Welches Buch lest ihr gerade? (II)

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
andy101
Newbie
Newbie

 
Beiträge: 6
Registriert: 03.09.2014
Fr 5. Sep 2014, 10:08 - Beitrag #721

Hhm ich überlege die Game of thrones Bücher anzufangen, habe aber die ersten beiden Staffeln bereits geguckt und hab Angst, dass das dann n bisschen langweilig werden könnte.

blobbfish
Listenkandidat
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 3022
Registriert: 26.01.2003
Fr 5. Sep 2014, 22:06 - Beitrag #722

Bei den meisten Buchverfilmungen ist es ja so, dass man das Buch danach noch immer wunderbar lesen kann, weil es mehr Tiefe und neue Aspekte bietet. Ob sich das bei GoT auch so verhält, weiß ich nicht, ich denke aber, die Diskrepanz ist hier nicht so groß - andererseits, die Serie ist ja teilweise schon richtig schlecht und oberflächlich :D.

Fertig:
Patrick Süskind - Das Parfum (1985)
Die Ankündigung, das Leben Grenouilles zu erzählen hält er ein, die Ankündigung, er würde eine Geschichte erzählen, wo der Protagonist in seinen Taten denen des Napoleon oder St. Just in nichts nachstünde, hält er nicht ein. Überhaupt sind die Morde im Buch nur eine Randerscheinung, das eigentliche Thema scheinen mir renitente Menschen zu sein. An sich nicht schlimm, aber außer Grenouille gibt es keine "wertvolle" Menschen. Mit der Geschichte wächst allerdings auch die Phantasterei, die Fähigkeiten Grenouilles werden im Verlauf mächtiger und mächtiger, bis sie alles andere spielend übertrumpfen. Der Erzählstil ist recht merkwürdig, über große Strecken wird aus der heutigen Zeit erzählt, das ist sprachlich gewöhnungsbedürftig, ins Paris des frühen bis mittleren 18. Jahrhunderts passen Worte wie "Quantum" oder "Meter" einfach nicht gut rein. Demgegenüber wird aber auch oft und sehr stark die Perspektive Grenouilles angenommen. Wenn dann richtig moderne Sprache auftaucht, ist der Bruch alles andere als schön.

Derzeit:
José Saramago - Das Todesjahr des Ricardo Reis
Ricardo Reis, Heteronym Fernando Pessoas, der wiederum neben Saramago der portugiesische Dichter des 20. Jahrhunderts schlechthin, reist nach 16 Jahren in Brasilien anlässlich des Todes Pessoas im Dezember 1935 nach Lissabon zurück. Er mietet sich im Hotel Braganca ein, lernt eine reizende junge Dame, die einen gelähmten Arm hat kennen, nebenbei beginnt er eine Affäre mit einem Zimmermädchen. All das wird wunderbar in vielen Facetten und mit üppigen Erklärungen in ellenlangen Sätzen ausgeführt, insbesondere die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Figuren. Leider lässt der Stil mit dem Fortschreiten etwas nach, vieles wird übergangen oder nicht mehr so detailliert ausgeführt.
Fernando Pessoa erscheint ebenfalls in unregelmäßigen Abständen als Figur, irgendwo zwischen Geist und Lebendem, und fügt immer wieder reizende Gedanken hinzu, die er in Wechselwirkung mit Reis entfaltet. Außerdem kritisiert er diesen, wenn der sich anders verhält, als es seine Art ist, z.B. als Reis den Kriminalroman The God of the Labyrinth von Herbert Quain liest. Übrigens ein durchaus gelungenes Buch, schenkt man Borges Analyse des Werkes von Herbert Quain glauben (die hab ich mir gestern auch gleich noch aus dem Buchladen mitgenommen).

Goethe - Ihpigenie auf Tauris
Einziges Deutschbuch, dass ich mir nicht kaufte, sondern von einem Mitschüler aus einem Parallelkurs lieh, der das Werk schon durch hatte, und nicht sonderlich sorgfältig las. Entsprechend wurde das Werk dann natürlich auch Prüfungsthema in der Abiturprüfung. Also eher Vergangenheitskorrektur und Bildungslückenverengung.

Amy
Royal Member
Royal Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1709
Registriert: 21.09.2003
Do 11. Sep 2014, 10:30 - Beitrag #723

Nachdem die neue Praktikantin es unmöglich findet, dass ich das Buch noch nicht kenne, steht jetzt erstmal "The Fault In Our Stars" von John Green an, obwohl ich mich bisher stets erfolgreich dagegen gewährt hatte :shy: Zuletzt hatte sie mir aber "Amokspiel" von Sebastian Fitzek in die Hand gedrückt - mein erster Fitzek! - und nachdem das ein gutes Buch war, vertraue ich mal ihrem Geschmack.

