Iliasübertragungen

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e-noon
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Sa 11. Dez 2010, 21:51 - Beitrag #1

Iliasübertragungen

Für meinen nächsten Aufsatz muss ich mir ein Thema innerhalb der Übersetzungstheorie aussuchen und habe mir die Ilias ausgeguckt, anhand derer ich gerne eine bestimmte Übersetzungstheorie (keine Ahnung, welche, ist mir auch egal) aufzeigen würde. Hat jemand Ideen, welche Übersetzungen dafür infrage kämen? Soweit ich weiß, dürfte ich beispielsweise auch die deutschen Übersetzungen vergleichen, da würde sich natürlich auf der einen Seite Johann Voß anbieten und auf der anderen Seite... Schrott? :P Latacz? Oder jemand älteres, da es ja historisch vergleichend sein soll?

Falls irgendjemand Ilias-übersetzungen kennt, gerne auch in anderen europäischen Sprachen (gibt es eine norwegische Iliasübersetzung? :D ), bitte melden! :)

janw
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Sa 11. Dez 2010, 22:36 - Beitrag #2

Bei Voss würde sich dann nach meinem Eindruck noch die Frage ergeben, ob er überhaupt einer Übersetzungstheorie gefolgt ist, ob es derlei theoretische Konzepte zu seiner Zeit überhaupt gab.
So gesehen könnte ein Vergleich seiner Übersetzung mit der von Latacz, vielleicht noch ein, zwei anderen dazwischen, vielleicht gar einer englischsprachigen, die Entwicklung des theoretischen Konzepts von Übersetzung nachzeichnen. Vielleicht bietet sich auch die Frage an, if Homer got lost in translation^^



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Hat sich eigentlich außer Tolkien noch einmal wer an der Übersetzung der Hobbitsprache versucht?^^

blobbfish
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Sa 11. Dez 2010, 22:40 - Beitrag #3

Wenn du bereit bist, der Ilias zu entgleiten ließe sich der 'Kratylos' hernehmen und dort vornehmlich der Teil der Wortethymologie bzw. Eponymie. Wohingegen Deuschle am griechischen Spiel arbeitet überträgt Schleiermacher das ganze wesentlich freier ins Deutsche. Die Theorien dahinter wirst du sicher finden.

e-noon
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Sa 11. Dez 2010, 22:56 - Beitrag #4

@Blobbfish: Ich möchte den Arbeitsanspruch möglichst gering halten und die Ilias habe ich schon gelesen... außerdem ist das das einzige Thema bisher, das mein Interesse wecken konnte.

@Jan: Natürlich muss die Übersetzung keiner Theorie folgen, um durch eine solche beurteilt oder beschrieben zu werden, Dialektsprecher Italiens im 13. Jahrhundert hatten ja auch in den meisten Fällen keine Dialektologie studiert. Es kann also irgendeine Übersetzung sein, wobei sich natürlich eine nicht allzu abwegige anbietet, es stellt sich also die Frage nach den bekanntesten und vielleicht auch gegensätzlichen Übersetzungen - da wären Voß und Schrott natürlich gut, aber das wäre zu einfach, bzw. zu platt ^^ oder ist jemand anderer Meinung? Voß im Hexameter vs. Schadewaldts freie Rhytmen etwa, oder Voß will ich schon mit reinbringen, den habe ich nämlich gelesen :D in Fraktur! (iirc)
Chapman käme in Frage (14er), Lattimore, Fitzgerald... :confused:

Lykurg
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Sa 11. Dez 2010, 23:19 - Beitrag #5

Ja, Voß/Schadewaldt könnte ich mir gut vorstellen (erstere auch gelesen, mit letzterer im Unterricht gearbeitet), Schrott fand ich spannend, Latacz habe ich mir noch nicht angesehen. Was ist mit Roland Hampe? Spreng gg. Voß wäre nochmal was ganz anderes, aber ich weiß nicht, ob sie den in Durham haben...

Edit: Ich sehe gerade... Bild

e-noon
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Sa 11. Dez 2010, 23:44 - Beitrag #6

@Lykurg: Nein!!! Lies dir die Stelle mit dem Arbeitsaufwand nochmal durch :P

Voß/Schadewaldt, ist da genug Abstand (zeitlich und methodisch) für eine Gegenüberstellung?

Roland Hampe ist Voß auf den ersten Blick zu ähnlich, Schrott wäre eine Überlegung wert, aber der Tipp, mal zu sehen, was sie in Durham haben, ist Gold wert! Danke! Ich werde die Ergebnisse dann hier zur Diskussion stellen ;)

e-noon
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So 12. Dez 2010, 00:25 - Beitrag #7

Also: Scheinbar ham sie die Ilias auch in Norwegen ^^

Das würde Yanapaw gefallen...

