Hilfe bei Gedichtsinterpretation: "I sit in my cubicle..."

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
janw
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So 2. Dez 2007, 21:10 - Beitrag #21

Zur Übersetzung:
"Cubicle" bedeutet strenggenommen "Würfelchen", mein Wörterbuch macht eine "Schlafkammer" daraus. Es handelt sich mtnichten um eine "Zelle" mit dem diesem Begriff eigenen Interprretationsraum.

Zu "spare": Lykurgs "gewähren" oder auch "erübrigen" finde ich sehr passend.

Zur Personenfrage:
Mir kam es eher so vor, als ob der Ich-Erzähler zunächst von sich spricht und dann deutlich wird, daß er zu jemand anderem spricht.
Wer von den beiden dann den "you"-Teil spricht, ist IMHO nicht abschließend zu klären, allerdings spricht nach mehrmaligem Lesen für mich doch mehr dafür, daß er selbst den optimistic turn schafft, als daß die andere Person ihn ermuntert:

When I die, they will put my body in a box and
dispose of it in the cold ground.

"To dispose of" bedeutet "entsorgen", "loswerden", eine ziemlich distanzierte Ausdrucksweise.
And in all the million ages to come, I will never
breathe or laugh or twitch again.

Er ist sich der Lebensäußerungen bewusst, zu denen er jetzt fähig ist und dann nicht mehr fähig sein wird; atmen, lachen, zucken/sich bewegen - ein schon weniger trübsinniger Gestus.
So won't you run and play with me here among the
teeming mass of humanity?
The universe has spared us this moment.

Eine Frage vielleicht gar nicht an einen bestimmten Gegenüber, sondern gewissermaßen "Hallo Welt!" "Du, der Du da gerade bist, einer aus dieser wuselnden Masse Menschheit, willst Du nicht...gerade in diesem Moment, den das Universum uns - UNS - nun gerade gewährt?"

Traitor
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So 2. Dez 2007, 22:12 - Beitrag #22

Mein erster Gedanke beim "cubicle" ist keine Zelle, sondern so ein abgegrenzter Arbeitsplatz in einem Großraumbüro, ein "office cubicle". Das würde sich IMHO auch besser in den restlichen Inhalt einfügen als eine Gefängnis-, Mönchs- oder sonstige abgeschlossene Zelle, da es anfangs den deprimierten das-Leben-ist-sinnlos-und-wird-ja-eh-enden-Gedanken unterstützt und dann dennoch zwanglos zur "teeming mass" hinführt, da das lyrische Ich einsam und verloren in der Masse ist (à la Expressionismus oder Sound of Silence), dann aber erkennt, auch in dieser Glücksmomente erfahren zu können. Allerdings ist dies eine recht moderne Bedeutung und somit an die Autorenfrage gebunden, wobei ich wie Lykurg das "motherworld" als gegen Russell oder einen anderen "klassischen", SF-fernen Autor sprechend sehe, da ich diesen Ausdruck außerhalb der SF für sehr ungeläufig halte, außer vielleicht in einem Gaia-Sinne, aber das würde so gar nicht in den Rahmen des Gedichtes passen. Dass der "Datalinks"-Zusatz Aufschluss für die Historizität des Zitates gibt, war mir in der Tat unbekannt.

Interessant wäre auch noch die genaue Wertung der "teeming mass of humanity". Auf mich macht das einen etwas abfälligen Eindruck, was bisher noch niemand erwähnt hat. Die allgemeine Lebensbejahung der letzten Zeilen untergrübe das zwar nicht prinzipiell, würde aber den Fokus etwas von "ich werde sterben, aber im Jetzt ist alles toll, lass uns Spaß haben" zu "ich werde sterben, und das Jetzt ist auch nicht toll, aber lass uns trotzdem Spaß haben" verschieben. Das würde IMHO auch den Übergang von Pessi- zu Optimismus noch etwas organischer machen. (Zwei Sprecher wären durchaus möglich, mit einem ergibt sich aber eine geschlossene und starke Aussage, deshalb bleibe ich auch lieber bei dieser Interpretation.)