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Fr 12. Sep 2014, 16:32 - Beitrag #724

Kommentar zu "Das Parfüm"
Als ich das Buch vor vielen Jahren erstmals las, hat mich einfach umgehauen, wie vielfältig Süskind Gerüche und Düfte beschreibt. Das ist schon klasse.
Für mich das ultimative Buch zum Thema.

Ich habe die (inzwischen 8bändige) Highland-Saga von Diana Gabaldon angefangen und bin angenehm überrascht vom lakonischen Erzählton. Die Ich-Erzählerin, eine junge Frau aus dem Nachkriegsengland, verschlägt es nach Schottland- allerdings rund 200 Jahre eher. Da sie Krankenschwester ist und sich auch gut mit Heilpflanzen auskennt, kann sie sich als Heilerin betätigen. Außerdem läuft Claire der etwa gleichaltrige Schotte Jamie über den Weg. Eine pralle, durchaus humorvoll erzählte Geschichte bislang, mit einer Menge Lokalkolorit und schottisch/englischer Geschichte.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 16. Sep 2014, 11:48 - Beitrag #725

Nicolai Lilin

Sibirische Erziehung (Suhrkamp 2010) und Freier Fall (Suhrkamp 2011)

beide Bände übersetzt von Peter Klöss

Nicolai Lilin ist ein echter Urkas, ein gebürtiger Angehöriger des ursprünglich halbnomadisch Viehzucht betreibenden, dann aber durch die stalinistischen Säuberungen in eine räuberische Lebensweise gezwungenen sibirischen Volksstammes der Urki, deren ethnische Bezeichnung als generelle Bezeichnung für Angehörige der russischen Mafia in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist. Die beiden Romane, die als Autobiographie Lilins verstanden werden müssen, machen deutlich, wie es zu dieser Begriffsverschiebung kommen konnte und wie problematisch diese geänderte Begrifflichkeit tatsächlich ist.

Eine große Gruppe Urki kamen als Folge mehrerer Vertreibungswellen zwischen den 30er und 60er Jahren des 20ten Jahrhunderts aus ihren sibirischen Kerngebieten (die Taiga des oberen Jenissei) nach Transnistrien, einer kleinen, mittlerweile staatenlosen Enklave zwischen Moldavien und Russland, in Deutschland auch bekannt als "Besarabien", die im Moldawischen Krieges von 1980 den Begehrlichkeiten Moldawiens und Rumäniens ausgesetzt war, ihre Eigenständigkeit aber bewahren konnte, wahrscheinlich vor allem deswegen, weil Russland einen Puffer benötigte und den transnistrischen Widerstand unterstützte. In Transnistrien trafen die Urki auf eine große ethnische Vielfalt, wobei jede Ethnie weitgehend unter sich blieb. Haupteinnahmequellen für die meisten dieser primär ethnischen Gruppen waren diverse Formen von Kriminalität, die Urki machten diesbezüglich keine Ausnahme. Was sie von anderen Gruppen unterschied, war die Befolgung eines strikten, noch in den Taigagebieten entstandenen Verhaltenskodex mit eindeutig moralischer Ausrichtung, der zudem Gesetzescharakter hatte und dessen Befolgung durch die als "älterer Onkel" oder "Großväterchen" bezeichneten Autoritäten der Gemeinschaft überwacht und durchgesetzt wurde.

Aus einer externen Perspektive handelt es sich bei diesen Autoritäten im Wesentlichen um erfolgreiche ältere Verbrecher, diese Perspektive ist jedoch in der Überbewertung eines spezifischen Aspektes zu einseitig. Diese Autoritäten werden zumindest im ersten Buch als "echte" Autoritäten aufgrund ihrer Persönlichkeit beschrieben - es reichte eben nicht, einfach nur erfolgreich zu sein, man musste erfolgreich und im Einklang mit dem Moralkodex sein, um irgendwann als Autorität gewählt werden zu können. Im Zweifelsfalle musste man nur ein vorbildliches Leben im Einklang mit dem Moralkodex gelebt haben - auch ein erfolgloser Verbrecher, der 30 Jahre im Gefängnis verrottete, konnte Autorität werden, wenn er nur die Maximen der Gemeinschaft hochgehalten hatte.

Der erste Band beschreibt im Wesentlichen Durchsetzungkämpfe aus dem Leben von jugendlichen Urki in Auseinandersetzungen mit gleichaltrigen Mitgliedern anderer Ethnien. Diese stehen zwar auch für sich selbst, aber Lilin nutzt diese durchaus spannenden Passagen zur eindringlichen Darstellung aller möglichen Aspekte des Moralkodex und macht ihn als eine Art alternatives Gesetzeskonzept deutlich. Er macht klar, dass der Erfolg der Sibirier, wie die Urki in Transnistrien genannt wurden, weniger von ihrer Fähigkeit zur heftigen Gewaltanwendung abhing - die durchaus gegeben war -, als vielmehr von ihrem Zusammenhalt, der durch den Kodex zu in den anderen Gruppen unbekanntem Ausmaß gesteigert wird.

