Lykurg[ohne Titel]
Beiträge: 6865Registriert: 02.09.2005
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Hinsichtlich der benutzten, umstrittenen und noch in der Formung begriffenen Wortkrücken hat janw Recht. Was von einer Zeit bleibt und damit als epochenprägend angesehen werden kann, entscheidet die Nachwelt; insofern kann es kaum anders sein. Da werden ursprünglich als Schimpfnamen gedachte Bezeichnungen zum Charakteristikum umgedeutet (Barock, Biedermeier, Impressionismus), oder nachträglich Begriffe aufgepfropft, die man in der Zeit selbst weniger kannte (Sturm und Drang), oder aber selbstgegebene Bezeichnungen (Junges Deutschland) durch den Nachruhm der Autoren zum Kennzeichen einer Zeit. Allerdings kenne ich die "Jungen Wilden" nur für die Malerei der 70er und 80er (wobei mir die literarische Verwendung entgangen sein mag, möglicherweise kommt sie auch noch in Gebrauch) - und die "Neue Sachlichkeit" gehört bereits in die 20er Jahre. Ein paar Ansätze zu einer Strukturierung der Nachkriegsliteratur wären (teilweise mein eigener Senf, manches 'irgendwo' aufgeschnappt; die Auswahl der Autoren und Werke, die der Untermauerung 'meiner' Abschnitte dienen, sind selbstverständlich willkürlich und diskussionsbedürftig): *** - Trümmerliteratur (1945-49) Stimmungsbilder und Ansätze zur Verarbeitung der Kriegs- und Exilerfahrungen sowie teilweise der NS-Verbrechen (Borchert: Draußen vor der Tür; Seghers: Das siebte Kreuz, Mann: Doktor Faustus, Zuckmayer: Des Teufels General, Celan: Todesfuge) - Wiederaufbau und Restauration in BRD und Österreich (1949-1963) (neue lit. Gattung: Hörspiel; Eich, Jens, Böll, Hildesheimer, Bachmann u.a.; Romane und Erzählungen von Grass, Böll, Andersch u.a. - geprägt auch durch die Beschlüsse der "Gruppe 47") - Neubeginn in der DDR gesteuerte Literatur für die "Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft", Agitprop. 1959-1973 "Bitterfelder Weg": Arbeiterthemen sollen Überwindung der Klassenunterschiede bewirken - Seghers, Wolf: "Der geteilte Himmel", Müller, Becher) - unabhängige Entwicklung in der Schweiz: Paradoxismen, fragiles Ich? Frisch: Biedermann und die Brandstifter ("Lehrstück ohne Lehre"), Dürrenmatt: Die Physiker; Frisch: Stiller; 1970-2002 "Gruppe Olten" (Schreiben für den demokratischen Sozialismus) *** - "Zwischen Utopie und Wirklichkeit" (1963-74) Protestbewegungen NS-Aufarbeitung, Vietnamkrieg, APO - Frankfurter Schule gegen Existentialismus. gesellschaftskritische (bzw. sprachkritische) Lyrik: Grass, Enzensberger, Jandl; politische Dramen: Hochhuth, Kipphardt, (Handke) - "Neue Innerlichkeit" (ziemlich umstritten) / Tendenzwende (~1975) Bernhard: "Die Korrektur", Born, Brinkmann, Weiss: "Die Ästhetik des Widerstands", Wolf: "Kassandra", Walser "Seelenarbeit", Widmer - 'Postmoderne' / Ermüdung, "Mittelmaß und Wahn" (als Themen^^) (1980er) Wettrüsten, Umweltzerstörung, Endzeitvisionen, Depression, Weltuntergangsstimmung Bernhard: Auslöschung, Grass: Die Rättin, Süskind: Das Parfüm - 1989 und die Folgen Wolf: "Was bleibt", Hilbig: "Ich" vs. Grass: "Ein weites Feld" - Niedergang der Ideologien ? Strauss: "Anschwellender Bocksgesang"; Kempowski: Echolot, Gernhardt: Kippfigur; kurzes Aufflackern der "Popliteratur" (Stuckrad-Barre u.a.) - West-östliche Welle ? Migrantenliteratur (und -schicksale), Entwurzelung der Europäer, 9/11-Verarbeitung [In diesen Bereichen nenne ich lieber noch keine Titel, da muß noch Zeit ins Land gehen.]
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