Maurice
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So 2. Dez 2007, 23:04 - Beitrag #23

Dass der "Datalinks"-Zusatz Aufschluss für die Historizität des Zitates gibt, war mir in der Tat unbekannt.

Das wird zwar an keiner Stelle explizit erklärt, doch sollte der Schluss nacheliegend sein, betrachtet man die unterschiedlichen Texte und stellt dabei fest, dass hinter Texten von Kant, Nietzsche, Platon usw. ein "Datalinks" steht und hinter allen Phantasie-Autoren nicht. Da hinter dem hier diskutierten Gedicht ein "Datalinks" steht, ziehe ich den induktiven Schluss, dass auch hinter diesem Text ein Autor steckt, der nicht zu den Programmierern gehört.
Ich kann es mir dabei aber schon vorstellen, dass es von Russell ist, da er ganz unterschiedliche Texte verfasst hat - darunter auch durchaus gesellschaftskritische. Das reicht natürlich nicht aus, um die Vermutung zu stützen, weshalb es in meiner Interpretation bei dem Erwähnen von Russell als möglicher Autor bleibt.

@teeming mass: Danke Traitor, dass du mich auf diesen Aspekt aufmerksam machst. Ich muss dir zustimmen, dass dieser Teil noch nicht richtig betrachtet wurde. Ich habe "teeming mass of humanity" bisher immer neutral bis leicht positiv gelesen ("wimmelnd" = "lebendig"). Man kann es aber durchaus auch kritischer lesen. "Teeming" als "wimmelnd" klingt ja nicht so wirklich positiv. Jett wo du mich darauf aufmerksam gemacht hast, denke ich da eher an eine Masse von nach Geld und Statussymbolen jagende Schar von Geschäftsmännern, die ihr Leben für ein Dasein in raubtierkapitalistischen Tretmühlen geben, für Dinge die sie in Wirklichkeit gar nicht brauchen und daher auch nicht wirklich glücklich machen. Die Aufforderung wäre dann eine im Sinne von "Los verlassen wir unsere Zellen/Tretmühlen und haben unseren Spaß, während die anderen weiter ihren Illusionen herjagen.".

Hmmm, ist das jetzt schon zuviel reininterpretiert? :confused:

Aber noch einen etwas späten Nachtrag zu Lykurg:
Allerdings habe ich methodisches Bauchgrimmen dabei, eine Übersetzung in den Mittelpunkt der Untersuchung zu stellen. Meines Erachtens wäre es grundsätzlich angemessener, die Vorlage in den Mittelpunkt zu stellen und etwa die entsprechenden Feststellungen im vorletzten Absatz mit den entsprechenden Wörtern aus dem Original zu belegen.

Wie soll ich das aber machen, wenn nicht von vorneherein ausreichend klar ist, wie die einzelnen Wörter übersetzt werden sollten? Übersetzung und inhaltliche Interpretation überschneiden sich hier. Und ich kann einen bestimmten Teil nicht einfach mit einem anderen begründen, ohne diesen nicht vorher irgendwie schon interpretiert zu haben. Ich finde, hier passt das Bild des hermeneutischen Zirkels besonders gut.
Wenn ich dich hier missverstanden habe und meine Antwort an deiner Botschaft vorbeigeht, sorry. ^^

PS: Ich finde es toll, wie viele hier so intensiv mitdiskutieren. Das übersteigt bei weitem meine Erwartungen. Finde ich ganz große klasse! :pro:

Lykurg
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Mo 3. Dez 2007, 00:49 - Beitrag #24

janw und Traitor, ich stimme euch darin zu, daß Anzeichen eines Übergangs gegeben sind, was eher für eine Stimme spräche. - Entschieden ist damit aber natürlich nichts. ;)