Letztlich nützte es nichts. Der Kodex war dem Ansturm neuer Formen von Kriminalität nicht gewachsen. Die Abwehrkämpfe waren hart und erbittert, aber allmählich schlichen sich die neuen Formen hauptsächlich über die nachwachsenden Generationen ein, die den Kodex immer weniger als verbindlich ansahen. Die gesellschaftsstiftende Dimension der Verbrechergesellschaft der Urki trat immer stärker in den Hintergrund bis zu ihrem völligen Verschwinden - mit der Konsequnez der Auflösung der alten Gesellschaft -, dafür nahmen die Aktivitäten der jungen Urki immer stärker den Charakter von üblichem organisierten Verbrechen an. Dieser Prozess begann um 1980 und war um 2000 abgeschlossen.

Der zweite Band schildert Lilins Armeezeit, in der er als Aufklärer - Saboteur - im Tscheschenienkrieg eingesetzt war und einige der entsetzlichsten Begebenheiten dieses Krieges miterlebt hat. Wenn man beide Bände gelesen hat, kann man sich seiner Perspektive kaum entziehen, wenn er feststellt, dass sich die militärische von der neuen Verbrechergesellschaft, die er verachtet, kaum unterscheidet. Und dass auch die russische Zivilgesellschaft sich im freien Fall befindet.

Lilin hat sich nach eigener Aussage dem kriminellen Milieu mittlerweile vollständig entzogen und lebt heute in Italien als Tattookünstler. Und wenn man im ersten Band liest, was die Urki-Tätowierer in der alten Gesellschaft einmal wirklich waren, ist das eine an Bitterkeit beinahe nicht zu übertreffende Feststellung.


Die beiden Bände sind extrem spannende Gesellschaftskunde und -kritik aus einer Perspektive, die unerwartet ist. Ich musste öfter schlucken, aber im Wesentlichen, ja, ich kann mir vorstellen, dass die alte Gesellschaft von ihren Mitgliedern genau so aufgefasst wurde. Aus zivilgesellschaftlicher Perspektive zweifellos Kriminelle, aber Kriminelle mit eigener, nicht willkürlicher Gesetzesgebung, die nur über persönliche Autorität funktionierte und damit an ihre natürliche Grenze stieß, als "Autorität" immer mehr zu etwas Verächtlichem wurde.

Man kann beide Romane aber auch ausschließlich unter dem Aspekt einer spannenden jugendlichen Räubergeschichte lesen, selbst wenn das ein Missverständnis wäre.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 27. Sep 2014, 19:19 - Beitrag #726

Schwer beeindruckt von William Miller Jr.: "A Canticle For Leibowitz", das ich eben gerade zuendegelesen habe. Vielen Dank für die Empfehlung, Traitor!
Der Autor war beteiligt an der Zerstörung des Klosters von Monte Cassino, und das hat ihn offensichtlich sein Leben lang nicht mehr losgelassen.

Daneben Thomas Hardy: "Jude The Obscure", in dessen Anfang ich gewisse Ähnlichkeiten zum Canticle fand, was den Werdegang eines Jungen aus einfachsten Verhältnissen und sein unablässiges Streben nach dem großen Ziel, Wissen und Transzendenz, angeht - natürlich unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und mit einem anderen Ergebnis.

Lani
Experienced Member
Experienced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 575
Registriert: 08.01.2006
So 28. Sep 2014, 12:07 - Beitrag #727

Nachdem ich vorgestern "The Maze Runner" von James Dashner beendet habe, bin ich jetzt beim zweiten Band "The Scorch Trials". Eigentlich hatte ich erstmal nicht mehr so viel Lust auf "solche" Bücher (Panem, Divergent und co.), aber der demnächst auch hier erscheinende Film soll wohl einigermaßen was taugen und naja...
Die Fortsetzung habe ich eigentlich nur direkt angefangen, weil es da einen bestimmten Charakter gibt. Lieblingscharaktere habe ich in fast jedem Buch, aber das hier ist seit gefühlt 100 Jahren mal ein richtiger Crush auf einen Buchcharakter und hach! Der Hauptcharakter könnte leider glatt Gary Stu heißen und ist recht nervig. Gleiches gilt für den (bisher) einzigen weiblichen Charakter. Wie der Vorgänger auch ist das Buch recht spannend, aber auch nicht "Oh Gott, ich muss jetzt alles in einem Rutsch lesen"-spannend. Mal sehen, ob ich den dritten Teil dann auch direkt lese. Las nämlich harmlos eine Rezension zum ersten Buch und auf einmal:"Band 3 mochte ich dann nicht mehr so weil '...' und '...' sterben". Ja toll. :|
Habe auch eigentlich genug anderen Kram hier rumstehen, z.B. will ich schon lange endlich mal Hamlet lesen...oder dies oder das. Achja.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Mi 1. Okt 2014, 21:45 - Beitrag #728

