Shakespeares Sonette

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
e-noon
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Di 22. Feb 2011, 15:14 - Beitrag #1

Shakespeares Sonette

Hier, einzeln mit Kommentar oder komplett, finden sich Shakespeares Sonette. Das bekannteste ist wohl

Shall I compare thee to a summer's day?
Thou art more lovely and more temperate:
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer's lease hath all too short a date:
Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimmed,
And every fair from fair sometime declines,
By chance, or nature's changing course untrimmed:
But thy eternal summer shall not fade,
Nor lose possession of that fair thou ow'st,
Nor shall death brag thou wander'st in his shade,
When in eternal lines to time thou grow'st,
So long as men can breathe, or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.


Im folgenden werde ich einige sprachliche Fragen klären, die mir momentan in Bezug auf meine eigenen Sonette gestellt werden; allerdings freue ich mich über jegliche Meinung, Erfahrungswerte oder Fragen zu den Sonetten :)

___
Verwendet Shakespeare "Not" am Satzanfang?
Ja.

Sonnet XIV:
"Not from the stars do I my judgement pluck;
And yet methinks I have Astronomy [...]"

Sonnet LV:
"Not marble, nor the gilded monuments
Of princes, shall outlive this powerful rhyme [...]"

Das Wort "rosebud" kommt, zu meinem Erstaunen, offenbar in keinem der Sonette vor; es ist jedoch in meiner Erinnerung unter Shakespeare abgespeichert und somit vielleicht aus einem der Dramen. Bezüge zu Rosen(-mündern) gibt es natürlich zuhauf, der mir vertrauteste ist wohl

Sonnet CXVI:
"Love's not Time's fool, though rosy lips and cheeks
Within his bending sickle's compass come [...]

Und in Sonnet I wird, wie sich nach Hinweis und nochmaligem Lesen ergeben hat, erst von "Rose", dann von "Bud" gesprochen.

Zur Reimreinheit ebenfalls ein Beispiel aus Sonnet I:
"From fairest creatures we desire increase,
That thereby beauty's rose might never die,
But as the riper should by time decease,
His tender heir might bear his memory"

To be continued... :)

Traitor
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Fr 25. Feb 2011, 23:51 - Beitrag #2

Gelesen habe ich bisher nur eine Handvoll, da mir die Dramen mehr geben. Hübsch sind sie aber selbstverständlich.

Gibt es eine sprachpuristische Regel gegen "not" am Anfang? In Lyrik sollte doch eh die Satzstellung ziemlich frei sein, und als Inversion erscheint mir das auch ansonsten als halbwegs übliches Stilmittel.

"Memorei" klingt schon eher süddeutsch denn shakespearian. ;)

e-noon
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Sa 26. Feb 2011, 00:08 - Beitrag #3

Gelesen habe ich bisher nur eine Handvoll, da mir die Dramen mehr geben.
Der Vergleich hinkt ^^ hättest du von einem Drama nur einzelne Passagen willkürlich ausgewählt und gelesen, dann käme das deiner Behandlung der Sonette nahe... Aber auf Grundlage einzelner Sonette den Sonettzyklus zu bewerten, ist grenzwertig.

Das mit dem "Not" hatte ich falsch verstanden, es ging um "Not" mit anschließendem Hilfsverb, im Sinne von "Not have I". Ich plädiere trotz allem auf künstlerische Freiheit ^^

Zu "memory": Kommt auf das rrr an. Aber schiefe Reime kommen definitiv bei Shakespeare vor... also sollten sie mir auch erlaubt sein! :)

Ipsissimus
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Mo 28. Feb 2011, 17:30 - Beitrag #4

<ot> ein mustergültiges Sonett von Robert Gernhardt ^^

11 „Sonette find ich sowas von beschissen, a
10 so eng, rigide, irgendwie nicht gut; b
11 es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen, a
10 daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut b

11 hat, heute noch so’n dumpfen Scheiß zu bauen; c
10 allein der Fakt, daß so ein Typ das tut, b
11 kann mir in echt den ganzen Tag versauen. c
10 Ich hab da eine Sperre. Und die Wut b