@Bauchgrimmen und Folgen (jetzt): In meinen Augen sollte die englische Vorlage aus sich selbst heraus, ohne bewußte Zuhilfenahme einer Übersetzung, interpretiert werden. Du kannst eine gute Übersetzung danebenstellen, solltest aber deine Erläuterungen immer aus dem Original heraus begründen. Alles andere droht unwissenschaftlich zu werden.
Man sollte sich grundsätzlich darüber im Klaren sein, daß es in den seltensten Fällen möglich sein wird, einen Text so zu übersetzen, daß er in jeder Hinsicht der Vorlage entspricht - daß alle Assoziationen passen, daß die Begriffe dieselben Mehrdeutigkeiten und begrifflichen Verengungen aufweisen wie die Vorlage. Das Übersetzen (bzw. die Auswahl einer Übersetzung) bedeutet bereits eine Interpretation; sobald du aber anfängst, einen übersetzten Text zu interpretieren, mußt du dir darüber bewußt sein, daß du nicht die Aussage des Autors vor dir hast, sondern die gefilterte Lesart seines Übersetzers - die, je besser er gearbeitet hat, desto näher an der des Autors sein mag, aber das ist Glückssache.
Wenn du über begriffliche Feinheiten nachdenkst, die so nur in der Übersetzung stehen, und vielleicht der Aussage der Vorlage zuwiderlaufen, kannst du dich damit nur blamieren (es sei denn, du hättest es von vornherein darauf abgesehen, eine Diskussion über die Qualität der Übersetzung anzustoßen, dann solltest du das aber auch dazusagen^^).

(und für später):

Ich habe mich zu Schulzeiten mehrfach darüber ärgern dürfen, daß meine Deutschlehrer mit uns Übersetzungen englischer Literatur lasen. Meiner Meinung nach läuft man dabei Gefahr, Fehlschlüsse zu ziehen, und versündigt sich am Original. Ich möchte dir als zukünftigem Lehrer davon abraten, derartiges im Unterricht zu versuchen. Es gibt genügend interpretationsbedürftige deutsche Literatur, um die englische den Englischlehrern zu überlassen... Ad fontes!

janw
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Mo 3. Dez 2007, 03:34 - Beitrag #25

"Teeming mass of humanity" verweist vor allem auf die Anonymität, es entsteht ein Kontrast zwischen dem Ich-Erzähler und seinem Gegenüber und der sie umgebenden anonymen Menge Menschen.
Der Ausdruck wird sowohl rein deskriptiv wie auch (ab)wertend gebraucht.

Das Gedicht stammt übrigens nach einer quelle tatsächlich von Bertrand Russell, anderswo wird es nur als "ihm gelegentlich zugeschrieben" geführt. Quelle

Traitor
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Mo 3. Dez 2007, 06:56 - Beitrag #26

Als zwingend wollte ich die negative teeming-mass-Interpretation nicht darstellen. Von der reinen Wortwahl her würde ich den Ausdruck für eher positiv halten, lediglich aus dem Kontext der vorigen Zeilen heraus erscheint mir eine abfällige Haltung als folgerichtiger. Das sollte in einer Interpretation durchaus differenziert diskutiert werden.
Hinsichtlich des Vorziehens des Originaltextes schließe ich mich Lykurg vollstens an.

@Jan:
Das Gedicht stammt übrigens nach einer quelle tatsächlich von Bertrand Russell, anderswo wird es nur als "ihm gelegentlich zugeschrieben" geführt. Quelle
Da es im anderen Thread ja gerade um Genauigkeit in Geisteswissenschaften geht ;) - da dort keine Literaturangabe gemacht wird, ist das eben keine Quelle, sondern nur eine jener gelegentlichen Zuschreibungen.

Maurice
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Mo 3. Dez 2007, 12:39 - Beitrag #27

In meinen Augen sollte die englische Vorlage aus sich selbst heraus, ohne bewußte Zuhilfenahme einer Übersetzung, interpretiert werden.