Sehr schön, Lykurg, dann kriegt das gleich noch einen Extra-Thread. (Fiat Voluntas... Mea...? :hust:)

Nach einer noch nicht von Abschluss gekrönten Wächter-Zwischenphase:

Jasper Fforde - "First Among Sequels" und "One of Our Thursdays Is Missing", Band 5+6 der Thursday-Next-Reihe. Der Abstand zu den Vorgängern war für mich inzwischen zu groß, um die jeweils noch einzeln qualitativ einzuordnen, daher bin ich mir gerade nicht sicher, ob die Hauptschwäche ein "immer noch", "inzwischen" oder "wieder" ist: unsauberes Zusammenmantschen von Gesamthandlung und skurrilen Einzelepisoden, die nur manchmal rückblickend noch einen zwingenden Platz in der Gesamtkonstruktion finden. Das aber auch nicht mit der überzeugenden höheren Nonchalance eines Douglas Adams. Trotzdem weiterhin ein großer Spaß mit herrlichen Einzelideen, gerade auch in den sinnlosen Episoden, und viele schöne Metaspielereien zum Thema "Bookworld".

A.E. van Vogt - Das Gedankenfenster (Übersetzung von "Future Glitter", 1973) Anscheinend eines seiner obskureren Werke, und auch nur von fragwürdiger Qualität. Behandelt die Welt unter einem totalitären Diktator und den mehr oder minder planvoll geführten Widerstand auf der Grundlage einer neuartigen "Durchdringungstechnologie" (im Deutschen titelgebend; worauf sich der Originaltitel bezieht, habe ich nicht die geringste Vorstellung), die die totale Überwachung umdrehen und den Diktator für jedermann beobachtbar machen soll. Bietet durchaus einige intelligente Beobachtungen zum Funktionieren von Diktaturen, aber auch eine konfuse Grundkonstruktion, uninteressante Figuren, fragwürdige Motivationen und Handlungsimperative. Sowie ein selbst für das Genre grauenvolles Frauenbild als reine Sexobjekte, das der Autor vermutlich als systemimmanent innerhalb des Werkes gemeint und damit nicht seine Ansicht darstellend verteidigt hätte, damit aber nicht ernsthaft durchzukommen hätte glauben dürfen... gipfelnd in "Ich bin vergewaltigt worden. Von drei Männern. [...] Ich genoß, was sie taten. Willst du mich noch haben? Na dann ist ja alles gut." (Mit Paraphrase nur in den letzten beiden Sätzen.)
Damit habe ich jetzt Früh- und Spätwerk von AEvV abgehakt und kann irgendwann auch mal "NullA" angehen. ;)

Kurt Vonnegut - Mother Night Ähnlich wie "Slaughterhouse Five" Zweiter-Weltkriegs-Thematik - aber in diesem Fall komplett ohne SF-Elemente, wohl sein "bodenständigstes" Werk. Trotzdem genial-krude konstruiert: die angeblichen Memoiren des obersten Nazi-Auslands-Radio-Propagandisten, der (nach späterer Eigenauskunft) gleichzeitig US-Agent war, aus Vor-, Während- und Nachkriegszeit. Der Fokus liegt weniger auf den konkreten Ereignissen, obwohl diese teils großartig beschrieben sind, als auf den Versuchen dieser Figur, mit seiner eigenen moralischen Rolle abzurechnen. Irgendwo zwischen Zynismus, Satire und moralischer Abhandlung und äußerst empfehlenswert.

Noch nicht fertig:
Walter Kempowski - Tadellöser & Wolff Könnte auch fast "Die Blechtrommel 2" sein. Sowohl vom Familiengeschichte-im-Dritten-Reich-Thema her (wenn auch natürlich ohne die Fantasy-Elemente), als auch insofern, dass der Autor sich sehr bemüht, die spannende Thematik und durchaus gelungene Satire mit dämlichem Stil zu verhunzen. Bei Grass die Stream-of-Conciousness-Anfälle und damit verbundenen Endlosabsätze, bei Kempowski die sinnfreien Mini-Absätze und seine penetrante Besessenheit mit der Wiedergabe seines Dia-, Regio- und Familiolekts - in direkter Rede ja sinnvoll und atmosphärebildend, aber das andauernde satzbrechende Einschieben typischer Floskeln nervt schon nach wenigen Seiten. Letztlich misslingt dieser Versuch aber, das Buch bleibt flüssig lesbar und liefert gerade im Gegensatz zum Vonnegut spannende Komplementäraspekte.