Latin and Greek fallen weg. Auch alles vor, sagen wir, 1700. Bleibt übrig ein gewisser Spoelder, der mir nicht ganz geheuer ist. Die Suche geht auf Englisch weiter.

Für "Iliad" finden sich eine Robert Fitzgerald-Version in Hild&Bede :heart: - Ein Zeichen?
Außerdem gibt es diverse Versionen, die nur an Mitglieder gewisser anderer Colleges verliehen werden, zu denen eh keiner gehören will. Übrig bleiben:

Chapman:
Ab 1598 veröffentlichte er seine Übersetzung der Ilias, 1616 erschien die vollständige Ausgabe Ilias and Odyssee in der ersten vollständigen englischen Übersetzung, The Whole Works of Homer.


Fitzgerald:
was a poet, critic and translator whose renderings of the Greek classics "became standard works for a generation of scholars and students."[1] He was best known as a translator of ancient Greek and Latin.


Pope:
(scheidet aus, da er sie wohl nicht vollständig übersetzt hat)

Lattimore
was an American poet and translator known for his translations of the Greek classics, especially his versions of the Iliad and Odyssey, which are generally considered as among the best English translations available.

(könnte Ärger geben... fühlen sich die Briten dadurch auf den Schlips getreten?

Fitzgerald, Lattimore oder Chapman?

Lykurg
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So 12. Dez 2010, 00:33 - Beitrag #8

Der Andersen-Titel klingt mir aber nicht sehr norwegisch...
Warum meinst du, der Abstand zwischen Voß und Schadewaldt sei nicht groß genug? Das ist natürlich methodisch was ganz anderes, als wenn du die englischen Übersetzungen dazunimmst, die Voß wahrscheinlich nicht kennen.

Ich würde ja Chapman und Spreng vergleichen. Bild

e-noon
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So 12. Dez 2010, 00:45 - Beitrag #9

Nein!!!

Nein, der klingt nicht sehr Norwegisch, ich hatte das einfach als gutes Zeichen interpretiert. Ich war jetzt aber doch neugierig und ja, die Ilias gibt es auf Norwegisch.

Chapman ist mir wahrscheinlich zu schwierig (Hauptkriterium ist und bleibt der Arbeitsaufwand).

Fitzgerald oder Lattimore?

Richmond Lattimore’s version is “a free six-beat” line-for-line rendering that explicitly eschews “poetical dialect” for “the plain English of today”; it is literal, unlike older verse renderings. Robert Fitzgerald's version strives to situate the Iliad in the musical forms of English poetry; his forceful version is freer, with shorter lines that increase the sense of swiftness and energy.

janw
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So 12. Dez 2010, 01:16 - Beitrag #10

e-noon, willst Du die hochsignifikante Korrelation zwischen Faulheit und Student weiter verstetigen? ;)

Chapman und Voss wäre interessant bezüglich der frühen methodischen Entwicklungen (1600 vs 1800), zwischen Voss und Lattimore klafft etwa genauso viel Zeit wie zwischen Voss und Schrott/Latacz.

Ich finde die frühere Entwicklung spannender, weil nicht von externen methodischen Konzeptentwicklungen /Lagerbildungen beeinflusst.

Traitor
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So 12. Dez 2010, 13:16 - Beitrag #11

Inhaltsnah vs. stilnah vs. wortnah, bzw. ein beliebiges Zweierpaar aus diesem Dreieck, wäre meines Erachtens die interessanteste Gegenüberstellung, völlig unabhängig von Entstehungszeit und eventuell expliziter theoretischer Verortung.

Sind auch freie Nachdichtungen noch im Projektrahmen? Dann könnte man all die für-die-Jugend-Versionen zu verreißen versuchen...

e-noon
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So 12. Dez 2010, 13:29 - Beitrag #12

Ja, Traitor, das war meine grobe Vorüberlegung, ich sehe, unsere Kenntnisse im Fach Übersetzungstheorie sind ungefähr auf dem gleichen Stand :D

Ich schätze, ein Verriss einer Schrott-Übersetzung (sprechender Name ^^) wäre tatsächlich etwas zu einfach und würde den Absprüchen nicht genügen. Dann lieber Voß/Lattimore, zu dem gibt es viel Sekundärliteratur und keinen klaren Verlierer :)

janw
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So 12. Dez 2010, 14:49 - Beitrag #13

Warum denn ein Verriss von Schrott?
Ist doch eine spannende These, die er vertritt^^

e-noon
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So 12. Dez 2010, 14:59 - Beitrag #14

Was genau findest du daran spannend? "Verriss", weiß ich mich automatisch auf der texttreueren Seite sähe. Homer schreibt allen Experten zufolge in einem durchgängig hohen Register; wenn das jemand in zeitgenössischen Slang überträgt, ist das eben für meine Begriffe eine Übertragung und keine Übersetzung mehr. Wäre kein Problem, wenn er das deutlich machen würde, aber es kommt mir schon so vor, als würde Schrott seine Übersetzung als textnah empfinden, was sie wohl nicht ist.