11 darüber, daß so’n abgefuckter Kacker d
10 mich mittels seiner Wichserein blockiert, e
11 schafft in mir Aggressionen auf den Macker. d

10 Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert. e
11 Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen: a
11 Ich find Sonette unheimlich beschissen.“ a </ot>

Traitor
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Di 1. Mär 2011, 00:20 - Beitrag #5

e-noon, kann man denn bei den Sonetten von einem geschlossenen Zyklus reden? Ich dachte, sie seien über einen ziemlich langen Zeitraum entstanden, und zumindest beim bisherigen stichprobenhaften Lesen fiel mir auch kein größerer Zusammenhang auf.

Ipsi, nun ist die Frage, zitierst du dies als Zusammenfassung deiner Haltung zur Gedichtsform allgemein und Shakespeares Realisationen insbesondere?

e-noon
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Di 1. Mär 2011, 01:21 - Beitrag #6

Das kommt natürlich darauf an, wie du Zyklus definierst. Es wird keine durchgehende Geschichte erzählt, doch aus den wenigen Anhaltspunkten lässt sich schon eine Grundkonstellation der Sonette ableiten, um deren Konsequenzen die Sonette kreisen, und die gemeinsamen Themen ziehen sich vom Anfang bis zum Ende. Es besteht also ein starker Zusammenhang zwischen den einzelnen Stücken, allerdings nicht unbedingt ein chronologischer, weshalb man sich auch hinsichtlich der Reihenfolge der Sonette schwer einigen kann.

Spoiler
Sonett 1-17 handeln stringent von dem vom Erzähler idealisierten jungen Mann (Fair Youth), der zur Heirat und Fortpflanzung bewegt werden soll, damit seine Schönheit nicht mit ihm stirbt; in den folgenden Sonetten geht es um die Verehrung des jungen Mannes und sein Verhältnis zum Erzähler, der sich manchmal vernachlässigt fühlt, herausfindet, dass seine Geliebte (Dark Lady) sich mit dem Fair Youth eingelassen hat, hadert und verzeiht; die Fortpflanzung wird mehr oder weniger schleichend durch das Fortleben in der Dichtung ersetzt; die folgenden Sonette handeln von der Liebe/Besessenheit von der Dark Lady, einer nicht idealisierten, dafür aber sehr realen Frau, die den Dichter betrügt, unter anderem mit dem Fair Youth; hier wäre ein klares Indiz für die Verbindung.

@Ipsi: Kannte ich schon ^^ Zitierst du dies als Provokation oder gibt es deine Meinung wieder? (oder beides? ^^)
Die Form des von dir zitierten Sonetts ist an Petrarca angelehnt, nicht an Shakespeare. Die berühmte Form des "Shakespearean sonnet" ;) ist ja 4 Quatrains und ein Couplet, bestehend auf zwei Zeilen und meist eine Wendung, Verschärfung oder Pointe enthaltend. Was auch immer man gegen den Canzoniere von Petrarca vorbringen kann, muss daher nicht auf Shakespeare zutreffen.

Ipsissimus
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Di 1. Mär 2011, 10:55 - Beitrag #7

eigentlich war es als Klamauck gedacht, erkenntlich gemacht per <ot>-Tag, und somit der Fun-Sektion eher zugehörig, inhaltlich allerdings hier eher zu verorten.

Sachlich habe ich weder für noch gegen Sonette etwas. Gut gemacht sind sie halt ein gutes Gedicht, schlecht gemacht ein schlechtes. Und ein schlechtes Gedicht wird auch nicht zu einem guten, weil es ein Sonett ist, so nett ist kein Sonett^^

aus meiner Sicht verweisen Sonette auf das merkwürdige Phänomen, dass viele Künstler nur Mittelmaß produzieren, sobald sie jede formale Freiheit haben. Erlegen sie sich selbst allerdings formale Restriktionen auf, scheinen sie aufzublühen - insofern gibt es wirklich viele gute Gedichte, die Sonette sind, und ich muss Gernhardt sachlich widersprechen^^

ein mustergültiges Sonett, formal betrachtet, ist das Gernhardtsche trotzdem, denn die Sonett-Form ist italienischen Ursprungs. Shakespeares Sonette sind demgegenüber schon formale Weiterentwicklungen, wobei ich das nicht überbetonen würde, metrische Veränderungen hat es in Sonetten immer und überall gegeben, ohne dass die Form gesprengt worden wäre. Aber natürlich sind die Shakespearschen Formen besonders stabil

e-noon
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Di 1. Mär 2011, 11:33 - Beitrag #8

ein mustergültiges Sonett, formal betrachtet, ist das Gernhardtsche trotzdem, denn die Sonett-Form ist italienischen Ursprungs.

Natürlich, nichts anderes sagte ich ja auch :D Allerdings eben ein Petrarchisches Sonett und kein Shakespearisches. Wobei Shakespeare sich zwar meist, aber auch nicht immer an seine eigene Form gehalten hat.

Sachlich habe ich weder für noch gegen Sonette etwas. Gut gemacht sind sie halt ein gutes Gedicht, schlecht gemacht ein schlechtes. Und ein schlechtes Gedicht wird auch nicht zu einem guten, weil es ein Sonett ist, so nett ist kein Sonett^^

Zweifellos ^^

aus meiner Sicht verweisen Sonette auf das merkwürdige Phänomen, dass viele Künstler nur Mittelmaß produzieren, sobald sie jede formale Freiheit haben. Erlegen sie sich selbst allerdings formale Restriktionen auf, scheinen sie aufzublühen - insofern gibt es wirklich viele gute Gedichte, die Sonette sind, und ich muss Gernhardt sachlich widersprechen^^
Die Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich denke, die naheliegendste Erklärung ist die, dass bei Sonetten mehr Augenmerk auf den Entscheidungen liegt - man hat eine begrenzte Zahl von Versen und besonders auch Reimen; fallen einem beim ersten Suchen 8 Reime ein, so ergeben vielleicht 4 davon grundsätzlich Sinn, man ersinnt also vier Möglichkeiten für selbigen Vers, muss dann noch daran arbeiten, dass sie 10 (11) Silben nicht überschreiten, und wählt dann von den erarbeiteten Alternativen die beste aus. Sind diese Restriktionen nicht gegeben, schreibt man einfach das erstbeste auf.

Lykurg
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Di 1. Mär 2011, 13:05 - Beitrag #9

Sind diese Restriktionen nicht gegeben, schreibt man einfach das erstbeste auf.
Nö.^^ Kann aber natürlich passieren.
Daß strenge Formen teilweise besonders inspirierend wirkten, sieht man ja auch am Ghasel und anderen exotischen Modeformen, auch die Begegnung mit anderen Sprachsystemen und dazugehörig abweichenden ästhetischen Konzepten (Haiku, aber auch schon metrische Dichtung, etwa Hexameter) sind gelegentlich erstaunlich produktiv. Andererseits gibt es da auch genügend Beispiele für leeres Wortgeklingel. Auch ein Sonettenkranz ist keine Garantie für geniale Inhalte. Als Idee finde ich so etwas oder gar Krügers Sonettennetz aber äußerst faszinierend...

e-noon
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Di 1. Mär 2011, 13:29 - Beitrag #10

Die Erklärung war natürlich nur für die Fälle gedacht, auf die die Beobachtung zutrifft ^^ also freie Gedichte, die wirken, als hätte man das erstbeste aufgeschrieben, gegenüber besseren Sonetten, möglicherweise desselben Dichters.

Sagen wir so: Die Form ist eine zusätzliche Kontrollinstanz; sie hindert einen effektiv daran, das Erstbeste aufzuschreiben, das einem in den Sinn kommt, wenn etwa der Reim nicht stimmt oder das Versmaß. Man könnte es natürlich trotzdem aufschreiben, aber dann wäre es kein Sonett mehr. Dass Sonette oder jedwede Form keine Garantie für Qualität und überzeugenden Inhalt sind, wurde ja bereits gesagt.


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