Und sehr weit weg von fertig, letztes Jahr als Französischbildungsmaßnahme gekauft, jetzt endlich angefangen, aber erst bis auf Seite 90 von ~600 gekommen:
Robert Merle - Malevil Die Auswirkungen eines Atomkrieges auf Überlebende in der tiefsten französischen Provinz. Wurde schonmal positiv von Ipsi besprochen. Ich bin bisher gerademal zum "Ereignis", also dem Krieg, gekommen. Davor gibt es sehr schön geschilderte und typisch französiche Provinzgeschichten, von Kinderspielen in der namensgebenden Burg über Wein am frühen Morgen bis zu politischen Endlosdebatten, die vermutlich vor allem der Charakterbildungsvorarbeit und dem Aufbau eines Atmosphärekontrasts dienen sollen. Mal sehen, wie der Hauptteil wird.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 2. Okt 2014, 12:04 - Beitrag #729

Ganz vergessen hatte ich zwischendurch

Joseph Roth: Radetzkymarsch (1932)

Abgesang auf Kakanien, durchgeführt als Familienroman in drei Generationen: Der Großvater rettet als junger Leutnant dem Kronprinzen Franz Joseph in der Schlacht von Solferino das Leben und wird zum Dank geadelt; sein Sohn und Enkel versuchen als Verwaltungsbeamter bzw. wieder als Soldat mit diesem Erbe zurechtzukommen, stets der Gnade des langlebigen Kaisers gewiß. Die drei Generationen können sinnbildlich für vergangenen Glanz, Verknöcherung und lethargischen Niedergang des Habsburgerreiches gelesen werden, zugleich als Doppelfiguren Österreichs und des Kaisers selbst. Wunderschön etwa ein spätes Kapitel aus der Innensicht des greisen Kaisers, der versucht, den Erwartungen an ihn gerecht zu werden und sich nicht zu sehr anmerken zu lassen, daß er mehr weiß als es scheint. Auch die Beschreibungen des Sohnes sind grotesk-überspitzt, die Darstellungen der Zustände im ukrainisch-galizischen Grenzbatallion des Enkels dagegen deprimierend und furchtbar.

Mother Night klingt wirklich reizvoll!

Zum Tadellöser - ja, diese Splittertechnik ist stiltypisch für Kempowski, dort noch ein bißchen extremer als in einigen der späteren Romane, und natürlich gehen die Floskeln einem auf den Geist, gingen sie mir auch, das ist Absicht. Lustig, daß du das als gescheiterte Verhunzungsabsicht beschreibst - stark finde ich diese Absätze dann, wenn sie gegeneinander komponiert sich gegenseitig kommentieren; oft auch den Effekt, der aus der letzten Zeile/dem letzten Satz resultiert. Ist dir z.B. die Erwähnung von Auschwitz im Text aufgefallen? Nur ein kurzer Satz, eine Zeitungsmeldung: Dort habe eine Familientragödie stattgefunden, ein Mann habe seine Frau auf der Straße erstochen.
Falls du ihm beizeiten noch eine Chance geben willst, empfehle ich unbedingt "Alles umsonst" (spielt in Ostpreußen 1944/45), denkbar wäre aber natürlich auch die Tadellöser-Fortsetzung "Uns gehts ja noch gold".

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 2. Okt 2014, 12:49 - Beitrag #730

Der "gescheiterte Verhunzungsversuch" ist ja auch selbst ironsich gemeint, natürlich ist mir klar, dass der Autor damit etwas Positives erreichen wollte. Die gelegentlichen Fälle, in denen die Floskeln gelungen Brechung einbringen, die Dialog oder Beschreibung nicht eh schon inhärent sind, sind aber für meinen Geschmack zu selten im Vergleich zu den reinen Nervfällen, sodass ich dann halt nicht nur wie gewünscht von den Figuren, sondern auch vom Autor genervt bin. (Autor~Erzähler ist dafür noch nichtmal entscheidend.) Da wäre wie gesagt Konzentration auf Verwendung in direkter Rede die für mich bessere Lösung gewesen.
Auschwitz kam mir noch nicht unter, oder ich muss es überlesen haben; dafür war "Konzertlager, das wird sich noch rächen; aber der weiß schon, was er tut" als Gipfel der Auseinandersetzung auch schon schön bezeichnend.

Lani
Experienced Member
Experienced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 575
Registriert: 08.01.2006
Fr 3. Okt 2014, 12:02 - Beitrag #731

Von der Thursday-Next-Reihe habe ich bisher nur den ersten Teil gelesen, auf Deutsch, was vermutlich schade ist, war aber ein Spontankauf im Buchladen und da gab es die englische Ausgabe nicht. Fand ich recht amüsant und auch sehr nett, aber unbedingt weiterlesen muss ich auch erstmal nicht.

