Etymologie des Vogels

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
janw
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Mi 16. Feb 2011, 23:13 - Beitrag #1

Etymologie des Vogels

Bei der Lektüre älterer Texte ist mir vor ein paar Tagen aufgefallen, daß das Wort für "Vogel" in Europa eine interessante sprachliche Spur gezogen hat, die ich so nicht erwartet hätte.
Konkret stolperte ich in dem Lied "Aquila altera" von Jacopo da Bologna über den Begriff Uccell, der offenbar auch heute noch gebräuchlich ist, daneben verwendet er den Begriff oseletto, der offensichtlich mit frz. oiseau verwandt ist, aber offenbar nicht mehr gebräuchlich.
Ich hätte hier ein Überleben des lat. avis erwartet, das aber offenbar nur im Spanischen (neben dem dortigen pajaro) gegeben ist.
Für mein Empfinden hängt uccell möglicherweise lautlich mit "Vogel" zusammen, was indes insofern eigenartig wäre, als Vogel häufiger von nord. fugle abgeleitet wird.
Bemerkenswert in dem Zusammenhang noch die andersartigen Bildungen im Englischen "bryd" (heute bird) und fewel, heute fowl, letzteres für größere, v.a. Hühner und Wasservögel.
Trifft meine Deutung von uccell zu, oder gibt es andere Erklärungen?

Traitor
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Do 17. Feb 2011, 22:45 - Beitrag #2

Fewel und fugle sind doch ziemlich nah beieinander, womit fowl und Vogel zusammen hingen. Merriam-Webster nennt sogar noch deutlich ähnlichere Varianten:
Middle English foul, from Old English fugel; akin to Old High German fogal bird, and probably to Old English flēogan to fly

Interessant auch, dass früher wohl bird nur für Jungvögel stand, die älteren eher fowls waren. Das hat sich dann wohl von alters- zu speziesbedingter Größendistinktion verschoben.

Zu romanischen Sprachen müsste ich jetzt mehr recherchieren, als ich gerade die Zeit habe. Zumindest zu Italienisch hat e-noon aber sicher etwas zu sagen.

Literatur klingt angemessen, oder? War zuletzt öfters für Sprachfragen dran.

Maglor
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Do 17. Feb 2011, 23:05 - Beitrag #3

Das Deutsche Wörterbuch (Grimms Wörterbuch) sagt:

[INDENT]vogel, m. , avis,
gemeingermanisch, ohne entsprechung auszerhalb des germanischen: got. fugls, altnord. fugl (fogl), dän. norweg. fugl, schwed. fogel, ags. fugol, engl. fowl, nld. vogel, alts. fugal, ahd. fogal[/INDENT]

Es gibt durchaus alte deutsche Lehnwörter im Italienischen.
Ansonsten: Italienisch? :rolleyes:
Wikipedia sagt: "From Late Latin avicellus, aucellus < Latin avis."
Also handelt es sich etymologisch um einen spätantiken Diminutiv von lateinisch avis.

janw
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Fr 18. Feb 2011, 01:33 - Beitrag #4

Stimmt natürlich, fewel/fowl sind auf fugle zurück zu führen, hatte ich nicht gesehen.

Die Rückführung von uccell erscheint schlüssig, wobei aucellus mir zugleich zu oiseau/oseletto hinzuführen scheint. Vielleicht ist das eine Dialektbildung im piemontesischen Bereich, der iirc zeitweise zu Südfrankreich gehörte, provencal?

Maglor, andererseits wäre es doch zu schön gewesen, ein sprachliches Mitbringsel der Langobarden ;)

e-noon
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Fr 18. Feb 2011, 01:45 - Beitrag #5

Sprachliche Mitbringsel der Langobaden sind guerra < werra (Krieg, bei uns noch erhalten in "Wirren") und guancia (Wange), zumindest laut meinem Prof.

Spätantike Diminutive hats haufenweise im Italienischen... da kann ich Maglor nichts mehr hinzufügen.

Maglor
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So 20. Feb 2011, 12:47 - Beitrag #6

Wenn Professor eine Erklärung dafür hat, warum der Krieg auf spanisch die gleiche Etymologie hat, bin zufrieden. Ansonsten glaube ich nicht an die Möglichkeit einer Unterscheidung gotischer und langobardischer Lehnworte.

janw
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So 20. Feb 2011, 13:49 - Beitrag #7

guerra machte mich auch stutzen...gewiss kann man da Assoziationen spinnen zu war, andererseits könnte werra sich in der Lombardei zu einem Teil des von dort nach Südfrankreich sich entspannenden Dialektkontinuums entwickelt haben, das ja auch an der Entstehung des catala beteiligt war.

Sonst: Verkürzung aus bellum gerere, guerra, das (Aus)geführte, der (aus)geführte Kampf.

Wobei dann wieder...es gibt noch die etwas altertümliche Form des sich gerieren, sich wie/als etwas aufführen, sich geben usw.
Aus lat. se gerere, sich betragen.

e-noon
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So 20. Feb 2011, 13:57 - Beitrag #8

Oh je. LangobaRden natürlich mit r, aber sicher bin ich mir nicht einmal mit den Langobarden selbst. Vielleicht sagte er auch einfach unspezifisch "Germanen". Es ist immerhin schon 3 Semester her ^^

late O.E. (c.1050), wyrre, werre, from O.N.Fr. werre "war" (Fr. guerre), from Frank. *werra, from P.Gmc. *werso (cf. O.S. werran, O.H.G. werran, Ger. verwirren "to confuse, perplex"). Cognates suggest the original sense was "to bring into confusion." There was no common Germanic word for "war" at the dawn of historical times. O.E. had many poetic words for "war" (guð, heaðo, hild, wig, all common in personal names), but the usual one to translate L. bellum was gewin "struggle, strife" (related to win). Sp., Port., It. guerra are from the same source; Romanic peoples turned to Germanic for a word to avoid L. bellum because its form tended to merge with bello- "beautiful."
Letzteres auch interessant; durch den Wegfall der (Kasus-) endungen fielen einige Wörter zusammen, aber bei bellum müsste es das Problem ja eigentlich schon vorher gegeben haben. Vielleicht wurde "bellum/o" für "schön" aber auch einfach populärer als konkurrierende Formen.

Quelle.

Maglor
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Mo 21. Feb 2011, 20:06 - Beitrag #9

Ergänzend zum eigentlich Thema:
[INDENT]vögeln, verb.
1) vögel fangen [...]
2) aus dem vogelflug weissagen [...]
3) hin- und herschweifen, von menschen [...]
4) coire, intrans., u. begatten, trans. zunächst von den vögeln [...]
bei menschen: [...]
und hinten drein komm ich bey nacht
und vögle sie, das alles kracht
Göthe
5) einzelnes: vogeln in obscönem sinn, aber vom bild des vogelfangs ausgehend [...]
[/INDENT]

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Di 22. Feb 2011, 01:05 - Beitrag #10

:rofl:

Gibt es dazu eine Datumsangabe?

Wer ist Göhte? ^^


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