Die Geschichten vom Skaldenmet

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Maglor
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Mo 3. Jan 2011, 23:17 - Beitrag #1

Die Geschichten vom Skaldenmet

Hier mal zur Abwechselung eine Verschachtelung von Kurzprosa rund um die Nordische Mythologie und die großen Fragen der Menschheit - das Werk eines Abends.


Die Geschichten vom Skaldenmet


Es war in einer schäbigen Schenke in Uppsala. Der Rauch reizte mein Auge und das schale Bier lag schwerer im Magen als auf der Seele, sodass mir der Gedanke nicht fern lag den Hut vom Haupte zu ziehen und eben darein zu brechen. Plötzlich sprang ein Mann auf den Tisch und erhob sich zur Rede. Es war wohl ein berühmten Skalde oder wenigstens einer, der erzählen konnte:

Gehör heische ich Heimdalls Söhnen, die Mären vom Skaldenmet will ich euch berichten:

Als Odin erfahren hatte, dass der Reifriese Suttung den Skaldenmet in seiner Höllenfeste verbarg, wählte der Ase die Larve eines Wurmes. Wie eine Made fraß er sich durch die Mauern der Burg und gelangte zum Schlafgemach der Riesentochter. Mit der hässlichen Gunnlod, Suttungs Tochter, hielt der Verlarvte drei Tage lang den Beischlaf. Als Lohn für die Freiersdienste verlangte der zuchtlose Ase nur drei Schluck vom wertvollen Skaldenmet. Während Odin – noch immer die Schlangenhaut tragend – die Riesin liebkoste, erzählte Gunnlod, wie der Skaldenmet der Reifriesen Eigen geworden war:

Ihr ruchloser Vater Suttung von den Reifriesen zog einst nach Gold und Geschmeiden gählend gen Zwergenheim. Er irrte umher, auf die schwarze Brünne weisend und seinen breites Schwert vorzeigend. Als Knecht und Huskarl wollte er Ruhm und Ringe unter den Wurzeln der Esche verdienen. Dem Riesen traten zwei ungestaltige Zwerge entgegen. Namen nannten sie ihm, die wenig bedeuten: Fjalar und Galar, Brüder und vom Stamme Durins. Beide Däumlinge suchten einen Hüter für ihren Schatz und den Hünen wählten sie hierzu als ihren Kämpen. Ein Kessel von Gold und Silber sei nicht ihr Schatz, nur das Behältnis. Durch die Wurzeln wiesen sie ihm den Weg zu diesem Hort und hohe Zwergenstimmen überboten einander mit Lob ihrer Tat und Tugend:

Erst vor einigen Wochen hatten die beiden ein noch seltsameres Wesen getroffen, das in zaubererischen Zungen sprechend Unter- und Oberwelt verzückte. Welcher Welt es angehöre, fragten die Zwerge und es sprach, es hieße Kvasir. Nachdem die Götter ihren großen Krieg beendet und Frieden bedingt hatten, spukten Asen wie Wanen ihre Weisheit in einen irdenen Napf. Nicht tot war der Speichel, er sprach, war Kvasir geworden und erzählte von Dingen und Denken, die keiner je möglich gehalten. Fjaler und Galar bekamen glänzende Augen, so sehr waren sie vom Glück angefüllt. Gemeinsam erschlugen sie Kvasir und pressten alle vier Säfte des Lebens aus der Leiche. Mit Honig und Hefe vergoren sie Galle, Blut und Speichel zu einem Met, der so zauberisch und wertvoll sei, dass nur der Reifriese ihn zwar nicht Schlangen und Aaren, wohl aber vor Dieben bewahren könne. Weisheit für alle Wesen, stecke im Kessel und keiner dürfe daraus schöpfen.

Wie Suttung dies alles angehört und die überschäumende Schüssel gesehen hatten, überlegte er nicht lang, denn er hatte sein Glück gefunden. Mein fürchterlicher Vater hat sie beide erschlagen und den Skaldenmet hierher mit mir in meiner Kammer verschlossen und versiegelt. Und nun mein furchtloser Reiter, will ich dir deinen Lohn nicht verwehren. Drei Schluck vom Skaldenmet, meine liebste Schlange, sind Entgelt dir genug.

All den Ekel Gunnlods und die drei Nächte vor Gier vergessend, führte Odin den Kessel zum Munde und trank drei große Schlucke – Götterschlucke. Leer ließ er den goldnen Kessel zu Boden Fallen, seine Schlangenhaut flog in Fetzen vom nun aufgeblähten Leib. Gunnlod schrie auf, dass der entlarvte Odin nicht nur die Unschuld sondern auch den Met geraubt hatte. Den Schrei der Tochter hörte Suttung, er öffnete die Kammer und wurde des diebischen Freiers gewahr. Odin streifte die Larve eines Adlers über und floh durch das Fenster davon. Suttung verfolgte den Verlarvten bis zur sicheren Feste Asgards. Dort angekommen reichte Frigg ihrem heimgekehrten Gatten einen großen Kessel und Odin spie den Skaldenmet wie die Weisheit wieder aus. Auf diese Weise erlangte Odin den Skaldenmet und immer, wenn daraus trank, wurde ihm ganz weise zumute und so beendete der Skalde seine Rede.

Zum Abschluss ließ sich der Redner von einer hässlichen Alten ein riesiges mit Met gefülltes Horn reichen und trank daraus. Wie er seine Kehle wieder befeuchtet hatte, reichte er das Horn an mich weiter. Der Met stieg mir schnell zu Kopf. Ich graulte mir noch einmal kurz im Bart, zog mein Messer und stach auch den Skalden ein, denn ich habe erkannt, dass jede gute Geschichte mit dem Tod enden muss.

Ipsissimus
Dämmerung
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Di 4. Jan 2011, 12:36 - Beitrag #2

sind schon sehr prosaische Vorstellungen in der nordischen Mythologie^^ na ja, in anderen genau so^^

Schreibst du im Prinzip bekannte Geschichten um, Maglor? Oder sind das genuine Neuschöpfungen von dir im Stile der Edda und anderer Epen?

Maglor
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Di 4. Jan 2011, 20:03 - Beitrag #3

Ja und nein.
Die Geschichte sind dir anscheined unbekannt. ;)
Die Geschichten sind nicht neu, nur gekürzt, teilweise gekürzt und geändert. Insbesondere Episoden ohne die notwendige Schlüpfrigkeit habe ich ersatzlos gestrichen. Die Bedeutung von Körperflüssigkeit und Gewalt habe ich etwas stärker in den Vordergrund gerügt.
Allein die Rahmenhandlung ist eine genuine Neuschöpfung.

Lykurg
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Di 4. Jan 2011, 20:45 - Beitrag #4

Ich hatte auch einige der Namen für deine Erfindungen gehalten... schon krudes Zeug, die griechische Mythologie ist mir da eindeutig näher.

Maglor
Karteizombie
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Mo 10. Jan 2011, 20:34 - Beitrag #5

Von allen nordischen Mythen erschien mir die Sache mit den Skaldenmet mit ihren Metamorphosen und etwas Sex & Crime als eine der griechischsten - wenn auch nicht ganz so griechisch wie die Kastration des Uranus oder die Zeugung des Minotaurus, aber etwas griechisch durchaus.

Leider offenbaren sich die Motive, Anspielungen und die Metaebene, die die Erzählung enthält nur Kennern der entsprechenden Mythologie. :(


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