Und wie soll ich das machen? Jede Interpretation ist doch notwendig eine Art von Übersetzung. Und was macht es für einen Unterschied, ob ich die Übersetzung in einer anderen Sprache oder in der Sprache der Vorlage durchführe? (siehe auch den folgenden Abschnitt)

Das Übersetzen (bzw. die Auswahl einer Übersetzung) bedeutet bereits eine Interpretation

Genau, aber es ist für mich notwendig, den Text zu übersetzen, da ich ihn sonst nicht verstehe. Selbst wenn mir nur eine deutsche Version mit "ersparen" vorliegen würde, müsste ich immer noch "übersetzen", indem ich abwägen würde, ob hier ein "ersparen" im Sinne von "er hat sich durch sparen die Sache ermöglicht" (positiv) oder "diese negative Sache musste er zum Glück nicht erleben" (negativ).

mußt du dir darüber bewußt sein, daß du nicht die Aussage des Autors vor dir hast, sondern die gefilterte Lesart seines Übersetzers

Ich klammere mich ja nicht an eine der Übersetzungen. Sie sollen eben nur die Problematik des Wortes "spare" verdeutlichen. Und es sind ja auch nicht irgendwelche Übersetzungen. Was die Verengung angeht, so gehe ich möglichst vorsichtig damit um, indem ich erstmal lediglich eine positive und eine negative Interpretation von "spare" diskutiere AM BEISPIEL von "ersparen" und "aufsparen". Ich könnte es auch an "ersparen" und "schenken" machen, aber das würde hier keinen wesentlichen Unterschied machen.
Ich übersetze den Text ja nicht erst und interpretiere ihn dann, sondern tue das gleichzeitig. Ich interpretiere daher keine Übersetzung, sondern interpretiere das Original, indem ich es zu übersetzen versuche. Sobald ich dann nur noch über eine übersetze Version rede, habe ich das Original schon zu einem großen Teil interpretiert.
Aber vielleicht verstehe ich auch nicht, wo das Problem sein soll, zu diskutieren, ob "spare" "ersparen" oder "aufsparen/ermöglichen/schenken/sichern" bedeuten soll, indem ich die Interpretationen auf deutsch und nicht auf englisch ausdrücke. Ich könnte ja auch von "to make a gift/to make possible/to save" sprechen - oder ich schreibe "aufsparen/ermöglichen/schenken/sichern" - sorry aber wo ist in diesem Fall das Problem?

Es gibt genügend interpretationsbedürftige deutsche Literatur

Ich weiß und es wäre wahrscheinlich einfacher einen vergleichbaren deutschen Text zu interpretieren. Aber das vorleigende Gedicht interessiert mich nunmal persönlich - es hat eine gewisse persönliche Relevanz. Ich glaube daher, wesentlich motivierter an den Text ranzugehen, als an irgendeinen deutschen Text, mit dem ich persönlich nichts verbinde.

Lykurg
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Di 4. Dez 2007, 00:24 - Beitrag #28

Und wie soll ich das machen? Jede Interpretation ist doch notwendig eine Art von Übersetzung. Und was macht es für einen Unterschied, ob ich die Übersetzung in einer anderen Sprache oder in der Sprache der Vorlage durchführe?
Daß bei jeder Zwischenstufe zwangsläufig Ungenauigkeiten dazukommen, im Sinne einer klaren Autorintention Fehler.
Ich übersetze den Text ja nicht erst und interpretiere ihn dann, sondern tue das gleichzeitig. Ich interpretiere daher keine Übersetzung, sondern interpretiere das Original, indem ich es zu übersetzen versuche. Sobald ich dann nur noch über eine übersetze Version rede, habe ich das Original schon zu einem großen Teil interpretiert.
Den Eindruck hatte ich zu Anfang noch nicht; das ist jedenfalls schon eine deutliche Verbesserung. Trotzdem bleibt es, egal wie sorgfältig abwägend du übersetzt, eine Übersetzung.
Aber vielleicht verstehe ich auch nicht, wo das Problem sein soll, zu diskutieren, ob "spare" "ersparen" oder "aufsparen/ermöglichen/schenken/sichern" bedeuten soll, indem ich die Interpretationen auf deutsch und nicht auf englisch ausdrücke. Ich könnte ja auch von "to make a gift/to make possible/to save" sprechen - oder ich schreibe "aufsparen/ermöglichen/schenken/sichern" - sorry aber wo ist in diesem Fall das Problem?
Diese Vorsicht ist eine Grundvoraussetzung; das Bewußtsein um das Problem der Unübersetzbarkeit - das in meinen Augen zu Anfang noch nicht hinreichend vorhanden war. Entscheidend ist, daß du sagst "in Zeile 9 steht 'spare', was sowohl eine positive Bedeutung im Sinne von 'gewähren' als auch eine negative Bedeutung, etwa 'vorbehalten, zuweisen' haben kann" - statt, was einer völlig anderen Herangehensweise entspräche, zu sagen: "Textfassung 1 besagt 'ersparte', Textfassung 2 'hat ... geschenkt'; in der ersten Fassung gilt also ..., in der zweiten ..."

