal eine wundervolle Oase. Sie grünte in einer Pracht, die schöner kaum sein konnte.

Eines Tages blickte die Oase um sich, sah sie aber nichts anderes als die Wüste rings um sich. Vergebens suchte sie nach ihresgleichen und wurde ganz traurig.

Laut begann sie zu klagen: "Ich unglückliche, einsame Oase! Allein muss ich bleiben! Nirgends meinesgleichen. Nirgends jemand, der Freude an mir und meiner Pracht hat. Nichts, als die traurige, sandige, felsige, leblose Wüste umgibt mich. Was helfen mir hier in meiner Verlassenheit all meine Vorzüge und Reichtümer?"

Da sprach die alte und weise Mutter Wüste: "Mein Kind, wenn es denn anderes wäre und nicht ich - die traurige, dürre Wüste - dich umgäbe, sondern wenn alles um dich herum blühend, grün und prachtvoll wäre, dann wärst du keine Oase. Du wärst dann kein begünstigter Fleck, von dem, noch in der Ferne die Wanderer rühmend erzählen. Du wärst dann nur ein kleiner Teil von mir und bliebest unbemerkt. Darum also ertrage in Geduld, was die Bedingung deiner Auszeichnung und deines Ruhmes ist!"



(nach Arthur Schopenhauer, leicht geändert, gefunden in:
E. Lukas: "Rendezvous mit dem Leben")

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Mi 1. Feb 2006, 15:12 - Beitrag #16

Zwei Wölfe...


Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.

Der Alte sagte nach einer Weile des Schweigens: "Weißt du, wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend."

"Welcher der beiden wird den Kampf um dein Herz gewinnen?" fragte der Junge.

"Der Wolf, den ich füttere." antwortete der Alte.

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Di 28. Feb 2006, 12:51 - Beitrag #17

Es kamen einmal ein paar Suchende zu einem alten Zenmeister.

"Herr", fragten sie "was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du."

Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: "Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich."

Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: "Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?"

Es kam die gleiche Antwort: "Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ist und wenn ich esse, dann esse ich."

Die Unruhe und den Unmut der Suchenden spürend fügte der Meister nach einer Weile hinzu: "Sicher liegt auch Ihr und Ihr geht auch und Ihr esst. Aber während Ihr liegt, denkt Ihr schon ans Aufstehen. Während Ihr aufsteht, überlegt Ihr wohin Ihr geht und während Ihr geht, fragt Ihr Euch, was Ihr essen werdet. So sind Eure Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasst Euch auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein."

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Do 2. Mär 2006, 11:58 - Beitrag #18

Eines Tages kam eine Schülerin zum Meister. Sie hatte schon so viel von dem weisen Mann gehört, dass sie unbedingt bei ihm studieren wollte. Sie hatte alle Angelegenheiten geregelt, ihr Bündel geschnürt und war den Berg hinauf gekommen, was sie zwei Tage Fußmarsch gekostet hatte.

Als die junge Frau beim Meister ankam, saß der im Lotussitz auf dem Boden und trank Tee. Sie begrüßte ihn überschwänglich und erzählte ihm, was sie schon alles gelernt hatte. Dann bat sie ihn, bei ihm weiterlernen zu dürfen.

Der Meister lächelte freundlich und sagte: "Komm in einem Monat wieder."

Von dieser Antwort verwirrt ging die junge Frau zurück ins Tal. Sie diskutierte mit Freunden und Bekannten darüber, warum der Meister sie wohl zurückgeschickt hatte. Einen Monat später erklomm sie den Berg erneut und kam zum Meister, der wieder teetrinkend am Boden saß.

Diesmal erzählte die Schülerin von all den Hypothesen und Vermutungen, die sie und ihre Freunde darüber hatten, warum er sie wohl fortgeschickt hatte. Und wieder bat sie ihn, bei ihm lernen zu dürfen.

Der Meister lächelte sie freundlich an und sagte: "Komm in einem Monat wieder."

Dieses Spiel wiederholte sich einige Male. Es war also nach vielen vergeblichen Versuchen, dass sich die junge Frau erneut aufmachte, um zu dem Meister zu gehen. Als sie diesmal beim Meister ankam und ihn wieder teetrinkend vorfand, setzte sie sich ihm gegenüber, lächelte und sagte nichts.

Nach einer Weile ging der Meister in seine Behausung und kam mit einer Tasse zurück. Er schenkte ihr Tee ein und sagte dabei: "Jetzt kannst du hier bleiben, damit ich dich lehren kann. In ein volles Gefäß kann ich nichts füllen."



:)

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Do 2. Mär 2006, 12:01 - Beitrag #19

Es war einmal eine Schnecke, die sich an einem nasskalten, grauen und stürmischen Frühjahrstag aufmachte, am Stamm eines Kirschbaumes hinaufzuklettern.

Die Spatzen, die überall im Garten saßen, lachten über die Schnecke und zwitscherten: "Du bist ja ein Dummkopf - schau doch, da sind überhaupt keine Kirschen am Baum! Warum machst du dir die Mühe, da hochzuklettern?"

Die Schnecke kroch unbeirrt weiter und sagte zu den Spatzen: "Das macht mir nichts - bis ich oben angekommen bin, sind Kirschen dran!"


[align=right](aus Mello, Anthony de: Gib deiner Seele Zeit)[/align]

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Do 2. Mär 2006, 18:25 - Beitrag #20

Über das Sehen

Jeden Morgen ging der Meister in den Garten und blieb dort lange Zeit vor dem Rosenstrauch stehen.

Die Schüler hatten den Meister bereits eine Weile beobachtet und wollten nun von ihm wissen, welche Art der Meditation er denn jeden Morgen im Garten praktiziere.

Der Meister antwortete ihnen: "Wenn ich aufmerksam schaue, sehe ich den Rosenstrauch in voller Blüte."

Darauf fragte einer seiner Schüler:" Aber warum muss man denn aufmerksam schauen, um den Rosenstrauch zu sehen? Die Blüten sind doch wirklich auffällig."

Der Meister lächelte und sagte dann: "Damit man wirklich den Rosenstrauch sieht, und nicht die eigene Vorstellung davon."





»Die Zypresse im Garten erfüllt eine wichtige Aufgabe: Sie wirkt als Räuber.«

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