Naja, ich habe dann doch direkt den dritten Band der Maze Runner-Reihe gelesen: "The Death Cure". Habe mir die Augen aus dem Kopf geheult, mein Leben als sinnlos erachtet, freue mich aber auf die Filme.
Vorhin schlug ich dann eine ganz andere Richtung mit "Das Museum der Stille" von Yoko Ogawa ein. Kenne von ihr bis jetzt nur "Das Geheimnis der Eulerschen Formel" und das hat mich sehr begeistert. Hier bin ich zwar erst auf Seite 64, wurde aber trotzdem direkt wieder in die Geschichte hineingezogen. Auf Grund von Konzentrationsschwierigkeiten habe ich es aber jetzt erstmal weggelegt, hoffentlich ist das heute Abend besser.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 3. Okt 2014, 16:45 - Beitrag #732

@Lani: Übersetzungen kann ich mir da aufgrund des Sprachmetahumors ("had had had had") nicht als allzu erfreulich vorstellen... Zudem war der erste Band, trotz gewisser Stärken, auch noch der unausgegorenste der Reihe, da Fforde sich noch nicht rein für Humor entschieden hatte und meines Erachtens zu viel Ernsthaftigkeit in der Realwelt aufzubauen versuchte.

@Lykurg, um ein ohne Kontext vermutlich irritierendes Zitat abzuliefern: Ah, jetzt Auschwitz, ja. ;)

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 10. Okt 2014, 21:12 - Beitrag #733

Schlussbemerkung zu "Tadellöser & Wolff": Das ist, glaube ich, der erste Cliffhanger in "höherer Literatur", der mir untergekommen ist. ;)

Derweil dann mal weiter mit Wächterrussen. Irgendwann kriege ich die auch noch mal fertig...

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
So 12. Okt 2014, 21:32 - Beitrag #734

Aktuell lese ich Jules Verne: Der Kurier des Zaren.
Die Rückgriffe auf physiognomische und rassistische Klischees wirkt überaus erheitert. Der Held selbst des Roman kommt wie eine Superheld aus einem Comic daher, strahlend und unfehlbar.
Den Antagonisten habe ich jetzt noch erlesen. Nach meiner bescheidenen Verne-Erfahrung ist der ohne viel interessanter.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
So 12. Okt 2014, 21:48 - Beitrag #735

Die Klischees sind mir damals, als ich den las, wohl ganz entgangen - dürfte aber auch noch zu Zeiten gewesen sein, als ich die Pfarrbibliothek frequentierte, also so mit 12 oder jünger. Vielleicht waren sie aber auch einer stärker als deine gekürzten Fassung zum Opfer gefallen. ;) Ansonsten fand ich Vernes reine Reiseromane ohne SF-Elemente zwar immer ganz nett zu lesen, aber ihnen fehlte halt doch etwas.
Seine spannendsten Gonisten sind natürlich die, die zwischen Anta- und Prota- wechseln, oder sonstwie moralisch zwielichtig sind, z.B. Nemo und Sandorf/Antekirrt.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 13. Okt 2014, 06:34 - Beitrag #736

Aber ja, ich erinnere den Kurier des Zaren auch als das erste Jugendbuch, bei dem mir aufgefallen ist, wie kitschig/comichaft/klischeehaft das ganze ist (stellenweise etwas rassistisch auch, stimmt, aber darauf habe ich damals noch nicht geachtet und es war später als bei Traitor). Aber schöön^^ - und Zustimmung zu den bei ihm durchaus möglichen interessanteren Figuren.

Er hat viel ferngesehen, Traitor, möglicherweise lags daran? (Seine Lieblingsserie war allerdings Columbo, in der Hinsicht eher unverdächtig, obwohl, Sir, mir ist da eben noch was eingefallen...)

Wblig? David Weber: Safehold-Pentalogie (wobei ich bei bisherigem Handlungstempo vermute, daß es da noch mehr gibt, oder erst noch geschrieben werden muß, noch nicht nachgeguckt, da erst mitten drin).

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Do 23. Okt 2014, 03:34 - Beitrag #737

Einiges, was ich in den letzten Monaten gelesen habe:

Nigel Barley: Traumatische Tropen - Ethnologe entschließt sich zur Feldforschung bei einem Stamm in Afrika. Das Buch ein Reisebericht, der auf romantische Verklärung betont verzichtet. Witzig und interessant.

Christopher Clark: The Sleepwalkers - Buch über die Vorgeschichte des ersten Weltkriegs, insbesondere die Juli-Krise. Recht akribisch beschreibt der Autor die verschiedenen Präkrisen, das diplomatische Personal und ihre Verflechtungen. Die große Komplexität der Situation und insbesondere der Machtstrukturen wird hervorgehoben - Vereinfachungen möglichst zurückgewiesen. Gut lesbar geschrieben, wenngleich mir ein paar Seiten und dennoch ein paar mehr Erinnerungen, wer dieser oder jener Typ nochmal war (achso, serbischer Außenminister 1910, das wurde ja schonmal erwähnt).