Wenn du aber diese begriffliche Vorsicht bei jedem Wort anwendest, hast du immer noch nicht den Zusammenklang des Gedichts wiedergegeben; all diese deutschen Begriffe sind nur Versuch einer Annäherung. Es bleibt eine weiterhin kritisch zu beäugende Übersetzung.
Das Übersetzen von Gedichten gehört zu den schwierigsten Transferleistungen überhaupt; ich würde es mir außerhalb der Freizeit^^ nicht zutrauen - mein sprachliches Feingefühl reicht noch nicht einmal für eine zufriedenstellende Interpretation eines Gedichts aus sich selbst heraus; daher würde ich mir auch keine englischen Vorlagen aussuchen.
Ich weiß und es wäre wahrscheinlich einfacher einen vergleichbaren deutschen Text zu interpretieren. Aber das vorleigende Gedicht interessiert mich nunmal persönlich - es hat eine gewisse persönliche Relevanz. Ich glaube daher, wesentlich motivierter an den Text ranzugehen, als an irgendeinen deutschen Text, mit dem ich persönlich nichts verbinde.
Das hatte ich durchaus verstanden und überschrieb diesen Absatz ja auch mit "für später"... ich meine nicht, daß du nach dem hineingesteckten Aufwand davon absehen solltest, dich mit diesem Gedicht auseinanderzusetzen. Es ist eine durchaus fruchtbare Überlegung. Ich warne nur davor, mit Ähnlichem später Schüler zu behandeln - Schierlingssaft schmeckt schlecht, habe ich mir sagen lassen. ;)

Maurice
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Di 4. Dez 2007, 09:00 - Beitrag #29

Du hast mich jetzt aber total verunsichert Lykurg! ^^*
Soll ich jetzt weiter machen oder auf Grund mögliche Ungenauigkeiten im Detail auf Grund einer notwendigen Übersetzung aufhören - oder soll ich die Interpretation auf Englisch schreiben? Imo würde aber selbst ein Engländer oder Amerikaner (oder wer sonst noch englisch als Muttersprache spricht) vor dem gleichen Problem des "Übersetzens" stehen wie ich: Auch er müsste das Gedicht in "seine Sprache" übersetzen, auch er müsste den Text eines anderen so umcodieren, dass er ihn versteht. Und auch wenn das innerhalb einer Sprache passiert, können sich Detailfehler einschleichen.
Aber das ist jetzt schon ziemlich meta und an der Grenze zur Sprachphilosphie...

Ich habe leider gerade nicht viel Zeit, eigentlich gar keine, weshalb ich jetzt nur das bisschen schreibe. Später wahrscheinlich mehr. :)

Lykurg
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Mi 5. Dez 2007, 01:01 - Beitrag #30

pragmatisch:
An deiner Stelle würde ich weitermachen, und zwar auf Deutsch, immer, wenn du zitierst, ein englisches Wort nehmen und Vorsichtsformeln verwenden.
Später würde ich meinem Rat folgen :D und im Deutschunterricht keine englischen Texte untersuchen.

idealiter:
Beim Umcodieren innerhalb der Muttersprache geht (hoffentlich) weniger schief als beim sprachenübergreifenden Umcodieren, vor allem aber weniger als dann, wenn Umcodierungsprozesse sowohl für das Erstellen als auch für das Verstehen der Übersetzung notwendig werden... Codierungsfehler können (/dürften) ja auch schon beim Niederlegen des Gedichts durch seinen Autor geschehen sein. Manche Schritte sind unvermeidlich; wir sollten aber versuchen, das Vermeidbare zu vermeiden.

