Angeregt von diesem griechischen Mythos überkam mich jüngst der Gedanke die Sache mal in eigene Worte zu fassen.
Auf Fußnoten zur Klärung der Namen und Begriffe habe ich erstmal verzichtet.
Ich wünsche guten Appetit bei der bescheidenen Lektüre.
[align=left]Von Marsyas[/align]
[INDENT]Als die Göttin Athene am Bache saß und die Doppelflöte spielte, erschien ihr das eigene Gesicht im Wasser, erschrak über die aufgeblähten Wangen und ihren verzerrten Gesichtsdruck, mit welchem die schöne Melodie die Göttin entstellte. Erschrocken warf sie darob die Flöten beseite und ließ sie am Ufer liegen, denn mit ihrem zweiten Gesichte hatte sie bereits gesehen, welches Unheil und Unbill die Flöte bringen werde.
Wenig später fand sie der bocksbeinige Marsyas, der seit Jahr und Tag den Gott des Weines mit Trommel und Zimbel begleitete. Die Flöten führte der Satyr zu seinem Munde und hielt sie genauso schräg; wie ihm einst die Hörner aus der Stirn gewachsen; als er nun voll Freude blies und lustige Reigen spielte, kam das Unglück über ihn. Erst folgten seinem Flötenspiel nur die Satyrn, bald auch der greise Silen, endlich Nymphen und Panther, Zicklein und Menschen. Erfüllt vom unbekannten Klang der wunderlichen Flöte schien ihnen die karge Welt vergessen, erblickten Gesichte des Elyisums, sahen sie bald die Mänaden wie Semele den olympischen Zeus, tanzten, lebten, starben…
Da alle Welt seinem Spiel folgte, überkam ihm der Gedanke den unsterblichen Apollon herauszufordern, wer der beste Spielmann sei, ja selbst dessen Kranz zu tragen, dessen Thron zu besetzen. Derowegen trafen nun beide zusammen, Leier und Flöte, und wählten die neun Musen zu ihren Schiedsdamen, dass sie den Sieger bestimmten. Zuerst spielte der Satyr die Flöte mit bekanntem Zauber und ergriff die Musen, danach setzte Apollon nach mit dem Leierspiel, doch konnte er anfangs die Lorbeeren nicht für sich gewinnen, erst als der blonde Gott seine Stimme zum Lied erhob, konnte Marsyas mit seiner Flöte im Munde nichts mehr entgegen bringen und die Musen kürten schließlich Apoll zum Sieger, bekränzten ihn zur Gottheit.
Apoll als Sieger, heiß erzürnt über die eitle Herausforderung, ergriff die arme Bocksgestalt und in der Einfalt des Schinders hängte er ihn kopfüber wie ein Stück Wildbret auf. Statt ihm die Kehle durchzuschneiden, führte er das Messer zum Bauch des Opfers und trennte die Decke des jaulenden Marsyas aus. Apollon zog dem dreisten Flötenspieler das Fell über die Ohren, Sehnen und Muskeln kamen zum Vorschein. Der Satyr sah nun mit Schmerz verzehrten, lidlosen Augen den lichten Apoll an, wie dieser sich dessen rohe Haut gleich einem skythischen Mantel überwarf und des Satyrn Blut die blonden Locken des Gottes benetzte. Im Augenblick des Todes erkannte Marsyas die wahre Gestalt der Welt, des Alls und des Lebens, die im inneren verborgen lag wie der harte Kern im dünnen Fleisch der Olive.
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