Abercrombie: First Law Trilogy (The Blade Itself, Before They are Hanged, Last Argument of Kings - Gute bis ausgezeichnete Fantasytrilogie, von der ich bis vor kurzem noch nie gehört hatte. Das Buch folgt einigen Charakteren, insbesondere einem brutalen Barbaren, einem verwöhnten Großstadtoffizier und einem verkrüppelten Inquisitor. Nach und nach entfaltet sich eine überraschend gelungene epische Hintergrundgeschichte und es wird klar, welche Rolle die Charaktere darin spielen. Die Gedanken der Charaktere sind erfrischend "unobjektiv", insbesondere der Offizier ist herrlich. Die Handlung hat Tempo und ist gibt intelligente Wendungen. Das Buch kann witzig sein, aber an einigen wenigen Stellen auch erstaunlich depressiv (mehr noch als das Lied von Eis und Feuer, bisher). Der Sprachstil ist ordentlich, höchst gelungen "erdig" bei der Beschreibung der Barbaren zum Teil. Die Kampfszenen sind gut beschrieben, erreichen jedoch nie die Brillanz, mit der George Martin ein Duell schildern kann. Cool ist, wie er von Manierismen im Sprach- und Denkstil einiger Charaktere Gebrauch macht. Jedem Fantasy-Fan auf jeden Fall eine Empfehlung!

Gehört und nicht gelesen:
Patrick Rothfuss: Der Name des Windes/Die Furcht des Weisen - Höchst gelungene Beschreibung des Werdegang des jungen (werdenden) Arkanisten und Musikers Kvothe. Wundervoll ausschweifend, keine Minute zu lang. Sprecher sehr gut. Nur der dritte Band fehlt noch. Empfehlung nicht nur für Fantasy-Fans.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 13. Nov 2014, 11:14 - Beitrag #738

Siegfried Lenz - Einstein überquert die Elbe bei Hamburg - Erzählungen
Da der Autor neuerdings tot ist, ist er nach maglorscher Logik ja lesenswert geworden. ;) Ganz nette Sammlung von Kurztexten ("-geschichten" darf man im Deutschen ohne Analyse, die die Länge des Originals übersteigt, nicht sagen) zu mehr oder weniger alltäglichen, teils auch politisch/zeitgeschichtlich Bezug nehmenden, Begebenheiten. Teilweise etwas zu sehr auf erzählerische Tricksereien fokussiert: wechselnde Perspektiven; nicht sehr überraschende Endüberraschungen; und insbesondere die den Buchtitel beisteuernde Geschichte "in drei Sätzen", bei der allerdings mit Vollsätze nur formell trennenden Semikola extrem geschummelt wird. Aber doch schon lesenswert als klassisches Beispiel für das Schreiben eines "guten Beobachters".

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 19. Nov 2014, 15:35 - Beitrag #739

Joe Hill
Teufelszeug

Heyne Verlag 2010

Spoiler-Warnung: Der Roman liegt dem Film Horns mit Daniel Radcliff in der Hauptrolle zugrunde. Es ist also möglich, dass einiges des hier Beschriebenen als Spoiler wirkt.


Ignacius Perrish, genannt Ig oder Igyi, ist ein endzwanziger, gern mal sturzbesoffener, mittlerweile verwahrloster Sohn reicher Eltern, ganz nett und ein Träumer. Ein Träumer der Art, der des Nachts in einem magischen Wald auf einem magischen Baumhaus ein magisches Ereignis widerfärt, während seine bei dem Ereignis ebenfalls anwesende Freundin Merrin selbiges mit Meine Güte, Ig, wir haben einfach nur eine Nummer geschoben kommentiert.

Ungefähr ein Jahr vor den Ereignissen, die im Buch die Gegenwartsschicht bilden, war Ig in einen unappetitlichen Mordfall verwickelt, dem besagte Freundin Merrin zum Opfer fiel. Ig war Haupt- und im Grunde einziger Verdächtiger. Da durch ein ominöses Feuer wenige Stunden nach seiner Verhaftung sämtliche Beweismittel noch vor ihrer Auswertung verbrannten, konnte ihm der Mord nie nachgewiesen und er konnte auch nie entlastet werden, mit den erwartbaren Folgen für seine soziale Reputation und seinen psychischen Zustand.

Eines mehr oder weniger schönen Morgens nach schwer durchzechter Nacht wacht Ig also massiv verkatert in irgendeiner Müllhalde auf und kann sich an nichts erinnern. Auf seiner Stirn sind zwei Hörne gewachsen, so richtige Teufelshörner, vielleicht noch ein bisschen klein, aber deutlich. Soweit, so schlecht, aber die Hörner verleihen ihm mehrere bemerkenswerte Eigenschaften: Zum einen beginnen alle Menschen in seiner unmittelbaren Nähe ohne jegliche Filterung durch soziale Konventionen nur noch die Wahrheit zu sagen, zum Beispiel, was sie von einem Mörder wirklich halten. Zum anderen erfasst er den gesamten Gedächtnisinhalt einer Person, mit der er in direkten körperlichen Kontakt gerät (diese Gedächtnisinhalte werden in Form zeitlicher Rückblenden in den Handlungsablauf eingearbeitet). Beides führt zu einigen traumatischen Situationen und Einsichten, zum Beispiel in Bezug zu seinen Eltern, von denen er bislang dachte, sie stünden wirklich noch auf seiner Seite, aber auch in Bezug auf andere Personen, die den Kontakt zu ihm noch nicht gänzlich abgebrochen hatten, u.a. auch zu seinem Bruder Terry. Was er aus Terrys Gedächtnis erfährt, führt dann zu einer Katharsis (in deren Rahmen weitere Eigenschaften seiner Hörner zunehmend nützlich werden) mit allmählich heranziehender Krisis (in deren Rahmen die Hörner außerordentlich nützlich werden), an deren Ende sich einiges klärt und Ig sich in den Teufel verwandelt^^