Maurice
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Mi 5. Dez 2007, 10:10 - Beitrag #31

Lykurg, ich verspreche dir, die Tage nochmal ausführlicher zu antworten. Im Moment sind meine Gedaken aber primär bei meinem Soziobiologie-Referat, bei dem ich endlich mal weiterkommen muss, weshalb es mir an Muße fehlt (hehe doppeldeutig), mich auf das Gedicht zu interpretieren.
Aber kurz noch zum Deutschunterricht: Ich hatte nie vor, dort englische Gedichte zu besprechen - für was haben die Kinder Englisch? Die behandelt dort ja auch keine deutschen Gedichte. ^^

janw
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Mi 5. Dez 2007, 18:31 - Beitrag #32

Maurice, ich würde es so machen, wie Lykurg es vorgeschlagen hat, wobei nach meinem Eindruck die Knackepunkte nun alle benannt sind, das Problem ist also begrenzt.
Aus muttersprachlicher Sicht habe ich "spared" gleich im Sinne von "gewähren, schenken, erübrigen" gelesen, dieser Decodierungsschritt ist im Grunde so automatisch, wie daß ich nicht an eine Frau mit Kindern denke, wenn ich eine Regal-Bauanleitung lese, die mit Schraubverbindungen arbeitet.

Ein interessantes Beispiel für kritische Decodierung gibt es in:
Jacques Derrida: Gesetzeskraft. Der "mystische Grund der Autorität".
Zugleich auch ein Beispiel angewandten Dekonstruktivismus', könnte Dich vielleicht für diese Denkungsart begeistern^^

Lykurg
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Do 6. Dez 2007, 00:31 - Beitrag #33

Aber kurz noch zum Deutschunterricht: Ich hatte nie vor, dort englische Gedichte zu besprechen - für was haben die Kinder Englisch? Die behandelt dort ja auch keine deutschen Gedichte. ^^
Wie gesagt habe ich das mehrfach anders erlebt. Meine vorletzte Deutschlehrerin hat mit uns einen Grisham gelesen (in dt. Übersetzung; Thema: "Wie schreibe ich einen Bestseller". Ich weiß allerdings nicht, ob ich mich über einen Konsalik weniger geärgert hätte...^^)
Bei ihrer Nachfolgerin lasen wir dann "Romeo und Julia" - 'selbstverständlich' auf Deutsch.
Zu Faust sind wir dann "komischerweise" nie gekommen, und mir fehlen immer noch diverse Kanon-Klassiker. :(

Maurice
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Do 6. Dez 2007, 11:44 - Beitrag #34

Iirc haben wir in Deutsch nie englische Gedichte behandelt... aber wir haben auch außer ein bisschen oberflächlichen Smalltalk uns nie mit Gedichten beschäftigt. :(
Deshalb ist das hier mein erster richtiger Versuch einer systematischen Gedichtsinterpretation. Wahrscheinlich würde es mir einfacher fallen, wenn einem sowas mal ansatzweise beigebracht wurde. ^^

@Janw: Deine spontane Übersetzung werde ich zu berücksichtigen versuchen. Es ist natürlich kein Argument, das man in der Hausarbeit bringen kann ("Janw aus der Matrix hat "spare" automatisch mit XY übersetzt."), aber für mich ist das natürlich ein Hinweis.
Stellt sich mir gleich die Frage: Ich habe ja bisher primär zwei Übersetzungen diskutiert, nämlich "ersparen" und "aufsparen" - ist "gewähren, schenken, erübrigen" ausreichend bedeutungsgleich mit "aufsparen" oder sollte man die dieses Begriffsfeld von "aufsparen" trennen und diese beiden Ansätze diskutieren und miteinander abwägen? Ich selbst bin mir gerade nicht sicher, ob man "aufsparen" in das Begriffsfeld "gewähren, schenken, erübrigen" einfügen kann oder nicht...

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