Eine spannende These zu vertreten, ist auch an sich noch kein Gewinn, ich kann auch die spannende These vertreten, dass in meiner Waschmaschine ein schwarzes Loch ist, welches einzelne Socken aufsaugt, das taugt dann vielleicht für einen Comic, aber nicht für den Nobelpreis der Physik.

janw
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So 12. Dez 2010, 15:36 - Beitrag #15

Das mit der spannenden These und der Waschmaschine meinst Du hoffentlich nicht wirklich, jede Waschmaschine IST ein schwarzes Loch.

Naja, Schrott vertritt ja eine interessante These hinsichtlich der Verortung des Ilias-Geschehens, er sieht da Beziehungen zu den Assyrern, außerdem beklagt er den tiefen Bosporus zwischen den Graezisten und Orientalisten.
Ich könnte mir vorstellen, daß sich das auch in seiner Übersetzung bzw. Deutung der Ilias niedergeschlagen hat - ist sie vielleicht gar nur eine griechische Adaption eines assyrischen Topos?

e-noon
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So 12. Dez 2010, 15:45 - Beitrag #16

http://www.welt.de/kultur/article2380038/Jetzt-ist-Homer-ein-vulgaerer-Schriftsteller.html

ist sie vielleicht gar nur eine griechische Adaption eines assyrischen Topos?
Wenn sie das ist, wird es sicher nicht Schrott sein, der es herausfindet. Ich als Gräzist würde mich auch ärgern, wenn die jahrzehntelange Arbeit eines Forscherteams aufgrund der reißerischen und unbelegten Thesen eines Laien nicht mehr beim Publikum ankommt. Und selbst wenn es ein assyrisches Topos sein sollte, wie würde das solche Begriffe in der Ilias rechtfertigen:

Schäferstündchen, Weichei, vifer Kerl, hinterfotzig, Standpauke.

:confused:

janw
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So 12. Dez 2010, 16:25 - Beitrag #17

Kann man Schrott einen Laien nennen?
Nach meinem Eindruck ist sehr viel in Bewegung in der Erforschung der Kulturgeschichte Anatoliens und umzu, seitdem etliche neue Ruinenstätten in dem Raum gefunden wurden. Die klassische Wahrnehmung, daß der Raum gewissermaßen das gemeinsame Hinterland eines Konglomerats von Stadtkönigreichen in Griechenland (damals wohl vor allem Mykene, wenn ich nicht irre), von Mesopotamien und Ägypten war, gut und Chatti dazu, ist vielleicht so nicht zu halten bzw. nur für bestimmte Phasen zutreffend.

Gut, die Ilias-Übersetzung ist nicht so gelungen, ich hatte im Kopf, daß da etwas mit war, aber so... :boah:
Die einzelnen Ausdrücke wären aber angemessen, wenn der Text sie hergeben würde.
Was gab es für einen Aufschrei, als festgestellt wurde, daß die marmornen Säulen keinesfalls im klassisch-schlichten Weiß erstrahlt haben, die Antike eine bunte Welt gewesen ist!

e-noon
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So 12. Dez 2010, 16:28 - Beitrag #18

Natürlich, es gibt immer neue Entdeckungen und das ist auch gut, und auch Laien können über eine alte Stadt stolpern. Und ich traue Schrott auch zu, dass er das mit Absicht flapsig übersetzt hat; aber dann hätte er entweder alles so übersetzen sollen und das außerordentlich als seine eigene Tönung kennzeichnen sollen, oder eine Begründung liefern, warum Homer so und nicht anders übersetzt werden sollte, und die wird wohl unmöglich sein, da Homers Stil eben, und das sagen glaube ich alle Experten übereinstimmend, ein sehr hohes Register war.

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So 12. Dez 2010, 16:40 - Beitrag #19

Vergiss nicht, daß Experten in Netzwerken existieren^^

Du hast aber recht, Schrott hätte sein Vorgehen begründen müssen, und Einheitlichkeit wäre auch angebracht gewesen.
Lass ihn also auf dem Haufen liegen^^

Aber etwas Einblick in angloamerikanisch-kontinentale Unterschiede wäre schon spannend :)

e-noon
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So 12. Dez 2010, 16:44 - Beitrag #20

Ja, ich glaube, ich nehme jetzt Lattimore- Voß, da gibt es einigermaßen Sekundärliteratur und passt auch sicher in irgendeine nette Theorie.

Danke an alle für die rege Beteiligung! :wink:

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