Joe Hill ist der Sohn von Stephen King; er gilt in den USA mittlerweile als legitimer Anwärter auf die Position, die sein Vater einnimmt, als bester Horrorautor des Landes. Teufelszeug kann ich nicht als Horror einstufen; es werden zwar Horrorelemente wie auch Elemente eines Psychothrillers verarbeitet, das Ganze kommt aber für mein Empfinden zu sehr als eine Art Pagan/Social-Fantasy rüber, als dass die Handlung oder die seelischen Enthüllungen wirklich verstören könnten. Oder ich bin einfach zu abgebrüht^^

Nette Lektüre für zwei, drei Stunden Entspannung zwischendurch, aber einmal lesen reicht auch schon^^ abgründig - O-Ton Buchwerbung - geht anders^^

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Do 20. Nov 2014, 02:49 - Beitrag #740

Brain on Fire (Cahalan): Journalistin schreibt über ihren "Month of Madness", die Zeit, wo eine psychische/neuronale Krankheit sie beherrschte. Teils bewegend, teils gruselig, stets spannend und gut geschrieben. Und ich habe meine Sig aus dem Nietzsche-Zitat am Anfang des Buchs geklaut ;).

The Ocean at the End of the Lain (Gaiman): Traitor hat ja dazu schon was geschrieben. Hauptstärke und -schwäche des Buches ist, dass es sich nicht entscheiden will, ob es ein Kinder- oder ein Erwachsenenbuch ist. Das gelingt ihm glänzend, aber letztlich viel sagen tat es mir nicht, ähnlich wie manch Märchen oder alte Sage. Wenn Humor das Gespür für die Spannung zwischen gewöhnlichem und absonderlichen ist, so kann man dem Buch sicherlich nicht vorwerfen, dass es humorlos ist, im Gegenteil, aber Leute, die von Gaiman erwarten, hier zum lachen gebracht zu werden, mögen enttäuscht werden.

Anansi Boys (Gaiman, also Hörbuch gehört): Das hat mir tatsächlich besser gefallen. Es ist sehr lose durch die Figure des Anansi/Mr. Nancy mit American Gods verknüpft, aber die ganze Verbindung erschöpft sich eben auch in dieser Schnittstelle. Es ist die Geschichte von Fat Charly, der Sohn des Gottes Anansi, obgleich er davon nie etwas geahnt hat. Erst mit der Beerdigung seines Vaters beginnt sich eine Kette von Ereignissen zu entspinnen, in deren Verlauf er seinen Bruder und auch so manches andere unverhoffte kennenlernt. Recht leichtfüßig und mit (lustigem) Humor erzählt Gaiman diese Geschichte -- doch sehr undüster, verglichen mit manchem anderen Gaimanschrieb, insbesondere obigem.

Der Mord an Roger Akroyd (Christie, gehört): Über weite Strecken recht klassische Kriminalgeschichte mit Hercule Poirot. Als Genreliteratur verstanden gelungen konstruiert, spannend und unterhaltsam und natürlich ohne unnötigen Tiefgang. Dies war mein erster Christie (abgesehen von einem Theaterstück) - ich bin froh drum, ihn mir zu Gemüte geführt zu haben, aber es wird wohl vorerst der letzte Vertreter seiner Art in meinem Revier sein.

The Beginnings of Western Science (Lindberg): Um mal ein weniger literarisches Werk zu erwähnen: Eine Geschichte der (westlichen) Wissenschaft von den Anfängen im alten Babylon, über das antike Griechenland und Rom bis ins Spätmittelalter. Ausgewogen, übersichtlich und sehr gut lesbar geschrieben. Sei jedem Freund der Wissenschaftsgeschichte ans Herz gelegt. Einzige Kritikpunkte mögen sein, dass der Autor ob seiner Ausgewogenheit auf provozierende Gedanken seinerseits fast gänzlich verzichtet und auch ob seiner Wertschätzung der Geschichte (oder seiner Überschätzung des Lesers) nicht den Finger darauflegt, wo diese antiken Wissenschaftler jetzt genau recht oder unrecht hatten.

VorherigeNächste

Zurück zu Literatur

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste