Weder noch, ehrlich gesagt. Es gibt so viele Stellen in und außerhalb der Literatur, in die man bei Bedarf Sexuelles (feministisches/postkolonialistisches/antisemitisches/wai) hineindeuten kann, dass dies hier nur eine Spielerei ist. Wenn alles, was an homoerotischen Anspielungen in Klassiker hineingelesen werden kann tatsächlich beabsichtigt wäre, dann müsste man wohl von einer heterosexuellen Minderheit sprechen anstatt umgekehrt. Es spielen viele Faktoren eine Rolle; insbesondere das Konzept männlicher Freundschaft, das in der besagten Zeit andere Arten von Intimität vorsah als heute; dann ist es so, dass sehr viele Bereiche des Sexuellen mit Euphemismen, allgemeineren Ausdrücken und Metaphern aus dem Kriegsbereich bebildert werden, sodass im Sexuellen auch das Aggressive, allerdings auch leicht im Aggressiven das Sexuelle gelesen wird.
Ich denke, das Großartige an Shakespeare ist, dass sich viele Stellen in mehrerer Hinsicht deuten lassen, ohne, dass man sich für eine Deutung entscheiden müsste.